Stille Schreie in der Nacht

  • Die Worte drangen tiefer in Merle ein, als es Worte für gewöhnlich taten und hinterließen ein dumpfes Gefühl.
    Für einen kurzen Moment herschte Stille im Raum, dann sagte Merle etwas geistig abwesend.

    "Der Kranz ist gebrochen, die Blumen liegen darnieder."

    Und dann drehte Merle sich um und verließ den Raum. Im rausgehen warf sie Mavosh einen Blick zu der klar machte: Entweder wir reden jetzt oder ich bin in wenigen Minuten verschwunden.

    "Weil alles ist, wie es nicht ist.
    Weil gelogene Wahrheiten zu wahren Lügen werden.
    Weil ein Gedanke, der einmal gedacht wurde, nicht ungedacht werden kann."

  • Den Ausdruck auf Mavosh's Gesicht könnte man als fasziniert interpretieren, ohne sich jedoch zur Gänze sicher zu sein. Die Gesprächsfetzen, die sie von Adam und Merle mitbekommen hatte, tat sie unkommentiert mi einem Schulterzucken ab und drehte sich der jungen Frau zu, die sich zum gehen wandte, nicht ohne Adam mit einem kurzen Handzeichen zu deuten, dass sie sofort wieder für ihn da wäre.


    "Ah ich bin mir sicher, du wirst auf deinem Rückweg mit einigen Menschen sprechen, die in irgendeiner Art und Weise eine Bindung zu Adam habe. Die brauche ich - aber ich werde es nicht schaffen, ansatzweise so viele aufzusuchen, wie du es vielleicht könntest. Mir ist egal, ob die sich direkt hierher auf den Weg machen oder wir se an einem bestimmten Ort zusammensammeln und Adam dahinschaffen. Hauptsache sie bewegen ihre Ärsche und tun mal etwas sinnvolles. Meinst du du kannst die Botschaft, meinetwegen auch im übertragenen Sinne, an alle Personen richten und mir nach deiner Rückreise eine kurze Info zukommen lassen, we du alles erreicht hast? Ich überlege noch wie ich die anderen erreiche. Briefe scheinen mir nicht effizient genug... vielleicht ein Aushang im Herold? Da würden wir vermutlich die meisten erreichen, aber wird das Projekt dann zu sehr an die große Glocke gehängt?"


    Die letzten Worte sprach sie wie mehr zu sich selbst, starrte Merle trotz dessen weiter erwartungsvoll an.

  • "Da muss ich dich leider enttäuschen. Mein Weg wird mich ohne Ablenkungen direkt zurück in den Palast führen. Dort werde ich meine Zeit zu gleichen Teilen in Bibliotheken und den Kerkern verbringen."

    Mavoshs emotionale Energie übertrug sich nicht auf Merle. Sie schien an einer ungewohnten Mauer aus emotionaler Unterkühlung abzugleiten.

    "Meine Finger dürfen nicht zu tief in diese Sache gleiten. Das würde Unheil über alle Beteiligten bringen. Aber ich kann dir einen Rat geben. Sammel diejenigen, die ihm nahe stehen auf der Zusammenkunft im Winter. Dort wirst du ihre Ohren haben. Dort können sie nicht weghören und nicht wegsehen."

    Merle atmete tief ein und aus.

    "Falls du eine Nachricht hast die in den Palast muss, kann ich diese gerne überbringen."

    "Weil alles ist, wie es nicht ist.
    Weil gelogene Wahrheiten zu wahren Lügen werden.
    Weil ein Gedanke, der einmal gedacht wurde, nicht ungedacht werden kann."

  • Nach dem Anna sich die paar Augenblicke Zeit genommen hat, um nach der unterhaltsamen Reise und den Ereignisreichen Tagen durch zu atmen – und natürlich, um sich wieder herzurichten –, schritt die Lady aus ihrem Zimmer und machte sich auf den Weg in Richtung Adam. Sie meinte etwas wichtiges auf Thyrions Residenz für sich wahrgenommen zu haben, was sie stark an den, von Winterfeld denken ließ. Dieser Gedanke wurde mit jedem Schritt der Annäherung an das Ziel lauter und wurde bloß von einem Gefühl, dass neue Emotionen die Luft erfüllten übertönt.


    Fast da- Anna atmete tief durch und richtete ihren Blick fest auf die beiden Frauen, sie spürte die angespannte Atmosphäre, oder zumindest eine Art Kühle um Merle, schon eher sie sich ihnen nährte. Kurz verharrte sie, um zu überlegen. Sie entschied sich die beiden nicht zu stören. In einem Moment, in dem Merles und Mavoschs Aufmerksamkeit abgelenkt war, ergriff sie die Chance: Sie vermied bewusst den Augenkontakt und schlich sich mit einem leisen Genuschelten Gruß an ihnen vorbei, um ins Zimmer zu huschen und im selben Moment die Tür hinter sich zu schließen.


    Ihr Herz schlägt schnell, nicht aus Angst, sondern aus Sorge, eigenartiges Bauchgefühl. Sie geht behutsam auf Adam zu, ihre Augen suchen die seinen, versuchen, den Kontakt herzustellen, ihm zu zeigen, dass sie da ist, für ihn da ist. Anna kniet sich vor, um auf Augenhöhe mit dem Mann zu sein. "Adam?", flüstert sie leise, ihre Stimme zittert ein wenig. Mit studierendem Blick versucht sie die Linien seines Gesichts zu erfassen, ein seltener Moment wo der Mann fokussiert zu sein scheint. Viele Gedanken und Überlegungen gehen ihr durch den Kopf: was diesen Zustand in Adam wohl ausgelöst haben könnte...


    Nun etwas lauter als vorher, aber mit sanfter Stimme sagt sie: "Du scheinst aufgeregt zu sein." Anna konnte nicht fest stellen ob der Schmerz und Verzweiflung, die sie von irgendwo schwach spürt, wirklich wieder in Adam rumspucken, oder ob sie etwas von sich auf ihn projiziert.

    "Ich weiß wir kannten uns nicht lange bevor das alles passiert ist, aber-" Die Lady nahm vorsichtig die zitternde Hand des Mannes "Wie fühlst du dich?"

  • Er sah die Frau aus seinen verquollenen Augen an. Trotz dessen, dass es früher Morgen war, sah Adam so aus, als ob er Tage, vielleicht Wochen nicht mehr geschlafen hatte. Dein schlimmes Auge - wie Nandala und er es mittlerweile nannten - musterte die junge Lady.

    Das Schwarz in diesem Auge, wurde nur von einem blauen schimmer unterbrochen. Bemerken konnte er es nicht. Auch beeinträchtigte es seine Sicht in keinster Weise. Lediglich der Blick in den Spiegel, oder die Blicke derer, die ihn zum ersten Mal sahen, ließen ihn daran erinnern, wie es um sein Aussehen bestellt war.

    Anna!?

    Er lächelte sie unvermittelt an. Und gleichzeitig liefen ihm wieder Tränen über die Wange.

    Diese unkontrollierten Wogen aus Emotionen musste eine wahre Qual sein. Er spürte ihre warme Hand auf seiner ruhen.

    Hilfe mir bitte aufzustehen. Ich möchte mich hinlegen. Das Gespräch mit Merle hat mich erschöpft.

    Langsam erhob er sich und ließ sich anschließend auf dem Rand des Bettes nieder. Nur mit einem Nachtgewand bekleidet, versuchte er die Decke so zu drapieren, daß er wenigstens nicht gänzlich würdelos aussah...

    Ich freu mich sehr dich zu sehen.

    In seiner Stimme war keine Stärke mehr vorhanden. Nichts erinnerte derzeit an den Mann von damals. Unrasiert, zerzauste Haare, diese schwache und leise Stimme und diese zutiefst müden Augen. Sein Gesicht, verquollenen von all den Tränen, die unkontrolliert aus ihm flossen.

    Und ihm war jede dieser Tatsachen sichtlich peinlich.

    Am Kopfende des Bettes stand ein Gehstock aus schwarzem Ebenholz mit silbernen Beschlägen. Schlicht, aber dennoch edel. Auf dem Weg in das Chaosprotektorat waren sie in der Wolfsmark wo er darauf bestand, diesen Stock mitzunehmen. Es war ein Erbstück seines Vaters. So konnte er sich wenigstens das eine oder andere Mal selbst im Zimmer umher bewegen.




    Diplomatie ist, mit dem Schwein freundlich aber zielorientiert über die Notwendigkeit des Sonntagsbratens zu verhandeln.

  • Natürlich half Anna Adam hoch zu kommen - Dabei beobachtete sie ihn und das Mitgefühl in den Augen der Frau war nicht zu verbergen. Der Kontrast zwischen dem einst so starken und lebensfrohen Mann und dem jetzt gebrochenen Individuum vor ihr war herzzerreißend. Aber

    "Ich bin hier, Adam", sagte sie und setzte sich neben ihn auf das Bett. "Ich möchte dir helfen, so gut ich kann- Ich meine eben noch gehört zu haben, dass man überlegt dich zur winterlichen Versammlung mitzunehmen." Sie wendete den Blick kurz ab um die nächsten Worte zu sprechen "Ich weiß, dass Mavosch alle Ideen aufgeschrieben hat und es gibt auch Ansätze, die uns Hoffnung geben..aber ich weiß auch dass alles was wir tun auf geliehener Zeit läuft. Und ich glaube wenn die Hoffnung mit Spinnenweben verwebt wurde, sind die Fäden so dünn, sie reißen schnell-" Die Frau schüttelte kurz ihren Kopf und seufzend entschuldigte sich "Ich will dich aber nicht noch mehr erschöpfen-"

    Nun lächelte die Lady ihn wieder an mit einer Wendung in der Stimme die auf einen helleren Gemüt zuwies. Gerade konnten die beiden Menschen wahrscheinlich nicht gegensätzlicher aussehen.

    "Daher der wichtigste Teil: ich glaube noch, dass wir es schaffen. Eher gesagt du. Wenn ich jetzt so überlege: Jedes Mal wenn du lachst, ist es kein Lachen, sondern deine Stimme, die nach allem lernt, endlich wieder aufrecht zu stehen. Ich kann dir vielleicht nicht so, wie die anderen Helfen vollständig nach Hause zu kommen, aber ich werde den anderen helfen möglichst viele Hände an dich zu bringen, sodass du die Kraft kriegst. Denn Willen hast du schon- egal wie oft du brichst. Alleine weil du so gerade vor mir sitzt und hier bei uns bist."

      

  • "Natürlich." erwiderte Mavosh es in einer Art und Weise, wie nur die Chaotin es betonen konnte: gleichermaßen genervt davon, dass die Notwendigkeit und Logik ihrer Gedanken dem Anschein nach nicht nachvollzogen wurden, nicht gesehen wurde was hinter dem steckte was mit Worten auszudrücken war, wie auch verständnisvoll über eigene Motivation einer weitestgehend unbeteiligten Person , die nicht unbedingt mit den eigenen vereinbar waren.

    "In dem Fall, berichte gerne im Fall über den aktuellen Stand: Unvorhergesehene Komplikationen verlangsamen den Prozess, aber wir sind dran. Wenn der Vorgang beschleunigt werden soll, können alle im Palast mit Interesse an dem Vorgang sich mit mir in Verbindung setzen -zumindest wenn das Projekt Adam in absehbarer Zeit in einen verhandlungsfähigen Zustand versetzt werden soll."

    Kurz musterte sie Merle von oben nach unten, schien zu einem Entschluss zu kommen und nickte leicht. Sie wandte sich ab von der Tür und schickte sich an, den Gang hinunter zu gehen.

    "Komm, ich bringe dich zum Tor. Du wirkst nicht so als wäre dir ein weiterer Aufschub lieb."

  • "Ich werde über den Zustand des Projektes Berichten."

    Mehr musste Merle nicht sagen.


    Und dann ließ sie sich nach draußen begleiten und war genauso schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht war.

    "Weil alles ist, wie es nicht ist.
    Weil gelogene Wahrheiten zu wahren Lügen werden.
    Weil ein Gedanke, der einmal gedacht wurde, nicht ungedacht werden kann."