Zurück aus der Kelriothar

Es war eine schlimme Zeit für die junge Draada'Quarthin des Qu'ellar Amfei'ns gewesen.
Niemals zuvor hatte sie in dieser Stärke erfahren müssen, wie sehr sie sich daran aufreiben konnte, zur Untätigkeit verdammt ausharren zu müssen, während andere in die Schlacht zogen.
Welche Schlacht auch immer es gewesen war...
Und aus welchem totverdammten Grund auch immer man sie von dem Einsatz ausgeschlossen hatte, um sie mit niederen und ihrem Rang absolut nicht entspechenden Tätigkeiten in Shalzad zu beschäftigen...

Die Nachricht davon, dass Nathae zumindest körperlich an einem Stück aus der Spiegelwelt zurückgekehrt war, hatte sie mit gemischten Gefühlen erfüllt, ebenso wie die plötzliche und unvorhergesehene Beförderung ihrer langjährigen Kontrahentin es getan hatte. Talshalee vermied es, länger über die Vorteile des Überlebens oder Sterbens der überheblichen Faern nachzusinnen, denn es gab genug andere Dinge, die im Augenblick weitaus bedeutender waren...

Der Winter war plötzlich gekommen, hatte das Land in seinem vollkommen widernatürlichen Griff gehalten, bis er dann, vor wenigen Tagen, ebenso abrupt zu einem Ende gekommen war. Es brauchte keine Einsatzbesprechung, welche noch immer ausstand, um zu dem Schluss zu kommen, dass der Feldzug zumindest auf eine bestimmte Weise erfolgreich gewesen sein musste.
Was auch immer das für sie bedeuten würde...

Missmutig stieß die junge Drow die Tür zum Eingangsbereich der Badegewölbe auf, verscheuchte unwirsch einen Sklaven, der sich ihr in überschwänglich anbiedernder Art aufdrängen wollte und betrat dann, lediglich in einen dünnen Seidenmantel gehüllt und mit Maydorl in der Hand den Bereich der sprudelnden Becken.
Wie immer war die Luft von dichten, duftenden Nebelschwaden erfüllt und für eine geraume Weile glaubte die junge Drow, dass sie alleine wäre. Dann jedoch erkannte sie einen nur allzu vertrauten Zopf im düsteren Licht der Gewölbe.
Unwillkürlich verstärkte sich der Griff der schlanken, schwarzen Finger um die Scheide des Schwertes.
Nathae...

Beinahe lautlos näherte sie sich der Faern, jedoch nur bis auf wenige Schritte, bevor sie an den Rand des Beckens hinter der Magierin trat und ihr Schwert geräuschvoll auf dem dunklen Mamorboden ablegte.

Talshalee neigte in übertriebener Ehrerbietung das Haupt.

Malla Faern, ich bin zutiefst erfreut, Euch wohlauf zu sehen.

Die Worte der jungen Drow waren zart wie die Klinge eines Meuchekdolches. Es war eine Art zu kommunizieren, die zwischen den beiden Frauen zur Gewohnheit geworden war...

Wahrlich keine Selbstverständlichkeit, bei einem Feldzug nach Kelriothar...

Die Draada ließ sich in einigen Längen Abstand zu der Faern auf dem Beckenrand nieder.
Die grünen Augen musterten die Andere prüfend.

Weder Rang, noch Vernunft waren stark genug, um den Affekt niederzuringen, der die junge Drow bei den Worten der Magierin erfasste und sie ein halbherzig unterdrücktes Lachen ausstoßen ließ, aus dem die vertraute Mischung aus Spott und Zynismus sprach.

Malla Faern, auch ich bin untröstlich ob dieses ...unglücklichen... Umstandes. Nur die Göttin weiß, warum ich mit der Ausbildung eines Haufens unfähiger Sargtlinen betraut wurde, während Ihr unser aller Leben, ach was sage ich, diese gesamte verfluchte Welt gerettet habt...

Sie begab sich auf dünnes Eis, irgendein vernünftig denkender Teil ihres Geistes war sich dessen nur allzu bewusst.
Der andere Teil jedoch, ein kindlich verletzter Stolz, der sie auf Waffen zurückgreifen ließ, die sie eigentlich nicht nötig haben sollte, feuerte ihre Worte an.

Ihr Blick zuckte erneut zu der Faern, während sie die Reaktion der anderen abwartete.
Nathae konnte geduldig sein. Oder aber das genaue Gegenteil davon. Die Chancen standen gut, dass in diesem Moment eher das Letztere der Fall war...

Eine weiße Braue der jungen Drow zuckte kaum merklich, verriet ihre Irritation.
Sie hatte mit vielem gerechnet, nicht jedoch damit, dass die Faern schweigen würde.

Betont entspannt streckte Talshalee die Hand aus und berührte die Wasseroberfläche.
Noch immer war sie angespannt und vorsichtig, rechnete damit, dass das Echo der Magiern plötzlich kommen würde...

Ich könnte natürlich den Einsatzbericht abwarten, der mich zweifellos schon bald erreichen wird. Der Sutrinos ist, was diese Dinge angeht, überaus gründlich... Danken wir der Göttin für solch ein tüchtiges Männchen in dieser Position.

Ihre Stimme glitt erneut ins Spöttische.
Einige Herzschläge lang schwieg sie, bevor sich die grünen Augen erneut auf die Faern richteten, jedoch ihr Gesicht betont vermieden.

Ich würde es dennoch vorziehen, es direkt von Euch zu hören. Man könnte sagen, dass ich Euer Wort für... unverfälschter halte als das gewisser... nun, ich denke Ihr versteht meinen Punkt.

Ihre Worte hatten ernst klingen sollen, das seichte Lächeln, welches sich dazugesellte, verriet jedoch, dass die junge Draada es noch immer darauf anlegte, die Höherrangige zu provozieren.
Während sie abwartete, fragte sich Talshalee düster, welchen Zweck sie mit ihrem Verhalten verfolgte.
Zweifellos würde es ihr nicht viel mehr einbringen, als Schmerz, Zorn oder schlichte Missachtung, aber dennoch war es zu einem übermächtigen Drang geworden, der Faern zu zeigen, was sie von ihr in ihrer momentanen Stellung hielt.
Es war ein erbärmlicher Weg, dass wusste die junge Drow. Aber es war gleichzeitig der befriedigendste.

Talshalee lachte verhalten.

Ach, malla Faern, ich bin doch keine würdige Gegnerin mehr für Euch. Vielleicht sollte ich Euren Friedensersuch vom Ausbildungseinsatz noch einmal überdenken.

Sie tippte sich an sie Stirn, dann lehnte sich die Draada zurück, eine subtile Geste der Unterwerfung, jedoch nicht ohne beiläufig ihr Schwert zu sich zu ziehen.

Eine lange Zeit lag sie schweigend da, starrte in die dunstschwere Luft.

Der Sutrinos wünscht, dass die Einsatztruppe aufgestockt wird. Es ist damit zu rechnen, dass schon bald einige neue Sargtlinen unter Eurem Kommando stehen werden. Wenn es sich dabei um jene Exemplare handelt, die ich in den letzten Spannen kennenlernen durfte, gnade uns die Göttin...

Sie war in einen lockeren Plauderton verfallen.
Diesen Kampf würde sie an einer anderen Stelle austragen, zu einer anderen Zeit...

Die junge Draada knirschte unwillig mit den Zähnen, als die Faern noch immer keine Anstalten machte, etwas über den hinter ihr liegenden Einsatz zu berichten...

Stoisch, im Tonfall der pflichtbewussten Untergebenen, monologisierte sie weiter.

Das Nordtor musste ersetzt werden, nachdem sich durch die Frostsprengung ein Felsbrocken aus der Höhlendecke gelöst hatte und hinabgestützt war. Drei Sklaven wurden erschlagen, aber das ist zu verschmerzen.
Der Winter hat in weiten Teilen der Stadt für Unruhen und Zwischenfälle gesorgt, kaum auszudenken, was geschehen wäre, wenn dem nicht Einhalt geboten worden wäre...

Jetzt sprich schon, totverdammte Magierin!
Äußerlich blieb Talshalee ruhig, abgesehen von ihrer Hand, sie sich erneut seicht knirschend um Maydorls Schwertscheide schloss...

Talshalee nickte verständig, auch wenn die Worte der Faern nichts in ihr rührten.

Bedauerlich, in der Tat.

Sie strich sich das Haar zurück, starrte weiter in den duftenden Nebel.

Wie sah die Welt jenseits des Portals aus? Noch immer wie im letzten Jahr? Und wie ist es gelungen, diesen verfluchten Winter aufzuhalten?

Die Art, in der die Magerin sprach, das Glühen ihrer Augen...
Irgendetwas stimmte nicht, das wusste die junge Drow.
Sie spürte, dass ihr Geist unruhiger wurde, spürte etwas in sich heraufziehen, wie einen nahenden Sturm.
Sie kannte Nathae gut genug, um zu ahnen, dass sie ihre Worte genau so wählte, wie sie es wollte.

Bedauerlich... Den Tod welches Feindes würde die Faern als bedauerlich empfinden?

Talshalee nahm einen tiefen Atemzug, stemmte sich auf die Unterarme und blickte die Faern geradeheraus an.

Seit wann bedauert Ihr den Tod Eurer Feinde, malla Faern?

Sie lächelte, doch es war ein flüchtiges Lächeln.

Nun saß die junge Draada'Quarthin aufrecht, die Augen in die Blicke der Faern gebohrt wie Speere aus Eis.

Wer?

Ihre Stimme war eisig und durchdringend, das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, war zu einer Empfindung tiefster Bedrohung geworden. Ihr Griff um das Schwert verstärkte sich unwillkürlich...

Zu spät, zu spät für was?

Sie ertrug es nicht mehr, war einen Augenblick drauf und dran, ihr Schwert zu ziehen und es der Faern in den Körper zu rammen.
Talshalee kniete sich auf dem Beckenrand ab, den Blick nicht von der Magiern abwendend.
Das Grün ihrer Augen glühte durch die dämmerige Finsternis.

Sprecht Ihr im Wahn, wie so oft, wenn Ihr aus dieser Welt zurückkehrt?

Sie zeigte ihre makellos weißen Zähne in einem zyischen Lächeln.