Ein seltsamer Bettler [Firnheim]

  • Die Sonne schien hell am Tag, warm und angenehm versprach der Sommer zu sein. Ausnahmsweise schien die Feldarbeit heute nicht so schwermütig wie sie es sonst in dunklen Zeiten sein könnte. Nur der seltsame Bettler, der den Weg entlang ging, gestützt von einem halb morschen Ast und gehüllt in dreckige Lumpen, die zwischen dreckigem Grau und Braun auch die ein oder andere Stelle aufwiesen die leicht gelblich verfärbt war. Wenn man überhaupt noch von Kleidung sprechen konnte, denn so zerlöchert und zerschlissen wie diese Fetzen Stoffes die dieser seltsame Bettler trug, waren, ist es nicht mehr fern bis er wohl nackt umher springen würde. Ein Bein immer wieder nachziehend sah er sich um. Verkrustete Wunden am Kopf, dreckige schwielige Hände mit teilweise gesplitterten Fingernägeln und wirrem fettigem Haar machten ihn nicht gerade ansehnlich. Er mochte noch als warnendes Beispiel dienen, um Kindern zu zeigen was passieren würde, wenn man nicht hart arbeitet. Keiner sah was er wirklich war. Keiner erkannte was er in sich trug.
    Wie so oft blieb er stehen und sah die armen Menschen ihr Tagewerk verrichten. Wie so oft wollte er sie warnen. Bisher hörten ihm nur wenige zu. Ein gütiger Herr, ein gnädiger Henker und drei strenge dunkle Wesen waren die wenigen die ihm Beachtung und Leben schenkten. Doch es war seine Pflicht, es war seine Aufgabe und er durfte nicht versagen, niemanden im Stich lassen und hoffe das sie verstehen würden.
    "Die Zeit naht dem Ende entgegen" krächzte er mit heiserer Stimme "rettet euch und eure Liebsten! Sie hat es gesehen und die Warnung überbracht, im Osten und Westen! Ich will euch warnen! Gebt acht auf die Wahrheit! Erkennt ihr sie noch wenn ihr sie seht? Erkennt ihr sie noch wenn ihr sie hört? Erkennt ihr sie? Wahr wird eine Lüge wenn es keinen mehr gibt der die Wahrheit kennt, doch die Welt erinnert sich immer! Aus dem Feuer geboren, aus den Winden gezeugt, aus dem Wasser entsprungen und aus der Erde erwachsen. Zusammen gemengt und doch wird etwas vergessen! Was fehlt liegt im dunkeln, was fehlt ist schwarz. Was genommen wurde war golden, was verkauft wurde war silbern, was genutzt wurde war eisern. Findet die Wahrheit bevor es zu spät ist!" rief er klar vernehmlich. Er wirkte wie ein Schandfleck mitten in der Welt dort zwischen den saftigen Feldern und dem hellen Licht. Dreckig und heruntergekommen sah er aus.
    Dann ging er weiter, und lies den Ast zurück. Den würde er nicht mehr brauchen.