Wann und wo? Unmittelbar nach dem "Salon des Nordens"
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“My people were born and raised in the shadows for millennia, but you seem to be the one that thrives the most in Darkness.”, hatte der Zauberer der Drow gesagt.
Und wieder sah sie sich selbst davonlaufen in die Nacht, nach der Zusammenkunft bei Paolos Trutz – auf der Suche nach noch mehr und noch tieferer Dunkelheit, in der sie sich verbergen konnte. In der Dunkelheit war Ruhe, und Einsamkeit – Dinge, die ihr vertraut waren und die sie willkommen heißen würden.
Von der ersten Stunde ihrer Ankunft auf diesem Gehöft waren Menschen um sie gewesen, Haufen von ihnen! Sie waren durcheinander gelaufen und ihr absichtlich überall im Weg gestanden, hatten laut gesprochen und unverständliche Scherze gewiehert. Sie hatten ihren Stamm beleidigt, ihren Gefährten, hatten ihr Blut gestohlen, ihre Magie, ihr Leben versucht zu nehmen –
Das Spitzohr platzte schon wieder fast bei dem Gedanken an all das Unrecht, das ihr widerfahren war! Ja, sie hatten sich nicht einmal bedankt, dass Naira aus einem dummen Gefühl der Zugehörigkeit heraus versucht hatte, sie vor dem Untod zu retten…
Die Ungerechtigkeit und die Unruhe der Menschen waren über sie gekommen wie ein klebriges Netz, in das sie sich immer tiefer und schmerzvoller verstrickt hatte. Und wie ein Tier, das unter den Händen der Häscher wegzugleiten versucht und einen Ausweg aus dem Gefängnis sucht, war sie rastlos herumgeschlichen… den Drang unterdrückend, sich ihren Weg nach draußen freizukämpfen!
Bei den Uruks und bei den Drow wären die Dinge anders gelöst worden! Das hatte Mahrukkaa selbst gesagt! Und es biss immer mehr in ihr, dass sie nicht handeln durfte, wie es doch eigentlich richtig gewesen wäre!
Doch als die Unruhe so übermächtig geworden war, dass Naira das Verbot Mahrukkaas missachtet hatte und hinuntergegangen war zu der unwürdigen Welpe und den unwürdigen Wächtern, mit dem Dolch in der Hand – da hatte sie Tarabas gesehen!
Und der Blick des Drow hatte sich von Naira abgewandt und hatte auch ihren Blick zum Fenster hinaus gelenkt… ins Dunkel, das die ganze Zeit um das Haus gelegen war und das Naira fast vergessen hatte… Wie der Tarabas war ihr Körper erstarrt bei der Berührung des Dunkels, das mahnte… und sie versuchte, die Weisung ihrer >Finsternis< zu verstehen…
"Thereutes en skoto"... Jäger im Dunkel... so waren ihr die Worte von selbst noch einmal über die Lippen geflossen. Es war ohne Zweifel, dass SEIN Urteil tödlich gewesen wäre, kalt und fest. Gleichwohl hätte er seine Beute zum Stillsein gezwungen, hätte Naira niedergedrückt in die kalte Erde - und sei es nur, um sie zu strafen dafür, dass sie sich von diesem Menschentun so beeinflussen ließ und sich eingemischt hatte!
Aber war nicht einer der Guten, Zugehörigen - ein Drow - in Gefahr gewesen? Und war es nicht jetzt, als Vereinigte, ihre Pflicht gewesen, einzuschreiten und Tarabas vor den Verschwörern zu schützen, zu rächen? Er, der wie die >Finsternis< selbst kalt und fest geblieben war und ihr sogar jetzt noch die richtige Richtung wies – im Dunkel die Besinnung wiederzufinden?
Fast wäre sie ans Glas des Fensters getaumelt, so stark brandete der Trieb plötzlich in ihr auf, die Stimme zu hören und nachzufolgen…
Das Gefühl überraschte und überwältigte sie vollständig, und als sie Creo später davon gegeben hatte, um sie zu stärken, war ihr bewusst gewesen, dass etwas nicht in Ordnung –nicht im Ausgleich war…
War die Jagd immer noch nicht beendet? Oder lag es daran, dass Creo, ihr >Licht<, sie endgültig verlassen hatte? Dass es nun nichts mehr gab als ihn, die Finsternis? Mehr noch als den auserwählten Gefährten schien sie noch immer ihm anzugehören… sich dieser Welt anzuschließen.
“Stop to drown yourself in a darkness river!”, hatte Ryzzil gefordert.
Nein, sie wollte nicht untergehen! Sie wollte ins Dunkel, doch in das Dunkel der Guten, der Zugehörigen – die sie aufgenommen hatten!
Das Spitzohr verlangsamte seine Schritte, blieb stehen. Sie wandte sich zu den kleiner werdenden Gestalten um, die den Ort verließen.
Dann raffte sie ihren Mantel und machte sich an, Tarabas zu folgen…