Beiträge von Nes

    Nes kam wieder das Bild des Hausbrands in den Kopf. Sie rieb sich mit einer Hand übers Gesicht, seufzte leicht und war froh, dass sie Viktor nicht alleine hatte losziehen lassen. Gerade wollte sie dazu ansetzen Viktor die Lage zu erklären, als sie sich doch anders entschied. Sie wusste nicht wie sie es ihm hätte begreiflich machen können. "Du musst es nicht verstehen Viktor. Würden wir im Norden Menschen oder andere Wesen umbringen, die keine Verfemten sind, hätten wir genauso ein Problem wie die Gefangenen von Lapsa. Das ist hier nun mal so, und da wir hier leben, müssen wir uns auch dran halten wie der Norden seine Dinge regelt, das haben wir immerhin versprochen."

    Nes schwieg einen Moment um ihre Gedanken zu sammeln..."Natürlich ist es im Norden keine Option so zu handeln, hier gibt es auch keinen Grund dafür. Hier gibt es Gesetze, die auch eingefordert werden. Es gibt Konsequenzen und Bürger werden beschützt....Aber dort herrscht Krieg. Eine komische, verzerrte Art von Krieg, es kämpft nicht ein Land gegen ein anderes, sondern das Land in sich. Soweit wir von den Bewohnern gehört haben, wird die Sekte nicht zur Verantwortung gezogen, weil ihr Einfluss zu hoch ist und der Schaden den sie anrichten zu weit verbreitet und zu massiv. Natürlich wäre es die Zuständigkeit des Landes, aber die wissen selber nicht wo sie anfangen sollen"

    Mit einem besorgten Seitenblick zu Fynn fing auch Nes an zu erzählen "Ich kann dich beruhigen, wir waren weit weg von hier. Die Reise fing in Fynns Heimat an, die nicht auf diesem Kontinent liegt. Und ich glaube unsere ganze Jagd hat uns nicht nach Mythodea gebracht. Wir haben eine Sekte gejagt, die der Fengard Schaden zugefügt hat und die nicht davor zurückschrecken fanatisch alle umzubringen und zu versklaven, die ihrer Meinung nach Aspekten Terras huldigen oder denen auch nur zugeneigt sind. Sie sprechen von sich als "Wahre Söhne Aeris". Es ist mir immer noch ein Rätsel wie sich eine Aeris-Sekte so weit weg von hier entwickeln kann. Es erklärt aber warum sie so wenig Verbindung zu den wahren Tugenden Aeris haben. Ich kann mir vorstellen, dass jemand von Mythodea weg ging und an einem fernen Ort aus Machtwahn oder warum auch immer einen Kult gründete und dafür die Lehren der Elemente verdrehte....Wir konnten den Kern dieser Sekte aber noch nicht ausfindig machen, auch nicht wo sie ihren Ursprung haben oder wer ihre Anführer sind. Mein Gefühl sagt mir aber, dass wir auch das bald knacken können und endlich ein paar Antworten und einen Verantwortlichen bekommen." Nes Blick wurde grimmig und kurz versinkt sie in Gedanken. "Nun aber genug davon. Wir wollen hier nicht zu viel über unsere Jagd nachdenken, wir sind hier um uns auszuruhen. Jetzt seid ihr dran mit erzählen" Sie nahm einen weiteren Schluck aus ihrem Bierkrug und ihre Hand suchte unter dem Tisch unauffällig Fynns Handgelenk, das sie mit sicherem Griff umschloss. Ihr glasiger Blick bereitete Nes Sorgen. Es tat ihr leid, dass das Thema so öffentlich zur Sprache kam und das auch noch ohne Antworten.

    Nes lachte auf "Trinken und essen klingt für den Anfang gut, wir können eine Stärkung vertragen." Nach einem Blick auf die dunkle Flüssigkeit, die Lioba ihr hinhielt, hob sie eine Hand "Energie habe ich aber in diesem Moment im Überfluss, ich denke ein Bier würde mir gut tun" Mit ernster Mine wandte sie sich dann zu Viktor "Als könnte ich vergessen, dass wir noch nicht fertig sind. Es ist unbefriedigend ohne Antworten für Fynn zurückzukehren und es macht mich unrund. Aber es ist richtig, eine Pause ist notwendig. Lass uns die Jagd für eine kurze Zeit aus unsren Gedanken verbannen, dann können wir uns gesammelt und mit neuer Kraft wieder aufmachen und zu Ende bringen, was wir angefangen haben"....
    Nach einem kurzen Wort zum Wirt hielt Nes einen großen Krug Bier in der Hand, stieß mit Halbblut an und trank einen genüsslichen Schluck. Nach einem Rundblick in die Taverne stellte sie den Krug auf der Schank ab und sagte zu Lioba und Halbblut gewandt "Aber jetzt im ernst - was bringt euch hier her?"

    Nes konnte spüren wie plötzlich die Spannung von ihr abfiel, die über die letzten Wochen....Tage?....Monate?....für die Jagd notwendig war. Sie versuchte auszumachen wie lange Viktor und sie fort gewesen waren, aber so wie durch die Kometreisen Orte ineinander verschwammen, blieb auch das Gefühl für die vergangene Zeit ungreifbar....Nes schüttelte den Kopf um sich aus diesen Gedanken und den Erinnerungen an die Jagd zu reißen und erwiderte Halbblut "Ich euch auch!....Was tut ihr hier?....Und Viktor, was tun wir hier?"

    Mit finsterem Blick und mit Viktor im Nacken trat Nes durch die Tür. Sie war sich sicher auf alles vorbereitet zu sein, aber das hatte sie nicht erwartet. Eine warme, freundliche Taverne und an einem Tisch...."Fengard????"
    Nes viel vor Überraschung beinahe der Speer aus der Hand und als Viktor hinten in sie hinein lief stolperte sie die schmalen Stufen in den Schankraum hinein.
    Mit einem breiten Grinsen stellte sie ihre Waffe an die Wand und lief zum Tisch um einen nach dem anderen fest zu umarmen. Fynn und Rin hob sie hoch und drehte sie einmal herum. Trotz eines kurzen, schelmischen Gedankens verkniff sie sich diesen Versuch jedoch bei Eroth. Zuletzt musste sogar Halbblut dran glauben, der aus irgendeinem Grund alleine an der Bar saß.

    Nes stolperte hinter Viktor her, vollkommen orientierungslos. Es gab keine festen Formen, an denen sich ihr Gleichgewicht hätte Halt suchen können und jedes Mal, wenn sie dachte, sie hätte eine gefunden, verschwamm diese zu etwas anderem oder löste sich in schon fast lächerlich anmutenden Farben auf. Am Anfang war das ja faszinierend gewesen, all diese Eindrücke und die Tatsache, dass sie mit wenigen Schritten für Nes unvorstellbare Distanzen überwanden. Nun aber musste sie sich darauf konzentrieren sich nicht zu übergeben und gleichzeitig versuchen mit Viktor Schritt zu halten. Zum Glück kannte Nes dieses Gefühl aber schon aus der Militärakademie, wo sie in den letzten Monaten genug Übung bekommen hatte mit so etwas umzugehen.

    Um sich abzulenken ließ sie ihren Geist um die Frage ihres nächsten Ziels kreisen - wohin schleuderte der Komet sie nun, da sie die Spur der Kultisten verloren hatten? Wusste er wo sie noch mehr von diesen ketzerischen Hochstaplern finden würden? Oder noch besser ihre Anführer? Nes rief sich ihr Training vor Augen und bereitete sich darauf vor in einem Hinterhalt zu landen. In solchen Situationen war es durchaus von Vorteil eine Naturgewalt wie Viktor dabei zu haben, auch wenn er oft nahezu genauso wenig Unterscheidungsvermögen bei seinen Opfern aufbrachte, wie ein Hausbrand.

    Bevor sich bei diesem Gedanken vor Nes´ innerem Auge das Bild von Flammen mit Zylindern breit machen konnte, hörte die Landschaft um sie herum auf zu wabern und nahm wieder Gestalt an. Unter sich hatte sie wieder festen Boden und vor sich die Tür eines Wirtshauses, in die sie um ein Haar hineinlief. Nachdem sie sich gefangen hatte konnte sie Viktor gerade noch davon abhalten in das Haus hineinzustürmen. Sie warf Viktor einen tadelnden Blick zu, der diesen erwartungsvoll erwiderte, lockerte ihre Schultern, richtete sich auf und mit festem Griff um ihren Speer öffnete sie entschlossen die Tür.