Der Blick der Juristrix wurde sehr eisig.
Sie erhob sich sehr langsam und die seidenen Säume ihres Gewands knisterten. Kaum hörbar kam ein Flüstern über ihre Lippen und in weitem Bogen fuhr sie plötzlich mit der Linken durch die Luft, sodass ein heftiger Wind den schweren Folianten aus Croms Hände riss und ihn unsanft und aufgeblättert auf den Boden fallen ließ und die schwarzen Vorhänge und Karten an der Wand emporstoben. Anscheinend waren solche Schriften nicht von Interesse. Sie begann zu sprechen, sah dem Redcap dabei mit eisiger Strenge in die Augen, und in ihrer Stimme lag der Frost:
"Maßt Euch nicht an zu ahnen, was mir Vergnügen bereiten könnte!" Sie schien zu beben und mit jedem Absatz wurde sie lauter:
"Oh, ich glaube Ihr, Geschäftsmann, missversteht den Norden. Ihr werdet Euch unterorden oder Ihr werdet hier nichts erreichen. Ihr werdet den nötigen Respekt vor den Obrigkeiten des Reichs haben. Oder Ihr werdet scheitern!
Ihr kommt hierher, und nehmt Euch heraus zu sprechen wie Euch das Maul gewachsen ist. Ihr, falls Ihr es vergessen haben solltet, seid hier Bittsteller vor der Protektorin der Hauptstadt des Nordens, vor dem Hochamt der Jurisdiktion selbst, und Ihr werdet Euren Platz kennen! Einjeder, der sucht irgendetwas im Nördlichen Reich zu erreichen muss zugleich sein Diener sein, wir alle sind es, selbst ich."
Sie lenkte ein bisschen ein, sah Crom durchdringend an, damit er den Grund ihres Ausbruchs verstand und mit jedem Satz schien ihre Wut ein wenig mehr abzuklingen, sodass sie bald wieder seltsam gütig, ruhig und süß wie Honig sprach:
"Das Angebot, dass ich Euch offeriert' ist ein sehr großzügiges. Ihr seid es, der wünscht mit dieser Aufgabe betreut zu werden, der daran sich verdingen will. An einer Sache die für mich von geringem Belang ist. Ihr seid es der jedoch im gleichen Atemzug davon spricht, dass er nicht als Bediensteter gesehen werden will? Alle im Nördlichen Reich sind Diener, auch ich, selbst Ihre Exzellenzen, wenn auch nur vor den Elementen selbst. Ihr müsst die Regeln des Spiels beherrschen um mitspielen zu können. Ihr müsst nicht fürchten, dass ich Euch für Niederes zu verwenden suche, ich benötige niemanden für mein 'Vergnügen' der im Staube kriecht, doch Ihr müsst verstehen, dass dieses Reich ohne Hierarchie keinen Bestand hat. Wir alle sind darin. Und solltet Ihr wünschen jene Aufgabe zu erhalten, dann erwarte ich einzig und allein, dass Ihr lernt mitzuspielen. Und dass Ihr nicht vergessen werdet, wer Euch diese Gunst bescherte. Ihr und die Euren könnt Eurer Geschäfte nachgehen wie immer Ihr es begehrt, es kümmert mich nicht. Und ja, Ihr wäret einzig mir unterstellt, denn schließlich bin ich die Protektorin dieser Stadt, und natürlich jenen, die über mir stehen, Ihre Exzellenzen selbst. Wen ich Euch einsetzte, wer soll da die Macht haben, dass Wort gegen Euer Handeln in Paolos Trutz zu erheben?
Was ich im Gegenzug verlange ist einzig, dass Ihr mich als das akzeptiert, die ich bin: Die Herrin dieser Stadt, die Euch ansich nichts Böses will. So Ihr weder Hand noch Willen gegen mich erhebt, will ich nichts weiter als dass Ihr Eure Geschäfte nicht zum Schaden der Hauptstadt gestaltet, dies ist doch nicht viel?
Doch ich stell' es Euch frei. Ihr nehmt es an so wie das Angebot steht, oder Ihr entscheidet Euch ein Geschäft machen machen zu wollen, doch dann müsst Ihr schon etwas anzubieten haben, dass für mich von Wert ist, nicht für die Belustigung des Volkes."
Da war wieder dieses gefährliche Lächeln. Ganz anscheinend war sie nicht erpicht darauf, dass die Rotkappe vor ihr kroch, sondern vielmehr, dass er verstand wie die Politik im Norden funktionierte. Er würde bekommen, was er wollte, wenn er sich einordnete, und wenn nur pro forma und hinter verschlossener Tür, quid pro quo. Denn noch war er nur Bittsteller und hatte nichts zum Handeln mitgebracht. Oder vielleicht doch?