Avalos war angespannt. "Seinen" Rekruten ging es nicht besser. Nervosität lag in der Luft. Es stank nach Angst.
Ohne Zwischenfälle erreichten sie den Hafen, begrüßt von einem sichtlich nervösen Balboa. Der Händler sah merklich... fertig... aus. Avalos hatte so etwas schon oft gesehen, wenn der Geist und Erinnerungen an die Vergangenheit einem jede Kraft zum Handeln raubten.
Der Hauptmann wechselte einige Worte - zu leise, als dass er sie verstanden hätte durch den schweren Helm. Sein Panzerhandschuh knackte leise, als er die Faust hob und das stählerne Geschübe leise knackte und sich ineinander verschob. Das Geräusch wirkte laut. Anormal laut und disharmonierend.
Er gab seinem Pferd leicht die Sporen, hob die erhobene Hand noch etwas vorne und ließ sie nach vorne schnellen. Taktische Kommandos waren einer der ersten Dinge die er seiner Rekrutenkompanie beigebracht hatte. Durch die Helme hörte man meist nur die Hälfte, und davon meist die falsche.
Ein paar Steinewerfer auf dem Weg. Nicht der Rede wert. Eingekreist und von einer handvoll Gardisten abgeführt. Avalos schwante ungutes. Es wäre besser gewesen, wenn das die Rekruten übernommen hätten. Hier vor Ort hätte er lieber jeden Mann behalten mit Kampferfahrung...
Der große Platz war hell erleuchtet. Feuerschein... und Galgen. Fünf Stück. Automatisch dachte er an die Scheiterhaufen in Novigrad. Eine zutiefst häßliche Szene. Irgendwo in der Menge spiegelte sich das Licht in einer Messerklinge.
An der Stirnseite erkannte er Landuin´s Bannerträger und reihenweise Gardisten, die die Straßen abgeriegelt hatten.
Der Waibel ließ eine Reihe bilden, Pferd an Pferd. Der Hauptmann nickte. Sein Arm schnellte herab, gleichzeitig schrillte seine Pfeife.
Die Pferde scharrten mit den Hufen. In leichtem Trab ritt die, seinem Geschmack nach viel zu dünne Linie auf die tobende Masse zu um sie auf die Linie der Gardisten zu drücken. Eine schnelle Kopfdrehung. Karon links neben ihm. Rechts Gardisten. Die Rekruten hielten nicht die Linie. Ihre Reitfertigkeiten waren zu schlecht dafür. Uneinheitliches Tempo, Nervosität, Angst und Mutlosigkeit taten ihr Übriges.
Aber keine Zeit mehr. Denn die war abgelaufen.
Mit einem schleifenden Geräusch traf die Linie auf die aufgebrachte Menge. Pferd und Stahl, jeder Reiter mit seinem Tier mehr als eine halbe Tonne Fleisch und Eisen.
Die Linie fächerte sich auf dem Platz auf, Lücken entstanden. Mit der Flanke seines Pferdes drängte er einen Aufrührer ab, schob ihn zurück in die Menge. Aus dem Augenwinkel sah er jedoch eine Bewegung, sah es bevor das Pferd wieherte, sich aufbäumte und seinen Reiter abwarf. Die Aufständischen sahen ihre Chance. Ohne dass er eingreifen konnte war der abgeworfene Reiter in der Menge verschwunden, zu Boden gezogen und in den rasenden Hexenkessel geraten. Zwei weitere Rekruten wurden von ihren Pferden gezogen, sich heftig wehrend. Jemand packte das Gurtzeug seines eigenen Pferdes. Avalos trat nach dem Angreifer, verlor das Gleichgewicht, fing sich wieder, rutschte aber aus dem Steigbügel. Wenn er in der Rüstung fallen sollte, käme er niemals schnell genug auf die Beine um sich noch verteidigen zu können. Er schwang sein rechtes Bein aus dem verbliebenen Steigbügel, drückte sich am Sattelknauf ab und stieß sich nach hinten ab Wie erwartet ging das Pferd durch, während Avalos für einen kurzen Moment durch die Luft segelte, aber auf seinen Beinen landete. Keine Toten, das war der Befehl. Noch ließ er das Schwert stecken. Die gepanzerte Faust und die Schlagpavese würden wohl reichen müssen. Eine Hand packte ihn an der Schulter, wollte ihn herumreißen. Avalos ließ den Arm zurückschnellen, drehte sich und drosch das Schild hinterher. Der Ellbogenschlag mit der Ellbogenkachel hätte auch ausgereicht, aber der Schildschlag schickte den zerlumpten Mann endgültig auf das Kopfsteinpflaster.
Keine Zeit zum Innehalten. Die heruntergezogenen Gardisten kämpften Rücken an Rücken, Schild und Knüppel. Aber sie wurden hart bedrängt, nur noch eine Frage der Zeit. Die Meute schloss die Reihen um die beiden, ein kochender Ring aus Leibern, Wut und dem Wunsch, irgendwem oder irgendetwas Gewalt anzutun. Ein Mob hatte kein Gewissen, keine Moral, kein Innehalten. Jeder für sich ein anständiger Bürger, zusammengerottet eine blinde, geifernde Furie.
Zwei Reiter preschten heran, wurden abgewiesen und versuchten erneut sich mit ihrem Ansturm und Gewicht durch die Masse zu drängen. Viel drängender war die Frage wo der erste Rekrut geblieben war. Karon.
Ein Messer blitzte auf, in einer verdreckten Hand. Nicht schnell genug. Die Klinge schrammte an seinem Arm ab, verhakte sich im Schultergeschübe seiner Rüstung. Mit einer Drehung aus der Hüfte drückte beschleunigte Avalos seinen linken Arm mit dem angeschnallten Schlagschild. Er hatte nicht gezielt, traf aber trotzdem verheerend. Die Eisenkante traf den zerlumpten Angreifer seitlich am Brustkorb. Selbst durch den schweren Helm und das Kopfpolster hörte er das knackende Geräusch brechender Rippen.
So langsam begann er sich zu fürchten. Spalten und Lücken hatte jede Rüstung, egal wie gut. Und eine schmale Messerklinge würde in diesem Gewimmel durchaus ihr Ziel finden, durch des Zufalls Hand geführt.
Die Umstehenden wichen langsam vor ihm zurück. War das Furcht, dass sich in ihre weit aufgerissenen Augen schlich?
Irgendwo in einer Lücke sah Avalos ein Paar zappelnde Stiefel.
"Karon!!!!!"
Avalos setzte sich in Bewegung. Sprang fast vom rutschigen Pflaster ab, rammte einem Pöbler die eiserne Schulter ins Gesicht und drängte sich in das Getümmel.