Beiträge von Kal Su

    Auch Kal Su hatte die wenigen Dinge, die sie aus dem Silberauental mitgebracht hatte, in einer Kammer verstaut. Noch war sie nicht wirklich angekommen, zu wenig war ihr Selfiran bisher vertraut. Doch die bekannten Gesichter und der so herzliche Empfang hatten geholfen, dass sie sich in der neuen Umgebung wohlfühlte.
    In den folgenden Tagen machte sich Kal Su mit der Umgebung vetraut und verbrachte so viel Zeit draußen, wie es das Wetter zuließ. Die Mahlzeiten nahm sie jedoch immer mit ihren neuen Mitschülern ein, doch ließ sie sich selten in die Tischgespräche verwickeln, sondern blieb die meiste Zeit still.
    Nach einiger Zeit verschwand sie für eine geraume Weile und war nach ihrer Wiederkehr noch in sich gekehrter, als liege eine schwere Last auf ihren Gedanken, die sie nicht zu teilen vermochte.
    In diesen Nächten, besonders wenn der Mond es schaffte, die dichte Wolkendecke zu durchbrechen, hörte man manchmal aus der Ferne Wolfsheulen durch die Stille der Nacht klingen. Doch die klagenden Laute blieben fern und nie bekam jemand das Tier zu Gesicht.

    Kal Su ergriff Renées ausgestreckte Hand und drückte sie.
    "Ich danke Euch für die herzliche Begrüßung. Aber mich als Veteranen zu bezeichnen, ist vielleicht doch etwas verfrüht... immerhin habe ich erst in Siegelstadt gelernt, auch ohne Magie zu heilen. Aber, " sie kramte in dem im Gürtelwappen versteckten Täschchen und förderte ein neu aussehendes Brenneisen zu Tage, "ich habe es seitdem geschafft, meine Ausrüstung ein klein wenig aufzustocken."
    Sie grinste wölfisch und schob das Instrument in die Tasche zurück, aus der auch der Griff ihres Skalpells ragte, bevor sie sich neben Valentin an den Tisch setzte.

    Mit dem Wort, das ihr durch die verschlossene Tür entgegenschallte, konnte Kal Su zwar nichts anfangen, da sie Renées Muttersprache nicht mächtig war, doch die Stimme erkannte sie einwandfrei. Und nach 'Bleibt weg, sonst gibt's was zwischen die Ohren!' hatte das gerade auch nicht unbedingt angehört. Also ging Kal Su das Risiko ein und öffnete die Tür.
    Kaum hatte sie ihre Nase durch die Tür gesteckt, stieg ihr der Duft von frischem Brot und Schinken in die Nase und ihr Magen machte sich mit einem dumpfen Grollen bemerkbar. Kal Su errötete leicht.
    "Ich grüße Euch, Madame Lesson. Man sagte mir, ich könnte Euch hier finden.", wandte sie sich mit einem ehrlichen, offenen Lächeln an die ältere Heilerin.
    Erst jetzt erkannte Kal Su den jungen Mann, der mit am Tisch saß.
    "Bruder Valentin! Schön Euch wiederzusehen."
    Sie trat in den Raum hinein und sah sich neugierig um. Der Raum erinnerte sie auf eine angenehme Weise an Vier Windes Bibliothek im Silberauental, voll mit Wissen und Informationen.

    Kal Su hatte eine Weile gewartet, doch kein bekanntes Gesicht war vorbeigekommen. Einer der Wächter hatte ihr schließlich geraten, ihr Glück doch einfach mal im Büro von Renée Lesson zu versuchen und hatte ihr den Weg dorthin beschrieben.
    Also hüllte sich die junge Frau wieder in ihren klammen Umhang und eilte durch den nicht nachlassenden Regen zu dem ihr beschriebenen Gebäude.
    Die Wegbeschreibung des Wächters war gut genug gewesen, dass Kal Su das Büro fand, ohne noch einmal nachfragen zu müssen - keine schlechte Leistung bei ihrem schlechten Orientierungssinn.
    Vor der Tür streifte sie sich den Umhang wieder ab, schaute etwas schuldbewusst auf die Spur von kleinen Schlammklümpchen, die ihre Stiefel hinterlassen hatten und klopfte an die Tür.

    Kal Su dankte dem Wächter und zog sich die Kapuze wieder über den Kopf, bevor sie durch den feinen Regen ins Haus eilte. Drinnen streifte sie sich den von Nässe und Schmutz schweren Umhang ab, behielt ihn dann aber in der Hand, um den Straßendreck nicht im Haus zu verteilen.
    Ein wenig unschlüssig sah sie sich um, sie war noch nie hier gewesen und wusste nun nicht so recht, wohin sie sich als Nächstes wenden sollte. Gwaew-gedo und Madame Lesson waren also beide da, das war schon einmal gut, dann musste sie ihr Anliegen zumindest keinem Fremden erklären.
    Kal Su stellte ihre Tasche auf den Boden und wartete darauf, dass ein bekanntes Gesicht vorbeikam.

    Eine Gestalt, eingehüllt in einen schlammverkrusteten grauen Umhang, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, näherte sich dem Hauptgebäude. Vor der Tür angekommen schien sie sich erst der Blicke der Wachen bewusst zu werden.


    Zwei Hände kamen unter dem Umhang hervor und schlugen die Kapuze zurück. Das Gesicht, das nun zum Vorschein kam, war das einer jungen Frau, mit blasser Haut, grünlichen Augen und Haar in der Farbe von Herbstlaub, das zum Teil unter einem braunen Tuch verborgen war.


    "Ich grüße Euch. Ist der ehrenwerte Magister Gwaew-gedo zu sprechen? Oder Magistra Lesson?"


    In ihrer Stimme schwang die Erschöpfung einer langen Reise mit.


    "Mein Name ist Kal Su, ich hatte gehofft, hier meine Ausbildung fortsetzen zu dürfen."


    Bei diesen Worten schlug sie die rechte Seite ihres Umhanges zurück und entblößte dabei an ihrer Hüfte ein mit kleinen Blutspritzern übersähtes Gürtelwappen vom Ring der Heiler, das neben einem Schwert hing.


    Ihre Kleidung, die nun unter dem Umhang sichtbar wurde, bestand aus einem knöchellangen und ebenfalls schlammtriefenden brauen Rock und einer mit grünen Streifen abgesetzten Corsage aus dem gleichen Stoff, darunter eine Bluse, die sicher einmal weiß gewesen war. An ihrer Seite hing eine Tasche, die offensichtlich aus Schaffell gefertigt war.