Ein Bote aus der Ferne

  • Während des ganzen Trubels, welcher Keels verschwinden verursachte, schienen nur die Wachen auf dem Wehrgang über dem Tor der Festungsmauer den Neuankömmling zu bemerken. Ein gehetzt wirkender Reiter, welcher sein Tier trotz der geringen Entfernung zur Siedlung hin weiter zur Eile trieb, raste heran. Die Wachen waren etwas überrascht, nur selten kamen Personen hier her, doch es bestand kein Grund zur Sorge. Der Reisende war weder schwer gerüstet, noch hatte er irgendwelche auffälligen Waffen bei sich, sie hingegen waren von einem starken Wall harten Steins geschützt.


    Kurz vor dem Tor bremste der Reiter aprubt ab und sprang in einer flüssigen Bewegung von seinem Pferd.


    Die Wachen konnten keinerlei Gefolgschaft auf der weiten Ebene entdecken, daher gab es auch keinerlei Grund Alarm zu schlagen. "Hei da, was wollt ihr hier?" kam eine Barsche Frage von der Palisade, welche natürlich an den Reiter gerichtet war. DIeser Schlug sich mit seiner Rechten vor die Brust und antwortete in einem militärischen Drill "Eine Nachricht für Jene, welche sich Exilanten nennen. Sie ist eilig, wichtig und SOFORT zu übermitteln!". Die Haltung des Boten entspannte sich leicht, jedoch behielt er immer noch eine akkurate Haltung ein.


    Nur unweit der Wächter hatte Venya die Antwort des Boten ohne weiteres Interesse verfolgt. Sie stand unterhalb der Palisade, innerhalb der Siedlung. Ihr Blick schien gelangweilt, die Anwesenden, welche sie näher kannten wussten, dass die Debatten um den neuen Protektor sie ebenso ermüdeten, wie das Verschwinden ihres Bruders sie erzürnte. Als einer der Wächter Anstalten machte, die Treppe der Wehr herabzusteigen, winkte Venya ab und setzte sich leicht schlurfend in Bewegung. Zusammen mit einem anderen Exilanten öffnete sie das schwere Tor und trat zu dem Boten heraus.


    Normalerweise wäre solch ein Verhalten gegen jede Vorschrift gewesen, immerhin hätte der Mann denoch bewaffnet und gefährlich sein können. Jedoch wussten die Wächter, dass einige Regeln für Venya, trotz dem Tod ihres Meisters Kire immer noch nicht galten. Argwöhnisch spähte er der jungen Frau nach, er konnte sich vorstellen, dass sie sogar hoffte, der Bote würde etwas in diese Richtung hin unternehmen. Er wog die Wahrscheinlichkeit hierfür ab, es könnte ja durchaus noch ein heiterer Abend werden.


    Wortlos war Venya zu dem Boten durch das Tor getreten und sah ihn mit leicht schief gelegten Kopf an. "Ja?" presste sie mit einem leicht gelangweilten Tonfall heraus. Mit einer akkuraten und leicht steif wirkenden Bewegung griff der Bote in seine Tasche und übergab ihr ein versiegeltes Dokument. Die Augen der jungen Frau weiteten sich augenblicklich - dieses Siegel war ihr durchaus vertraut. Ohne weitere Worte machte sie auf den Hacken kehrt und betrat die Siedlung, ohne sich um das Tor zu kümmern. Auf einmal stoppte sie und rief dem Boten, welcher bereits wieder auf seinen Rappen aufgestiegen war zu: "An wen genau ist dieses Schreiben nochmal gerichtet?". Dieser drehte den Kopf leicht in ihre Richtung und antwortete karg:" An all Jene, welche sich Exilanten nennen!". Mit diesen Worten spornte er sein Pferd an und eilte davon. Die Torwächter tauschten einen eiligen Blick mit Venya, welche bestätigent nickte und spurteten die Treppe der Wehr herab. "Wir sind definitiv Exilanten" sprach einer der Wachen aus, was die Anderen schon die ganze Zeit gedacht hatten. Mit einer geübten Bewegung öffnete die blonde Frau den Brief und zerbrach das Siegel, welches Großes verhieß. In Windeseile überflog sie die Schriftzeichen und ihre Augen weiteten sich noch mehr. Zwei weitere Krieger, welche ebenfalls des Lesens mächtig waren, schienen verwirrt, während die restlichen, umherstehenden Anwesenden, welche diese Gabe nicht besaßen drängten, den Inhalt zu erfahren. Venya richtete ihren Blick auf Trall, den größeren der beiden Wächter, welche ebenfalls den Brief gelesen hatten und reichte ihm das Pergament "deine Stimme ist lauter als meine". Darauf hin ging Trall zum Tor und zog einen Dolch, mit welchen er das Pergament an eben jenes heftete. Mit einer Geste zu einer Wache auf der Wehr wurde eine Glocke geläutet, während er lauthals verkündete:


    "Erben Kires - Siedler Exilias,


    die Stunde ist gekommen, in der ich euch zu mir rufe. In den finsteren Stunden dieser Tage, benötige ich eure Hilfe, um ein Übel abzuwenden, welchem ich allein nicht Herr werden kann. Mir ist bewusst, dass die Reise, welche ich euch abverlange lang und beschwerlich ist, da ich nicht auf Mitraspera verweile und an einem anderen Ort eure Hilfe brauche. Ich befinde mich in dem Dorfe Aras Shonda, in dem Lande der Kaiserin - Aehra. Ich habe mit einigen eurer Krieger in erbitterten Schlachten gekämpft und deren Klingen waren immer bereit, meiner beizustehen. So hoffe ich nun, dass ich auch jetzt mit eurer Hilfe rechnen kann. Doch glaubt mir, dass uns in diesem Moment weitaus mehr verbindet, als nur eine gemeinsame Vergangenheit.
    Ich warte auf euch,


    Harkon Erikson,


    Heerführer der Kaiserin von Aehra".