Verhandlungen um die Taverne

  • Wann: Einige Tage nach Aufbruch Reanas, Amelies und Alexijs nach Kelriothar
    Wo: Êrengard ehemalige Taverne
    Wer: Aaliyah, Taverneninteressent


    Es war wenige Tage nach dem Aufbruch ihrer Freunde nach Kelriothar. Aaliyah war gerade dabei ihre Tasche zu packen, denn sie würde sich in wenigen Augenblicken mit dem neuen Bewerber für die Taverne treffen um mit ihm zu sprechen. In den vergangenen Tagen hatte sie immer wieder an Amelie, Reana und Alexij gedacht. Wie ging es ihnen wohl? Waren sie wohl auf? Was erlebten sie wohl gerade und waren sie überhaupt noch am Leben? All diese Fragen gingen ihr täglich mehrere Stunden durch den Kopf. Jedes Mal bei diesen Gedanken, wenn sie an die Stelle kam, an der sie sich fragte, ob sie noch lebten, krampfte sich ihr Magen unangenehm zusammen und ein flaues Gefühl erfüllte sie. Schnell versuchte sie diese Gedanken wieder abzuschütteln, es gelang ihr auch, zumindest zeitweise.
    Kurz begutachtete sie noch einmal den Inhalt ihrer Tasche und danach sich selbst im Spiegel. Sie befand ihr Erscheinungsbild als angemessen um auf die Straße zu gehen und verließ das Haus in Richtung der Taverne.
    Nachdem sie die Wege einiger Siedler gekreuzt hatte, die geschäftig ihren Aufgaben nachgingen, erreichte sie auch schon das Wirtshaus, das seit dem Tod des letzten Wirtes leer stand. Der kleine Wiesenstreifen vor dem Haus war verwahrlost. Unkräuter wucherten aus dem Boden hervor, stellenweise waren Flecken platt getrampelt und es sah aus, als hätte jemand an einer Stelle versucht ein Feuer zu machen.
    Hoffen wir, dass sich dieser Zustand bald ändert. , dachte Aaliyah bei sich und hielt Ausschau nach dem Siedler, welcher sich mit ihr treffen wollte. Da hörte sie auch schon Schritte. Sie schienen von hinter dem Haus hervor zu hallen und jeder Tritt hörte sich fast wie ein kleiner Donner an. Aaliyah drehte sich in die Richtung aus der sie die Schritte vernommen hatte und da stand auch schon der Interessent.
    Der Mann war schon fast furchterregend. Er war so groß wie ein Bär und ebenso breit. Seine Beine wurden von einer Pluderhose bedeckt. Etwas anderes gab es wohl nicht in seiner Größe. , dachte sich Aaliyah bei dem Anblick des Mannes. Sein Hemd, sowie seine Weste darüber trug er offen und ließen einen Blick auf seinen Oberkörper zu. Er ist nicht nur so groß wie ein Bär…sondern auch ebenso behaart. , stellte die junge Frau in Gedanken fest. Ihre Blicke wanderten weiter an dem Mann hoch. Sein Gesicht war schon etwas älter und von der einen oder anderen Narbe gekennzeichnet. Sein Mund wurde von einem Bart leicht überdeckt, welcher sich bis zu seinen Ohren und um den Mund herum zog. Seine Nase war schmal, doch hatte sie einen Knick in der Mitte. Wahrscheinlich einmal oder mehrmals gebrochen. , analysierte Aaliyah den Mann weiter. Die junge Frau sah weiter hinauf und aus zwei tiefen Augenhöhlen, der Mann hatte in letzter Zeit wohl wenig Schlaf gefunden, sahen sie zwei dunkel funkelnde Augen an, die von einer zusammengewachsenen Augenbraue, im wahrsten Sinne überschattet wurden. So viele Haare wieder Mann an seinem Körper hatte, so wenige hatte er auf dem Kopf. Sie hatten sich wohl dagegen entschieden in der nördlichen Region seines Körpers zu wachsen und wucherten dafür umso mehr am Rest seines Körpers. Angetan war Aaliyah von dem Anblick des Mannes nicht. Doch er wollte die Taverne führen und dafür musste man nicht wie ein Märchenprinz aussehen.
    Als er sie erblickte, lächelte er, ging geradewegs auf die junge Frau zu und streckte ihr eilig seine Hand hin. „Zum Gruße.“, donnerte seine tiefe Stimme ihr entgegen. Aaliyah bemerkte erst jetzt dass seine Hände großen Pranken glichen, welche fast so groß wie Teller zu sein schienen. Der Mann überragte Aaliyah locker über zweieinhalb Köpfe, weswegen er wohl auch etwas in die Knie gegangen war zur Begrüßung. Trotz der Angst, dass sie wohl ihre Hand durch zerquetschen verlieren würde, reichte sie ihm die ihre. „Zum Gruße.“, erwiderte sie freundlich und lächelte ihn an. Zu ihrem Erstaunen, drückte der Riese ihre Hand nur sanft und lächelte ebenfalls, dabei fiel ihr auf, dass der Mann einen leichten Silberblick hatte. Sie musste sich redlichst bemühen nicht ihr Gesicht zu verziehen, was ihr schon vorher schwer gefallen war bevor sie auch noch dieses Detail bemerkt hatte.
    „So ihr wollt euch also um die Taverne kümmern.“, begann Aaliyah das Gespräch. Sie wollte nicht lange drum herum reden. Sinnlose Alltäglichkeiten auszutauschen lag ihr einfach nicht.
    „Oh ihr kommt gleich zum Punkt. Das finde ich gut.“, sagte der Mann und lachte donnernd.
    „Ja warum lange herum reden, wenn es doch wichtige Dinge zu besprechen gibt.“, sagte Aaliyah und fuhr dann fort: „Wollen wir uns erst einmal den Zustand des Hauses ansehen? Ich hörte es steht schon etwas länger leer.“
    Der Mann verzog das Gesicht. „ Ja ich weiß. Der Wirt welcher sich umbrachte, das war mein Bruder.“
    „Oh das wusste ich nicht. Mein Beileid zu eurem Verlust.“
    Der Mann sah zu Aaliyah hinunter. Er sah sie ernst an und ließ dann wieder seine Stimme ertönen, die gerade noch tiefer klang als vor wenigen Momenten: „Danke Komtess. War nichts mehr zu machen mit ihm. Hat den Verlust nicht ertragen. Sein Leid war zu groß. Hat sich selbst ein Ende gesetzt, mitm Strick.“
    Aaliyah hörte ihm aufmerksam zu. Als er sie mit ihrem Titel ansprach war sie überrascht. Sie hatte ihn schon seit langer Zeit nicht mehr gehört. Niemand ihrer Freunde hatte sie bisher so angesprochen, doch in einer gewissen Art genoss sie es. Als der Mann geendet hatte, befand sie dass es das Ganze nicht leichter machen würde, wenn sie jetzt das Gespräch auf den Tod seines Bruders vertiefen würden, also beschloss sie das Thema zu wechseln. „Also wollt ihr das Erbe eures Bruders antreten?“, fragte sie sanft.
    „Ja.“, sagte er knapp, nickte und setzte noch hinzu: „Sonst machts ja keiner.“
    „Gut dann lasst uns das gute Stück einmal genauer ansehen.“ Mit diesen Worten setzte sich die junge Frau in Bewegung und beide betraten die Taverne. Aaliyah war überrascht von der Höflichkeit und dem scheinbar vorhandenen Wissen um Etikette bei dem Mann. Höflich hielt er ihr die Tür auf, lies sie zuerst jeden Raum betreten und auch wieder verlassen. Zum Schluss kamen sie in einen kleinen Hinterhof, der ebenfalls sehr vernachlässigt aussah. Der Boden war ebenfalls mit Unkraut zu gewuchert und hier und da, rankten sich ein paar Dornen entlang, was die Begehung stark erschwerte. Sie beließen es bei einem kurzen Blick darauf. Am Ende des kleinen Rundganges, begaben sich beide ins Innere der ehemaligen Taverne. „Wollen wir uns setzen und alles Wichtige besprechen?“, fragte Aaliyah und deutete auf einen Tisch mit ein paar Stühlen. Der Große nickte. Sie gingen zu dem Tisch auf den Aaliyah gedeutet hatte. Dieser Mann steckt voller Überraschungen. , dachte die junge Frau als ihr der Stuhl von ihm zurecht gerückt wurde, bevor sie sich setzte. Natürlich fragte sie sich ob er immer so aufmerksam war oder ob es nur ein Spiel war ihr zu gefallen und die Taverne in seine riesigen Finger zu bekommen. Doch sie wollte sich noch nicht auf eine Option festlegen.
    „Was habt ihr euch denn vorgestellt?“, fragte sie interessiert und beugte sich etwas vor.
    „Nun ja. Als mein Bruder noch die Taverne führte, war es sehr lebendig hier. Ich fände es gut wenn das wieder so wird.“, er sah die junge Frau mit festem Blick an. Seine Augenbraue war leicht zusammengezogen, er hatte wohl die Nase etwas gerümpft.
    Aaliyah nickte zustimmend. „Ja das befürworte ich. Die Leute brauchen einen Platz an dem sie sich aufhalten und den Alltag etwas abschütteln können. Ich denke, dass sobald dieser Ort wieder geöffnet hat, hier wieder buntes Treiben herrschen wird. Zudem ist das Haus noch gut in Stand, die Eröffnung könnte also bald geschehen.“, sagte sie und lächelte.
    Der Mann lächelte zurück und nickte bestätigend. „ Ich möchte das Erbe und die Erinnerung an meinen Bruder aufrechterhalten. Ich hätte auch schon einen Namen für die Taverne.“, sagte er, jetzt enthusiastischer.
    „Darauf können wir später gerne zurückkommen. Zunächst hätte ich da noch ein paar Fragen an euch.“ Aaliyah war bewusst, dass sie damit seine Begeisterung etwas dämpfte, doch sie wollte noch mehr über den Interessenten erfahren, bevor sie ihm die Verantwortung über die Taverne übertrug. Er nickte verständnisvoll und wartete Aaliyahs erste Frage ab.
    Das Gespräch ging einige Stunden. Die beiden besprachen ihre Vorstellungen. Dazu zählten zukünftige Verpflichtungen, wie auch Rechte beider Seiten. Ab und an kam das Gespräch erneut auf den toten Bruder des Mannes, so lernten sie einander ein bisschen besser kennen. Nachdem Aaliyah all ihre Fragen gestellt hatte und auch die Frage der Kosten zur Zufriedenheit beider geklärt war, bat Aaliyah ihn noch, ihr einmal eine Kostprobe seiner Fähigkeiten zu geben und sie zu bewirten. Tatsächlich hatte der Bewerber eine Flasche Met mitgebracht. Er hatte sie wohl extra für den heutigen Tag besorgt. Aaliyah war sich nicht sicher ob der Mann mit seinen großen Händen in der Lage war die kleinen zerbrechlichen Gläser sicher zu handhaben. Später könnte man noch ein paar Schankmaiden einstellen, doch für die ersten Tage würde er das Tagesgeschäft noch allein bewältigen müssen. Zu ihrer freudigen Überraschung war der zukünftige Wirt sehr sensibel mit den kleinen Materialien und obwohl das kleine Glas in seiner Hand fast zu verschwinden drohte, brachte er es sicher auf den Tisch.
    Während Aaliyah ihren Met aus einem unüblich kleinen Glas trank, nickte sie zufrieden. „Ihr habt mich überzeugt. Ich werde die Formalitäten für das Ganze noch heute in Auftrag geben. Wann wollt ihr öffnen?“, sagte sie und nahm einen weiteren kleinen Schluck.
    Der Große lächelte. „Ich denke es wird ein paar Tage dauern, aber mit etwas Hilfe von ein paar Siedlern könnten wir es in einigen Tagen schaffen, vielleicht rechtzeitig zu der Rückkehr der Leute die nach Kelriothar aufgebrochen sind.“, antwortete ihr der Mann zuversichtlich.
    „Ich werde euch die Leute zur Verfügung stellen die ihr braucht.“, sagte sie und fuhr dann fort: „Ihr hattet vorhin erwähnt, dass ihr für die Taverne bereits einen Namen im Kopf habt. Welchen Namen soll sie denn tragen?“
    „Zum hängenden Wirt.“, antwortete er knapp. Aaliyah zog die Augenbrauen etwas hoch, worauf er hinzufügte:
    „Zum Gedenken an meinen verstorbenen Bruder.“
    Etwas makaber. , dachte Aaliyah bei sich. Doch ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Gut, wie ihr wünscht. Dann ist dies jetzt die Taverne zum hängenden Wirt.“, sie machte eine kurze Pause. „Eine Frage habe ich noch an euch. Wie lautet euer Name? Ich brauche ihn um die Formalitäten rechtskräftig aufsetzen zu lassen.“
    Er sah sie kurz an, kräuselte anscheinend wieder seine Nase, denn seine Augenbraue zog sich erneut zusammen. Es schien als müsse er nachdenken. Sein schielendes Auge schien sich einen halben Zentimeter leichter nach rechts zu bewegen als gewöhnlich. Dann schien er sich wieder daran zu erinnern. „Mein Name lautet Mannfred Willem Ibrahim Kupakwasche Babu Schenk.“
    Aaliyah hatte nach dem dritten Namen den ersten schon wieder vergessen den er genannt hatte. Nach kurzer Verwirrung lächelte sie und sagte: „Könntet ihr das bitte noch einmal wiederholen? So dass ich es mir mitschreiben kann.“, bat Aaliyah den Mann.
    „Ihr könnt mich der Einfachheit halber auch einfach Manni oder Schenk nennen. Aber ja ich wiederhole noch einmal für euch, zum Mitschreiben.“
    Aaliyah schrieb sich den Namen auf, den vierten wollte sie sich buchstabieren lassen, doch das konnte Schenk nicht und so schrieb sie es wie sie es sprach.
    Das Geschäft wurde mit einem Handschlag besiegelt. Beide verabschiedeten sich voneinander und gingen wieder getrennte Wege.
    „So nun werden wir also bald die Taverne zum hängenden Wirt haben.“, sprach Aaliyah für sich leise vor sich hin. Dabei lächelte sie und trat zufrieden den Heimweg an.

    Aaliyah von Ateş<br />Stadträtin Êrengards<br />zuständig für innere Angelegenheiten und Recht

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