Im Inneren der Palisade

  • Valentins Mund war vollkommen trocken. Plötzliche Unruhe ergriff ihn.
    Diese Schriften durften auf keinen Fall in falsche Hände geraten! Nicht ohne Grund hatte jemand - Kire selbst oder Venya im Auftrage Kires - diese Blätter verschwinden lassen wollen.
    Nein - zumindest nicht vollkommen, denn die Person hatte sie hier versteckt wohl wissend, dass es enteeckt werden würden sobald der Lark Kires seinen Stall verließ. Es blieben zwei Möglichkeiten: Entweder er hatte nicht damit gerechnet, dass der Lark jemals wieder seine Box verlassen würde, in diesem Fall würde dieser jemand vermutlich sehr bald zurückkommen um die Papiere an einen anderen Ort zu bringen, oder aber er hatte damit gerechnet und war mit den anderen Siedlern fortgezogen. In beiden Fällen hätte es sich um jemanden handeln müssen, der gut mit Kire vertraut gewesen war, andernfalls hätte der graue Lark wohl kaum bereitwillig auf die Truhe aufgepasst.


    Eines war klar: Valentin musste diese Schriften in Sicherheit bringen, denn hier waren sie nicht länger verborgen.
    Einen Augenblick stutzte Valentin. Vor wem hatte dieser jemand etwas verbergen wollen? Hatte er Angst, dass nach der Hinrichtung Kires auch sein Heim durchsucht werden würde? Von wem? Von Außerhalb? Oder hatte dieser Jemand gar eine Durchsuchung von Innen befürchtet? ...


    Eilig ging Valentin zu seinem Lark und nahm ihm mit rutinierten Handgriffen die Satteltaschen ab. Glücklicherweise trug er nie viel mit sich herum. Einerseits wollte er das riesige Tier nicht unnötig belasten, was absurd war, da der Lark das Gewicht eh kaum gespürt hätte, andererseits, weil er eh kaum etwas zu befördern gehabt hätte. Die Taschen waren also nahezu leer.
    Darauf bedacht die Papiere nicht zu beschädigen sammelte er den Inhalt der Truhe zusammen und lies alles in die Taschen gleiten. Zum Schluss nahm er das Buch zur Hand und strich andächtig über den Rücken.
    Was würde ihm dieser Wälzer wohl offenbaren? Vorsichtig legte er das Buch zu den Papieren und warf sich die Taschen über die Schulter.


    Anschließend ging er hinüber zur Hinterwand der Box, an der unter anderem das Zaumzeug des Larks hing. Das edel gearbeitete Reitzubehör war wenig genutzt worden. Valentin nahm es von der in Dunkelheit liegenden Wand und warf es in die Kiste, ließ den Deckel zufallen und verstreute noch etwas Stroh. Jeder der nun nach ihm diese Kiste finden würde musste annehmen, dass die halb in den Boden versunkene Kiste nichts Ungewöhnliches darstellte, zumal darin lediglich das durchaus wertvolle Zaumzeug des grauen Larks gelagert wurde, das dieser zu beschützen gesucht hatte. Jedenfalls keine Spur davon, dass sich in dieser Truhe bis vor Kurzem noch ein wahrer Schatz befunden haben musste.


    Bei dem Gedanken daran, was Valentin da auf seiner Schulter spazieren trug wurde ihm schwindelig.
    Er versorgte seinen Lark, nahm ihm Zaumzeug und Sattel ab und machte sich anschließend auf direktem Wege auf zu seinen Gemächern.