Im Inneren der Palisade

  • Im Inneren der Palisade war es zwar nicht windstill aber hatte der Baumeister es mit Geschick geschafft einen Großteil des rauen Windes abzuflachen und somit die Torwachen vor der beißenden Kälte die der Wind in diesen Tagen mit sich brachte zu schützen.


    Der Gerüstete betrachete die beiden Neuankämmlinge skeptisch, das Tor wurde hinter ihnen wieder geschlossen und drei weitere Männer, sowie zwei leichter gerüstete Frauen und stiegen von den Befestigungsanlagen herunter um sich die Fremden zu mustern.
    Schließlich trat die Wache, die ihnen barsch Einlass gewährt hatte näher. Seine Stimme klang nicht weniger barsch, doch seine Züge verrieten, dass er nicht gerade einen Angriff der beiden erwartete:


    "Ihr habt soeben die Siedlung Exilia betreten. Wir heißen Euch als Gäste willkommen!"


    Mit einem Nicken wies er vier der Wachen an, wieder die Tore zu besetzen, eine der Frauen blieb an seiner Seite. Sie war einfach gekleidet und nicht sonderlich groß, man könnte die Statur durchaus mit einem Elb vergleichen. Bloß die Hörner auf ihrer Stirn und die sonderbaren, leicht glühenden Augen verrieten, dass es sich nicht um eine menschliche Frau handeln mochte.

  • Galwine betrat den von der Palisade umgebenen Bereich und war dankbar, dem schneidenden Wind nicht mehr ausgesetzt zu sein. Warm war es dennoch nicht.
    "Habt Dank guter Mann! Wollt ihr nun unsere Waffen in Gewahrsam nehmen, so bitte ich euch, dies schnell zu tun, und uns , so dies um diese Tageszeit noch möglich ist und man Zeit für uns hat, zum Protektor oder einer anderen zuständigen Person zu führen. Anderenfalls bitte ich euch, uns Quartiere zuzuweisen, wo wir die Nacht verbringen können, um uns morgen den Vorstehern dieses Ortes vorstellen zu können. Oder wie verfahrt ihr für gewöhnlich mit Neuankömmlingen?"
    Galwine vermied es während der gesamten Zeit, die Frau länger anzusehen. Besonders versuchte er, ihr nicht aus Versehen in die Augen zu blicken. Man hatte ihm erzählt, Drow würden jeden, der es wagte, das zu tun, ohne zu zögern töten. Er glaubte nicht, das die Frau vor ihm eine Drow war, doch war er noch nie einem von diesen begegnet und sich daher nicht sicher, wie sie wirklich aussahen. Auch ihre Hörner wollte er nicht zu auffällig anstarren, weil er das als unhöflich empfand und es ihm selbst immer unangenehm war, wann die Menschen seinen linken Arm anstarrten. Daher trug er meist Handschuhe. Er warf einen Blick auf ihre Füße- zumindest konnte nicht sie die Fußspuren auf der Straße nach Exilia verursacht haben, stellte er ein wenig erleichtert, aber auch ob seiner unbefriedigten Neugier ein wenig enttäuscht, fest.

  • [mangels erfolgter Accountfreischaltung von mir geposted doch von Neiranya geschrieben:]


    Neiranya sah Galdwine unter ihrer Kapuze hinweg an und ihre Hand schloss sich instinktiv um den Bogen, der ihr wie immer quer über den Rücken hing. Sie war nicht ganz so bereit wie ihr Begleiter, ihre Waffen ebenso schnell abzulegen wie er, und mochten die Gründe noch so nachvollziehbar sein. Aber sie sagte nichts. Sie waren auf den Schutz der Palisade angewiesen, das hatte sie der schneidende Wind nur zu bitter spüren lassen. Sie senkte den Kopf wieder ein wenig, um die Frau vor ihnen näher betrachten zu können, auch wenn sie beunruhigender weise den Eindruck hatte, dass der Schatten einer Kapuze sie nicht vor ihren Blicken würde schützen können. Aber sie genoß ihre Fremdheit, genoß all das Seltsame um sie her, das ihre plötzlich belanglosen Eigenartigkeiten mit Leichtigkeit übertraf.

  • Nun ergriff die Frau das Wort. Hatten die Worte des Mannes barsch geklungen so klangen ihre nicht einladender, wenn auch deutlich ruhiger.


    "Lasst eure Waffen ruhig wo sie sind. Ihr genießt als unsere Gäste", sie betonte das Wort bestimmend, "das Privileg in der Gästeresidenz übernachten zu dürfen. Desweiteren wird man Euch und eure Gefährtin...", ihr Blick war seitdem sie das Wort erhoben hatte an Neirànya hängen geblieben. Es lag kein Erstauenen in ihrem Blick oder besonderes Interesse, vielmehr eine Art Gespür, dass man etwas teilte. "...zu gegebener Stunde mit allem Nötigen versorgen."


    Sie würdigte dem redseeligen Mann keinen weiteren Blick und wies hinüber zu einer Reihe dicht aneinanderstehender Steinhäuser. Anschließend setzten sie sich in Bewegung, der Wachmann blieb am Tor zurück.


    "Einen Protektor gibt es nicht. Ich werde Euren Besuch melden und, wenn Ihr darauf besteht, jemand Anderen davon in Kenntnis setzten, welches Anliegen Euch zu Uns führt."


    Es ging weiter die schmale Straße hinauf. Zu beiden Seiten waren Gebäude aus Stein errichtet worden, über jeder Tür war ein schwarzer Fetzen Stoff angeschlagen worden, der ab und zu im Wind tanzte. Durch die Fenster drang das Licht von entzündeten Feuern hinaus auf die Straße. Das Grau des Himmeln mischte sich mit dem fahlen Licht der rasch untergehenden Sonne. Es würde vermutlich schon bald dunkler werden.

  • Während er der Frau folgte, begann Galwine sich allmählich zu fragen, ob er im Überschwang der Erwartung, endlich wieder in einem bequemen Bett schlafen zu können und einen Ort sein zu Hause nennen zu können, nicht vielleicht ein wenig viel erwartet und die Gastfreundschaft der Exilanten überschätzt hatte. Offenbar galt auch hier,dass man einem Fremden zwar freundlich aber mit großer Vorsicht begegnete. Gleichzeitig überlegte er, ob er seine Absicht, hier eventuell eine Weile zu leben, nicht weniger freimütig bekannt geben sollte. Er war es gewöhnt, dass man ihn zwar zunächst misstrauisch beäugte, sich in den meisten Fällen mit offenen Armen empfing. Zumindest war das in der alten Welt noch so gewesen, wenngleich er dort bloß selten die Grenzen der Grafschaft, in der er gelebt hatte, verlassen hatte. Er begann allmählich zu begreifen, dass die Welt offenbar viel größer war, als er sich bisher vorstellen konnte. Jedenfalls schien er die Frau irgendwie beleidigt zu haben. Auch empfand er ihr Auftreten ihm gegenüber recht hochnäsig, aber das würde er sich nicht anmerken lassen.
    Was ihn noch mehr irritierte, war ihre Feststellung, es gäbe hier keinen Protektor. Eigentlich war er der festen Überzeugung gewesen, zumindest soweit er auf Grund seiner wenig umfassenden Kenntnisse der hiesigen Politik, die er sich unterwegs aneignen konnte, überhaupt zu festen Überzeugungen gelangen konnte, dass Exilia ein eigenständiges Protektorat war. Aber vielleicht hatte er sich getäuscht.
    Die angenagelten Stofffetzen über den Türen warfen weitere Fragen auf. War dies Teil eines ihm unbekannten Kultes? Offenbar hingen alle Bewohner Exilias diesem BRauch an, denn er entdeckte die Fetzen über jeder Tür, an der sie vorbeiliefen. Vielleicht, so überlegte er, musste er sich diesen Ort erst bei Tageslicht ansehen und auch ein paar der Bewohner sprechen, bevor er entschied, ob er hier leben wollte.
    Er wollte die Frau nicht noch mehr verärgern, daher stelle keine weiteren Fragen, sondern sagte lediglich:
    "Es genügt mir für den Moment völlig, wenn uns erlaubt wird, uns hier als Gäste...", auch er betonte das Wort, um ihr zu zeigen, dass er ihren Hinweis verstanden hatte, "...aufzuhalten. Wir möchten keine unnötigen Umstände machen, habt vielen Dank. Doch sagt mir bitte, wird von uns erwartet, uns morgen oder sonst irgendwann bei jemandem zu melden? Gibt es jemanden, an den wir uns wenden können, ohne ihm oder einer anderen Person zu nahe zu treten?"

  • [mangels erfolgter Accountfreischaltung von mir geposted doch von Neiranya geschrieben:]


    Neirànyas Blick folge der Sonne während sie gingen, eine bleiche Scheibe, die im Westen versank. Sie merkte wie ihre Gedanken allmählich abschweiften zu den Flammen, die man zum Teil nur erahnen, doch hinter anderen Fenstern munter flackern sah. Sie versuchte erst gar nicht, sich ein weiches Bett vorzustellen, zu bitter wäre eine enttäuschte Hoffnung nach Wochen enger Schiffskojen und feuchter Strohsäcke.
    Es war nicht so, dass sie wirklich müde gewesen wäre – das Gefühl, endlich, und wenn vielleicht auch nur für kurze Zeit, irgendwo angekommen zu sein erfüllte sie dafür mit zu großer Aufregung, obgleich sie es gewohnt war, dergleichen nicht offen zur Schau zu tragen. Aber dennoch ertappte sie sich bei dem Wunsch, dass, wer auch immer für ihre Angelegenheiten hier zuständig sein mochte, doch bitte bis morgen warten konnte. Für ihren Geschmack redete Galwine schon wieder etwas zu viel – man würde es ihnen schon zu verstehen geben, übergingen sie gerade eine wichtige Persönlichkeit oder überträten sie auf andere Weise das Gastrecht.
    Für heute genügte es ihr, einfach irgendwo einen Unterschlupf zu bekommen vor dem beißenden Wind.

  • Av'Sha sah die Beiden schief an lächelte gequält und führte sie anschließend zu einem größeren Gebäude, welches sie gemeinsam betraten.

    Die Große Halle.


    Ein beeindruckendes Bauwerk, Zier und Stolz der Siedler Exilias. Zwar glich es nicht den Prachbauten von Paolos Trutz, doch die ebenmäßige Kuppel die sie erblickten verstrahlte ein prachtvolles Licht. Vereinzelt waren Verzierungen in den Stein getrieben worden und ein fachmännisches Auge hätte sogleich bemerkt, dass ein Meister seines Handwerks diese Arbeiten vorgenommen haben musste. Zu allen Seiten führten Gänge zu den Fremden unbekannten Räumen.
    Av'Sha wählte einen der helleren Gänge und geleitete die beiden Reisenden zur Gästeresidenz.
    Unterwegs entschloss sie sich die Beiden etwas mehr zu erzählen.


    "Der Senator weilt derzeit in Paolos Trutz, er wird bald einen neuen Protektor ernennen..."


    Mehr mussten sie nicht über die derzeitige Lage Exilias wissen. Zumindest nicht aus ihrem Munde.

    "Wie gesagt: Ich werde euren Besuch melden - Falls ihr noch heute mit jemandem Zuständigen reden wollt, so lasst es mich wissen. Andernfalls wird Euch in absehbarer Zeit etwas zur Stärkung gereicht. - Für einen Spaziergang durch die Siedlung wird es vermutlich bald zu dunkel sein."

    Ihre Augen funkelten.
    "Außerdem empfiehlt es sich für Fremde einen Führer dabei zu haben."

  • Galwine war froh, dass die Frau ihm eine Möglichkeit geboten hatte, ohne sein Gesicht zu verlieren, auf weitere Spaziergänge zu verzichten. Er war heute schon entschieden genug gelaufen. Das Gebäude, das sie betreten hatten, gefiel ihm gut. Es war keineswegs eine mühsam zusammengezimmerte Holzhütte, wie man sie hier, gewissermaßen am Ende der Welt erwarten konnte. Er zog zu schnell Schlüsse aus dem, was er sah, stellte er fest, indem er sich an die Fetzen an den Türen erinnerte. Aber die Frau schien doch nicht so unfreundlich zu sein und er hatte doch Recht gehabt! Exilia war ein Protektorat! Was wohl mit dem alten Protektor passiert war?
    Er bedankte sich ausdrücklich bei der Frau für die ihnen erwiesene Gastfreundschaft, während sie, wie er hoffte, sich ihren Quartieren näherten. Dann setzte er hinzu:
    "Ihr habt Recht, ich denke, wir können uns diesen Ort auch bei besserem Licht morgen Früh ansehen. Gibt es jemanden, den ihr uns als Führer empfehlt?"

  • Av'Sha lächelte kühl.


    "Ich werde einen der Siedler Exilias vorbeischicken."


    Sie zeigte den Fremden die Gästeresidenz:
    Ein großes Quartier, ausgestattet mit einer Feuerstelle, einigen Möbeln wie zwei Tischen und einigen Stühlen, sowohl Verstauungsmöglichkeiten für Gepäck finden sich hier. Ebenfalls ein großes Bett aus nussbrauner Eiche ziert den Raum, ausstaffiert mit mehreren Decken und Kissen.
    Obwohl in der Feuerstelle kein Feuer brannte war es in dem Zimmer einigermaßen warm.


    Nachdem sie sich versichert hatte, dass die Beiden selbst zurecht kommen würden, verließ Av'Sha die Räumlichkeiten und kümmerte sich um alles Weitere.


    Wenig später klopfte eine junge Frau und brachte ihnen etwas zu Essen: Es gab zubereiteten Fisch mit Pilzen und das allerbeste Brot, welches Galwine und Neirànya je zu sich genommen hatten. Dazu stellte die Frau einen Krug mit frischem Wasser und einen mit mäßigem Wein, sowie zwei Becher aus Ton. Sie wünschte einen angenehmen Abend und entfernte sich schnell wieder.
    Es dunkelte rasch und bald war es stockfinster, bis auf die Silluette des Mondes die ab und zu aus den Wolken hervorbrach.

  • [Neuer Handlungsstrang, wenige Wochen später]


    Es war noch kälter geworden. Galwine vermutete und hoffte zugleich, dass der Winter nun seine kälteste Zeit erreicht haben und auch bald hinter sich lassen würde. Halb wünschte er, er wäre in der Wärme der großen Halle geblieben. Doch dort wäre er weitestgehend untätig herumgesessen, was mit seinem Naturell nur schwer zu vereinbaren war. Allerdings brachte ihn der Gedanke an die wohlig warme Luft im Inneren des Gebäudes auf ein neues Problem, das es zu bewältigen galt. Doch damit würde er sich später beschäftigen.


    Seit seiner Ankunft in Exilia hatte er viel Zeit damit verbracht, die Stadt, ihre Bewohner und ihre Geschichte kennen zu lernen, doch noch immer begegnete ihm immer wieder Neues und er war fühlte sich weit davon entfernt, alle Zusammenhänge zu verstehen. Allerdings konnte er sich des Eindrucks auch nicht erwehren, der Kreis der einflussreichsten Exilanten teile nicht alle seine An- und Absichten, Pläne und Entschlüsse mit ihm -wovon er auch nicht ausgegangen war- oder einer breiteren Mehrheit derer, die sich in den Mauern Exilias zusammengefunden hatten.Offenbar war Geheimniskrämerei auch hier nicht so unbeliebt, wie er gehofft hatte. Doch er beschloss, sich einstweilen mit der Annahme zu begnügen, dass sie schon alles zum Besten regeln würden.
    Man war ihm mit großer Offenheit, Freundlichkeit und nach kurzer Zeit sogar Vertrauen begegnet: bereits am Tag nach ihrer Ankunft hatte man ihm eine Weste aus Roth-Wolle gegeben, die ihn auch jetzt erstaunlich wärmte, man überließ es ihm, sich eigenständig um die Bibliothek zu kümmern, was zuvor mindestens zwei Jahre lang vernachlässigt worden war, beachtete man die unvollständigen Chroniken und Archiveinträge und den Staub, der überall wie eine dünne Schneedecke lag, und Av'Sha hatte sich schließlich entschlossen, seine angebotene Hilfe anzunehmen und ihn u.a. vor ein paar Tagen trotz aller Schroff- und Verschlossenheit ins Lager geschickt, um die Bestände zu sichten, zu zählen und zu katalogisieren. Dass es sich dabei um einen besonderen Vertrauensbeweis gehandelt haben könnte, hatte er erst später erfahren, als man ihm sagte, dass sie für gewöhnlich darauf bestehe, bei jeder Öffnung der Speichertore anwesend zu sein und zu kontrollieren, dass auch niemand mehr heraustrug, als sie ihm erlaubte. Doch Galwine hegte den Verdacht, dass sie ihn in Wahrheit damit getestet hatte und später alle Listen noch einmal selbst durchging und vielleicht sogar alles erneut auswog. Doch er machte sich deswegen keine Sorgen. Er war sehr Gewissenhaft vorgegangen und ziemlich sicher, dass sie keine Unregelmäßigkeiten finden würde.


    Als er ein paar Schritte gegangen war, fiel ihm auf, dass er sich keineswegs sicher war, in welche Richtung er sich zu wenden hatte und so beschloss er, den nächsten Siedler, der ihm nun über den Weg liefe, nach dem Weg zum Labor des Alchemisten zu fragen.

  • Galwine stand an jenem Teil der Festung, der momentan kaum mehr als eine breite Schneise war, die das dicht bebaute obere Stadtgebiet vom unteren ebenfalls recht dicht bebauten trennte. Wie ein Graben zwischen den Häusern wartete der inzwischen mit gelblichem, harten Grass bewachsene Streifen darauf in der Zukunft einem zweiten Ringwall Platz zu bieten. Ein paar Menschen - eine ältere Frau, drei junge Männer, ein Zwerg, ein Kender und noch einige Andere - waren auf der Straße unterwegs. Die meisten von ihnen sahen aus, als wären sie mit Leichtigkeit in der Lage den Weg zu einem beliebigen Platz innerhalb der Stadtmauern zu beschreiben doch niemand von ihnen laß Galwine sein Anliegen von den Augen ab, denn niemand sah in seine Augen - es war windig und kalt, sie alle wollten möglichst schnell ihr Ziel erreichen.
    Ein kleiner Junge kam vorbeigehopst. Er Trug Kleidung aus dicker Wolle und hatte eine Kappe auf dem Kopf die aus Leder und etwas Fell gemacht worden war. Galwine glaubte ihn zu kennen. Er hatte ihn vorgestern beim holen des Essens gesehen. Wie hieß er noch? Nasu? Masu? Der Junge hielt einen kurzen Lederriemen in der Hand der in seiner Fantasie mit dem Geschirr eines Larks verbunden war, was vermutlich die Erklärung für das gehörige Tempo des Jungen war. Er ritt ein paar mal um Galwine herum, während er beruhigend auf das Tier einredete bis dieses schließlich zum stehen kam. "Bist du ein Krieger? Wo ist dein Schwert? So kannst du keinen Rakh töten." Der Junge grinse Galwine altklug an. Er mochte wohl sechs oder sieben Winter zählen. Mit geübter Bewegung schwang er sich vom Rücken seines Larks und klemmte den Zügel hinter das Band, das sein Gürtel war. Fachmännisch befühlte er Galwines Jacke. "Guter Stoff", fuhr anerkennend und ohne Scheu fort, "Ich geb dir ein Silber dafür" Aus seinem Beutel holte er einen flachen, hellen Stein, den er Galwine hinhielt.

  • Galwine schmunzelte. Man sah nicht häufig Kinder in Exilia. "Ich fürchte, werter Herr, die Jacke steht nicht zum Verkauf", sagte er mit Bedauern in der Stimme. "Zwar ist der Preis, den Ihr mir dafür zahlen wollt, sehr großzügig, doch fürchte ich, ich würde bei dieser Kälte nicht lange genug überleben, um den Reichtum, der mir so zuteil würde, zu genießen." Er ging in die Knie, um sich auf Augenhöhe mit dem Jungen zu unterhalten. "Aber vielleicht möchtet Ihr, tapferer Recke, etwas an mir verdienen", sagte er, zog eine echte Kupfermünze hervor und hielt sie hoch - kein schlechter Lohn für einen kleinen Jungen, der dabei, wie er vermutete, sogar Spaß haben würde. "Die hier soll euch gehören, wenn ihr mir euer sicheres Geleit, Schutz und Weisung gewährt, bis ich sicher an meinem Ziel angekommen bin. Denn wie Ihr richtig erkannt habt, habe ich nur wenig von einem Krieger des Schwertes an mir und kenne mich zudem hier noch nicht sehr gut aus." Als er sah, dass der Junge nicht misstrauisch oder desinteressiert aussah, fuhr er fort: "Ich bin auf der Suche nach der Wirkungsstätte des Meisteralchemisten Exilias, Zarim Duronius. Könnt ihr mir den Weg dorthin zeigen?"

  • Mit blitzenden Augen sah der Junge auf das Kupferstück. Es war nicht der Blick eines Wilden, dem man eine Glaskugel hinhielt - schließlich besaß die Silbermünze in der Hand des Jungen den zehnfachen wert eines Kupferstücks - es war der Blick eines Geschäftsmannes, der das Angebot bekommt sein Vermögen um ein zehntes zu mehren.
    Gewichtig hob er die Augenbrauen und spannte die Schultern an. "Hab ich schon gesehen", sagte er gedehnt und mit bewusst müdem Blick, "ziemlich öde... Aber ich bring Euch gern hin, mein Herr! In diesen schweren Zeiten sollte niemand allein reisen müssen. Schon gar niemand der so schmächtig ist wie Ihr."
    Er schnalzte mit der Zunge während er den ledernen Riemen aus der Tasche zog und sprang auf den Rücken des Larks. Von oben auf Galwine herunterblickend sagte er: "Ich würde Euch gern einen Platz auf dem Rücken meines Larks anbieten, jedoch ist Phokos noch ein sehr junges Tier und nicht recht an Fremde gewöhnt. Ihr müsst schon mit Eurem eigenen Pferd vorlieb nehmen. Doch keine Sorge: Ich werde auf Euer Tempo Rücksicht nehmen."
    Mit einem leichten Druck seiner Fersen und einem Rütteln an den Zügeln setzte er sich in Bewegung, schoss ein paar Meter voraus, machte dann kehrt, umkreiste Galwine und gab durch Vorrauspreschen erneut die Richtung an. In dieser Weise - Galwine gehend, der Junge um ihn herumreitend - begannen sie den Weg in Richtung der Großen Halle emporzusteigen. Da heute nur wenige Siedler außerhalb der Häuser unterwegs waren, hatten sie keine Probleme voranzukommen. Schnell hatten sie den großen Markt überquert und folgten, hindurch zwischen Doimdils Bäckerei und dem großen Lager, der breiten Straße, die weiter hinauf führte. Der Junge achtete während der ganzen Reise gewissenhaft darauf, jede Seitengasse, jede Häuserlücke und jeden entgegenkommenden Passanten gründlich begutachtet zu haben, bevor Galwine diese Stelle erreicht hatte.
    Schließlich hatten sie den Eingang in der alten Palisade erreicht, der den Beginn der Großen Halle markierte. Schnell sprang der Junge ab, löste das Zaumzeug und gab seinem Lark einen leichten Klaps, woraufhin dieser vollkommen selbstständig in die Stallungen trabte. Der Kleine schenkte Galwine ein gewinnendes Lächeln. "Ihr seid fast da", sagte er. Gemeinsam durchschritten sie den Steinbogen. "Das hier ist es", freute sich Galwines Beschützer nach links gewandt. Sie standen neben einem der Gebäude, die vor längerer Zeit an die Innenseite der damaligen Befestigungsmauer gebaut worden war. Es unterschied sich insofern von den Meisten anderen Gebäuden im Hof, dass es fast keine Fenster besaß. Und die wenigen, die es gab, schienen sich lediglich zu kleineren Nebenräumen zu öffnen. "Dort hinten ist die Tür. Dort neben der Hütte mit den vernagelten Fenstern" Zufrieden grinste der Junge. Er hatte Galwine nicht nur eine sichere Reise geboten sondern ihn auch noch ganz genau an sein Ziel geführt. Erwartungsfroh streckte er dem Auftraggeber die Hand entgegen.

  • Galwine hatte, während sie unterwegs waren den Jungen beobachtet und sich gefreut, wie gewissenhaft er die Aufgabe übernommen hatte. Bevor sie losgezogen waren, hatte er kurz überlegt, sich ebenfalls auf ein imaginäres Reittier zu setzen, war aber zu dem Schluss gekommen, dass das nicht notwendig war, um dem Jungen sein Spiel zu erhalten und außerdem wollte er zumindest ein bisschen darauf achten, von anderen Erwachsenen respektiert werden zu können. Er hielt es auch jetzt für wichtig, dem Kind zu zeigen, dass es sich tatsächlich um ein Spielgehandelt hatte, welches für seinen, Galwines, Teil einstweilen vorbei war. "Vielen Dank, mein Junge", sagte er lächelnd und legte die Münze in die Hand des Jungen, hielt Hand und Münze allerdings noch einen Moment fest, damit dieser nicht sofort wegstürmen konnte. "Eins noch: verrate mir deinen Namen, wessen Sohn du bist und wo du wohnst! Vielleicht brauche ich ja bald mal wieder eine tapfere Begleitung und dann wüsste ich gerne, wo ich dich finden kann."


    Sobald der Junge wieder in seinem Spiel versunken von dannen gezogen sein würde, wollte er sich umdrehen und gegen die große Eingangstür klopfen.

  • Strahlend schaute der Junge auf Galwines Hand, unter der er das Kupfer wusste.
    "Ich bin Tang", sagte er zu der Hand, "Mein Vater ist Ronto der Schmied. Der macht den Pferden immer neue Eisen unter die Hufe. Deines Könnte das auch mal wieder gebrauchen." Er zeige auf eine nicht eindeutig auszumachende Stelle neben Galwines Fuß. "Komm einfach vorbei - für gut zahlende Kunden habe ich immer Zeit!"
    Er grinste noch einmal altklug bevor er das Kupfer aus Galwines Hand zog, winkte und - als wäre das die normale Art sich fortzubewegen - rückwärts in Richtung Tor hüpfte.
    Aus dem Tor des Gebäudes, dass das Zentrum der Großen Halle bildete löste sich eine Gruppe von Menschen - zumindest war auf den ersten Blick nichts zu erkennen, was darauf hingedeutet hätte, dass die Gestalten einer anderen Rasse angehört hätten. Der Großteil von ihnen schien der Stadtwache anzugehören. Aber es waren auch Solche dabei, die keine Uniform trugen. Es war schwer zu sagen, ob sie schlicht in zivil oder überhaupt nicht Teil der Wache waren. Die Stimmung der Gruppe schien gedrückt zu sein, während sie auf den Ausgang der Großen Halle zusteuerte.
    Plötzlich schien der Junge Jemanden in der Gruppe entdeckt zu haben. Er blieb kurz stehen, reckte sich, rief: "Hallo, Herr Duronius!", bevor er selbst, rückwärts durch das Tor hüpfend, einige Meter vor den Soldaten, die Halle verließ.

  • Der Junge war sein Geld wirklich wert gewesen und Galwine beschloss, sich den Namen Tangs zu merken. Er hatte sich schon halb abgewandt und wollte gerade die Hand heben, um an die Tür der Alchemiestube zu klopfen, als er seinen Ruf hörte. Schnell drehte er sich um und sah, in welche Richtung der Junge blickte. Obwohl Galwine Zarim in Mitten der Schar, die die große Halle gerade verließ, nicht erkennen konnte, ging er auf die Gruppe zu, machte, als er deren ernste Gesichter sah ein ebensolches, trat ihnen aber nicht in den Weg, sondern schloss sich ihnen an, bemüht, sich vorsichtig dorthin vorzuarbeiten, wo er Zarim vermutete. Ihn würde er fragen, was es mit der Prozession auf sich hatte.

  • Sobald Galwine in die Gruppe eingetaucht war war er im Stande einzelne Gesprächsbrocken zu verstehen.
    "...und nach wie vor keine Spur von Ihm!, beendete einer gerade seine Rede. "Wenn ich ganz ehrlich sein soll, dann würde ich fast sagen, der werte Herr Senator verschweigt uns was! Ja, es ist doch kaum möglich, dass der Heerführer sich aus dem Staub macht, sogar noch einen von diesen Vögeln mitnimmt und nach wie vor weiß niemand überhaupt nichts. Der Senator hat doch sicherlich Spitzel, die dem Mann schon längst auf der Spur sind." Ein Anderer wiedersprach dieser Auffassung, ein dritter stützte sie. Dann schließlich schaltete sich eine Stimme ein, die Galwine kannte. "Ich bin mir absolut sicher", sagte sie - es war zweifelsohne die Stimme Zarims, "dass Helias Abalim uns keine Informationen vorenthält. Es ist vielleicht schwer zu glauben aber ich denke wir müssen uns mit der Tatsache abfinden, dass Keel im Moment nicht verfügbar ist. Ich kann die Vorderung, die einige von Euch geäußert haben, ihn des Verrats anzuklagen gut verstehen. Trozdem: Lasst uns im Augenblick Ruhe bewahren und bitte tut, falls Euch Informationen zuteil werden, das, worum Senator Abalim gebeten hat: Leitet sie an ihn oder mich weiter."
    Die Gruppe war nun schon einige Meter aus dem Tor der großen Halle hinausgetreten. Zarim blieb stehen und verabschiedete sich von den Soldaten. Dann wand er sich Galwine zu, der inzwischen bis zu ihm durchgekommen war. "Wolltet Ihr zu mir?", fragte er freundlich. Während er dies sagte, begann er bereits wieder in Richtung der großen Halle zu gehen. "Mir wurde zugetragen Av'Sha hat euch das Lager sichten Lassen? Das freut mich außerordentlich. Es ist gut, wenn endlich mal jemand da ist, der der armen Frau ein paar Aufgaben abnimmt. - Obwohl das Hauptproblem in der Regel darin besteht, dass sie nicht bereit ist die Arbeit abzugeben. Kann ich Euch mit etwas bestimmtem dienen oder war es nur die Suche nach Gesellschaft die Euch zu mir trieb?"

  • "Versteht mich nicht falsch: Eure Gesellschaft wäre mir Grund genug, Euch aufzusuchen, allein, ich hatte stets den Eindruck, dass Ihr so beschäftigt seid, dass es unhöflich wäre, Euch auf diese Weise von Euren Aufgaben fernzuhalten. Daher habe ich mir als Vorwand ein Anliegen oder vielmehr eine Problemstellung gesucht, die ich gerne mit Euch erörtern würde, wenn ihr etwas Zeit entbehren könnt", sagte Galwine nicht ohne ein Lächeln, während er sich Zarim anschloss, froh, die Sache nicht in der Kälte des Tages besprechen zu müssen. Er nahm an, dass Zarim sich mit ihm an einen der Tische in der warmen Halle setzen würde.