Friedvolles Beisammensein

  • Nach einer kurzen, traumlosen Nacht, schlug Svala ihre Augen auf, nur um sie sogleich wieder vor den blendenden Strahlen der frühen Morgensonne zu verschließen. Mit dem Ärmel ihrer Tunika über dem Gesicht versuchte sie sich zu entsinnen, was in den letzten Tagen geschehen war. Gleich zwei Menschen waren neu in ihr Leben getreten. Zwei Menschen, die in der Lage waren zu Denken - so etwas gab es nicht oft, das hatte sie mit der Zeit gelernt.
    Abrupt wurde ihr Umhersinnen unterbrochen von dem lauten Umhergepolter ihrer Wahlverwandten - Fütterungszeit!
    Glücklicherweise hatte sie es vor ihrer Expedition in den Wald nicht versäumt, die Brotvorräte noch etwas aufzustocken. Ihr verging jedoch der Appetit bei dem Gedanken, dass sie es aus den schmierigen Wurstfingern dieses Lustmolches von Wirt entwendet hatte, als dieser seine Griffeln gerade wieder an diversen Hinterteilen deponiert hatte... aber Brot war Brot und stillte den Hunger ihrer Familie.
    Gedankenverloren blätterte sie in dem kleinen Notizbuch, das vor einigen Jahren während sie auf der Suche nach ihrer wahren Familie war einer dieser Gelehrten aus Ungeschick zurückließ und ihr seitdem als treuer Begleiter diente, mit dem sie alles teilte, was sie mit ihren Augen und ihrem Verstand umreißen konnte. Auch die zahlreichen Studien aus ihrer Zeit in den Bergen hatte sie nie aus der Hand gegeben - das sollte Vitus ihr einmal gleichtun!
    Mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen verstaute Svala alle Manuskripte und ein paar Bögen Pergament für die Abschriften in ihrer Tasche, begrüßte kurz ihre Familie und machte sich dann auf den Weg zu der Taverne, in der sie ihre beiden neuen Gefährten zu treffen erhoffte.
    "Was ma-aaAAH..!"
    Gerade hatte sie sich gefragt, was denn da so das Sonnenlicht reflektierte auf dem grauen Kopfsteinpflaster - da war sie ihrem Objekt des Interesses schon von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Scheinbar handelte es sich um irgendeine Schmiere.
    Unverantwortlich. Schlampiges Pack, was denkt man sich dabei?
    Mit schmerzendem Hinterteil setzte sie schlecht gelaunt ihren Weg fort und warf den verunsicherten Passantan bitterböse Blicke zu.

  • Währenddessen saß Vitus schon - zwar noch in einer Art Nachthemd - an dem kleinen Tisch seines Zimmers.
    Der Tisch stand voller kleiner Fläschchen und diverser dazugehöriger Instrumente. Zudem lagen viele Notizen auf Papier auf dem Tisch.
    Mit seinen noch etwas müde aussehenden Augen betrachtete er durch eine Linse ein paar der gestern gesammelten Pilze.
    Zwischendurch machte er sich Notizen in seinem Buch.
    Als er aus dem Fenster gucken wollte wendete er gerade noch rechtzeitig seinen Blick ab um nicht direkt in die Sonne zu sehen.
    Mit verkniffenem Gesicht drehte er sich dem Fenster ab und stand auf.


    Aus einem Beutel holte Vitus ein paar Kleidungsstücke die er sich schnell überzog.


    Hiernach ging er zur Tür, öffnete diese und sah in den kleinen Vorraum von dem die Zimmer aus betretbar waren.
    Es war niemand da.
    In diesem Moment kam der Wirt die Treppe hochgestiefelt.
    Mit schwerem unsymmetrischen Gang und Geräuschen wie beim Kraftsport hiefte er sich in den ersten Stock.
    "Guten Morgen!" - Vitus hob die Hand und lächelte dem Wirt zu.
    " 'Morgen." grummelte der Wirt wobei er kurz auf der Treppe verharrte und Vitus etwas misstrauisch anblickte.
    "Unten - kannst dir was zu Essen holen." Setzte er hinzu.


    "Ich danke euch vielmals!"
    Vitus ging aus der Tür und verschloss sie hinter sich leise.
    Er lief - so versuchte er es jedenfalls - leise die knatschende Treppe herunter.
    Unten in der Gaststube angekommen blickte er sich um und sah gerade die Tür öffnen und Svala fast schon hereinstolpern.
    "Guten Morgen!" - Vitus grinste Svala an.

  • Schlecht gelaunt betrat Svala die Taverne und wurde mit einem mehr oder weniger gastfreundlichen "Morgen, junge Dame" seitens des Gastwirtes begrüßt, der ihre zerzauste Erscheinung von oben bis unten musterte und sich dann wieder dem Gastbuch widmete.
    Die Unfreundlichkeit in Person. Dicker, alter, mürrischer Kerl. Soll er sich sputen, dass er in die Gänge kommt und nicht wie ein beschwipster Frosch umherstarren.
    Svala fühlte sich wie eine Katze, der man gegen den Fellwuchs gestrichen hatte und nichts vermochte sie mehr zu provozieren, als eben das, was gerade um sie herum geschah. Dazu kam nun diese munter lächelnde Gestalt, die ihr ein freundliches "Hallo" zurief und sie dabei fast umrannte - das war zuviel.
    Mit der größten Mühe zwang sie sich, nicht laut zu werden und hob langsam den Blick, um ihren Gegenüber feindseelig anzufunkeln.


    "....."
    Ihre Stirn entkrauste sie schlagartig als sie in Vitus fröhliches Gesicht blickte.


    "Gu...guten Morgen Vitus. Haben meine beiden neuen Freunde eine angenehme Nacht hinter sich? Du musst mich entschuldigen, heute scheint mir ein schadenfroher Dämon im Nacken zu sitzen und da werde ich schnell mal aufbrausend. Euren guten Wirt dort oben, dem hätt ich's am liebsten gezeigt! Dieser alte, schmierige, faule, grunzende.."

  • Es war eine kurze Nacht für Zoya gewesen und als sie erwachte, war die Welt draußen immer noch von Dunkelheit umhüllt. Langsam schlich sie zum Fenster und betrachtete den sternenbedeckten Himmel. Er sah so anders aus als früher. Bedrohlicher. Nicht mehr wegweisend und bekannt. Eine unbekannte Schwärze, die einen zu verschlingen droht.


    Irgendwo in der Stadt maunzte eine Katze und die ersten Vögel begannen bereits, ihre fröhlichen Melodien zu singen. Sie setzte sich an den kleinen Tisch in der Ecke ihres Zimmer und holte aus ihrer Tasche ihr ledergebundenes Tagebuch hervor, doch als sie grade beginnen wollte, die Ereignisse des vorangegangenen Tages nieder zuschreiben, wurde sie von einem Impuls gepackt. Schnell schritt sie zu ihrem Gürtel, nahm ihren Dolch und stellte sich vor den bereits alten Spiegel.


    Sie würde es dieses Mal nicht verderben. Sie würde nicht ihren alten Ängsten und Gefühlen die Chance geben, alles zu zerstören, was sie sich aufzubauen versuchte. Ein letztes Mal strich sie sich durch ihre langen Haare, bevor sie sie mit einem einzigen Zug ihres Dolches abschnitt.


    Einige Augenblicke später war sie mit dem Ergebnis zufrieden und betrachtete ihr neues Spiegelbild. Sie war immer noch sie selbst, aber anders. Den Rest des noch frühen Morgens verbrachte sie damit, in ihr Tagebuch zu schreiben und als sie auf dem Flur Vitus hörte, der mit dem Wirt sprach, beschloss sie sich, sich vollständig anzukleiden und nach unten zu gehen.


    "Guten Morgen. Svala. Vitus." Ein kurzes begrüßendes Nicken. "Wie ich sehe sind wir alle bereits glänzender Laune!"

  • "Guten Morg'.."
    Vitus stockte.
    "Täuscht es mich oder hattest du bis gestern Abend noch lange Haare? - Ich kann mich auch täuschen, immerhin war es dunkel."
    Vitus begutachtete Zoya's neue Haarpracht.
    "Wollt ihr etwas essen? Wir können hier etwas essen oder in die Stadt gehen und auf dem Markt etwas kaufen."
    Vitus zeigte mit weit ausgestreckten Armen die beiden Möglichkeiten.
    "Falls wir in die Stadt gehen müsste ich mir allerdings noch eben meinen Mantel holen."
    Vitus streckte einen Arm in richtung der Treppe aus.

  • "Dann nimm die Beine in die Hand und los, Vitus!Mein Bauch wölbt sich ja bald nach innen..."
    Unwirsch schob sie ihn in Richtung Treppe, wandte sich zu Zoya um und strich interessiert durch ihre Haare.
    "Recht ansehnlich. Beinahe so wie meine... ich nehme an, ich habe es heir ebensfalls mit einer Dolchfrisur zu tun?"
    Sie lachte.