Beiträge von Venya

    Ärgerlich. Dieses Wort beschrieb Av’shas Laune wohl am besten. Sie war seit Anbeginn Exilias für die Verwaltung und Vergabe des Essens zuständig gewesen. Schon damals noch in der Gründung unter Kire, Keel und Anûr, jene drei Männer welche den Grundstein der Seidlung gemeinsam gelegt hatten. Es hatte immer wieder ein mal eine kleine Diskrepanz gegeben, ein paar Brote hier oder vielleicht auch mal einige Flaschen Wein, aber nichts was sich im Nachhinein nicht wirklich hätte erklären lassen. Doch die jetzige Lage überstieg ihr Verständnis dann doch bei Weitem. Hatte sich Exilia wirklich so verändert? Natürlich war die Siedlung gewachsen, nicht mehr der Kleine Holzhaufen der gerade mal vier Dutzend Seelen beherbergte die man alle mit Namen kannte. Doch heute waren die Zeiten anders, es hatte sich eine Menge geändert. Manchmal wünschte sie sich die alten Zeiten zurück, in denen es wieder nur die vier Dutzend Seelen wären.


    Ärgerlich. Dieses Wort beschrieb Av’Shas aktuelle Situation wohl am besten. Sie wusste, dass es so nicht weiter gehen konnte. Irgendwie stieg der Verbrauch der Lebensmittel rapide an, ohne dass es dafür einen verständlichen Grund gab. Sie würde mit jemanden reden müssen, sie würde versuchen müssen dieses Problem zu klären.

    Die Tage wurden kürzer, doch das änderte für viele der Exilanten nichts am gewohnten Ablauf des Tages. Die Leute gingen wie immer gewohnt ihrem Tagwerk nach und auch Av'Sha tat ihre Aufgabe. Doch auch wenn sie bereits einige Jahre in Exilia verweilte stellte sie in letzter Zeit, dass sich die Bedürfnisse der Siedlung irgendwie verändert haben mussten. Ihr waren die Erträge des Protektorats vertraut, genau so wie die Mengen an Nahrung die an die Bewohner ausgegeben wurden. Doch in letzter Zeit schien es immer mehr so auszusehen, als würden die Einwohner mehr Essen brauchen als in den Jahren zuvor. Es hatte sich langsam eingeschlichen, mal ein Brot mehr weil das andere angeblich schlecht gewesen sei, dann kamen Gäste und es wurde etwas mehr Fleisch gebraucht oder aber aufgrund des feuchten Wetters sei anderweitig Nahrung verdorben. Es vergingen kaum 3 Tage an der Zahl, schon wurde abermals jemand bei ihr vorstehend. Mittlerweile konnte sie genau erkennen, wann jemand versuchte etwas von ihr zu erbetteln. Es war etwas im Blick der Personen, die Art und Weise wie sich das Gesicht veränderte, diese Emotion die zu kurz da war um wirklich zu erkennen, was sie bedeutete.


    Natürlich hatte es schon immer Schnorrer gegeben, viele der neuen Siedler hatten Anfangs versucht ein wenig mehr zu bekommen, als die eigentlichen Rationen für sie vorsahen. Doch das waren auch gar nicht diejenigen die Av'Sha zu schaffen machten. Wenn sie ihre Bücher durchsah wurde klar, dass es auch immer mehr alteingesessene Exilanten waren, welche nach „mehr“ fragten. Leider verrieten die Bücher auch, dass die sonst so bedachte Av'Sha viel zu oft den Bitten nachgegangen war. Gut ein zehnter Teil mehr als es eigentlich sonst üblich war, das vermochte keinen großen Unterschied bei den vollen Lagern machen, trotzdem beunruhigte sie diese Entwicklung.


    Ähm“ erklang es in ihren Ohren und sie wurde mit einem mal aus ihren trüben Gedanken wieder in die Realität gerissen. Vor ihr stand einer der jüngeren Bewohner Exilias, menschlich und vermutlich gerade mal 20 Jahre alt. Er sah abgerissen und mitgenommen aus, doch sie glaubte sich dunkel daran zu erinnern, dass er zu den Rekruten der Wache gehörte. „Ihr wollt...?“ entgegnete sie ihm harsch, mal wieder viel härter als sie es eigentlich hätte klingen lassen wollen, wie schon so oft in den letzten Wochen. Der junge Mann versteifte sich etwas und schien kurz seine Worte zu ordnen „Ich...wollte fragen ob ich meine nächste Ration auch etwas früher bekommen könnte? Ich weiß, es wäre erst in einer Woche soweit, aber ich habe nichts mehr“. Die Junge Frau wusste nicht ob ihr Gesicht eine Regung auf diese Bitte zeigte, jedoch spürte sie einen deutlichen, bitteren Nachgeschmack im Mund. Ohne ihn weiter anzusehen schlug sie eines ihrer Bücher auf und fragte „Dein Name?“. Der junge räusperte sich kurz und hielt inne, bis sie ihn wieder ansah. „Ronnbert, Ronnbert Durk“ antwortete er verlegen und sah zu, wie ihr Finger die Liste der Namen durchging. Als sie ihn gefunden hatte war ihr klar, warum er so nervös war. „Verrate mir doch bitte, wie Du Deine letzte Ration so schnell aufgebraucht hast? Allein das Fleisch hätte Dich bis heute ernähren können, nein – es müssen ?!“ antwortete sie streng. „Ja schon“ antwortete der Ronnbert kleinlaut „Aber ich war mit anderen Rekruten auf Patrouille draußen, ganze zwei Tage. Wir haben einige der Larkspuren verfolgt, von den Viechern die ausgerissen sind. Dabei haben wir leider auch einen gefunden und der war ganz und gar nicht erfreut uns zu sehen. Wir mussten ganz schön Fersengeld geben und dabei unsere Sachen zurück lassen. Und da war doch mein Essen im Rucksack, weil die Erkundung eigentlich noch drei weitere Tage andauern sollte...“ erklärte er ihr. Darauf hin legte sie ihren Kopf schief und sah sich noch einmal den Eintrag in ihrem Buch an, er war jung und tatsächlich Rekrut, außerdem hatte er harte zwei Tage hinter sich. Sie senkte den Kopf und atmete mit einem Seufzen aus, der Junge konnte immerhin nichts dafür und in diesen Tagen sollte man um jedes Exilantenleben dankbar sein, welches nicht genommen wurde. Doch gerade als sie ihm eine Ration bewilligen wollte sah sie es. Diese unbeschreibliche Regung in dessen Gesicht, diesen Ausdruck den man nicht genau deuten konnte, weil er nicht lang genug da war. „Nein“ brachte sie hervor, bestimmt aber alles andere als glücklich. Sie wusste nicht was sie glauben sollte, aber sie war nicht bereit in irgendeinem Spielchen mitzuspielen. „Aber... was soll ich denn essen?!“ erwiderte Ronnbert, offenbar schockiert über Av'Shas Ablehnung. Diese gab sich distanziert und kühl wie immer, zumindest gab sie sich Mühe „Du bekommst Deine Ration, in 7 Tagen, so wie immer. Was weiß ich ob diese abenteuerliche Geschichte stimmt, Du siehst mir nämlich nicht so aus als ob Du einem Lark davon rennen könntest, ob mit oder ohne Braten in der Tasche. Lass Dich in der Kaserne verköstigen“.


    Für Av'Sha schien damit die Angelegenheit vom Tisch, jedoch ließ dieser Bittsteller nicht so schnell locker: „Aber die Kaserne gibt nur an Offiziere Essen aus, außerdem gehen die meisten Lebensmittel an diejenigen, welche zur Aufklärung draußen sind. Wir haben da kaum noch was“. Seufzend schlug sie ein anderes Buch auf und musterte die Einträge, welche die Kaserne betrafen. Sie stellte fest, dass der Junge Recht hatte, der Ausbilder hatte zusätzliche Lebensmittel angefordert um einige seiner längeren Ausflüge unterhalten zu können, bei denen er auf Patrouillen ging. Leicht resigniert schüttelte sie den Kopf :“Bring mir die Bestätigung von Brechfinger für diesen... Unfall, vielleicht sehen wir dann eine Lösung, bis dahin werde ich meine Meinung nicht ändern“. Als er versuchte zu einer Erwiderung anzusetzen wurde sie forscher und schnitt ihm das Wort ab: „Ab mit Dir, die Schlange hinter Dir wird nicht kürzer!“.


    Der Tag war nicht lang gewesen, doch auch wenn das Licht immer weniger Zeit auf Erden zu verweilen schien, die Arbeit wurde nicht weniger. Als Av'Sha am Abend die Tore schloss kam ihr wieder Ronnbert ins Gedächtnis und ihr Gemüt wurde auf einmal schwer. Früher hätte sie so einem Jungen diese Bitte wohl nicht abgeschlagen, wohl eher wäre noch ein kleiner Bonus bei solch einem Erlebnis denkbar gewesen. Sie hätte ihn für seinen Mut und sein Überleben gelobt aber nicht als Lügner verdächtigt. Die Zeiten änderten sich und sie war sich nicht sicher, ob ihr dies gefiel.

    Die einzelnen Blätter trugen vereinzelt das Siegel des ehemaligen Protektors. Einige Seiten waren mit sonderbaren Schriftzeichen beschrieben, welche stark an die Inschriften erinnerten, welche man auf Mythodea manchmal finden konnte. Die lesbaren Pergamente befassten sich mit verschiedensten Themen. Beim flüchtigen überfliegen waren Worte wie "Elkantar", "Nyame", "Doerchgardt" und Ähnliches lesbar. Diverse Karten befanden sich auf den Pergamenten, welche mit Schriftzügen wie "Siegelstadt" oder "Lager Terras" beschriftet war. Offensichtlich waren diese Ansammling von Seiten Aufzeichnungen des toten Protektors. Bei genauerem Lesen konnte Valentin verschiedene Inhalte aufschnappen. Teilweise waren sensible Informationen über bekannte Personen des Kontinents aufgeschrieben worden, auf einem anderen Blatt konnte der Heiler Schriften über die Leere erspähen.


    Ganz offensichtlich waren dies sensible Dokumente, welche in den Unterlagen des Protektors wohl fehlten.

    Bei der Kiste handelte es sich um eine ganz gewöhnliche Holzkiste, welche gern in dieser Stallung benutzt wurden. Sie war robust und nicht verschlossen, wer wäre schon auf die Idee gekommen, dem Lark unter sein Hinterteil zu sehen? Der Deckel ließ sich einfach aufklappen, ohne dass irgend eine magische Falle, ein alchemisches Gebräu oder Ähnliches eine wirkung zeigen vermochte.


    Im Inneren der Kiste befanden sich diverse Schrifstücke, Pergamente sowie ein Buch. Hier und da fanden sich Pergamentfetzen, welche eilig irgendwo abgerissen worden waren.

    Nachdem das Stroh beiseite geschoben war, konnte man erkennen, dass es sich nicht um ein einfaches Brett sondern einen Deckel handelte. Irgendwer musste hier eine Holzkiste eingegraben haben. Doch der Erdboden in den Zellen der Larks war gerade einmal eine Elle hoch aufgeschüttet worden, daher schien das Behältnis wohl nicht ganz verdeckt worden zu sein können. Offensichtlich hatte der Lark einige Zeit auf der Kiste gesessen, wem wäre diese Truhe schon aufgefallen?

    Das Nest war an einigen Stellen aufgewühlt und zertreten, zweifelsohne wegen des stürmischen Verlassens des Vogels. Bei genauem Hinsehen war eine Glatte, etwas zerkratzte Oberfläche im Nest zu erkennen, welche an ein Holzbrett erinnerte.

    Die Kammer, in welche Valentin nun blickte, glich der der anderen Larks. An der Wand befanden sich einige Utensilien, wie Trensen, Halfter und ein Sattel. An der Wand, rechter Hand der Tür fand sich ein Futtertrog, sowie eine Tränke. Die gesammte Box war mit Stroh ausgelegt und mittig im Raum war es wie zu einer Art Nest, einer Ruhestätte zusammen geklaubt worden.

    Die aufgeschlagenen Seiten schienen aus irgendeinem Grund besser intakt zu sein, als die Restlichen dieses Buches. Das Papier wirkte nicht ganz so brüchig, ebenso war auch die Schrift besser lesbar.


    "Früher, als die Länder noch jung und die heutigen Reiche nicht geformt waren, kamen die ersten Kriege auf. Die Völker waren jung, stark und streitlustig. Ebenso waren sie kurzsichtig, naiv und dumm - ebenso wie überschätzend. So wie jede Rasse dachte, sie sei beansprucht Gebiete Anderer sich anzueignen, versetzten sie ihre Ära in ein Zeitalter des Krieges, der Entbehrung und des Verlustes. Kriege wurden gefochten und epische Schlachten geschlagen, doch der Ruhm, sowie der erbeutete Reichtum kam meist nur wenigen zu Gute - den Reichen, den Fürsten, den Kriegstreibern. Jene Fraktionen, welche zwar den Lohn einstrichen, aber keine Mühen ertrugen mussten. So blühten Königsfamilen und Adelsgeschlechter auf, jedoch lebte das einfache Volk am Rande des Abgrunds. Armut, Hunger, Kälte und der allgegenwärtige Tod. Getrieben von den Soldaten der Reichen und gebeutelt von den hohen Herren blieb den einfachen Leuten wenig. Doch in Zeiten größter Entbehrung häufen sich die Wünsche der Sterblichen und viele Legenden berichten von merkwürdigen Wundern.


    Seit je her erzählen die Greisen den Kindern zum Schlafen die Geschichte der lebenden Träume.
    Sie Sterblichen Träumen bereits von Anbeginn der Zeit von ihren Wünschen, Ängsten und Sehnsüchten. Oftmals denken die Sterblichen nicht weiter über ihre Träume nach und leben einfach ihr Leben. Doch in Zeiten der Not intensivieren sich die Wünsche und meist gleichen sich die Träume der Sterblichen dann. In solchen Zeiten träumt das einfache Volk von Frieden, Glück und Hoffnung. Träume mögen Schäume sein, doch ist auch die Magie nichts Anderes als Etwas, das dem Geist entspringt. So wie eine magische Formel die Welt verändern kann, so ist es auch möglich, dass Träume, wenn sie nur stark genug vorhanden sind zum Leben erwachen können.


    So erzählt die Legende von einem Mann, welcher in der Zeit der großen Kriege, vor vielen Äonen in Ragar auftauchte. Er sammelte die unterjochte Bevölkerung und führte sie fort. Fort von Krieg, Armut und Hunger. Nicht lang blieb die FLucht der Bevölkerung unbemerkt, schnell bemerkten die Reichen und die Kriegsherren, was vorging. So wurden Soldaten gesammelt und hinter den Flüchtlingen her gesandt, diese aufzuhalten und hinzurichten, als Mahnung für jeden Anderen, der sich deren Gefolgsschaft entziehen wollte. Die Zeiten wurden schlimmer für das Volk, als sie es je waren. Jede Person wurde für das kleinste Vergehen angeprangert ein Verräter zu sein, man sagt, dass unentwegt Scheiterhaufen brannten, welche das Fleisch der hingerichteten vernichten sollten. Zerschlagen waren Hoffnung, Glüch oder Zuversicht. Nun träumten all Jene, welche nicht geflohen waren, jede Nacht von ihren Ängsten, in der Erwartung den nächsten Tag nicht mehr zu erleben.


    So wie ein Sterblicher einen Schatten wirft, wenn er durch das Licht wandelt, können auch Träume einen Schatten werfen, welcher in die Welt der Lebenden drang. Dämonenhafte Geschöpfe tauchten auf und verwandelten die Welt der Lebenden in einen Höllenschlund. Doch litten dieses Mal auch die Reichen und die Kriegstreiber, deren Armeen von den Teufeln zerschlagen wurden. Städte brannten, Sterbliche hauchten ihr Leben aus und die Hoffnung schien verblasst.


    Doch in der Stunde der Finsterniss, so berichtet die Legende, kehrten Jene, welche einst geflüchtet waren zurück. Jene schienen in einer Kunst bewandert, eben jenen Teufeln und Dämonen die Stirn bieten zu können. Nachdem deren Anführer angeblich den obersten Taufel im Zweikampf besiegt haben soll, verlohren die Teufel ihre Kraft und ließen sich zurück treiben.


    Nachdem der Krieg geendet hatte, besannen sich die Reichen, wie die Kriegstreiber und erkannten in ihrer Schäche, wie sehr sie einander glichen. Streitigkeiten und Rivalitäten wurden zur Seite gelegt und die angrenzenden Reiche schlossen Frieden. Der unendlich währende Krieg endete nun endlich, so kehrte Frieden und Wohlstand ein, nicht nur für die Reichen. Als Dank den Rettern und deren Anführern, gab jeder Herrscher der aneinandergrenzenden Königreiche einen kleinen Teil seines Landes an jene ab, die Region, aus der angeblich deren Anführer stammte. Jenes Gebiet markierte nun ein eigenes, kleines Reich. Angeblich wurde jenes Reich nur von den Mächtigen aufgesucht, wenn diese Rat und Hilfe benötigten, wo Andere nicht weiter wussten.


    So merke man sich, dort - wo es weder Täume, noch wünsche gibt, geschehen auch keine Wunder."

    Der Tross, welcher die Siedlung verließ, marschierte leicht lethargisch gen nächste Hafen. Venya war mittlerweile von ihrem Lark abgestiegen, da das Tier schon genug Last zu verrichten hatte. Von all Jenen, war es seltsamer Weise Venya, die die hellste Miene aufgesetzt hatte. Zielsicher gab sie den Weg vor, den sie ausgewählt hatte, bis sie auf einmal die Bewegung des gesammten Trosses stoppte. Verwunderung machte sich breit, sie mussten sich beeilen, da sie immerhin einen langen Marsch vor sich hatten, außerdem war es kalt und in der Nacht würde es noch kälter werden.
    Venya blickte zurück, auf ihr ehemaliges Zuhause, auf die Siedlung Exilias. Das Tor war immer noch geöffnet, als schienen sie darauf zu warten, dass sie zurück kämen. Sie waren noch keine tausend Schritte gegangen, verwunderlich war es daher nicht.


    Venyas Meinung über Valentin hatte sich durchaus bestätigt. Er war kein einfacher Heiler, er war zu mehr bestimmt. Auch der Alchemist könnte durchaus etwas werden, sofern er etwas aufmerksamer würde. Langsam wog sie ihre Optionen ab, doch war sie sich sicher, dass es besser wäre, immerhin wäre es auch Kires Wunsch gewesen. Daher würde sie Valentin die Möglichkeit geben, ein wahrer Exilant und Führer zu werden. Langsam schritt sie zu ihrem Lark und holte ein kleines Kästchen aus einer der Seitentaschen. Vorsichtig öffnete sie es und entnahm ihm eine Art kleine Flöte. Die Verwunderung der einzelnen Siedler welche sie begleiteten, schien noch weiter anzusteigen, als ob diese Umstände nicht schon seltsam genug waren. Behutsam bließ sie in die Pfeife, welche sie in der Hand hielt und intensivierte den einfließenden Atem immer mehr. Tralls skeptischem Blick konnte sie entnehmen, dass man von ihr erwartete, zu erklären, was sie tat. Gelassen blickte sie auf die Siedlung und das noch offene Tor.


    Tief in der Stallung, in der letzten Box am Ende des Ganges, erwachte auch einmal etwas zum Leben. Kräftige Muskeln spannten sich und ein massiger Körper warf sich gegen die Holztür der Box. Der Stallbursche bekam es mit der Angst zu tun, als er jene Geräusche wahrnahm und rannte aus der Box, welche er gerade säuberte auf den Gang, um sich zu vergewissern, was vor sich ging. "Was zum..." brachte er gerade noch so heraus, als die Holztür splitterte und ein großes, graues Monstrum ihm gegenüber stand. Der majestätische Raubvogel musterte den kleinen Menschen vor sich und stieß dann einen markerschüternden, tosenden Schrei aus.


    Abseits der Siedlung, an der Spitze des Trosses blickte ihr Lark sich aufeinmal um, ebenfalls zur Siedlung. Zufrieden lächelte Venya:"Wir warten auf Jemanden!".


    Der Stallbursche war kreidebleich und war versucht davonzulaufen. Jedoch viel ihm ein, was Venya immer bei einem wütenden Lark getan hatte. "Zeig ihm Respekt.... aber behalte deine Würde" betete er einen Auszug aus dem Buch Venyas herunter und stammelte sie mehr zu sich selbst als dem Lark. Der Junge versteifte seine Haltung und richtete sich langsam auf. In einem aufrechten Gang und ohne den Lark aus den Augen zu lassen, ging er vorsichtig rückwerts, gradewegs zur großen Stalltür, gevolgt von der grauen, gefiederten Bastie.An jedem gegenüberliegenden Boxenpaar, welches der große graue Lark des ehemaligen Protektors passierte, gab es lautes Krächzen. Mit einem Nicken, welches zweifelos dem Lark galt, öffnete er das Stalltor und entließ das Tier. Skeptisch schritt der Lark heraus und wandte sich der Straße gen Tor zu. Der Vogel war schon oft durch die Straßen der Stadt geschritten, jedoch noch nie allein. Überall sah man panische Siedler, welche flüchteten, oder nach ihren Waffen griffen. Der schlimmste Fall schien eingetreten zu sein - einer der Larks war außer Kontrolle!


    Der Lark trottete in einem guten Tempo, welches für solch ein flinkes Geschöpf jedoch mehr ein Gehen sein musste als Eile, die Straße entlang und ließ die Siedler links liegen. Als er das Tor sah, beschleunigte er seinen Schritt. Mit einem Atemberaubenden Tempo steuerte er auf das geöffnete Tor zu, überraschenderweise, ohne einen der Siedler dabei umzurennen, oder anderweitig zu verletzen. Das Tier wich ihnen sogar auf seinem Weg aus. Als es sich der großen Menge am Tor auf wenige Schritt genähert hatte, setzte es zu einem gewaltigem Sprung an. Der Vogel schien kurz wie durch die Luft zu fliegen, doch das Gewicht, der Körperbau und die zurückgebildeten Flügel verrieten, dass dies nicht der Fall sein konnte. Unerwartet leichtfüßig setzte das Tier hinter der Menge wieder auf dem Boden auf undrannte mit einer irrsinnigen Geschwindigkeit aus der Stadt.


    Die Siedler des Trosses gerieten in Unruhe, als sie den gewaltigen Vogel sahen, wie er sich auf sie zubewegte. Venya schritt ihn mutig entgegen, was den Lark stoppen ließ. Ungeduldig sah sich der Vogel um, stakste an Venya vorbei und umrundete flugs die Karawane. Der Vogel wurde unruhig und sah abwechselnd suchend zum Tross und wieder zu Venya. Diese hatte ein Halfter aus den Taschen ihres Larks geholt und ging langsam auf den Vogel zu. Dies war gewagt, eigentlich lileß ein Lark nur seinen Reiter an sich heran. Doch Venya hatte viel mit dem Lark ihres Meisters zu tun gehabt, er kannte sie. Er respektierte sie, zumindest hoffte sie es. Anders als bei der neuen Brut hatte nicht sie die Aufzucht des jungen Larks nicht selbst vorgenommen, sondern Kire. Er hatte es sich nicht nehmen lassen wollen und das Jungtier damals in seinem Zimmer innerhalb der großen Halle gehalten, bis es die Größe des größten Haushundes der Siedlung erreicht hatte. Venya war sich sicher, er hätte ihn weiterhin in der Halle bei sich behalten, wenn nur nicht die Ausscheidungen des VOgels ebenfalls immer größer geworden wären.


    Der Vogel schnaubte missbilligend, doch ließ er es sich gefallen. Beruhigend strich Venya über seinen Schnabel und flüsterte ihm beruhigend zu: "Wir gehen Heim, Xyrano". Der Lark machte ein seltsames Geräush, von dem niemand sagen konnte, was es damit auf sich hatte. Sie befestigte eine lange Trense am Halfter des Vogels und befestigte diese an ihrem Lark. Damit setzte sie sich wieder an die Spitze und der Tross bewegte sich weiter fort. Trall hatte sich zu Venya gesellt und fragte:"Wisst ihr schon wohin es gehen soll?". Die blonde Frau nickte bestätigend, irgendwie war die Aggression, der barsche Ton, selbst ein großer Teil ihrer Kühlheit wie weggefegt :"Wir werden uns in Richtung des nächsten Hafens bewegen und diesen Kontinent verlassen. Wir besorgen uns ein Schiff und verschwinden von hier". Die Antwort schien Trall zu verwirren, ebenso wie einige Andere Siedler. "Aber..." stammelte Trall "wie sollen wir das denn machen? Wir haben nicht mal ansatzweise genug Gold, um solch ein Schiff zu bezahlen!". Gemurmel machte wieder die Runde als Venya in eine ihrer Taschen griff und Trall einen schweren Beutel zuwarf. Als er jenen öffnete, konnte er sehen, dass es prall mit Gold- und Silbermünzen gefüllt war. Fragend blickte er zu der Frau, welche das Säckchen wieder an sich nahm und antwortete "Starrt nicht so, glaubt ihr nicht, er hätte soetwas nicht kommen sehen? Dieses Säckchen wartet schon Jahre verborgen, endlich seiner Bestimmung zugeführt zu werden".


    Der Krieger schüttelte schmunzelnd den Kopf:"Sagt mir, welche Geheimnisse hatte Kire noch in der Siedlung ausgeheckt?". Die blonde Frau wusste, dass sie nun eine ganze Reihe von Ereignissen losgetreten hatte. Av 'Sha würde nun die letzten Geheimnisse offenlegen und sobald der neue Protektor gekührt wurden war, auch die Ersparnisse des ehemaligen Protektors übergeben, ebenso wie dessen geschmiedeten Pläne und geplante Vorhaben. Es war fraglich, wie sich die Dinge entwickeln würden, doch sie war den letzten Anweisungen Kires gefolgt. Und doch musste sie lächeln, als sie an den Brief von Harkon dachte. Bisher hatte niemand den tieferen Sinn verstanden.


    Venya blickte weiterhin vorran als sie Tralls Frage beantwortete: "Das müssen nun die neuen Exilanten herausfinden".

    Venya würdigte dem Alchemisten nicht mehr als ein Schnaufen. Achtlos schlug sie dessen Hand beiseite und brüllte ihn an:"Alles, was UNS jemals verband war.." dann stockte sie. Ohne weiter auf Zarim zu achten, stürmte sie auf Helias zu und riss ihm das Pergament aus den Händen. Schnell überflog sie den unwichtigen Text, bis sie das gesuchte Stück gefunden hatte. Trall, welcher neben ihr Stand, konnte sehen, wie sich kurz ihre Augen weiteten. Achtlos ließ sie das Schreiben aus ihren Händen gleiten und warf dem Torwächter einen verheißungsvollen Blick zu, welchen sie mit einem Nicken beendete. Dieser sah sie kurz an, als schien er etwas abzuwiegen. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und bahnte sich einen Weg aus der Menge heraus, während Trall brüllte:"Es ist Zeit!" und auch die Menge verließ.


    EIn seltsames Schauspiel bot sich nun der Menge. Vereinzelt wandten sich Exilanten ab und verließen ebenfalls den Schauplatz. Kleine Grüppchen eilten zu ihren Häusern.


    Venya hingegen war zum Stall geeilt und öffnete mit einem brachialen Ruck das große Tor des Gebäudes.mit sicheren Schritten durchquerte sie diesen und betrat die Box ihres Larks. Nach einem Pfiff Venyas erhob sich das Tier und ließ sich von ihr Satteln. Neu an dessem Geschirr waren die großen Packtaschen, welche sie aus einer Dunklen Ecke der Box holte und befestigte. Das Gewicht der Taschen verriet, dass diese gefüllt waren, anscheinend hatte Venya auf genau diese Situation gewartet. Ein knarren des Tores verriet ihr, dass ebenfalls jemand den Stall betreten hatte. Sie warf einen Blick aus der Box und erkannte einige ihr vertraute Gesichter, welche die beiden vordersten Boxen öffneten. Diese sollten eigentlich leer sein und tatsächlich befanden sich auch keine Tiere darin. Statt dessen war ein großer Wagen in einer der Kammern, in der Anderen standen die seltsamen Brutbehältnisse, welche Venya nutzte um die Eier der Larks auszubrüten. Schnell wurden drei der Kanister auf den Wagen geladen und mit einigen Decken verschleiert. Langsam sammelten sich noch mehr Exilanten vor dem Stall. All jene, welche die Menge verlassen hatten. Sie wirkten blass und unsicher. Jeder hatte seine Sachen gebündelt und auf irgend eine Art verpackt. Die besonders schweren Sachen luden sie auf den Karren, während Venya ihren Lark aus seiner Box führte und diesen davor spannte.


    All dies beobachtete der blasse Stallbursche, ohne sich einzumischen. Er wusste, dass dies dem Senator alles Andere als zusagen würde, jedoch war es ihm lieber, als sich Venya in den Weg zu stellen.


    Langsam waren sie fertig, als die blonde Frau eben jenen Stallburschen mit ihren Blicken fixierte. Mit sicheren Schritten ging sie auf diesen zu und baute sich vor diesem auf. Der junge zitterte am ganzen Körper und verlohr sämtliche Farbe im Gesicht, war er sich doch sicher, dass Venya ihn jetzt den Gnadenstoß versetzen würde. Stattdessen schaute er erstaunt, als sie ihm ein Buch vor die Brust schlug. "Da steht alles über diese wunderbaren Tiere drin, was ich weiß. Lies es, versteh es! JETZT... sind es deine" endete sie ihre Worte. Damit verbunden, schlug sie ihm auf die Schulter und wandte sich von ihm ab. Ohne scheinbare Mühe sprang sie auf ihren Lark und atmete tief ein. Dann setzten sie, ihr Lark und die begleitenden Exilanten in Bewegung, hinunter zum Tor der Siedlung.

    Die Gelassenheit des Senators schien Venya den letzten Funken klaren Verstandes zu rauben. Doch nicht nur Venya schien davon betroffen, einige der Exilanten um sie herum schienen sich auf ihre Seite zu stellen. Anschuldigungen wurden laut. "Wir werden unsere Freunde nicht warten lassen!" brüllte eine Stimme "Feiges Spitzohr" eine Andere. Langsam entluden sich die Gerüchte, welche in den letzten Monaten nach dem Tod des Protektors in Exilia die Runde gemacht hatten. Mag sein, dass nicht Alle daran glauben mochten, doch stellten einige Stimmen den Senator in Frage. Man munkelte, dass er den ehemaligen Protektor bei dem Archoneten angeschwärzt und ausgeliefert hatte. Bis jetzt hatte es keinerlei Beweise für dies Anschuldigungen gegeben, doch schien der Senator keinen Versuch zu unternehmen, eben jene Anschuldigungen zu entkräften. Eher verstärkte er sie noch.


    Eisig blickte sie den jungen Alchemisten an. "Euch scheint wohl Einiges nicht ganz klar zu sein. Ich hätte mir mehr Gedanken gemacht, wenn unser ehemaliger Protektor getötet wird, aber der Senator ohne ein gekrümmtes Haar wiederkehrt - und nun die mächtigste Position der Siedlung begleitet. Ebenfalls tut er keine Anstalten, einen neuen Protektor zu ernennen" spie sie förmlich aus. Langsam wurde ihr bewusst, wie wenig sie mit dieser Siedlung verband. Lediglich einige der Anwesenden Personen, wie Trall und ein paar Andere, bedeuteten ihr noch Etwas. "Und wagt nicht nochmal seinen Namen zu erwähnen! Ihr seid genauso wie der Senator, ersteinmal Zeit vergeuden und dann versagen, aber auch darin habt ihr Übung. Wisst ihr, was Kire getan hätte, wenn einer seiner Freunde oder..." sie schluckte und sprach etwas angewiedert "ihr" aus, bevor sie normal weitersprach "seine Hilfe gebraucht hätten? Er hätte Sofort mit einer kleinen Gruppe reagiert und während ihrer Reise weiter überlegt. Aber er hätte nicht einfach abgewartet. Er hat Euch hier aufgenommen, Kräuterpanscher, euch ein Labor überlassen und ohne seine Hilfe wärt ihr sicher nicht an all jene Informationen gekommen, die euch nun euer jetziges Ansehen eingebracht haben".


    Langsam wurde sie all dies hier Leid. Den Senator, diese Scheinheiligkeit, all dies - es musste sich etwas ändern, dies war der jungen Frau nun klar. "Ihr wisst doch gar nicht, was Kälte bedeutet! Ich habe hier diese Siedlung mit aufgebaut, wir haben es gerade so geschafft, die Holzhütten fertig zustellen, dass wir nicht erfrohren! Damals geb es diese Halle nicht, auch die ganzen steinernen Gebäude waren noch nicht hier. Dass ihr nun dies Alles genießen könnt, habt ihr nur einem Namen zu verdanken. Und nun tretet ihr sein Andenken, seine Ziele und seine Ideale mit Füßen?".


    Einige der Krieger hatten sich zu Venya gedrängt, doch auch Handwerker, Frauen und ein paar Kinder konnte man bei ihr sehen. Venyas Stimme gewann an Schärfe:"WIR werden ihm zu Hilfe kommen!". Diese Anmaßung spaltete die anwesende Menge nun endgültig. Viele Siedler schienen Venya nun endgültig für verrückt zu halten, jedoch war ein kleiner Teil auf ihrer Seite. "Es wird Zeit endlich wieder so zu handeln, wie die Exilanten handeln sollten!" brüllte einer der Krieger, auch die Frauen und Handwerker schienen deren Meinung zu sein.

    Diejenigen, welche noch nicht losgegangen waren blickten erschrocken auf, als Venyas Rechte in einer Gürteltasche blitzschnell etwas herausfischte und es in Richtung des Senators warf. War die Bewegung zu schnell um den Gegenstand wahrzunehmen, konnte man aber bereits im Flug erkennen, dass es sich nicht um ein Messer oder Ähnliches handelte. Kurz hinter Helias Füßen prallte etwas Schwarzes auf. Es war brüchig und sah deutlich mitgenommen aus. Es erinnerte an eine verkrüppelte Klaue eines Monsters, wobei die meisten Anwesenden, sofort erkennen mussten, worum es sich handelte. "Ihr wendet euch also wieder einmal ab, Herr Senator? Darin seid ihr ja schon geübt!" schmetterte sie ihm entgegen.


    Nun wurde die Menge unruhig. War eben nur Venyas aufmüpfiges Verhalten, welches die mesiten bereits kannten zu Tage getreten, schien dies sich langsam in eine Anklage zu verwandeln. Nun blieb nur zu hoffen, dass der Senator recht hatte und Venya wirklich nicht der Richter hier war.

    Venyas Miene schien kurz eine schmerzliche Note anzunehmen. "Keine überstürzten Entscheidungen? Solch eine Einstellung hat UNS überhaupt erst in diese Lage gebracht!" entgegnete sie dem Senator. Ein Raunen ging darauf hin durch die anwesende Menge. EInige der Anwesenden tuschelten, einige schienen nicht zu verstehen, was sie damit sagen wollte - wieder Andere nickten grimmig. "Habt ihr denn Alles vergessen, was diese Siedlung und auch den Geist dieser Siedlung hier betrifft? Wir halten zu einander und lassen niemanden von uns im Stich! Harkon hat so Manchem von uns bereits das Leben gerettet und uns den Rücken freigehalten, wenn es sein musste. Und ihr wisst genau wie sehr er von..." wieder hielt sie für einen kurzen Moment inne und schien ihren Satz abzubrechen. Mit einem säuerlichen Tonfall fuhr sie fort: "...uns geschätzt wird."


    Abermals murmelte die Menge, scheinbar schienen einige der Krieger, welche bereits an den Feldzügen der SIegel teilgenommen hatten, ihr zuzustimmen. "Harkon ist ein guter Mann..." rief Jemand aus der Menge, andere bejahten dies, wohingegen ganz Andere mit der Situation einfach zu überfordert sein schienen.


    Abermals wand sich Venya, mehr an die Masse denn an den Senator :"Diese Nachricht ist in größter Eile bei uns eingetroffen, niemand weiß, wie lange sie nun schon unterwegs war - wie könnt ihr denn dann warten?".

    Venya schien kurz Inne zu halten, eine übermäßige Beeindruckung ihrerseits war jedoch nicht zu spüren. "Glaubt mir Senator, wenn ich richte, ist dies ein anderer Ablick. Aber es ist erfreulich euch hier zu sehen. Und berichtigt mich, aber soweit ich unterrichtet wurde, ist immer noch kein neuer Protektor gewählt worden, oder?" antwortete sie ihm. Die letzten Worte hatte sie langsamer ausgesprochen als den vorherigen Satz.


    "Und doch werdet ihr doch wohl mit mir übereinstimmen, dass wir diesen Ruf nicht unbeantwortet lassen können. Immerhin handelt es sich hier um einen der ältesten Freunde von... den Gründungsvätern dieses beschaulichen Plätzchens" sprach sie weiter.


    Als Valentin das Wort erhob, musterte sie diesen kurz. Im sonst so harten Blick Venyas, lag dieses mal etwas Anderes. Mehr zu ihm, als zum Rest der Menge gewandt, antwortete sie dem jungen Heiler:" Keiner hat etwas von Kämpfen, oder gar einem Feldzug erzählt. Harkon ist ein Krieger, daher gebraucht er Redewendungen, die seinem Stande auszeichnen. Doch hat eben jene Kriegsherr uns nicht wegen unseren Klingen geschätzt, mehr wegen unserem Wissen, unseren Rat und unserer Verlässlichkeit! Dieser Mann befehligt genug erfahrene Krieger, unsere Schwertarme wird er wohl nicht brauchen. Auch könnte er bestimmt auf weniger weit entfernte Verbündete zurückgreifen."

    Venya befand etwas Abseits und hatte eine kleine Sanduhr mit ihrem Blick fixiert. Als der voraussichtlich letzte Bewaffnete am Tor eintraf, hob sie das kleine, sandgefüllte Gefäß auf und steckte es in eine ihrer Taschen. Harsch bahnte sie sich ihren Weg durch die Menge zu Trall. Jene, welche sie bemerkten machten ihr schnell Platz, wollte sich doch niemand ihren stechenden Blick einfangen. Seit ihrer Heimkehr und dem Tod Kires schien sich abzuzeichnen, dass die junge Frau immer weniger Kontrolle über ihre Gemüt zu haben schien. Einige behaupteten, dass der beruhigende Einfluss des ehemaligen Protektors ihr fehle, ein Anderer hatte behauptet, dass dessen Tod schuld sei, dass sie ihren Verstand verliere. Jener Mann hatte man anschließend zum Heiler bringen müssen.


    "Das bedeutet in erster Linie" sagte sie kühl zu Svala gerichtet, doch danach brüllte ihre Stimme über die ganze versammelte Mannschaft "...dass ihr mehr als 3 volle Augenblicke gebraucht habt, um euch zu wappnen und hier her zu finden. Ich sehe keine schweren Rüstungen an euch, welche dieses Lahmen entschuldigen könnten. Bevor ich meine letzte Reise antrat, brauchte die Siedlung nur knapp mehr als 2 Augenblicke!". Mit schütteldem Kopf blickte sie in die Runde und musterte ein paar Gesichter.
    Ihr suchender Blick schwiff weiterhin durch die Menge, jedoch konnte sie das Gesuchte nicht finden. "Aber es bedeutet auch, dass wir gebraucht werden! Ein Verbündeter ruft lauthals unsere Namen - so laut, dass seine Schreie aus der alten Welt, über das tosende Meer, bis zu uns, in den einsamen Norden reichen. Dieses Gesuch klingt wichtig und irgendjemand..." dabei legte sie eine kurze Pause ein" ... sollte entscheiden, was zu tun ist! Mag sein, dass diese Siedlung führerlos ist, aber wir werden uns doch wohl noch an unsere Freunde erinnern können?". Wieder ging ihr Blick auf die Reise, jedoch konnte sie abermals das Gesicht das Senators nicht ausmachen - gerade jetzt hätte er da sein sollen, um der Siedlung halt zu geben.

    Das Buch, welches Zarim aufgefallen war, hatte man in schweres Leder eingeschlagen. Beim öffnen konnte man erkennen, dass das Buch unter schweren Verfallserscheinungen litt, das zeugte von einem beträchtlichen Alter. Viele der Seiten waren lose und steckten nur noch zwischen den anderen Seiten. Der Titel auf der ersten Seite verreit, dass der junge Alchemist ein Märchenbuch in seinen Händen hielt. Eine dünnes Stoffband, welches wohl als eine Art Lesezeichen fungieren musste, steckte irgendwo zwischen den Seiten. Am Buchrücken konnte man in kleinen, abgefledderten, geprägten Buchstaben eine kurze Reihe von Wörtern erkennen, welche die Inschrifft "Leg den er inde Ra ahns" trug.

    Das Licht schien kurz aufzuflackern und wurde merklich heller. Aus dem schwachen, bläulichen Licht war nun ein weiches, schummrigens Licht geworden, welches in warmen Farbtönen von den Flammen schien. Durch die neue Lichtsituation erhellt, waren nun auch die Bücher besser erkennbar. Hierbei handelte es sich Teils um schwere Folianten, gebunden in altem Leder, Teils kleinere Büche, Schriftrollen und auch Pergamentbehälter, welche in ungeöffneter Form nur Vermutungen über ihren Inhalt zuließen. Jedoch befand sich weitaus mehr in den Regalen, als nur schriftliche Aufzeichnungen und vergilbter Pergament. Gläser mit einem seltsam trüben Inhalt, kleinere Kästchen oder auch ein Reagenzglashalter konnten ausgemacht werden.


    Einige Bücher waren seltsam verziert, wenige wirkten Prunkvoll, eben jene stachen aus der Masse der einfacheren Exemplare durchaus heraus.

    Die Luft um den jungen Alchemisten wurde merklich dicker, scheinbar aus dem Nichts bildeten sich rote Schwaden, welche ihn einhüllten und umspielten. Die Luft wurde merklich dicker, ebenso viel es etwas schwerer zu atmen. Nach einer kurzen Weile des Schauspiels zerbaste eben jener Nebel in zehn verschiedenen Richtungen und löste sich dabei auf.
    Weiter geschah Nichts. Doch auf einmal - und sehr unvermittelt glitten die beiden schweren Eichentüren auf. Ein leises Raunen gliltt aus dem dahinterliegenden Raum und sprach neben einer Einladung auch unmissverständlich eine Drohung aus.


    Die Dunkelheit wurde von mehreren Lichtern stückweise erleuchtet, nun glühte die Kammer in einem bläulichem Schimmer, erhellt von den geisterhaften, magischen Fackeln.

    Während des ganzen Trubels, welcher Keels verschwinden verursachte, schienen nur die Wachen auf dem Wehrgang über dem Tor der Festungsmauer den Neuankömmling zu bemerken. Ein gehetzt wirkender Reiter, welcher sein Tier trotz der geringen Entfernung zur Siedlung hin weiter zur Eile trieb, raste heran. Die Wachen waren etwas überrascht, nur selten kamen Personen hier her, doch es bestand kein Grund zur Sorge. Der Reisende war weder schwer gerüstet, noch hatte er irgendwelche auffälligen Waffen bei sich, sie hingegen waren von einem starken Wall harten Steins geschützt.


    Kurz vor dem Tor bremste der Reiter aprubt ab und sprang in einer flüssigen Bewegung von seinem Pferd.


    Die Wachen konnten keinerlei Gefolgschaft auf der weiten Ebene entdecken, daher gab es auch keinerlei Grund Alarm zu schlagen. "Hei da, was wollt ihr hier?" kam eine Barsche Frage von der Palisade, welche natürlich an den Reiter gerichtet war. DIeser Schlug sich mit seiner Rechten vor die Brust und antwortete in einem militärischen Drill "Eine Nachricht für Jene, welche sich Exilanten nennen. Sie ist eilig, wichtig und SOFORT zu übermitteln!". Die Haltung des Boten entspannte sich leicht, jedoch behielt er immer noch eine akkurate Haltung ein.


    Nur unweit der Wächter hatte Venya die Antwort des Boten ohne weiteres Interesse verfolgt. Sie stand unterhalb der Palisade, innerhalb der Siedlung. Ihr Blick schien gelangweilt, die Anwesenden, welche sie näher kannten wussten, dass die Debatten um den neuen Protektor sie ebenso ermüdeten, wie das Verschwinden ihres Bruders sie erzürnte. Als einer der Wächter Anstalten machte, die Treppe der Wehr herabzusteigen, winkte Venya ab und setzte sich leicht schlurfend in Bewegung. Zusammen mit einem anderen Exilanten öffnete sie das schwere Tor und trat zu dem Boten heraus.


    Normalerweise wäre solch ein Verhalten gegen jede Vorschrift gewesen, immerhin hätte der Mann denoch bewaffnet und gefährlich sein können. Jedoch wussten die Wächter, dass einige Regeln für Venya, trotz dem Tod ihres Meisters Kire immer noch nicht galten. Argwöhnisch spähte er der jungen Frau nach, er konnte sich vorstellen, dass sie sogar hoffte, der Bote würde etwas in diese Richtung hin unternehmen. Er wog die Wahrscheinlichkeit hierfür ab, es könnte ja durchaus noch ein heiterer Abend werden.


    Wortlos war Venya zu dem Boten durch das Tor getreten und sah ihn mit leicht schief gelegten Kopf an. "Ja?" presste sie mit einem leicht gelangweilten Tonfall heraus. Mit einer akkuraten und leicht steif wirkenden Bewegung griff der Bote in seine Tasche und übergab ihr ein versiegeltes Dokument. Die Augen der jungen Frau weiteten sich augenblicklich - dieses Siegel war ihr durchaus vertraut. Ohne weitere Worte machte sie auf den Hacken kehrt und betrat die Siedlung, ohne sich um das Tor zu kümmern. Auf einmal stoppte sie und rief dem Boten, welcher bereits wieder auf seinen Rappen aufgestiegen war zu: "An wen genau ist dieses Schreiben nochmal gerichtet?". Dieser drehte den Kopf leicht in ihre Richtung und antwortete karg:" An all Jene, welche sich Exilanten nennen!". Mit diesen Worten spornte er sein Pferd an und eilte davon. Die Torwächter tauschten einen eiligen Blick mit Venya, welche bestätigent nickte und spurteten die Treppe der Wehr herab. "Wir sind definitiv Exilanten" sprach einer der Wachen aus, was die Anderen schon die ganze Zeit gedacht hatten. Mit einer geübten Bewegung öffnete die blonde Frau den Brief und zerbrach das Siegel, welches Großes verhieß. In Windeseile überflog sie die Schriftzeichen und ihre Augen weiteten sich noch mehr. Zwei weitere Krieger, welche ebenfalls des Lesens mächtig waren, schienen verwirrt, während die restlichen, umherstehenden Anwesenden, welche diese Gabe nicht besaßen drängten, den Inhalt zu erfahren. Venya richtete ihren Blick auf Trall, den größeren der beiden Wächter, welche ebenfalls den Brief gelesen hatten und reichte ihm das Pergament "deine Stimme ist lauter als meine". Darauf hin ging Trall zum Tor und zog einen Dolch, mit welchen er das Pergament an eben jenes heftete. Mit einer Geste zu einer Wache auf der Wehr wurde eine Glocke geläutet, während er lauthals verkündete:


    "Erben Kires - Siedler Exilias,


    die Stunde ist gekommen, in der ich euch zu mir rufe. In den finsteren Stunden dieser Tage, benötige ich eure Hilfe, um ein Übel abzuwenden, welchem ich allein nicht Herr werden kann. Mir ist bewusst, dass die Reise, welche ich euch abverlange lang und beschwerlich ist, da ich nicht auf Mitraspera verweile und an einem anderen Ort eure Hilfe brauche. Ich befinde mich in dem Dorfe Aras Shonda, in dem Lande der Kaiserin - Aehra. Ich habe mit einigen eurer Krieger in erbitterten Schlachten gekämpft und deren Klingen waren immer bereit, meiner beizustehen. So hoffe ich nun, dass ich auch jetzt mit eurer Hilfe rechnen kann. Doch glaubt mir, dass uns in diesem Moment weitaus mehr verbindet, als nur eine gemeinsame Vergangenheit.
    Ich warte auf euch,


    Harkon Erikson,


    Heerführer der Kaiserin von Aehra".

    Grimmig lächelnd verließ sie den Stall, den sie während ihren Grübeleien aufgesucht hatte. Die Nähe zu den großen Raubvögeln, welche sie aufzog und umsorgte hatte ihr schon immer Ruhe vermittelt, die sie zum Nachdenken benötigte. In diesem Falle war sie nicht nur auf eine Lösung gestoßen, sie hatte diese sogar direkt serviert bekommen. Um die Sicherheit der Dokumente musste sie sich nun vorerst keine Sorgen machen, niemand würde diese erst einmal finden können.


    Deutlich langsamer schritt sie durch das rege Treiben der Siedlung, welches ihr gefhelt hatte. Langsam stellte sich ein heimatliches Gefühl ein, wenn auch nicht das Gleiche wie das von früher. Mittlerweile war sie müde und erschöpft. Jeder zusätzliche Schritt schien sie mehr anzustrengen. In der Ferne konnte sie ihr Haus erkennen, welches nahe der großen Halle stand. Mit einem Anflug von Zustimmung erkannte, sie, dass auch über ihrer Tür ein schwarzer Fetzen im Wind wehte. Mit einem Stoß wuchtete sie die Tür auf un betrat ihr Heim.