Beiträge von Kal Su

    Bar'akans erste Worte ließen Kal Su lächeln.
    "Er soll ja gar nicht fortan blindlings alles, was aus dem Munde eines Drow kommt, als Perlen der Weisheit betrachten. Mir geht es darum, daß er sich eingesteht, daß Ihr die Chaosanhänger besser beurteilen könnt als er, weil Ihr schon seit einigen Jahren mit ihnen zu tun habt. Ich bin ja durchaus bereit einzugestehen, daß mein Urteil durch Vier Windes Ansichten gefärbt ist, aber ich komme auch nicht drumherum festzustellen, wie viele Bewohner Selfirans und Schüler der Akademie seit ihrem Auftauchen krank geworden sind. Die Nurgle-Anhänger scheinen in meinen Augen eher daran interessiert, sich selbst auf immer neue 'Segnungen' zu untersuchen, als die Forschung an den Krankheiten der Pestilenz voranzutreiben, was ja der eigentliche Grund ihres Hierseins sein sollte, wenn ich das nicht ganz falsch verstanden habe."
    Kal Su grollte leise.
    "Ich bin ehrlich nicht glücklich darüber, daß Gwaew-gedo sie hier duldet. Wenn sie unterrichtet werden wollen, so etwas läßt sich auch mit Briefen bewerkstelligen. Oder es finden sich vielleicht sogar Freiwillige, die sich nicht vor ihnen ekeln und sie bereitwillig unterrichten würden. Aber uns allen diesen Haufen von Seuchenherden aufzuzwingen finde ich falsch!"
    Der Abscheu stand ihr deutlich sichtbar ins Gesicht geschrieben.
    "Aber genug davon. Ich bekomme langsam Hunger, wie steht es mit Euch? Ich glaube, es gibt irgendetwas mit Innereien und Pilzen. Ich könnte uns etwas holen, ich habe kein Verlangen danach, mir im Speisesaal mit ansehen zu müssen, wie Viktor, Ruglan und die anderen allen Schülern den Appetit verderben."

    Kal Su grinste spitzzähnig.
    "Was definiert Ihr als 'seltsamen' Glauben? Aber ja, genau den meine ich. Er ist einfach viel zu naiv, viel zu gutgläubig! Er lässt sich seit sie hier sind von den Nugle-Anhängern einwickeln. Ich weiß ja nicht, wie viel Erfahrung Ihr mit den Anhängern des Chaos bereits gemacht habt, aber ich habe in den sechs Jahren, die ich im Haushalt eines Tzeench-Champions gelebt habe, doch Einiges mitbekommen. Und das Wenigste davon hat mir gefallen, wenn ich ehrlich bin."
    Sie seufzte.
    "Ich glaube, Valentin fühlt sich bevormundet, weil ich ihn immer wieder gewarnt habe, er soll den Nurgle-Anhängern gegenüber vorsichtig sein."
    Sie sah zu Bar'akan auf.
    "Könntet Ihr ihm nicht einmal ins Gewissen reden? Vielleicht glaubt er Euch eher. Außerdem geht mir die Sache mit unseren verratenen Erkenntnissen nicht aus dem Kopf. Ich mag einfach nicht glauben, daß es unter uns jemanden gibt, der uns auf diese Art an die Pestilenz verraten würde. Für mich kommen da nur die Chaos-Anhänger in Frage, ganz besonders Viktor Seel. Ich meine, es wäre doch nur logisch: sie kommen aus Klah Obscore, dem Protektorat, das früher dem Verräterlord unterstand. Und es war das Wappen von Klah Obscore, das wir bei dem Chaoswandler fanden, der im vergangenen Winter versuchte, Gwaew-gedo umzubringen. Ist es so abwegig zu glauben, daß einer von ihnen aus fehlgeleiteter Loyalität zum ehemaligen Archon gehandelt hat?"
    In Kal Sus Augen stand ehrliche Verzweiflung geschrieben.
    "Ich habe keine wirklichen Beweise für oder gegen meinen Verdacht, aber alles andere wäre zu… Alle anderen hier sind Leute, denen ich ohne zu zögern mein Leben anvertrauen würde. In wem sollte ich mich so sehr getäuscht haben?"

    "Ah, verstehe. Dann könnt Ihr ja gleich einmal versuchen, ob Ihr meine Handschrift entziffern könnt. Das ist eine kurze Abhandlung über einen besonderen Schlafzauber; Vier Winde führt ihn in seiner Bibliothek unter der schlichten Bezeichnung 'Erholsamer Schlaf'. Er soll in der Lage sein, in einer einzigen Nacht eine Krankheit oder ein Gift zu besiegen. Ich bin skeptisch, ob das auch bei den Krankheiten der Pestilenz funktionieren würde, aber es einmal auszuprobieren wird sicherlich nicht schaden. Ein wenig Kopfzerbrechen bereitete mir nur die Tatsache, daß man als Komponente ein Schlafgift benötigt. Aber ich schätze, da der Zauber aus den Lehrschriften einer anderen Akademie kommt und dort sicherlich ebenso wie hier auch Alchemisten arbeiten, ist dieser Zauber mehr für die Anwendung in einem Hopital oder einer Akademie wie unserer hier gedacht und nicht für das freie Feld, wo es unter Umständen unpraktisch sein könnte, den dritten Teil eines Tages zwangsweise zu verschlafen."
    Sie hielt Bar'akan die versiegelte Schriftrolle hin.
    "Aber das ist nicht der einzige Grund, warum ich mit Euch reden wollte. Ich mache mir Sorgen wegen Valentin."

    Als Kal Su Bar'akans Stimme hörte und sich im sanften Licht ihres Zaubers einigermaßen orientiert hatte, ließ sie die kleine Lichtkugel wieder verlöschen.
    "Ihr braucht kein Licht zu machen, ich weiß jetzt, wo die Regale stehen.", meinte Kal Su mit einem kleinen Schmunzeln in der Stimme. "Störe ich Euch? Ich hatte nach unserem Gespräch an der Palisade nach der verlorenen Schlacht meinen alten Meister Vier Winde gebeten, mir einen Zauber aus seiner Bibliothek zu schicken. Es ist nicht genau das, worüber wir uns unterhalten hatten, aber etwas Ähnliches."
    Sie setzte sich mit an den Tisch, wo Bar'akan bis eben gelesen hatte und schaute neugierig in die Schrift, die dort lag.
    "Was lest Ihr da gerade?"

    Die absolute Finsternis in dem Raum bestätigte ihre Vermutung, daß Bar'akan noch immer dort saß und nicht bereits zum Essen gegangen war.
    Nur wenige Schritte in den Raum hinein kollidierte sie mit etwas Großem. Ein dumpfes Krachen war zu hören, dann der Laut von mehreren zu Boden fallenden Büchern, gefolgt von einer Reihe geknurrter Flüche, die jeden, der des Süd-Wynián mächtig war die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte.
    "Ignitia!", grollte Kal Su einen kleinen Augenblick später und auf ihrer Hand erschien ein kleiner Lichtball.
    "Bar'akan?"

    Traurig schüttelte Kal Su den Kopf, während sie Valentin hinterher sah. Wenn sie seinen Tonfall richtig gedeutet hatte, hatte er sie nur zu bereitwillig missverstanden. Sie hatte sicherstellen wollen, daß er sie aus freien Stücken begleitete, nicht weil er glaubte, ihr die Bitte nicht abschlagen zu dürfen.
    Leise schloss sie ihre Zimmertür und sah aus dem Fenster. Draußen war es dunkel und es regnete. Wunderbar. Selbst das Wetter schien sich gegen sie verschworen zu haben.
    Ihr Blick wanderte wieder zu der Schriftrolle, die noch immer auf dem Tisch lag. Der Zauber würde Bar'akan sicher interessieren, auch wenn es doch nicht genau das war, worüber sie nach der einen Schlacht vor Doerchgard gesprochen hatten.
    Sie griff nach der Schriftrolle und machte sich auf den Weg in die Bibliothek, um den Drow zu suchen.

    "Das war kein Vorwurf, Valentin. Das war eine Tatsache. Du hast Angst vor mir."
    Kal Su erwiderte seinen Blick ruhig, fast sanft.
    "Wenn ich gelernt habe, eines zu lesen, dann die menschliche Körpersprache. Außerdem, ich kann Angst riechen."
    Sie wandte sich wieder zu ihrem Schreibtisch um und ließ die versiegelte Schriftrolle wie achtlos darauf fallen. Mit einer kurzen Handbewegung wies sie auf das Päckchen, das sie Valentin gegeben hatte.
    "Die Kräutermischung war nicht mal wirklich das, was ich eigentlich gewollt hatte, nur eine Ausrede, damit du mit mir kommst. Aber als ich sah, daß du glaubtest, ich wolle dich in mein Bett zwingen…"
    Kal Su brach ab und schüttelte mit einem verächtlichen Schnauben den Kopf.
    "Ich mag deinen Glauben nicht teilen, aber ich weiß genug über solche Orden, um zu wissen, daß du wahrscheinlich ein Keuschheitsgelübde abgelegt haben wirst. Ich bin selbst in einem Orden aufgewachsen, daher weiß ich, wie viel Halt einem die Ordensregeln geben, wenn das Leben ansonsten im Chaos zu versinken scheint. Und ich würde niemals jemanden dazu anhalten, gegen solche Regularien zu verstoßen! Noch dazu – und auch das habe ich schon einmal gesagt – bist du unter Anderem viel zu jung, als daß mein Anderes Blut dich als Gefährten sehen könnte."
    Kal Su brauchte ihr Gesicht nicht sehen zu können, um zu wissen, daß es leuchtend rot war, sie fühlte das Blut heiß in ihren Wangen pulsieren.
    "Verdammt, zum ersten Mal in meinem Leben habe ich so etwas wie ein Rudel, eine Familie und dann tauchen diese Gestalten auf, Wesen von denen ich einfach weiß, wie gefährlich sie sind und bringen den Frieden hier in Gefahr. Und du hast nichts Besseres zu tun, als dich von ihnen einlullen zu lassen! Hast du nicht gehört, was sie in der Bibliothek gesagt haben: Nurgle ist freigiebig mit seinen 'Geschenken'. Das Interesse, was du ihnen entgegengebracht hast, könnte schon ausreichen, daß du eines Morgens mit irgendetwas aufwachst, das du nicht haben willst, aber nie wieder loswirst. Sieh sie dir doch an! All diese Entstellungen und Anzeichen von entsetzlichen Krankheiten. Sie tragen sie mit Stolz, weil sie sie für Segnungen halten! Willst du so enden?!"
    Kal Su hatte sich so in Fahrt geredet, daß sie nicht einmal mitbekommen hatte, wie ihre Augen wieder die Farbe gewechselt hatten. Sie nahm einen tiefen Atemzug und schloss die Augen und als sie Valentin wieder ansah, waren ihre Augen wieder grün wie immer.
    "Ich werde dich nicht fragen, ob du mich nach Ancarea begleitest. Aber wenn du dabist, wenn ich aufbreche, werde ich mich über deine Gesellschaft auf der Reise freuen."

    Kal Su unterdrückte ein Grinsen, das waren ja mal ganz neue Töne. Der sonst so friedfertige und ruhige Mönch hatte also auch eine trotzige Seite. Wie niedlich. Eben doch ein Welpe.
    "Ich weiß. Ich stand daneben, als er sich über die Lichtverhältnisse beschwert hat, schon vergessen?"
    Die Erinnerung an die Szene und Ruglans Fehlinterpretation von Bar'akans Aussage brachten ein Lächeln auf ihr Gesicht.
    "Nebenbei, welche 'absurden Gedankenspiele'? Ich bin mir keiner Schuld bewusst."
    Der gespielt unschuldige Tonfall würde Valentin nicht täuschen können, das wusste Kal Su. Doch vielleicht könnte sie den jungen Mönch damit ein wenig aus der Reserve locken? Sie war sich immer noch nicht sicher, was er von ihr dachte, und bevor sie ihn auf eine Reise mitnahm, die sie beide möglicherweise das Leben kosten konnte, wollte sie erst einmal wissen, woran sie bei ihm war. Zwar hielt sie ihn immer noch für unfähig, einen bösen Gedanken zu fassen, doch langsam wurde ihr bewusst, daß sich hinter der sanften Fassade noch vieles verbarg, was sie nicht kannte.

    Die Anspannung wich sichtbar aus Valentins Schultern, doch das bestätigte Kal Su nur erneut in ihrer Annahme, daß der junge Mönch ihr nicht vertraute, sogar Angst vor ihr hatte.
    Sie sah ihn an, erwiderte sein Lächeln, doch es erreichte nicht ihre Augen.
    "Nein, heute nicht."
    Erneut schien sie etwas in ihrem Schreibtisch zu suchen, doch war dies mehr ein Vorwand, um Valentin zum Gehen zu bewegen.
    "Ich habe hier noch eine Abschrift aus Vier Windes Bibliothek, die ich Bar'akan noch geben wollte; ein Zauber über den wir vor Kurzem sprachen."
    Sie machte eine kleine Pause, als sei sie unsicher, ob sie ihren nächsten Gedanken aussprechen sollte.
    "Außerdem muss ich noch ein paar Vorbereitungen treffen, ich will zum nächsten Neumond noch einmal nach Ancarea reisen. Ich hatte Euch eigentlich fragen wollen, ob Ihr mich dorthin begleiten würdet, aber da es so schmerzhaft offensichtlich ist, daß Ihr mir nicht vertraut, ist das wohl keine gute Idee, der Aufenthalt dort ist annähernd so gefährlich wie unser Feldzug gegen Doerchgard."
    Sie drehte sich wieder zu ihm um, eine versiegelte Pergamentrolle in der Hand. Würde er merken, wie sehr der Beweis seines Misstrauens sie verletzt hatte, während er den Anhängern des Verpesters so aufgeschlossen und vertrauensselig naiv gegenübertrat?

    Daß Valentin nervös war wie ein Huhn im Fuchsbau war für Kal Su nichts Neues, doch diese Art von Panik war ihr neu. Sie brauchte jedoch nicht lange, um zu realisieren, was Valentin offenbar erwartete. Für einen kurzen Augenblick wechselte ihr Gesichtsausdruck von Zorn zu tiefer Enttäuschung, dann kniff sie die Lippen zusammen und ihre Augen wurden ausdruckslos.
    Valentin den Rücken zuwendend, öffnete sie die Schublade ihres Schreibtisches und nahm ein in Öltuch gewickeltes Päckchen heraus, das sie Valentin hinhielt.
    "Hier, das hat mein alter Meister Vier Winde mir von einer befreundeten Alchemistin geschickt. Es wird Euch helfen, tief genug zu schlafen, daß niemand Euch von der Traumebene aus Schaden zufügen kann. Drinnen liegt eine Beschreibung, wie die Mischung angewendet wird."
    Sie drückte Valentin das leichte Päckchen in die Hand, dann entriegelte und öffnete sie ihre Zimmertür.
    "Es gibt gleich Essen, Ihr solltet zusehen, daß Ihr etwas zu Euch nehmt.", sagte sie, Valentins Blick ausweichend.
    Ein Rauswurf im eigentlichen Sinne war das zwar nicht, aber eine Einladung zu bleiben sah sicherlich auch anders aus.

    Kal Su beließ es bei einem halb skeptischen Blick in Ruglans Richtung, dann verrließ sie die Bibliothek, Valentins unsichere Schritte hinter sich in den Ohren.
    Oben an der Treppe zu den Kammern der Schüler blieb sie stehen und wartete, bis Valentin zu ihr aufgeschlossen hatte. In ihren Augen lag ernsthafte Sorge.
    Als Valentin schließlich neben ihr stand, legte sie ihm eine Hand auf den Rücken und schob ihn sanft aber bestimmt in Richtung ihres Zimmers.
    Dort angekommen schloss sie die Tür hinter sich und legte den Riegel vor.
    Mit der freien Hand deutete sie auf ihr Bett.
    "Setz dich."

    Kal Su wich etwas hektisch einen Schritt zurück, um nicht von irgendwelchen Körperflüssigkeiten getroffen zu werden.
    "Ganz bestimmt nicht. Ich war auf der Suche nach Valentin. Aber da Ihr euch ja übermäßig häufig in seiner Nähe aufzuhalten scheint, werden solche Begegnungen zu meinem Bedauern für's Erste wohl nicht ausbleiben. Also gewöhnt Euch daran, daß ich jederzeit hinter Euch stehen und Euch beobachten könnte."
    Mit einem kalten Lächeln zeigte sie ihm die Zähne. Dann wandte sie sich zu Valentin, mit ein paar schnellen Schritten das Pult zwischen sich und Viktor bringend und ihre Stimme war voll mütterlicher Wärme und Besorgnis.
    "Valentin? Können wir uns einmal für ein paar Augenblicke unterhalten? Ich habe etwas bei mir im Zimmer, was ich Euch noch geben wollte."
    Ihre Absicht, Valentin aus Viktors Nähe zu bringen war zwar zwar der eindeutige Hauptgrund für ihre Bitte, doch auch ihre Sorge um den Gesundheitszusstand des jungen Mannes beherrschte einen Großteil ihrer Gedanken.

    Der einzige Grund, warum Kal Su nicht vor Viktor in der Bibliothek eingetroffen war bestand darin, daß sie noch schnell in ihre Kammer zurückgegangen war, um ihre Aufzeichnungen der heutigen Unterrichtsstunden zurückzubringen.
    Kaum betrat sie den leicht schummrigen Raum, stach ihr sofort Viktors Gestalt ins Auge. Er stand leicht gebeugt über einem der Pulte, an dem eine zusammengesunkene Gestalt zu sitzen schien. Valentin?
    Ihre letzten Zweifel wurden ausgeräumt, als sie kaum später die Stimme des jungen Mönches hörte.
    Doch Viktors letzte Worte - und besonders der verzückte Tonfall, in dem er sie sprach - ließen Kal Sus Temperament wieder aufflammen.
    "Er hat mich gesegnet!"
    Kein Zweifel, was er damit meinte: die abstoßenden, feuchtglänzenden Dornen, die neuerdings aus seinem rechten Arm zu wachsen schienen.
    So leise wie nur möglich trat sie hinter ihn und grollte ihm dann von hinten ins Ohr "Ihr scheint es Euch zum Prinzip gemacht zu haben, mir mit jedem Eurer Worte, jeder Eurer Handlungen zu widersprechen.", wobei sie mühsam den überwältigenden Würgereiz im Zaum hielt.
    "Ich sagte, haltet Euch fern von Valentin, und ich meinte es auch so!"
    Kal Su hatte keine Ahnung, was der Anhänger des Chaos-Seuchengottes mit Valentin vorhatte, aber etwas Gutes konnte es nicht sein. Ihr erwachender Beschützerinstinkt drängte sie dazu, Viktor ein für alle Mal in seine Schranken zu weisen, doch da sie es sich immer noch zum Ziel gesetzt hatte, ihm das Geständnis für seinen abscheulichen Verrat zu entlocken, durfte sie ihn nicht soweit bringen, daß er nie wieder auch nur in ihre Nähe kam, auch wenn ihr das im Moment einwandfrei am Liebsten gewesen wäre.
    Wenn Nurgle hier Zugriff auf seine Anhänger hat und sie sogar 'segnen' kann, dann müsste es den anderen Chaosgöttern doch ebenso möglich sein, hier Einfluss zu nehmmen., dachte sie und vor ihrem inneren Auge nahm das heilige Symbol des Nova Gestalt an.

    "Erwünscht!? Macht Euch nicht lächerlich! Erwünscht vom Protektor von Klah Obscore vielleicht, aber sicherlich nicht von denen, die hier in Selfiran die Entscheidungsgewalt haben. Gwaew-gedo hat sich von Eurem Äußeren täuschen lassen und Euch nur aus Mitleid nicht davongejagt! Geht hin, fragt Gwaew-gedo, fragt Madame Lesson, fragt Mordenkainen, fragt Akluto, fragt Antcellon, ob sie froh über Eure Anwesenheit hier sind! Und dann hört nicht auf ihre Worte, sondern seht die Wahrheit in ihren Augen!"
    Kal Su musste sich gerade sehr zusammenreißen, um ihrem Gegenüber nicht eine Hand um die Kehle zu legen. Windig wie ein Aal wich er ihren Fragen aus und versuchte nur, sie durch Beleidigungen und Provokationen dazu zu bringen, die Beherrschung zu verlieren.
    Welchen Grund sollte er dazu haben, wenn er ja doch so stolz auf seinen Glauben war? Welchen Grund, außer sie von ihrer Suche nach dem Verräter abzulenken?
    "Ich habe Erfahrungen mit dem Chaos gemacht, mit den Anhängern jedes einzelnen Eurer Götter. Valentin hat das nicht, und ich sehe, daß das sein Verderben sein wird. Aber wenn ich merke, daß Ihr ihm in irgendeiner Weise schadet, dann glaubt mir, Ihr werdet hier keinen Augenblick mehr Ruhe finden! Wenn es sein muss, werde ich hier einen Tempel für Nova errichten und Euch hineinsperren! Und dann werdet Ihr nur noch schwach sein, abgerissen von der Verbindung zu Eurem Gott und hilflos!"
    Kal Su hatte sich in Zorn geredet und ohne ihren bewussten Willen hatten sich ihre Fingernägel zu Klauen gewandelt, die sich nun schmerzhaft in ihre Handflächen bohrten, so fest hatte sie die Fäuste geballt.
    "Geht mir aus den Augen und haltet Euch von Valentin fern!", knurrte sie Viktor noch drohend an, dann wandte sie sich um und ging eben jenen jungen Mönch suchen.
    Zwar hatte Viktor nicht direkt zugegeben, in den Verrat verwickelt zu sein, dennoch hatte dieser Zusammenstoß Kal Sus Verdacht nur weiter erhärtet, daß er der Schuldige sein musste. Es passte ja alles zusammen: die Ölige Pestilenz war zwar nicht genau das Gleiche wie die Seuchen des Chaos, doch der Unterschied war gering genug, dass ein ehemaliger Anhänger des Ungeteilten Chaos ihr Avatar werden konnte; die Nurgle-Anhänger folgten dem Protektor von Klah Obscore, dessen vorheriger Lehensherr Lord Elkantar gewesen war; der Chaoswandler, der im vergangenen Winter eine Spur aus Blut und Tod durch die Akademie gezogen hatte, hatte genau dieses Wappen bei sich getragen, als er versucht hatte, Gwaew-gedo zu diskreditieren und die Heiler waren nun mal der ärgste Feind der Pestilenz und als Siedler im Norden dem Verräterlord sicherlich ein massiver Dorn im Auge.
    Kal Su war sich nicht sicher, ob Viktor eher auf eigene Faust gehandelt haben könnte, oder ob nicht doch der widerliche Protektor von Klah Obscore dahintersteckte.
    Kal Su wusste, ihr Temperament stand ihr im Moment mehr im Wege, wenn sie den Verräter wirklich enttarnen wollte. Kurz bedachte sie die Möglichkeit, die Wahrheit von dem ja sicherlich nicht nur in der Kunst der Heilung bewanderten Barakan ans Licht bringen zu lassen, doch sie verwarf die Idee wieder. Aussagen unter Folter waren zu unzuverlässig.

    Kal Su lachte einmal, bellend und ohne jeden Humor.
    "Alleine? Glaubt Ihr das wirklich? Macht nicht den Fehler, von einem naiven, viel zu behütet aufgewachsenen Welpen wie Valentin auf uns alle zu schließen. Ihr seid hier nicht willkommen und nur der Höflichkeit und dem Respekt vor unserem Protektor habt Ihr es zu verdanken, dass nicht noch mehrere aussprechen, was sie wirklich über Eure Anwesenheit hier denken."
    Kal Su fixierte Viktor mit noch immer gelb glühenden Augen.
    "Und ein zweites Mal seid Ihr meiner Frage ausgewichen. Langsam beginne ich zu glauben, Ihr könntet diese Frage nicht wahrheitsgemäß beantworten, ohne Euch selbst oder Euren Protektor in Schwierigkeiten zu bringen."
    Sie hustete und kämpfte den Würgereiz nieder, den die Nähe des Nurgle-Anhängers unweigerlich mit sich brachte.
    "Und was den Chaos-Champion angeht, Ihr beantwortet meine Fragen, ich beantworte Eure."

    "Daß ich Eure Entstellungen als 'Geschenk' bezeichnete, liegt daran, daß ich nach den sieben Jahren, die ich im Haushalt eines Chaos-Champions lebte, weiß, daß die Anhänger Nurgles jedes dieser Zeichen als ein Geschenk betrachten. Ich wollte damit sicherlich nicht andeuten, daß ich diese Auffassung teile oder gar selbst an ihnen interessiert sei."
    Ihr Gesicht hatte einen Ausdruck von absolutem Abscheu angenommen und als er mit dem Arm in ihre Richtung wedelte machte sie einen hastigen Schritt zurück.
    "Bleibt mir mit diesem ... Ding vom Leib!"
    Nachdem sie ihr Gleichgewicht nach einer Fast-Bruchlandung in einem Lorbeerbusch wiedergefunden hatte, ergänzte sie
    "Und was mein Interesse angeht, erstens habt Ihr meine Frage nicht beantwortet und zweitens will ich wissen, wo Ihr steht, wie ich Euch einschätzen soll, als Bedrohung für mein Leben oder nur für meine Nase."

    "Euer Glaube ist in der Tat ein Aspekt dessen, was ich wissen möchte. Aber wie gesagt nur einer."
    Sie machte ein paar Schritte, um den Wind in den Rücken zu bekommen, dann fuhr sie fort.
    "Stammt Ihr aus Klah Obscore? Meines Wissens gehörte das Protektorat doch Lord Elkantar, als er noch der Archon des Nördlichen Siegels war, oder? Es würde mich interessieren, was Euch - und die anderen Anhänger des Verpesters - dazu bewogen hat, ihm nicht zu folgen. Für Außenstehende sind die Grenzen zwischen den sogenannten Geschenken Eures Gottes und der Pestilenz doch eher ... sagen wir, fließend."
    Sie sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an, nicht mehr allzu aggressiv, aber immer noch misstrauisch.

    Kal Su blieb der Atem in der Kehle stecken, als eben jener, den sie des Verrats an den Heilern verdächtigte, ihr direkt vor die Nase spazierte, mit einem Blick als könne er kein Wässerchen trüben.
    Sie vertrat ihm den Weg und fragte in einem unschuldigen Plauderton, der von ihren bernsteinfarben glühenden Augen und den kehligen Knurren, zu dem ihre Stimme geworden war, völlig ruiniert wurde
    "Na, immer noch nicht aus Versehen mal über einen Zuber gestolpert?"
    Sie grinste böse und ließ ihn dabei die verlängerten Reißzähne in ihrem Mund sehen.
    "Wir sollten uns einmal unterhalten."

    Seit dem Fall der Festung Doerchgard waren nun bereits ein paar Wochen vergangen und das Leben in Selfiran ging wieder seinen gewohnten Gang.


    Kal Su hatte sich schnell von der Operation erholt, bei der Akluto und Barakan ihr Knochensplitter, Stofffetzen und andere ... Dinge aus der entzündeten Wunde an ihrer Hüfte geholt hatten und sie verbrachte nun die meiste Zeit damit, außerhalb der Unterrichtszeiten ruhelos durch den Kräutergarten zu laufen, bemüht den Nurgle-Anhängern aus dem Weg zu gehen, um keinen Zwischenfall zu provozieren.
    Doch sie war so ruhelos wie schon seit dem Mordversuch im vergangenen Winter nicht mehr. Einerseits war es die Anwesenheit jener von Krankheit und Siechtum gezeichneten Gestalten, die sich seit einiger Zeit unter die Schüler Selfirans gemischt hatten; jene, die sich nur zu gerne als harmlos und missverstanden darstellten, und zum anderen ließ ihr das widerliche Gerücht keine Ruhe, sämtliche Erkenntnisse über die Ölige Pestilenz seien von einem Träger des Blutstropfens an den Verräterlord verraten worden.
    Es konnte, es durfte nicht wahr sein! Keinem der Heiler, den sie kannte, hätte Kal Su einen solchen unfassbaren Verrat zugetraut. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie etwas, das sie als ihr Rudel betrachtete, eine Gemeinschaft, die sie ohne zu zögern bis zum letzten Atemzug verteidigen würde. Weil sie diesen Personen vertraute. Keiner von ihnen wäre zu einer solchen Tat fähig.


    Gwaew-gedo? Ausgeschlossen, auch wenn sie durchaus zu glauben vermochte, dass der Elf ab und zu einmal wegsah, wenn Dinge geschahen, die er in seiner Position als Protektor eigentlich verhindern oder ruchbar machen müsste, die aber insgeheim sehr wohl in seinem Interesse lagen. Dieser Anführer war von einer solchen reinen Güte, die zu solcher Niedertracht unfähig war, daran bestand kein Zweifel.


    Renée Lesson? Ebenso abwegig. Die resolute Rektorin der Akademie war außerdem nicht mitgereist, wichtige Geschäfte hatten dies verhindert.


    Akluto? Kal Su hätte fast gelacht. Zwar lag es in der Natur des gutmütigen Priesters, Wissen zu teilen, doch nur mit denen, die es verdienten, nicht mit Überläufern, mit dem Feind. Und außerdem, wenn Akluto laut wurde, so war sich Kal Su sicher, würde auch ein Elkantar in Deckung gehen.


    Mordenkainen? Nein. Zwar kannte sie den Druiden bei weitem nicht so gut wie ihre anderen Dozenten, doch wenn er sich eine solche Ungeheuerlichkeit hätte zuschulden kommen lassen, so hätten ihn die Elemente, deren Priester er war, doch sicher schon zerschmettert. Außerdem war der große Elf ähnlich wie Gwaew-gedo von einer so abgeklärten Weisheit, daß ein solcher Gedanke einfach zu absurd war, um ihn weiter zu verfolgen.


    Mutter Corrientes? Nie im Leben. Erstens war sie in Selfiran geblieben, also nachweislich viele Tagesreisen von Doerchgard und damit von dem Verräter entfernt, außerdem bedeuteten mehr Kranke mehr Arbeit für sie und dementsprechend weniger Schlaf. Welchen Sinn würde das machen? Nein, auch die gemütliche Südländerin war über jeden Zweifel erhaben.


    Nirr? Kal Su musste zugeben, sie konnte den leicht exzentrischen Alchemisten nicht wirklich einschätzen, doch schien er von eher sonnigem, simplem Gemüt zu sein und nicht besessen von Falschheit, wie es der Verräter an der Sache der Heiler sein musste.


    Wana? Auch sie wäre sicher nicht zu so etwas fähig, zu ernsthaft waren ihre Bemühungen um die Kranken gewesen, zu sehr hatte sie sich um das Zusammentragen des verstreuten Wissens gekümmert, als daß sie zugelassen hätte, daß all diese Mühen umsonst gewesen sein sollten.


    Thea? Lachhaft. Auch sie war jedem Kranken, jedem Verwundeten wie eine liebevolle, besorgte Mutter gewesen. Stets so bemüht, jedes Leid zu lindern, immer bereit mit einem guten Wort den Patienten beizustehen. Niemand konnte ernsthaft glauben, dass Thea zu einer solchen Schandtat in der Lage sein sollte.


    Viola? Die Alchemistin, der Kal Su ihr Leben verdankte, nachdem sie im vergangenen Jahr durch das verseuchte Blut eines Sterbenden beinah selbst von der Pestilenz in die ewige Kälte des Todes gezerrt worden wäre? Diejenige, die immer ohne zu murren aufsprang, wenn nach einem Tee, einer Suppe oder der Zugsalbe gebrüllt wurde? Nein.


    Barakan? Sicher gab es Einige im Lazarett, die den einzigen Drow unter den Heilern verdächtigen würden, doch Kal Su war der absolut unumstößlichen Überzeugung, daß der hochgewachsene Faern eine solche Falschheit nicht besaß. Höchstens auf den expliziten Befehl der Nyame hätte er so etwas vielleicht getan, doch welchen Grund sollte Ihre Exzellenz gehabt haben, diese wertvollen Informationen ihrem Feind in den Rachen zu werfen? Zwischen der Nyame und dem ehemaligen Archon war sicherlich keine Verbundenheit mehr.
    Kal Su kannte Barakan nun schon seit ziemlich genau zwei Jahren und stets hatte er auf sie den Eindruck gemacht, daß er zwar manchmal nicht aus seiner Haut konnte, was gewisse kulturelle Eigenheiten seiner Rasse anging, jedoch ohne Zweifel das Herz auf dem rechten Fleck trug.


    Francis? Verspielt mochte der große Kater ja sein und mit einem recht fadenscheinigen Unrechtsbewusstsein ausgestattet, doch auch er hatte immer seinen Teil geleistet, wenn es darum ging, Leben zu retten. Außerdem kam er aus dem Haus der Nyame und hatte dort sicherlich genug mit Elkantar zu tun gehabt, um nun zu wissen, dass man dieser Person nun nichts mehr in die Hände spielen sollte, womit er in der Lage sein würde, noch mehr Unheil anzurichten, als er es mit seiner ominösen Apparatur ohnehin schon getan hatte.


    Blieben die Schüler.


    Valentin? Der schmächtige, stets unausgeschlafene junge Mönch, der noch immer bei jedem außergewöhnlichen Geräusch zusammenzuckte, als lauerte hinter jeder Ecke ein blutrünstiges Monster in der Verkleidung eines harmlosen Schülers? Der Knabe, dem kaum der erste Flaum am Kinn spross und der stets einen Kopf kleiner zu werden schien, wenn Kal Su ein wenig von ihrer nichtmenschlichen Seite hervorblitzen ließ? Ihm schienen lernen und beten wichtiger als alles andere zu sein, selbst wichtiger als zu essen. Er stellte sich selbst stets an letzte Stelle und bedurfte manches Mal einer gutgemeint strengen Zurechtweisung, um überhaupt auf sich selbst Acht zu geben. Nein, auch Valentin war über diesen Verdacht erhaben.


    Kilian? Der Bewahrer des Pestbuches. Welchen Sinn sollte es für ihn machen, die Früchte seiner so langen Arbeit dem Feind in den Rachen zu werfen? Welchen Grund sollte der stets so freundliche und aufgeschlossene junge Mann haben, den Heilern auf solch hinterhältige Weise ein Messer in den Rücken zu stoßen? Außerdem, auch er war nicht mit gegen Doerchgard gezogen und konnte es somit nicht gewesen sein.


    Also blieben nur die Neuankömmlinge. Die Chaosanhänger, deren Herr und Anführer Elkantar einst gewesen war. Und standen Nurgle und die Pestilenz, deren Avatar der Verräter nun geworden war, nicht für das Gleiche: Leid, Schmerz, Krankheit und Tod? Kal Su hatte nie verstanden, warum die Anhänger des Verpesters nicht ihrem alten Champion gefolgt waren, doch bis jetzt hatte es sie auch nie wirklich interessiert.


    Urquart? Möglich. Er war mehrfach im Lazarett gewesen und hatte dort Chaos gestiftet. Und war es nicht auch das Wappen seines Protektorates gewesen, was man im Winter bei dem toten Mörder, einem Chaoswandler, gefunden hatte?


    Oder jener 'Doktor' von Aspergen? Er war nicht übermäßig entstellt, welchen Grund sollte er also haben, sich hinter dieser lächerlichen Maske zu verstecken? Kal Su hatte ihn im Lazarett nicht bewusst wahrgenommen, doch das hieß ja nicht, dass er nicht dagewesen war. Und intelligent genug war er für so einen Coup sicherlich.


    Viktor Seel? Der Nurgle-Anhänger, bei dem die Verderbnis schon am Weitesten auf seinen Geist übergegriffen zu haben schien. Und hatte er nicht mitten im Lazarett gestanden und ihre gesammelten Aufzeichnungen kopiert, als hätte er keinerlei Hintergedanken dabei?


    Kal Su knurrte und ihre Augen begannen zu glühen wie brennender Bernstein. Er musste es gewesen sein. Nur wie sollte sie ihn zu einem Geständnis bringen?

    Kal Su hatte sich zwar zurückgezogen, weil der unglaubliche Gestank der Nurgle-Anhänger für ihre Nase einfach zu viel war, doch ihre Neugier erlaubte es ihr nicht, dem widerwärtigen Schauspiel ganz den Rücken zu kehren und so stand sie am Fenster ihres Zimmers und sah von dort aus zu der Menge herüber.
    Fast belustigte es sie ein wenig, den sonst so stoischen Protektor am Rande seiner Geduld zu sehen, so abgestoßen und doch noch um Diplomatie bemüht, doch bei näherer Betrachtung war es wohl besser, dass der Elb nicht die Beherrschung verlor. Wer wusste schon, wozu diese Kreaturen im Stande waren.
    Die Worte, die Mordenkainen an Gwaew-gedo gerichtet hatte, waren ihr unverständlich, die elbische Sprache entzog sich noch ihrer Kenntnis, doch der Ton seiner Stimme war eindeutig genug. Kal Su konnte seinen Zorn spüren wie drückende Gewitterluft und sie fragte sich, ob sie in ihrem derzeitigen, versehrten Zustand den Mut haben würde, sich an die Seite des großen Bärenwandlers zu stellen, sollte die Situation eskalieren.
    Doch dann sah sie, wie Valentin sich durch die zurückweichende Menschenflut drängte, nicht weg von dem ekelhaften Geschehen, sondern darauf zu.
    Der Wolfswandlerin entwich ein Laut, der halb Lachen, halb Knurren war.
    "Das ist ja mal wieder typisch.", grollte sie leise. "Bei meinem Anblick kippt er um, aber sowas macht ihm nichts aus... Naives kleines Menschlein."
    Doch als sie sah, dass einer der Verseuchten den jungen Mönch ansprach, war es mit ihrer Belustigung vorbei. Ohne auf den wütenden Protest ihrer kaputten Hüfte zu achten, eilte sie wieder nach draußen zum Mittelpunkt des abstoßenden Geschehens. Kaum hatte sie das Gebäude verlassen, schlug ihr der Gestank wieder wie eine Flutwelle entgegen und sie kämpfte mit ihrem Würgereiz, was ihren Missmut nur noch weiter anfachte.
    Sie machte sich nicht die Mühe zu verstecken, dass ihre Augen mittlerweile wieder ihre natürliche Bernsteinfarbe angenommen hatten und ihr nichtmenschliches Erbe verrieten. Sie trat hinter Valentin und legte ihm schwer eine Hand auf die Schulter. Mit einem kleinen Akt der Konzentration verhärtete sie ihre Nägel zu stumpfen Krallen, die sich nun durch den Stoff leicht in Valentins Schulter gruben. Der junge Mann zuckte zusammen und erstarrte.
    "Wir müssen reden.", knurrte Kal Su. Valentin war dies Timbre ihrer Stimme bekannt, also sollte er sich wohl nicht weigern.
    Menschlich war ihre Stimme nun nur noch in Ansätzen zu nennen, was meist einen ziemlich durchschlagenden Effekt auf Leute hatte, die dies zum ersten Mal erlebten. Sie zog Valentin zur Seite und sah dem Verrückten vor sich in die Augen.
    "Ich weiß nicht, was den Protektor dazu bewogen haben könnte, Euresgleichen hier zu dulden, aber lasst Euch eines gesagt sein: ich habe schon mit Wesen wie Euch zu tun gehabt und wenn Ihr glaubt, ihn für Eure Perversionen missbrauchen zu können, werdet Ihr mich kennenlernen!"
    Noch einmal ließ Kal Su ein tiefes Knurren aus ihrer Kehle aufsteigen und ließ den Nurgle-Anhänger vor sich ihre Reißzähne sehen, bevor sie sich umdrehte, Valentin am Handgelenk packte einige Schritte weit weg zog, bevor sie ihn wütend anfunkelte.
    "Seid Ihr wahnsinnig?!?"