Beiträge von Sylvana

    Sie zog ihn auf die Beine und warf an ihm vorbei einen Blick hinüber zum Zelteingang.


    "Vermutlich sollte ich schon längst auf dem Weg sein... Remi wartet sicherlich schon."

    Sie nickte leicht, dann erhob sie sich und reichte ihm die Hand.


    "Komm, steh auf... wer weiß schon was all der Brokat mit deiner Konstitution angestellt hat... nachher erkältet sich der Pfau noch." scherzte sie.

    Die Umarmung überraschte sie, doch sie ließ diese zu. Nach einigem Blinzeln erwiderte sie diese sogar und die Anspannung in ihren Muskeln ließ nach. Nach wenigen Augenblicken gestattete sie sich sogar ein Lächeln.


    "Wir haben es beide nicht anders gelernt... ich bin dir bloß ein paar Jahre auf diese verfluchten und gesegneten Kontinent voraus..."

    "Du bist mir sehr wichtig... ich möchte nicht noch einmal jemanden verlieren, weil ich seine Erwartungen nicht erfülle..."


    Gesichter blitzten vor ihrem inneren Auge auf... Jedes hinterließ einen Schmerz und Sehnsucht... Er konnte eine leichte Bewegung ihrer Hände in den seinen spüren.


    Er konnte es ihr ansehen... Sie hatte sich mit den Albernheiten am Abend zuvor vermutlich vor allem selbst zu schützen versucht.

    Aiden hatte es ihr erklärt. Es war nichts verwerfliches... sondern eher sehr schmeichelndes...


    "Du darfst..." antwortete sie sanft. "Allerdings solltest du zuvor noch etwas dazu wissen..."


    Nachdenklich spielte sie an dem Ring an ihrem Finger.


    "Ich werde dir nichts versprechen... das kann ich auch gar nicht. Es gibt einen Platz in meinem Herzen, der schon lange Zeit verschenkt ist und... Ich habe eine Tochter... und diese Tochter hat einen Vater. Auch wenn niemand weiß wo sich dieser aufhält oder ob er noch lebt, ist er ein Teil von mir."


    Sie seufzte, senkte den Blick und schien einen Moment mit sich zu kämpfen.


    "Das Geliebte Kind Terras und ich haben eine Bindung, die niemand versteht... aber Terra entrückt ihn mehr und mehr. So war es immer... wenn ich liebe, bin ich am Ende allein... wenn man mich liebt gab es immer Kummer... Mir macht das Angst. Auch wenn Liebe ein Aspekt des Feuers ist..."

    Sie wirkte ein wenig betreten.


    "Ja... schon... aber irgendwie würde ich dir gerne die Gelegenheit geben... das Ganze noch einmal so zu machen, wie du es dir vielleicht ausgemalt hast... "


    Kurz sah sie sich um und schmunzelte verhalten.


    "Und... naja... im Augenblick schaut und hört uns tatsächlich mal niemand zu... und es weiß auch keiner, dass ich hier bin... so gesehen, kann uns dieses Mal niemand unterbrechen... also... naja..."


    Er hatte sie vermutlich selten, wenn nicht gar noch nie, so verlegen gesehen. Vielleicht lag es auch daran, dass ihr offenes Haar sie soviel weicher wirken ließ...


    "Würdest... du vielleicht... deine Frage noch einmal stellen?"

    "Du bist noch weit entfernt von schmutzig... glaube mir." scherzte sie leicht.


    "Die Frage, was mit meiner Freundschaft zur Herrin geschehen ist... oder nachdem, was vor der Weltenschmiede passierte... oder auch... hinsichtlich unseres letzten Gespräches von gestern Abend."


    Sie strich sich vorsichtig, fast verlegen eine Haarsträhne aus der Stirn.


    "Was geschehen ist ist geschehen, eszählt der Blick nach vorn... aber ich möchte gerne den gestrigen Abendund die Missverständnisse ausräumen."

    Das erste Mal seit sie heute aufeinander getroffen waren, lächelte sie.


    "Geht es dir etwas besser?" fragte sie und legte dabei den Kopf leicht schief. Aufmerksam musterte sie ihn, wie er dasaß, für seine Verhältnisse deutlich derangiert.


    "Es hat so viele Gespräche gegeben, die man uns nicht hatte zuende führen lassen... und einige, die recht... schief gelaufen sind... Bevor ich gehe... würde ich gerne das ein oder andere nochmal versuchen."


    Sie hatte mit der Zeit gelernt, dass man Dinge nicht ungesagt lassen sollte. Besonders dann nicht, wenn bevorstehende Missionen besonders wagemutig, wenn nicht gar lebensmüde wirkten.

    Sie blickte auf seine Hand in der ihren, dann wieder zu ihm auf...


    "Versprich mir etwas..."


    Ihr Blick war nachdenklich, bevor sie fortfuhr.


    "Wenn du das Gefühl hast, dass diese Dunkelheit dich vereinnahmt... komm zu mir... oder zu deinen Freunden hier... Mach diese Kämpfe nicht mehr mit dir alleine aus."

    Sie setzte sich neben ihn auf ihre Knie und schlug den schwarzen Rock unter diese...


    "Du hast deine Maske so perfekt beherrscht, dass selbst er ihr Glauben geschenkt hat."


    Vorsichtig wischte sie ihm erneut mit der Hand Tränen von der Wange.


    "Ich kenne das... sehr gut sogar. Du kannst nicht ändern, was eure Gesellschaft aus zwei Brüdern gemacht hat... du kannst nicht ändern, was geschehen ist... Ihr hattet beide die Wahl und ihr habt beide eine getroffen..."


    Dann griff sie wieder nach seiner Hand.


    "An diesem Tag wäre einer von euch gefallen... Du... oder er... "

    "Er hat nicht verstanden, was es bedeutet Du zu sein..." fügte sie mit ruhiger Stimme hinzu.


    "Auch er konnte nicht hinter deine Maske blicken... hat nur das gesehen, was alle sehen sollten... Er wollte diese Maske haben. Diese Maske, die er nicht als Maske verstehen wollte. Er wollte so sein... wie Du..."

    "Was tut dir leid... ?" fragte sie ruhig und mitfühlend. Seine Hand hatte sie noch nicht los gelassen...


    Sie kannte das. Sie kannte diesen Moment, wenn das Herz unter all dem Schmerz brach, der Knoten platzte... die Dämme brachen...


    "Sprich aus, was dich verfolgt..."

    Sie schüttelte den Kopf...


    "Keine Maske mehr... nicht vor mir... " sie hob die Hand und strich ihm über die vernarbte Wange die Tränen fort.


    "Mach dem Schmerz Platz... Spreng diese Kette... und hör auf dich selbst zu geißeln..." ihre Stimme klang belegt. Ihre Augen waren sanft.

    Sylvana hatte schweigend abgewartet und die Welle an Emotionen ungefiltert empfangen. Sie musste nicht verstehen wie die Geschichte dahinter aussah... die Vergangenheit zählte nun nicht mehr... Er war jetzt hier, er litt und war am leben... dies galt zurechtzurücken, aufzufangen, zu halten.


    Sie musterte sein Haupt während er noch immer auf seine Schuhe starrte. Zitternd. Mit Tränen auf den Wangen.


    Als die Bilder langsam aus ihrem Geist entglitten flüsterte sie seinen Namen...


    "Martinius... sieh mich an..."

    Sie schüttelte den Kopf, ihre Stimme war leise und mitfühlend...


    "Nicht dafür... wenn du dir nicht gestattest dich fallen zu lassen... wirst du irgendwann stürzen..."


    Die Waffenmeisterin schluckte hart.


    "Ich habe schon zu viele verloren, die immer nur stark sein wollten... Verabschiede dich von deinem Bruder... frag dich, was du empfindest..."


    Die Welt um ihn herum verschwamm ein wenig, ihre Stimme klang beinahe weiter entfernt...


    "Sieh ihm in die Augen... frag ihn, was dir auf der Seele brennt... schrei ihn an... mach dir Luft..."

    Sie konnte die Dämme spüren die zu bersten drohten... hinter diesen müden Augen verbarg sich so viel Schmerz, dass ihr die Brust eng wurde. Und so folgte sie ihrem Gefühl und schloss ihn in die Arme. Hielt ihn fest...


    Es gab in diesem Moment keine Worte, die sie ihm hätte sagen können. Sie kannte den Schmerz, jemandem das Leben nehmen zu müssen, der im Grunde ein Teil von einem selbst war.

    "Du kennst seine Beweggründe also nicht..." stellte sie nachsichtig fest.


    Sie hatte schon viele Kämpfe dieser Art gesehen und erlebt... und hatte hart lernen müssen, dass Wahrheit immer subjektiv war. Sie hatte seinen Bruder nicht gekannt, aber es hatte sicherlich Gründe gegeben die ihn dazu gebracht hatten, sich auch gegen seine Familie zu erheben.


    Für einen Moment war sie selbst in einer Erinnerung gefangen und schlug die Augen nieder. Dann aber drückte sie seine Hand und brachte ihn dazu sie anzusehen.


    "Jeder lebt seine eigene Wahrheit, Martinius. Ich habe ihn weder gekannt, noch verstehe ich alles, was bei euch zu Hause dazu geführt haben mag, dass zwei Brüder sich im Kampf gegenüber stehen. Was ich weiß ist, dass man mit sich selbst ins Reine kommen muss... und... das es sicherlich einen Grund dafür gibt, dass es dich hier her zurück gezogen hat, statt in der Heimat zu verweilen."


    Dann nahm sie auch seine andere Hand.


    "ich kann dir diesen Schmerz nicht nehmen... den Schmerz, dass deine dir vertraute Welt dir deinen Bruder genommen hat."