Innerer Zwist (Sylvana)

  • Status: Irgendwann während der Zeit auf dem Weg nach Asshan
    Wer: Sylvana (Einstimmungstexte für mich und zum Lesen für Euch)
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    Sylvana hatte sich damit abgefunden, dass Kelnozz es sich vor ihrem Zelt bequem gemacht hatte und sich nur dann entfernte, wenn er sich sicher war, dass die Leute die Lorick ihr auf den Hals gehetzt hatte ein Auge auf sie hatten. Sie war sich nicht ganz im Klaren darüber, was in dem nervtötenden Spitzohr vor sich ging, oder ihn gar dazu bewog, aber im Zweifelsfall waren es Befehle von Ka’Shalee. Mehr oder weniger war äußerst unwahrscheinlich.


    Schweigsam und von düsteren Gedanken umtrieben zog sie die Handschuhe von ihren schmerzenden Händen und warf sie achtlos auf den kleinen Tisch in der Mitte ihres Zeltes. Die nächsten Schritte führten sie hin zu ihrem lieblos hergerichteten Lager und erschöpft wie sie war, tat sie sich schwer damit die Schließen ihres Überwurfes zu lösen. Ein verärgertes Geräusch von sich gebend ließ sie sich auf den Fellen nieder und befreite ihre Füße von den weichen Lederstiefeln. Gleichgültigkeit erfasste ihr Gemüt und sie ließ sich seufzend zurückfallen. Rau gewordene Hände fuhren durch völlig übermüdete Züge und ein abwesender Blick glitt an die Decke ihres Zeltes. Die Stille die sie umgab war erholsam und beängstigend zugleich. Denn in solchen Augenblicken hatte sie Zeit… Zeit für sich… Zeit zum Nachdenken.


    Wie lange war sie nun auf diesem Kontinent? Sie wusste es, doch in jenem Moment fiel es ihr schwer sich an die Zahl zu erinnern. Wie bedeutungslos diese Zeitspanne inzwischen war. Vieles hatte sich verändert, hatte sie verändert…

    Mein Schicksal war ein leeres Blatt,
    Papier kann so geduldig sein.


    So weit entfernt von goldenen Käfigen konnte sie nicht umhin zufrieden damit u sein völlig erschöpft auf ihrem Lager zu liegen. Mit schmerzenden Händen die wussten welch Arbeit sie dieser Tage getan hatten.


    Ich hatte dieses Warten satt,
    seit Wochen fiel mir nichts mehr ein.


    Mit Ignis hatte all das angefangen. Sie hatte Wärme und Licht in die Kälte ihres Inneren Gefängnisses getragen und der Avatar war der erste von ihnen, der die Ketten sprengte, welche die Emotionen zu Gefangen gemacht hatten. Sylvana erinnerte sich gut daran und würde das Gespräch mit ihm niemals vergessen. Immer wenn man sie fragte, warum sie so anders war als die meisten Repräsentanten des Feuers, erzählte sie ihnen die Geschichte dieses einen Abends. Seufzend erinnerte sie sich daran. Das tat sie in der letzten Zeit jeden Abend bevor sie der Schlaf übermannte. Es schenkte ihr Hoffnung, machte ihr Mut… dafür, dass all das was zurzeit geschah ein höheres Ziel verfolgte… einen tieferen Sinn besaß.


    Der Blick ihrer grünen Augen verlor sich an der Zeltdecke, sie war unendlich müde und an schlaf war dennoch nicht zu denken. Nicht sofort…


    Ich starrte in das Dunkel meines Raums,
    nach Stunden schlief ich endlich ein.


    Schatten, überall… Zweifel, Vorwürfe und Anschuldigungen. Viele Worte rissen tiefe Wunden die kein Heiler, ganz gleich wie gut er war, zu behandeln in der Lage war.


    Sie kamen aus der Tiefe meines Traums
    und krochen in mein Herz hinein.


    Zweifel waren gut und gefährlich zugleich, wie so vieles auf dieser Welt. Problematisch wurde es, wenn derjenige den es betraf sich verunsichern ließ und an sich selbst zu zweifeln begann, den Boden unter den Füßen verlor und quälenden Schatten, Träumen und Gedanken den Weg öffnete sich des eigenen Geistes zu bemächtigen.

    Plötzlich waren sie … in meiner Phantasie,
    und sie hatten ihren Preis.


    Im Traum gefangen hörte niemand ihren Schrei.


    Siehst du nicht die Geister, die ich rief?
    Kamen in der Nacht, während ich schlief.
    Wurden hier im Dunkel viel zu groß.
    Die Geister, die ich rief, lassen mich nicht mehr los.


    Vehement hallten Stimmen aus ihrer Vergangenheit durch ihren Sinn. Immer und immer wieder spielte ihr Geist jene Situationen durch die entscheidend für den Verlauf der Dinge gewesen waren.


    Man schlug mir einen Handel vor,
    ich willigte nur zögernd ein.


    Gefühle wollte man sie lehren. Freundschaft und Vertrauen sollten Dinge sein, an die sie sich erinnern musste. Man versprach ihr eine Familie, Geborgenheit und ein Entkommen aus der Einsamkeit des Zwielichts. Doch hatten jene wenigen unter den verurteilten Völkern durchaus Recht mit ihren Warnungen, dass all diese Dinge so zerbrechlich wie auch selten waren und die meisten Seelen zu schnell von einer Wahrheit sprachen, die sie selbst nicht zu begreifen wussten.

    Auch wenn ich den Verstand verlor,
    ich wollte doch nur freier sein.
    Dafür gaben sie
    mir diese Melodie


    Die Melodie der Emotionen.

    Doch sie hatte ihren Preis.


    Und dieser Preis war dabei sie zu zerreißen. Sie hatte sich lange Zeit in dem Versuch verloren es allen Recht zu machen. Und erst als kaum noch etwas von ihr übrig war, waren Seelen gekommen und hatten sie geweckt. Nicht jene die sich mit Tugenden wie Ehrlichkeit und Treue brüsteten, nein… es waren Seelen deren eigene Zerrissenheit es war, die Sylvana dazu bewog ihnen Gehör zu schenken. Auch wenn der Kampf erst begonnen hatte… ihr Wille war neu erwacht…


    Immer neue Güsse bringen sie herein,
    tausend schwarze Flüsse stürzen auf mich ein.
    Hör mich an, oh Meister, meine Not ist groß
    die ich rief, die Geister, werd ich nie wieder los.


    Doch diese Schlacht hatte erst begonnen.

    Nur indem wir unser eigenes Licht ohne Angst scheinen lassen geben wir anderen Menschen die Erlaubnis und den Mut, das Gleiche zu tun.

  • Sylvana wusch sich das Blut von den Händen, spürte das kalte Wasser auf ihrer angewärmten Haut. Müde stützte sie sich mit den feuchten Händen auf den kleinen Tisch und fühlte wie feiner Schweiß sich seinen Weg ihre Schläfe entlang suchte. Schweigsam beobachtete sie die sich nur langsam beruhigende Wasseroberfläche. Ihre Arme zitterten. Ihr Kopf und ihr Rücken schmerzten. Nichts wünschte sie sich mehr als Schlaf, Frieden… und eine Hand auf ihrer Schulter. Eine einfache Geste die doch so viel bewirken konnte. Sie erinnerte sich gut daran wie oft sie Gespräche mit Chaoten oder Dunkelelfen geführt hatte. Wesen denen solcherlei Dinge albern und unnötig vorkamen und dennoch… waren es seit geraumer Zeit genau jener Schlag von Seelen die es verstanden da zu sein. Freundschaften in denen harte Arbeit steckte und die so selten waren, dass sie viel ehrlicher waren als ein Großteil aller anderen Verbindungen herkömmlicher Menschen.


    Die Worte die gefallen waren rauschten in ihren Ohren wie eine Flutwelle die nicht zur Ruhe kommen wollte. Sie schloss die Augen. Wünschte sich nichts weiter als Stille. Und doch… war es genau diese, vor der sie sich fürchtete.

    Schenk mir Worte.
    Ich ertrinke im Schweigen.


    Das Leben ging seltsame Wege. Oftmals auch Pfade, die man nicht begreifen konnte.


    Lass mich deine Welt verstehen.


    Ihre Gedanken und Emotionen zogen weite Kreise, drehten sich ums Hier und Jetzt und auch um ein Damals und Bald. Wenige Herzschläge später jedoch entfuhr ihren Lippen ein bitteres und zynisches Auflachen. Was brachte es sich darüber Gedanken zu machen? Nichts. Rein gar nichts. Ihr kamen die Tränen und sie wischte sie fort als wollte sie einen ungebetenen Gast verjagen. Man konnte sich Gedanken über die Zukunft machen, Fakt war jedoch, dass zählte was man in der Gegenwart tat.

    Geh nicht fort.


    Und es zählte, was man bereit war in der Gegenwart für die Zukunft anderer zu geben. Selbst dann, wenn es nur eine einzige Seele betraf.
    Sanft strich sie über die Flammen die sich vor einigen Jahren in die Haut ihres Handrückens gebrannt hatten. Ihre Wärme kehrte zurück, langsam aber stetig. Ein kleiner Trost bei all dem Streit und Zwist.


    Lass mich nicht länger leiden
    und um deine Gnade flehen.


    Salzig rann ihr eine Träne über die Wange als sie sich daran machte die Schürze zu lösen. Sie wollte ihre Hände heute nicht mehr im Blut anderer baden, wollte keine Vorwürfe oder Schmerzensschreie mehr hören, wollte sich nicht mehr streiten.


    Sag mir nicht, du hast versagt.


    Die Schürze fiel ungeachtet ihrer Dienste zu Boden. Erneut strich sie sich mit den aufgerauten Händen über die feuchten Wangen.


    Ich setz die letzte Botschaft ab.


    Kelnozz Anwesenheit vor ihrem Zelt war beinahe tröstlich. Sie war sich nicht sicher, aber sie glaubte allmählich, dass es mehr als der pure Befehl war, der ihn dort hielt.


    Ihr war übel. Und in ihr tobte ein Sturm widerstrebender Gefühle. Sie wollte weinen und hasste sich gleichsam dafür. Umringt von Tod und Gleichgültigkeit, das Lied einer Schlacht ein ständiger Begleiter, sehnte sie sich nach Ruhe, aber auch nach Zweisamkeit. Freunde, ein Kräftemessen mit der spitzohrigen Nervensäge oder SEINE Hand in ihrem Haar. Eine Gewissheit, dass all die Dinge die geschahen einen Sinn hatten und ein Ziel verfolgten.


    Gib mir die Hoffnung,
    die ich nicht mehr hab.


    Ausgelaugt ließ sie sich auf ihr Lager nieder und umfasste ihre Arme als würde eine ungnädige Kälte durch ihre Glieder fließen. Ihr Blick glitt halbherzig zum Zelteingang und sie erinnerte sich an ein kurzes Gespräch mit ihrem Schatten.

    „Ich weiß was die Worte bedeuten, aber ich bin mir sicher, wenn du sie sagst, dann haben sie mehr als eine Bedeutung. Sag es mir…“

    Er hatte gezögert, darüber nachgedacht. Sie wusste er wollte sich weigern, aber aus irgendeinem Grund blieb er bei der Wahrheit.
    „Das eine bedeutet für mich „Ich töte dich nicht“… das andere… „vielleicht töte ich für dich“.“
    Er hatte sie dabei nicht angesehen, aber sein Blick war an dem Trauerband hängen geblieben, welches Sylvana offen trug.


    Bitte rette mich.
    Rette mich,
    wer kann.

    Daraufhin hatten beide geschwiegen. Es waren keine weiteren Worte mehr nötig.


    Bevor es zu spät ist.


    Sylvana legte sich auf ihr Lager, machte sich klein und ließ sich für einen Augenblick darauf ein mit jedem übrig gebliebenen Sinn den Grad der Erschöpfung zu spüren. Schmerz war ein seltsamer Kamerad. Und in jener Nacht ein durchaus willkommener, denn er ließ vergessen…


    Rette mich,
    rette mich,
    wer kann.
    Bevor es zu spät ist.


    Später wusste sie nicht mehr ob es Traum oder Wirklichkeit gewesen war. Behutsam strich man ihr eine Strähne aus der Stirn. Leise drangen sanfte Worte an ihr Ohr und auch wenn sie sich nicht mehr daran erinnerte was gesagt wurde, gab ihr die Erinnerung an den Klang der besorgten Stimme neuen Mut.


    Deine Worte,
    sind die Rettungsseile.
    Verfehlst du mich, treib ich auf's Meer.


    Sylvana träumte. Träumte von schweren Ketten und Feuer. Worte die tiefere Wunden schlugen als jede Klinge des Feindes. Furcht und Sorge als beständige Begleiter, Stärke eine aufgezwungene Maske.


    Hilf mir, such mich.
    Du musst dich beeilen.


    Zum ersten Mal seit vielen Jahren sehnte sie sich nach den Armen ihres Vaters.


    All meine Schuld wird mir zu schwer.


    Ich bin verloren, wenn du versagst.
    Ich setz die letzte Botschaft ab.


    Sie bereute ihre Entscheidungen nicht. Das einzige wessen sie stets treu geblieben war, war dieser graue Weg. Dieser Weg, der anderen die Hoffnung bot, die ihnen keiner zugestehen wollte.

    Weiß, ich hab meine letzte Chance gehabt.


    Das Risiko dieser Aufgabe war hoch. Der Anker anderer zu sein. Herzen die es nicht gewohnt waren dem Unvertrauten auszusetzen…


    „Ich glaube zu wissen, was meine Herrin in dir sieht…“
    „Du hast eine Leere in mir gefüllt, als Terra schwand…“
    „Er sagte zu mir, wähle jemanden dem du vertraust… da gibt es nicht viele…“
    „Wer außer dir rückt mir denn sonst den Kopf zurecht, Schwester…“
    „Du hast mir gezeigt, dass mein Leben einen Wert besitzt…“


    Leise drang ein Flüstern an ihr Ohr.


    „Wenn wir brennen, dann brennen wir gemeinsam…“

    Wenn unser Schicksal sich dem Ende neigt,
    sag bitte nicht, es tut dir leid.

    Nur indem wir unser eigenes Licht ohne Angst scheinen lassen geben wir anderen Menschen die Erlaubnis und den Mut, das Gleiche zu tun.