Prolog:
Ankunft
Es war der Beginn des zweiten Tages nach ihrem Aufbruch.
Mairead war mit einer kleinen Gruppe von keltischen Soldaten und Arbeitern der Subhachas Keyl unterwegs.
Im Gepäck hatten sie nur das Nötigste zum Aufbau einer Einsiedelei und Proviant für die kleine Reisegruppe.
Das Tempo war langsam, da der Untergrund unbefestigt und tückisch und das Gepäck schwer war. Sie selbst trug in ihrer
Kiepe auf dem Rücken unter anderem allerlei Ritualgegenstände bei sich- das altbekannte Gewicht ihrer Ausrüstung als Wanderpriesterin.
Um sie herum erstreckte sich eine unnahbare Gegend: wild, nur lückenhaft erforscht, kaum besiedelt und bewachsen mit Steppenpflanzen.
Erstaunlich, denn ein Großteil dieser Gegend Mythodeas war mit Sümpfen und Mooren durchzogen, doch auf ihrer Reiseroute erstreckten sich
karge sanfte Hügel über das Land soweit das Auge reichte, nur hin und wieder durchbrochen von kleinen Wäldern.
Sanfte Hügel…Mairead´s Gedanken schweiften in Erinnerungen ab… auch wenn hier alles karg und ungezähmt erschien,
erinnerte sie die Weite der Landschaft und die darin eingebetteten Hügel an ihre Heimat, die sie nun schon seit fast 20 Sonnenzyklen
nicht mehr gesehen hatte. Fetzen von Kindheitserinnerungen an Irland- oder wie die Einheimischen es nannten- Eira „Die grüne Perle“
blitzten hinter ihren nach innen gerichteten Augen auf….
…Kinderlachen, Wiesen von tiefem Grün, tosende Gischt an den steil abfallenden Küsten von Thoraigh,
sonnengewärmte Steinmauern des Konvents in dem sie aufgewachsen war …das Konvent…Stille, Gebete,
Mysterien, die wachsende spirituelle Verbindung zur Mutter Erde…
MUTTER ERDE…der Gedanke an sie riss Mairead aus Ihrem Tagtraum, war doch SIE der Grund für diese Reise.
Sie war immer der Grund für Ihre Reisen- ein Lächeln umspielte bei diesem Gedanken Maireads Gesicht.
Von Geburt an, war ihr Leben IHR geweiht, jedoch war die Entscheidung, die schützenden Konventmauern zu verlassen,
um ihr dort zu dienen, wo sie von ihr hin gerufen wurde- das Beste, was ihr je widerfahren war.
Als „Shagar de darduin“- als Priesterin mit dem zweiten Gesicht- führte MUTTER ERDE sie nun schon lange Zeit
über ihren erdigen Rücken von Ort zu Ort.
So viele Erlebnisse, so viele Götter, so viele Aufgaben…
…ein Traum: eine große Staubwolke erhob sich- in ihrem Inneren zeigte sich das Bild miteinander kämpfende Hufe.
Es waren die Hufe eines Pferdes und eines Rindes. Runen bildeten sich aus dem herabsinkenden Staub auf dem Boden.
Dann Bildwechsel und
der Blick zu einem Schiff mit der Aufschrift „Neptuns Stern“, vor Anker liegend
in einem Hafen….
…so begann ihre Reise vor fast zwölf Mondzyklen hierher nach Mythodea. Immer wieder hatte sie diesen Traum,
der sie nicht zur Ruhe kommen ließ.
Ein eindeutiges Zeichen ihrer Göttin, dass sie einen neuen Auftrag hatte. Nichtwissend, was sie hier erwarten würde,
stieg sie auf das Schiff mit dem Namen „Neptuns Stern“, von dem sie
nicht einmal wusste, wo es hinfuhr…
…Angekommen in Mythodea folgte sie dem Menschenstrom auf ein weiteres Schiff, das landeinwärts fuhr.
Je tiefer das Schiff in das Landesinnere eindrang, desto mehr erstarrte sie vor Angst und Grauen an diesem Ort.
Wo war ihre Göttin - MUTTER ERDE? Sie konnte ihre Präsenz schwinden spüren.
Mairead konnte die MUTTER sehen: die fruchtbare Erde am Ufer, das Wasser unter dem Schiff, die Bäume,
Wälder und Lebewesen.…aber das stetige Flüstern ihres Geistes, die stetige Führung durch ihre sanften Hinweise
waren nur noch ein unverständliches Summen in ihrem Kopf.
Wochenlang wanderte sie ziellos durch dieses furchterregende Land, bis sie ein Heiligtum fand,
dass sie etwas mehr Verbindung spüren lies….
…Mairead erschauderte bei diesen Erinnerungen. In den ersten Tagen auf Mythodea zweifelte sie das erste Mal
in ihrem Leben, den richtigen Weg gegangen zu sein.
Wieso sollte MUTTER ERDE sie an
einen Ort schicken, an dem sie ohne Führung war?
…zu dem Heiligtum führte sie ein Rabe, der voraus flog. Dies war nichts Ungewöhnliches für eine geweihten Priesterin.
Sie stand ständig im Austausch mit der sie umgebenden Flora und Fauna. Wenigstens wurde ihr das auf diesem
Kontinent nicht auch noch genommen.
Erleichterung durchströmte sie, als sie den Heiligen Boden betrat und sie sich innerhalb eines Augenblickes
nicht mehr wie eine Ertrinkende fühlte.
Nur kurze Zeit später betrat Deidre ebenfalls den Baumkreis und entdeckte sie. Deidre- die Priesterin der Subhachas Keyl-
hatte gespürt, dass hier eine ihr unbekannte Seele war und eilte herbei um den heiligen Ort zu schützen.
Nach anfänglicher Skepsis nahm
sie Mairead schließlich mit nach Acair, wo gerade eine Versammlung des Stammes stattfand.
Kelten! Was für eine glückliche Fügung in diesem fernen Land! Der Stamm erlaubte ihr, sich an diesem regnerischen Tag bei ihnen aufzuwärmen und gewährten ihr Gastrecht.
Hier zeigte sich schließlich auch die Bedeutung des
Traumes, der sie hierher führte…
„Mairead?“ - sie wurde aus ihren Erinnerungen gerissen. Einer der Soldaten war zu ihr gekommen um sie zu informieren.
„Ja, was gibt es?“ „Wir sind bald da. Dort vorne beginnt der Abstieg in die Schlucht.“