Ein Alchemist und ein Heiler

  • Stumm betete er zum Eynen. Seine Lippen bewegten sich lautlos, als er im Geiste alle möglichen Lobpreisungen und Bekenntnisse durchging. Fest krallten sich seine Fingerkuppen in den wehenden schwarzen Mantel seines Begleiters. Dieser schien, ganz im Gegensatz zu dem jungen Heiler, die nie erlebte, hohe Geschwindigkeit zu genießen und jauchtzte hin und wieder vergnügt auf, wenn er dem Laufvogel bedeutete eine schnelle Kurve zu nehmen.
    Sie waren am frühen Morgen aufgebrochen und befanden sich nun, da die Sonne langsam Richtung Horizont wanderte, bereits in der Nähe ihres Zielorts. Von den Stadttoren Paolos Trutzs bis nach Exilia bloß einen Tag! Unvorstellbar. Eine Geschwindigkeit die kein Pferd der Welt hätte erreichen können.


    Obwohl er erst vor Kurzem das Reiten erlernt hatte wurde beiden Gefährten recht schnell klar, dass es keinen Zweck hatte jeweils einen der Tiere zu reiten. Anfänglich war Valentin in panische Schreie verfielen, als das gefiederte Ungetüm sich mit voller Geschwindigkeit in Bewegung gesetzt hatte, was dazu führte, dass Zarim ihm einen Platz auf seinem Lark anbot. Ohnehin war mehr als genug Platz auf dem Vogel, selbst ein Dritter hätte ohne größere Mühe auf dem Rücken Platz finden können. Nun lief der zweite Lark mal hinter ihnen, mal neben ihnen her.
    Bäume und Büsche rauschten vorbei, Vogelgezwitscher verlor sich im Zugwind der in seine Ohren Drang und sein Haar aufwülte. Valentin kniff die Augen zusammen.


    "Exilia!", Erleichterung, Vorfreude und Erstaunen darüber die Siedlung innerhalb eines Tages erreicht zu haben schwangen in seiner Stimme mit. Innerlich sandte er ein kurzes Dankgebet an den Eynen, der ihn wiedereinmal sicher an sein Ziel geleitet hatte.
    Die Holzpalisade rückte stetig näher, als sie nah genug heran waren senkten die Laufvögel ihre Geschwindigkeit und verfielen in einen auslaufenden Trab.

  • Nun da die Laufvögel ihre Geschwindigkeit verringert hatten konnte man sich auch wieder unterhalten.


    "Seltsam, hast du eine Wache bemerkt?", wandte Valentin sich an Zarim. Er selbst hatte keine beobachtet und auch wenn sie beide dem Protektoriat Exilias angehörten, so geziemte es sich dennoch nicht ohne Ankündigung eine Palisade zu passieren.
    Die Lark setzten nun gemächlich einen krallenbesetzten Fuß vor den Nächsten. Ein bedrohliches Tempo konnte man das nicht nennen. noch circa dreißig Schritt trennten die Reiter von der hölzernen Palisade auf der nochimmer niemand zu sehen war.
    "Was meinst du, sollten wir nicht rufen?"

  • "Vielleicht", knurrte Zarim. Ihm gefiel der Gedanke nicht, rufen zu müssen. Sie beide hatten ganz eindeutig ein Zutrittsrecht zu dieser Palisade. Andererseits war es gut möglich, dass neue Wachen Dienst leisteten und sie beide - die sie nun schon eine Weile weggewesen waren schlicht noch nicht kannten. Aber da waren ja keine Wachen. Zarim war beunruhigt. Bereits als sich diese Festung noch im Aufbau befunden hatte, waren hier Wachen gewesen. Mehr als jedes andere Protektorat hatte Exilia es sich zur Aufgabe gemacht, seine Bewohner zu Schützen und einige der Bewohner bedurften des Schutzes. Zarim bemerkte, wie seine Hand reflexartig zu der Ledernen Tasche an seinem Gürtel glitt. Für Situationen, die Gefahr verrieten, beherbergte sie eine Tinktur, die innerhalb von Sekunden die Haut verstärkte und so ein Überleben möglicherweise sicherte. Sofort aber unterbrach der junge Alchemist sich. Allein der Gedanke war lächerlich. Der Protektor hatte versprochen hier zu sein und niemals seit Zarim sich erinnerte war die Festung Exilias angegriffen worden.
    Während er grübelte trabten sie weiter auf die Palisade zu. In wenigen Augenblicken würden sie das Hölzerne Tor erreichen.

  • Das Tor wurde geöffnet und gab den blick in die belebte Siedlung frei.
    Offensichtlich wussten die Torwachen, wessen Obhut die Tiere übergeben worden waren.


    Kam man näher heran, konnte man durchschnittlich gerüstete Wachen innerhalb der Palisade erblicken, ebenfalls schienen einzelne Wachen auf der Palisade zu sein.

  • Zarim war erleichtert, als sie das Tor durchquerten. Erfreut sah er sich im Hof der Festung um. Viel hatte sich hier getan, wenngleich Zarim nur wenige Monate fort gewesen war. Trotzdem hatte er augenblicklich das Gefühl nach Hause zu kommen. In einiger Entfernung konnte er an der Aussenseite der Palisade die Tür zu dem Raum erkennen, der ihm bisher als Quartier gedient hatte und der, sollte kein großes Unglück geschehen sein, noch immer Teile seines Besitzes Beherbergte. Sein Blick fiel auf die Ställe. Ob sie noch weitere Larks beherbergten?
    Einige der Gestalten im Hof waren Zarim bekannt. jedoch war niemand darunter, zu dem er engen Kontakt pflegte.
    Vollkommen selbstständig wurde der Lark langsamer und blieb stehen.

  • Im Gegensatz zu Zarim fühlte sich Valentin innerhalb der Palisade Exilias keineswegs heimisch. Ihm war die Akademie in Selfiran deutlich vertrauter geworden, als dieser Ort, an dem er kurz vor und anch dem Feldzug nach Siegelstadt eine Unterkunft gefunden hatte. Eine Unterkunft zwar, die ihm Schutz versprach und zu der er sich auf irgendeine Weise hingezogen gefühlt hatte - doch wurde ihm schlagartig bewusst wie wenig er über dieses Protektoriat und vor allem dessen Bewohner und Führer wusste.
    Dieses Nicht-Wissen trug zu einer Niedergeschlagenheit bei, weswegen er diese Reise als absolut notwendig empfand. Würde er in den nächsten Tagen keine Aussicht auf Antworten erhalten, so konnte er zumindest nicht ausschließen endgültig in das Protektoriat des Rings der Heiler umzusiedeln.


    Er nickte einem der Wachhabenden freundlich zu. Da man Sie offensichtlich erkannt hatte, schließlach wurde das Tor ihne Widerstand geöffnet, ging er davon aus, dass man sie oder zumindest Zarim wiedererkannt hatte. Er für seinen Teil sah keinerlei bekannte Gesichter.
    "Ist der Protektor Kire Schattenhaar zugegen?"

  • Die Torwache winkte einen Exilanten heran, welcher das Zaumzeug der Larks ergriff und eine Trense anbrachte. Die Tiere blieben erstaunlich ruhig, anscheinend kannten sie diese Person.


    Der Torwächter sah die beiden unschlüssig an.


    Die Tore wurden wieder geschlossen und der Torwächter trat näher an die Beiden heran. "Kire kam vor einigen Tagen wieder zurück. Er hat bisher nicht verlauten lassen, wo er war, aber..." der Wächter druckste etwas herum.
    Er schien verunsichert.


    "Er schleppte sich fast tot von seinem Lark in seine Gemächer, innerhalb der großen Halle. Ich habe es nur von Weitem gesehen. Seit dem hat er seine Gemächer nicht verlassen. Allerdings weiß Av´Sha Genaueres. Sie war die seit seiner Rückkehr öfters bei ihm und überbrachte mir auch die Nachricht die Reiter der Larks einzulassen. Er erwartet euch. Ihr solltet Av´Sha aufsuchen, redet mit ihr" schloss der Wächter ab.
    Mit einer Geste deutete er auf eine Hütte wo eine gehörnte Maid gerade Nahrungsmittel auslegte.

  • Zarim war erschrocken. Wenngleich er nicht gewusst hatte, wie der Protektor ihn empfangen würde, nach dem was was sich in der letzten Zeit ereignet hatte, so hatte er doch zumindest gehofft Kire bei guter gesundheit anzutreffen.
    Unsicher ging er auf die Frau zu die vor der Hütte beschäftigt war.
    "Seid Gegrüßt", sagte er "Wie schön mal wieder eine eurer Essensausgaben erleben zu dürfen"
    Kurz dachte er nach über das was er gerade gesagt hatte. Aus irgendeinem Grund sagte er ständig Dinge, die sich frivol anhörten, wenngleich er sie nicht so gemeint hatte. Er hoffte die Frau würde ihn richtig verstehen.
    "Könnt ihr mir sagen, wie es unserem Protektor geht? Ich würde ihn gerne kurz sprechen und hätte auch in den nächsten Tagen einige Fragen an ihn."

  • Die junge Maid sah den Alchemisten kurz musternd an. Ihr Blick schien fragend und drückte etwas aus, was man nicht wirklich deuten konnte. Doch gleich wurde ihr Blick freundlich und sie nickte ihm als Begrüßung entgegen.


    "Kire erwartet euch schon - junger Alchemist. Jedoch... weiß ich nicht, wie es ihm geht. Untote haben ihn einen Brief in sein Rückenfleisch geschnitten. Diese... Lettern" spie sie förmlich das Wort aus "wurden mit etwas erfüllt, was Kire Nechaton nennt. Das war im Süden, kurz hinter der Grenze zum Untod."


    Sie hielt kurz inne und wischte sich ihre Hände an einem Tuch ab. Ihr Blick wurde besorgt.
    "Wäre das nicht schon genug ritt er eine Woche lang bis hier her und hat lediglich Blut zu sich genommen. Es hat ihn auf den Beinen gehalten, aber er war war unterernährt. Doch am meisten macht ihm dieses Necho... Nechaton zu schaffen. Er gibt es nicht zu, aber er ist noch schwach. Bedenkt das bitte".


    Sie verließ ihre Theke, wobei ein anderer Exilant ihren Platz einnahm. Sie führte die Beiden in die Große Halle, direkt vor die Tür von kires Gemächern. Nachdem sie kurz an die Tür geklopft hatte, zwinkerte sie dem seltsamen Gespann zu und verschwand wieder.


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