Im Arbeitszimmer des Bibliothekars

"Dann solltest du wissen, dass die Verfemten, wie in jedem Siegel, ein Feind sind und obgleich ich kein Kriegstreiber bin, so habe ich mich der Verbannung der zweiten Schöpfung aus dieser Ebene verschrieben, auch wenn dieses vorerst ein wenig ruhen muss. Ich bin nicht dumm und rechne damit, dass soetwas wie der Pakt der Neun wieder benötigt werden könnte, so die Ratio wirklich befreit wird.", sagte Astrosius. "Und es ist nicht verboten, zu singen, auch wenn ich mich frage, warum jemand ohne Gefühle singen will. Aber jedes Wort hat eine gewisse Macht, auch wenn e keine magische Formel ist. Aus diesem Grund darf hier nichts, was die Verfemten preist, laut ausgesprochen werden."

"Glaudrim, man merkt, dass du nur halbherzig - und auch das scheint mir noch übertrieben - die Geschehnisse verfolgst.", antwortete der Magier. "Es gibt keine zweite Ratio. Dieses Gerücht wurde schon wieder zerstreut, ehe sie überhaupt spruchreif waren. Und ja, ich werde die zweite Schöpfung langfristig verbannen. Ich will es kurz fassen: Die Leere vernichtet den wertvollsten Schatz des Lebens, nämlich das Wissen. Das schwarze Eis wird wohl nicht eher ruhen, bis auch meine Fehler ausgelöscht sind. Der Fehler in der Logik: Nichts kann perfekt sein, solange inperfektes existiert. Das Eis betreibt also einen Kampf gegen Grashalme. Über den Untod brauchen wir kaum reden, sie sind ebenso Kriegstreiber. Sie können ohne Krieg nicht existieren, da sie im Frieden keine Körperteile als Ersatz bekommen. Natürlich könnte man auch die erste Schöpfung verbannen, denn in Bezug auf die Kriegstreiberei ist keines der Elemente der ersten Schöpfung frei von Schuld. Problem würde nur, dass diese Existenzebene ohne die Elemente nicht existieren kann."

Astrosius schüttelte resignierend den Kopf, antwortete aber dennoch. "Der Untod sieht nichteinmal, dass er selbst ein Eindringling ist. Er kam nach Mitraspera, als es die erste Schöpfung und ihre Völker bereits gab. Und Glaube macht das nicht besser, eher schlechter. Die meisten religiösen neigen dazu, den Verstand zu ignorieren und folgen blind einer einzelnen Person.", sagte er. "Und das Wissen aus den Köpfen zu bannen ist nicht weniger gefährlich eine endgültige Vernichtung. Denk an Patong. Stell dir vor, so ein Verstand und so ein Gedächtnis würden vernichtet! Ganze Bibliotheken hat er in sich aufgesogen. Und nur weil das Schwarze Eis Individuen verschont heißt es nicht, dass es alle verschont. Ich habe schon mit Priestern gemeinsam gefeiert und würde trotzdem lieber jeden einzelnen in Grund und Boden verfluchen."

Astrosius zögerte etwas, dann sprach er offen: "Patong weilt glaube ich in Darien, zumindest wollte er dorthin. Aber bitte entschuldige, wenn ich dich nun rauswerfe, aber der Abend ist schon fortgeschritten."

Der Magier geleitete Glaudrim zu einem Zimmer im Obergeschoss des Hauses. "Dieses Zimmer ist eines der Gästezimmer, ich hoffe, es genügt dir."

"Tu dir keinen Zwang an...",sagte Astrosius und ging wieder in sein Arbeitszimmer. Noch immer saß dort Johann. "Also langsam solltest du fertig sein, wenn du bestehen willst!", sagte er in einem ernsten Tonfall und setzte sich an seinen Schreibtisch, um an einem Pergament zu arbeiten.

"Ich kann dir nicht verbieten, dich umzusehen.", antwortete Astrosius und drehte sich zu Glaudrim um. "Was die Briefe angeht, so habe ich sie irgendwo in meiner Privatbibliothek. Du kannst dich dort gerne umsehen."

Der Magier setzte sich auf seinen Sessel und begann, seine Pfeife zu stopfen, um sie schließlich genüsslich zu rauchen.

Astrosius schmunzelte. "Rein logisch betrachtet, muss ich dir Recht geben.", sagte der Magier. "Aber es ist einfach entspannend. Ähnlich einer Medation, wenn auch bei weitem nicht so effektiv, werden Körper und Geist entspannt. Ich weiß, du kennst keine Gefühle mehr, aber ich kann so auch Mal von Sorgen lassen."

"Ich hänge eben an den Vorzügen, die ein emotionsbelastetes Dasein hat.", sagte der Magier mit leicht ironischem Tonfall. "Ich kann dir gerne die Vorzüge zeigen, wenn du mir ein wenig Geduld schenkst." Er grinste spöttisch. "Ach, ich vergaß. Du kannst ja nicht ungeduldig sein!"

Der Magier legte seine Pfeife bei Seite und stellte sich hinter Glaudrim. "Entspanne alle deine Muskeln und lausche deinen Gedanken.", sagte er und legte je Zeige und Mittelfinger an die Schläfen des Jungmagiers. "Ich will dir das zeigen, was du verloren hast. Worte reichen an dieser Stelle leider nicht aus.", sagte er und begann unverständliche Worte zu murmeln. Obgleich Glaudrim alle Gefühle vergessen hatte, so konnte er dennoch daran erinnert werden. Er übertrug seine eigene Entspannung und das Empfinden von Ruhe und Geduld auf Glaudrim. "Ich kann dir die Empfindungen nicht zurückgeben. Zumindest nicht jetzt sofort!", sagte er. "Aber ich kann sie dir zeigen. Dies ist Geduld. Lass mich dir Freude zeigen!" Wieder konzentrierte er sich und übertrug dem jungen Mann eine glückliche Erinnerung aus seiner Kindheit und das dazugehörige Gefühl. Glaudrim erlebte nun, wie Astrosius als junger Adept erste Zauber erlernte und wie er mit seinen Freunden spielte.

Mit Abbrechen der Erinnerung zog Astrosius seine Hände zurück. "Ich gebe zu, es gibt auch negative Empfindungen. Aber die positiven überwiegen. Wenn du das, was du nun kurz empfunden hast, wieder empfinden willst, dann muss ich ein Ritual vorbereiten. Und es wird nicht hier stattfinden können.

Der Magier legte die Stirn in Falten. "Es war keine starke Erinnerung, aber ich hätte doch erwartet, dass es dir gefällt.", antwortete er. "Aber wahrscheinlich kannst du angenehm und unangenehm zu wenig unterscheiden."