Posts by Ffalmir

    »Nein, alles wie gehabt. Ich habe zumindest keine neuen Anschläge gesehen, und auf die Agenda wurde auch nichts weiteres gesetzt. Und ich sollte es ja mitbekommen.«


    Ffalmir lacht ein bisschen über seinen eigenen Witz.

    Decree regarding the wearing of soulstones in Kel’riothar


    Contrary to the agreements forged in Holzbrück under absence of Her Excellency, Her Excellency proclaims the following:
    It is the choice of every settler of the Northern Realm whether they wish to wear a soulstone in Kel’Riothar. Not wearing respectively not owning such an artefact is NOT sanctioned for settlers of the North.
    Furthermore Her Excellency wants to point out the dangers of these items, for souls may reach the foe’s hand in this manner as soon as a warrior falls in the battlefield or when their stone is captured by the enemy.
    It is hence more expedient by far to see to it that no comrade dies in the battlefield and thus their souls are not ruptured apart by the Mirrorworld. Therefore she calls upon everyone’s attentiveness in the Mirrorworld to effect that no Settlers of the North are needlessly left dying.


    signed


    Ka'Shalee Zress Nyame del lil trezen anzzar del Mitraspera

    »Klar. Zwar noch mit Namen, weil ich die Nummern aus dem Bürgerregister nicht auswendig wusste, aber das sollte ja erstmal reichen.«


    Er reicht ihr einen zusammengefalteten Zettel, der im Vergleich zur Karte recht dahingeschmiert wirkt, aber alle wichtigen Informationen in Form einer Tabelle zu enthalten scheint.

    Es begann mit diesen mysteriösen Paketen, die Ffalmir aus der Hauptstadt mitgebracht hatte. Oder besser gesagt, mit einem davon, dessen Packpapiereinschlag einen Inhalt aus Stoff verriet. Eines Morgens kam der Fauth aus dem Zelt, das er zwischen den Grundmauern seines Grundstückes aufgeschlagen hatte, nicht in seinem üblichen Sommerfrack mit den weißen Stickereien, sondern in eine Art Leinenmantel gewickelt, der um seine Hüften von einem grünen Seidengürtel zusammengehalten wurde. Erste Vermutungen, er sei erkrankt und würde noch sein Schlafzeug tragen, waren schnell entkräftet, als er mit seiner üblichen Entschlossenheit die Arbeiten des Tages anging. Lediglich eine kurze Wanderung gegen Nachmittag, bewaffnet mit einer Schale und einem Räucherstäbchen, wich vom gewohnten Ablauf ab.


    Yaëlle antwortete, darauf angesprochen, in gewohnter Trockenheit: »Meine Güte, er sucht halt nach Weisheit.«


    Und fürwahr, dieser Wandel machte sich auch bald anderweitig deutlich: Ffalmir begann, zuweilen in scheinbar unzusammenhängenden Geschichten zu antworten, zu meditieren und drakische Teezeremonien abzuhalten. Gerade bei letzteren beiden Aktivitäten war er oftmals nicht allein – andere Drachensteiner in Kieselheim schlossen sich ihm an (oder er sich ihnen?), und zuweilen hörte man seltsame drakische Gebete. Auch Yaëlle war bei diesen Gelegenheiten oft anzutreffen, und sie schien allgemein recht genau zu wissen, was in den Fauth gefahren war. Wie sie dazu stand, ließ sie sich jedoch nicht anmerken.

    »Fertig!«


    Ffalmir legt Yaëlle eine große Papierrolle auf den Schreibtisch, sehr darauf bedacht, sie irgendwo zu platzieren, wo sie nicht in feuchte Tinte rollen kann. Dann nimmt er sich mit einem Dankeschön ein Stück Lokum.


    »Schau’s Dir ruhig an!«

    »Repräsentatives Rumflanieren. Nein; ich werde wohl die Vermessung noch etwas ins Gelände hineintragen. Vorbereitungen für die Kieselheimer Bank treffen. Häuser begutachten. Und Flurstücke nummerieren. Und Du?«

    »Es wäre vielleicht sowieso ratsam, die Grundsteuer nur jährlich oder halbjährlich zu kassieren, sofern wir sie nicht anstelle einer Umsatz- und Einkommensteuer erheben wollen. Aber das ist dann eh eine Sache für den Rat.«

    »Die Nummern kann ich Dir direkt ins Croquis malen, nur für die genauen Flurkarten brauche ich natürlich etwas länger. Aber die genauen Größenangaben für Grundsteuerberechnungen brauchst Du ja auch so schnell noch nicht, oder?«

    »Ja, kann ich machen. Ich hab ja während der Vermessung eh schon ein Croquis angefertigt; da fällt das nicht mehr so schwer. Welches Format nehmen wir für die Flurstücksnummern? Fortlaufende Zahlen und später mal Strich und fortlaufende Zahlen, also etwa 5/3, für Teilungen? Oder hast Du da keine Präferenzen?«

    Nach mehreren Tagen kräftezehrender Reise kommt die kleine Gruppe Reisender aus Paolos Trutz mehr oder weniger wohlbehalten in ihrem Dorf an. Wobei: »Dorf« ist angesichts des Zustandes, in dem sich das ehemalige As’bruna befindet, so sehr euphemistisch, dass eine Gesellschaft, die unter Werbung mit diesem Begriff Aktien ausgäbe, schneller wegen Betruges aufgelöst würde, als die Tinte auf dem ersten Wertpapier trocknen könnte. Von der Siedlung übergeblieben sind einige eingewachsene Trampelpfade, dazu wenige Grund- und noch weniger Außenmauern. Ein Gebäude, das noch alle vier Außenmauern besitzt und zudem unterkellert ist, wird fürs Erste als Unterkunft auserkoren; eine mitgebrachte Plane dient als provisorisches Dach, und zum Glück spielt das Wetter mit, sodass die fehlenden Fenster und Türen keine Probleme darstellen. Diverse wertvolle Habseligkeiten, darunter einige Säcke Geld, die mit drei fliegenden Möwen geschmückt sind und verdächtig nach Guano riechen, werden vergraben oder versteckt. Nach einem reichhaltigen Abendmahl, dessen Hauptspeise aus dem nahen Bach gefangene Forellen bilden, bettet man sich und schläft bald ein.


    Am nächsten Morgen werden Aufgaben vergeben: Unkraut wird gerodet, die Gegend erkundet, ein liebevoll gemaltes Holzschild mit der Aufschrift ›Kieselheim‹ und dem Wappen Arklants in den Boden getrieben, verbliebene Bauten untersucht und vermessen, und schon bald spannen sich zwischen den Ruinen von angespitzten Pflöcken in der Erde ausgehend ordentlich weiße Schnüre, die die neugezogenen Grundstücksgrenzen markieren. All dies wird fein säuberlich in ein Kataster angelegt, und Yaëlle beginnt, die ersten Blätter des Grundbuches zu beschriften. Weiterhin wird ein Bürgerregister aufgesetzt, das sogleich sechs Einträge erhält. Am frühen Abend wird eine erste Versammlung des Bürgerrates abgehalten, die alle Anwesenden nach Designation in ihre Ämter wählt: Carni wird zum Marschall und damit zur obersten Führung des Heeres gewählt, Colgan zum Kommandanten der Stadtwache und damit zu Carnis Gegenpart im Inneren. Yaëlle wird zum Kanzler gewählt, Tom zum für Wirtschaft und Entwicklung verantwortlichen Magistraten, Frederick zum Kämmerer, der die Gelder verwaltet. Zu guter Letzt wählt man Ffalmir zum Fauth, der die Freie Stadt repräsentieren soll und die Sitzungen des Bürgerrates zu leiten. Sogleich beginnt man, den Fauth Ffalmir Ffharranddhor als ›die heiligen drei F‹ zu veräppeln, was dieser notgedrungen über sich ergehen lässt.


    Der zweite Morgen in Kieselheim beginnt laut: Ein großer Karren nähert sich, der dem Klang nach mit einer Vielzahl von Töpfen, Pfannen, Metallgeschirr und gluckernden Fässern beladen ist. Und tatsächlich erkennt Frederick schon aus einiger Ferne seinen Bekannten Bentley Schwarzbart, der die örtliche Taverne übernehmen möchte, auf dem Bock. Mit Bentley reisen seine Frau Gellana und ihr Koch Johann Schwoaf an. Ihnen wird nach einem Eintrag in das Bürgerregister ein Gebäude zugewiesen – eines jener, bei denen abgesehen von einem Keller, in den sofort eine notdürftige Leiter hinabgezimmert wird, nur noch die Grundmauern stehen –, worauf sie ihr Zelt errichten. Man erhält Kunde, dass weitere Siedler aus Drachenstein schon auf dem Weg seien und in wenigen Tagen eintreffen würden.


    Die nächsten Tage verlaufen arbeitsreich; die noch bezugsfähigen Häuser werden unter den Bewohnern aufgeteilt respektive zur Kämmerei, zur Stadtwache, zur Kanzlei und dergleichen ernannt und entsprechend mit Zeltplane abgedichtet und bezogen. Krude Fenster, Tische, Betten und Türen werden gezimmert, Feuerholz gesammelt, Tiere gejagt und Beeren und Kräuter gesammelt. Die Taverne hat trotz der geringen Bürgerzahl schon guten Betrieb und wird zum kühlen Treffpunkt der Gemeinschaft – die ersten Tage über zahlt der Bürgerrat stets die Zeche als Lohn in Naturalien, nachdem von der Kämmerei ein erster Kredit bei der eiligst von Ffalmir etablierten Kieselheimer Bank aufgenommen wurde.


    Bald schon kommen weitere Siedler aus Drachenstein an, angeworben von den Schwarzbarts. Nach neun Tagen zählt das Bürgerregister sechzehn, nach elf schon zweiunddreißig Einträge. Parzellen werden zugewiesen, und die Neubürger entsprechend ihrer Befähigungen in die Arbeit eingewiesen: Bauern beginnen, geeignete Orte für Felder zu erkunden und von Bewuchs zu befreien, Tischler und Zimmermänner widmen sich (nach einigem Kopfschütteln über die notdürftige Arbeit der ersten Tage) dem Aufbau der Gebäude. Kräuter- und Gemüsebeete werden angelegt, Zäune errichtet, Bäume gefällt und Wildkaninchen, Hasen, Fische und Krebse gefangen, und jemand beginnt sogar, regelmäßig die Hauptstraße zu fegen. Mit den ersten Siedlern kommen die ersten Hühner und Ziegen und sogar die ersten Kühe, und bald schon kommt ein Schäfer mit einer kleinen Herde in Kieselheim an, der sogleich zur Aufklärung wieder ins Gelände geschickt wird. Eine Schmiede wird eröffnet, und innerhalb weniger Tage folgen ein Schuster und ein Kürschner. Die ersten Streitigkeiten über ausgeleerte Nachttöpfe und Kinder, die wegen des Tavernenlärms nicht schlafen können, kommen auf und werden mehr oder minder erfolgreich geschlichtet.


    Dem Reisenden bietet sich das Bild eines Ortes, dem die Bewohner sich mühsam, aber mit viel Hingabe ein neues Leben abtrotzen. Kieselheim mag noch ein Flecken Dreck sein, aber es ist ein Flecken Dreck, der sehr geliebt wird.

    »Nun gut; ich denke, ich schaffe das auch alleine. Dann bis später!«


    Ffalmir packt einige Dinge in eine Tasche und bricht dann auf, um die mysteriösen Besorgungen zu tätigen und zu schauen, ob er diesen Kapitän noch auftreiben kann. In der Tat findet er ihn nach einer langwierigen Suche, lässt im Gespräch die ein oder andere versteckte Andeutung fallen, warum man nicht versuchen sollte, ihn übers Ohr zu hauen, regelt eine genaue Abfahrtszeit, und widmet sich dann den Besorgungen, die er alsbald beieinander hat. Einige der Dinge lässt er direkt nach Kieselheim liefern.


    Anschließend begibt er sich zurück in das Anwesen, packt noch die ein oder andere Sache, die er davor vergessen hat, darunter so wichtige Dinge wie eine silberne Sauciere, Schuhlöffel, drei oder vier Bücher, ein Sortiment an Perlen und Bändern, sechzehn goldene Teelöffel und zwei fünfflammige Kandelaber auf den Karren, der im Hof bereitsteht, und geht dann ins Bett.


    Am nächsten Tag erledigt er letzte Korrespondenzen, schnürt seine Körperpflegeartikel zusammen, wirft einen Blick in den Kellerraum, in dem einiges zwischengelagert wurde, was erst peu à peu nach Arklant gebracht werden muss, verschließt dann seine Zimmertüren und trifft sich mit den anderen beim Karren, der sich – fachmännisch mit einem Esel versehen – schon bald Richtung Hafen in Bewegung setzt. Dort angekommen finden sie das Schiff, welches sich in der Tat am westlichen Kai befindet, beladen es (indem sie den Karren samt Esel in einem Akt von einiger Akrobatik auf Deck kutschieren), und schon bald legt man ab, einer vielversprechenden Zukunft entgegen.