Aufbruch

Carni war an diesem Morgen nicht ganz so früh aufgestanden, wie an den Tagen zuvor. Der Grund dafür war leicht zu finden. Sie war wiedereinmal im Kampf verletzt worden. Schwer genug, dass auch jetzt noch ihr Körper leise gegen jede Bewegung protestierte. In nagendes Jammern in ihrem Hinterkopf. Sie trat aus dem Zelt und blinzelte, noch immer erschöpft vom Vortag gab sie sich keine Mühe ihr Gähnen zu unterdrücken.

Immerhin... und das war wohl das einzig gute an diesem Morgen, waren alle noch am Leben. Wohlauf wäre vielleicht das falsche Wort gewesen. Aber lebending. Und das war mehr als manch anderer von sich behaupten konnte. Es gab einige Gesichter, die sie nie wieder sehen würde, Bekannte denen sie zumindest kurz begegnet war und die jetzt nicht mehr unter den Lebenden weilten. Aber nicht in diesem Lager, nicht in diesem Jahr. Sie gähnte erneut, rieb sich die Augen und stiefelte langsam zwischen den Zelten hindurch, der Gang noch immer unsicher, zaghaft als erwarte sie ein erneutes Aufflackern von Schmerz das dann doch ausblieb.

Kurz blieb sie stehen als sie Creo sah, wie diese ein Papier zerknüllte, setzte sich dann erneut in Bewegung um sich zu ihr zu gesellen. Die meisten anderen schienen wohl noch zu ruhen oder waren vielleicht bereits unterwegs. Sie war sich da nicht so sicher. "Worüber denkst du nach?", fragte sie anstelle eines Grußes, als sie sich an Creos Tisch niederließ, ihr Blick aufmerksam auf die Syhnal gerichtet. Man musste kein Magier sein um zu sehen, dass Creo irgendetwas beschäftigte...

Sie musste unwillkürlich schmunzeln, den Kopf leicht zur Seite geneigt, ein amüsiertes Funkeln in den Augen. "Man sagt auch, reden soll helfen. Aber insgesamt sagen viele Menschen viel genau dann, wenn sie selbst nicht mehr weiter wissen. Wie geht denn dein Volk damit um, wenn es einen Knoten im Herz zu lösen gilt?", fragte sie mit echtem Interesse. Sie würde nicht darauf dringen, dass Creo ihr unbedingt erzählen müsse, was sie beschäftigte. Die andere Frau würde auch so wissen, dass sie zuhören würde, falls sie wirklich reden wollte. Da musste sie nicht nachbohren. Jeder zu seiner Zeit.

Kurz dachte sie über die Frage nach, rieb sich den rechten Oberarm und runzelte die Stirn. "Ja, ich denke schon. Es scheint alles wieder so zu funktionieren wie es sollte. Ich muss gestehen... ich bin kein echter Freund von Schmerzen und ich warte noch immer darauf, dass sie wieder aufflackern. Magische Heilung ist mir einfach immer noch nicht geheuer." Sie musste grinsen, amüsiert von ihren eigenen Empfindungen. Sie war nicht unbedingt abergläubisch aber als potentiell eher nichtmagisches Wesen waren Dinge die sie nicht verstand und nicht nachvollziehen konnte doch irgendwie... Hexenwerk.

Carni hatte aufmerksam zugehört, warf dann einen Blick über die Schulter, grob in die Richtung der Pallisaden, die sie von hier aus nicht wirklich sehen konnte. Aber sie wusste wo sie waren und das genügte. Manch einer mag feststellen, dass eine jede Mauer seine Bewohner ebenso gut drinnen zu halten vermag wie mögliche Feinde draußen., dachte sie um an Creo gewandt zu sagen: "Ahhhh, ich glaube das wird schwierig werden, hier.", sie musste wiederrum schmunzeln. Mehr über sich selbst denn über die Situation. Offensichtlich war Creo das auch aufgefallen, sonst hätte sie wohl kaum zur ungewohnten Feder gegriffen. Man konnte sich schlecht einfach vor die Tore setzen und in die Weltgeschichte starren um seine Gedanken zu ordnen. In diesem Jahr weniger noch als zuvor, hatten sie doch mehr als einmal davon gehört, dass das Schwarze Eis gezielt einzelne entführt hatte. In den meisten Berichten waren es Frauen gewesen. Und auch wenn sie Walays recht starrköpfig mitgeteilt hatte, sie sehe hier keine Frauen als er ihr und Kimberley anbot im Lager zu bleiben, so war es doch etwas ganz anderes mit dem Archont über die Wiese zu stratzen als Creo vorzuschlagen sich allein und unbewaffnet auf eben diese zu setzen um ihre Gedanken zu ordnen. Sie war ja nun nicht dumm. Meistens jedenfalls.

Mit einem kurzen Blinzeln und einem leichten Kopfschütteln brachte sie ihre Aufmerksamkeit zurück in die Realität, zurück ins hier und jetzt. "Hm, nun, dann solltest du dir vielleicht jemanden suchen, dem du deine Gedanken erzählen kannst.", schlug sie mit einem sanften Lächeln vor. Das war sicher besser als sich auf die Wiese zu setzen. Weil da hätte sie ohnehin keine Ruhe. Entweder weil die Verfehmten vorbeikamen oder weil ein Haufen Siedler über sie hereinbrach wie ein Fliegenschwarm über einen Dunghaufen. Manchmal tat ihr Creo schon ein bisschen leid. Aber es gab da einfach nicht viel was sie tun konnte. Außer da zu sein und dann und wann den einen oder anderen ungebetenen Gast wegzuscheuchen. Sie schwieg nachdenklich, den Blick fest auf Creo gerichtet. Sie wusste nicht sicher was sie sagen sollte, öffnete einmal den Mund, beinahe versucht sich einzumischen tat es dann aber doch nicht. Es wäre falsch gewesen, dafür wusste sie einfach zu wenig über Creos Gefühlswelt, war zu wenig im Bilde über das was vor sich ging. Also kratzte sie sich bloß am Kopf, legte diesen schief und grinste: "Manchmal frage ich mich... wie Alexij aus einer Kultur stammen kann, die Dinge wie den Mulahtschak hat.", sagte sie bloß, wohlwissend dass ihre Aussprache des immernoch eher unvertrauten Wortes vermutlich eher dürftig war. Aber Creo würde ja wissen was sie meinte.

Sie lehnte sich zurück, dachte kurz darüber nach und antwortete schließlich zu der anderen Sache: "Wenn du es überzeugend genug sagst würde ich dir vermutlich jeden Blödsinn glauben.", sie grinste frech wurde dann aber rasch wieder ernst "Ich verstehe was du meinst... auch wenn mich das nicht unbedingt beruhigt, um ehrlich zu sein. Denn im Gegensatz zu mir bist du für Magie empfänglich, kannst sie spüren und mit ihr umgehen. Ich bin blind für alle Dinge, die magisch sind. Ich sehe nur, was am Ende dabei herauskommt. Das macht es nur umso unheimlicher...", sie lächelte, wenn auch zaghaft. Es war nicht so, dass sie undankbar war keinen Schmerz mehr zu fühlen. Dass sie nicht geheilt werden wollte, wenn ein Streitkolben mit knochenzerschmetternder Wucht auf ihren Arm traf. Sie traute dem ganzen einfach nicht. Es war einfach zu schlecht nachvollziehbar, zu schwer greifbar für ihren Geschmack.