Ankunft in Crest d'Velven

Es herrschte finsterste Nacht, als der Trupp aus dem Westen die Festung am südlichsten Rand von Gales Morgan erreichte.
Ein fahler Mond stand tief am Firmament, tauchte die nahe Gebirgskette und den Wald in ein silbernes Licht.

Talshalee hielt sich an der Spitze, lenkte ihre erwartungsvoll zischelnde Reitechse auf das Haupttor zu.
Die Wachen prüften ihre Identität und stellten die vertrauten Fragen, bevor sie die Gruppe passieren ließen.

Im Hof schwang sich die junge Drow aus dem Sattel und übergab das Tier an einen der Stallburschen, bevor sie Vith und Kalandorl für den Rest der Nacht freistellte und Micarrysn einen Sklaven zuwies, der dem Faern seine Kammer zeigen sollte.
Den neuen Sargtlin und die fremde Ilythiiri bürdete sie dem nächstbesten männlichen Ust'Sargtlin auf, der ihren Weg kreuzte und wies ihn an, die neuen demjenigen vorzustellen, der befugt war, darüber zu entscheiden, was mit ihnen geschehen sollte.
Dann machte sie sich mit Taldra an ihrer Seite in Richtung der Badegewölbe auf.

Es gab einiges, über das sie in Ruhe nachsinnen musste...

In der Festung ließ Talshalee dem Jabbuk eine Botschaft von ihrer mehr als vollzähligen Rückkehr zukommen.
Als sie den Korridor erreichten, an dem es auf geradem Weg zum Lazarett gehen würde, packte sie ihre Artgenossin am Kragen und zog sie dicht zu sich.

"Ich denke, ich brauche Euch nicht zu sagen, welchen Schaden Eure Worte in den falschen Ohren auslösen könnten. Und wie scharf mein Schwert ist, sollte Euch bereits bekannt sein."

Sie funkelte die andere gefährlich an.

Talshalee nickte der Sargtlin zu.

"Ins Lazarett mit Euch. Ihr seht furchtbar aus."

Dann wandte sie sich um und begab sich zu den Badegewölben.

Talshalee erreichte die Badegewölbe und sah sich um. Alles wirkte verlassen, was zu dieser Zeit auch nicht verwunderlich war.
Nur die Kohlen in den Becken glühten noch immer und hüllten den Saal in ihren warmen Schein.
Die junge Drow atmete in tiefen Zügen die von zahlreichen Badezusätzen schwere Luft und suchte nach einem Sklaven.

"Ein freier Zuber, abseits der anderen", wies die Ust'Sargtlin sie kühl an. Dann begann sie, ihre vollkommen verdreckten Kleider abzulegen.

"Tee und saubere Gewänder. Und lass diese hier reinigen."

Sie legte Maydorl samt Schwertscheide auf den Rand des Zubers und schwang sich dann in das dampfende Wasser.

Die Ust'Sargtlin ließ die Sklavin die Kleidung auf einen Schemel legen und nahm ihr den Tee ab, bevor sie sie mit einer knappen Handbewegung fortschickte.

Dann ließ sie sich zurücksinken und starrte an die Decke.

Eine gewisse Weile verbot sie sich, irgendetwas zu denken.
Dann ließ sie zu, dass ihre Gedanken zu dem Auftrag schweiften, der hinter ihr lag und dem, was noch kommen würde...

Micarrysn... der Faern hatte sich als äußerst fähig erwiesen, doch er wusste mehr über sie, als es ihr gefiel.
Acht Jahre in Sorcere...
Sie hatte gewusst, dass es ein Fehler gewesen war, ihm dies zu sagen, noch in dem Moment, in dem sie es ausgesprochen hatte.
Der blutmagische Ring... es ärgerte sie immernoch, dass sie ihn den beiden Magiern in die Hände gegeben hatte, welche ihn natürlich in ihrer Torheit zerstört hatten...
Die vier Elementarkugeln, welche nun neben dem Zuber in ihrer Tasche auf dem Schemel lagen... zu verlockend aber auch reichlich gefährlich...
Die Schwäche, die sie gezeigt hatte, die ihre Truppe deutlich gespürt hatte...
Der Geist und was sie getan hatte, um ihn zu besiegen, ihn, der ein Teil ihrer Selbst gewesen war...
Taldra, die jedes ihrer Worte gehört hatte und Micarrysn, der begann, zu verstehen...

Und das Auftauchen Nhileafaes, der jungen Ilythiiri, die sie nur allzu gut kannte und von der sie geglaubt hatte, dass sie längst tot war...

Ihr Blick irrte zu Maydorl hinüber.
Der Jabbuk würde toben, bei dem, was sie ihm berichten würde.
Sie ahnte, dass der Sturm nicht an ihr vorbeiziehen würde, aber sie würde es dennoch tun.
Tun müssen und tun wollen.

Talshalee schreckte wie aus einer Trance hoch und stellte zu ihrem Entsetzen fest, dass sie tatsächlich gelehnt an den Rand des Zubers eingeschlafen war. Ein rascher Blick sagte ihr, das ihr Schwert und die Sachen auf dem Schemel noch immer unangerührt lagen, wo sie zuvor gewesen waren.

Mürrisch wies sie die Sklavin an, einen anderen Sklaven nach Taldra und Micarrysn schicken zu lassen, welcher sie zu ihrer Kammer geleiten sollte, bevor sie sich aus dem eisigen Zuber schwang und sich rasch ankleidete.

Der Ust'Sargtlin war es gerade gelungen, ihre lange, nasse Mähne zu bändigen, als die Sargtlin und der Faern zu ihr traten.
In einem Anflug von Zorn sah sie sich nach der Sklavin um, welche ihr offensichtlich nicht richtig zugehört hatte.
Als sie die Frau nirgends mehr sehen konnte, stieß sie ein Schnauben aus und packte ihre Sachen.

"In meine Kammer", gab sie ihren Untergebenen zu verstehen und trat dann ohne ein weiteres Wort an ihnen vorbei.

Den gesamten Weg durch die finsteren Korridore schwieg die Ust'Sargtlin, tief in bleischwere Gedanken versunken.
Als die Tür ihrer Kammer hinter ihr ins Schloss gefallen war, bedeutete sie der Sargtlin und dem Faern, sich auf dem Boden niederzulassen und setzte sich ihnen gegenüber.

"Nun, ich weiß, dass es euch nach einer solchen Reise nach Ruhe verlangt. Ich bin nicht abgeneigt, euch diese zu gewähren, aber es gibt Dinge, die keinen Aufschub gestatten."

Sie verschränkte die Arme und musterte ihre Artgenossen.
Taldra war noch immer schwer mitgenommen und nur allzu offenkundig übel gelaunt.
Micarrysn schien müde, aber durchaus noch einsatzbereit zu sein.

"Nun gut". Talshalee atmete tief durch, kämpfte gegen die Erschöpfung an.

"Sobald der Jabbuk nach mir schicken lässt, werde ich gehen, um ihm Bericht zu erstatten. Und ich werde ihm alles berichten."

Sie warf Taldra einen vielsagenden Blick zu.

"Ihr werdet mich begleiten, Sargtlin."

Die grünen Augen richteten sich auf ihren Faern.

"Und Euch kann ich nur raten, in meiner Nähe zu bleiben und möglichst viel von Euren Heilerutensilien dabei zu haben."

Sie lächelte zynisch.