Beiträge von Fräulein Salbei

    Ihr meint also die gesamte Bandbreite? Von wohltuender Körperpflege bis Heilbehandlung?“, stellte die Kräuterfrau fest. „Nun, an mir soll es nicht liegen. Ich frage nur deshalb nach den Krankheitsbildern, weil ich bisher immer so gearbeitet habe. Im Kloster kamen die Brüder und Schwestern und zu mir, weil sie konkrete Leiden hatten und sie behandelt haben wollten. Ich habe mir dazu dann passende Heilmittel ausgedacht, wenn es keinen Standard gab. Und natürlich hatten wir Bücher dazu, aber wir sind nicht so weit gegangen, dass wir ein System entwickelt hätten. Ich weiß auch gar nicht, ob ich schon so viel von den Elementen verstehe, dass ich das könnte. Und von den Verfehmten Elementen reden wir besser gar nicht.

    Die junge Frau sah in der Tat etwas mitleidig drein, so als müsse Naira doch nun verstehen, dass ihr Ansinnen völlig unmöglich war. Mit ihren weiten Augen, den hochgezogenen Schmolllippen und dem gekräuselten Kinn sah sie aus wie ein Dackel, den man kaum dafür schelten konnte, dass er eine Wurst gestohlen hatte.


    Nach ein paar Augenblicken löste sie den Blick und lachte Naira schelmisch an. „Ja klar machen wir das. Und Ihr werdet mir so einiges beibringen müssen, das habt Ihr jetzt davon. Kommt!“, rief sie, tänzelte um die Lethi herum, hakte sie unter und zog sie mit in den Garten. „Erklärt mir Euren Garten! Bald jedes vierte Kraut, das hier wächst, kenne ich überhaupt nicht.

    Das ist eine interessante Idee, Naira“, stellte die Kräuterfrau fest. „Ich habe mir wirklich noch keine Gedanken darüber gemacht, welche Heilbehandlungen und Heilmittel zu welchen Elementen gehören. Aber es wäre tatsächlich sehr interessant, ein solches System zu entwickeln.“ Das Fräulein Salbei hatte die Stirn gerunzelt und blickte irgendwie abwesend gen Himmel, so als würde vor ihrem inneren Auge gerade ein solches System entstehen. „Allerdings“, fuhr sie fort, „nutzt das alles nichts, wenn man keinen Katalog von Krankheitsbildern hat, denen man die passenden Heilbehandlungen und Zutaten gegenüberstellen kann. Und wenn ich ehrlich bin, wüsste ich auch gar nicht, welche elementspezifischen Krankheiten es hier zu behandeln gäbe. Ich meine... haben die Naldar Höhenangst? oder die Narech Platzangst? Vielleicht kann man Pestilenzbefall mit aquaspezifischen Mitteln heilen? Kann man einen vom schwarzen Eis assimilierten mittels Ignis Medikamenten zurück holen?“ Sie sah Naira etwas skeptisch an. „Ich meine, bevor wir uns die enorme Arbeit einer solchen Katalogisierung machen, — und ich finde die Idee wirklich großartig, — sollten wir nicht erst einmal Krankheitsbilder kategorisieren? Oder dachtet Ihr eher daran, elementgefällige Badebehandlungen anzubieten?

    "Oh, durchaus nicht. Er sagte mir, er müsse zum Ostreich und würde über Land reisen. Da liegt Kjona direkt auf dem Weg. Also bot ich ihm an, uns zu besuchen.", erklärte der Pater, "und ich empfand ihn als sehr freundlich."

    "Wenn sich Kreaf vergiftet hat, dann sollten wir uns vielleicht zunächst darum kümmern", unterbrach das Fräulein Salbei das Geplaudere. "Habt Ihr frische Malvenblätter? Daraus sollten wir einen Tee brühen und etwas abkühlen lassen, um den Magen nicht noch mehr zu reizen. Zur Entgiftung schlage ich Silber vor. Könntet Ihr eine Silbermünze auftreiben? Sie darf gerne dunkel angelaufen sein. Außerdem brauchen wir den Saft zweier Zitronen und siedend heißes Wasser. Ich hole meine Gerätschaften aus der Hütte. Ach, und Pater, gegen die Krämpfe die üblichen Zutaten: trockenes Brot, Salz, geriebene Äpfel. Außerdem Kerne von Sesam und Mandeln, wenn vorhanden." Die Kräuterfrau drehte sich auf dem Absatz um und machte sich zur Hütte auf. Der Pater und Naira begaben sich zu dem Kranken und bereiteten den Tee. Wenig später kam die junge Frau mit ihrem Alchemistenköfferchen und begann, eine kleine Apparatur aufzubauen. In eine Feuerschale legte sie heiße Kohlen und stellte eine Schale mit dem Zitronensaft darauf. Dort gab sie die vorher sorgsam gereinigt Silbermünze, die in der Tat dunkel angelaufen war. Nach einer Weile, als der Zitronensaft fast vollständig verkocht war, entnahm sie die Münze. Sie war inzwischen strahlend hell. Den restlichen Sud goss sie in den Malventee. "So", sagte sie, "das können wir ihm jetzt verabreichen."

    Der Pater hatte inzwischen das trockene Brot mit etwas Flüssigkeit eingeweicht, gesalzen und geriebene Äpfel und Mandeln dazu gegeben. Das ganze gab er in eine Schale und gab es Naira. "Wenn er den Tee getrunken hat, sollte er dies hier essen." "Und danach sollte er viel trinken.", ergänzte die Kräuterfrau.


    "Bei den Fünfen, Naira!", keuchte der Pater, "zwischen welchen zwei Grashalmen hattet Ihr Euch versteckt? Jetzt bin ich wieder um zwei Jahre gealtert!"

    Das Fräulein Salbei war zwar auch überrascht von Nairas unverhofftem Auftauchen, aber nur, um den Pater zu necken, sagte sie betont gelassen: "Was schreckt Euch derart daran, dass ein Mensch baden möchte, Pater? Soweit ich mich erinnere, seid Ihr selbst dem Zubern nicht abgeneigt. Im Kloster hatten wir einen großen Badezuber, der zumal in der Zeit des Winterschnupfens gerne genutzt wurde. Wir gaben dann gerne Essenzen von Eukalyptus, Tannennadeln und Minze dazu. Wenn Ihr mich so fragt, dann denke ich, ich werde weiterhin Tränke brauen, aber mich vielleicht auf Heiltränke spezialisieren. Ich weiß nicht, ob ich zur Ärztin tauge, aber ich werde es einmal versuchen. Immerhin neigt unser Pater dazu, sich gelegentlich selbst in Schwierigkeiten zu bringen. Aber sagt", fragte sie noch, "wer ist denn Tarabas?"

    Das kleine Kaninchen hatte die Hand der Kräuterfrau unterdessen ausführlich beschnuppert und offenbar für ungefährlich befunden. Jedenfalls stubste es jetzt mit seinem kleinen Köpfchen gegen ihre Hand, so als wolle es freundlich Guten Tag sagen. Danach hoppelte es einmal um das Fräulein Salbei herum, um dann wieder aufgeregt vor ihm hin und her zu hüpfen. Es entfernte sich dann ein paar Schritte in Richtung Wald und wiederholte sein Hüpfen. „Du bist mir ja einer“, lachte das Fräulein Salbei, „man möchte meinen, ich solle dir folgen. Soll ich mit dir mitkommen, ja?“ Vorsichtig folgte sie dem Hoppler zwischen den Bäumen hindurch. Dieser hüpfte weiter vor ihr her und blieb immer wieder stehen, wenn der Abstand zu seiner Verfolgering zu groß zu werden drohte. Nach einer Weile bogen sie um einen größeren Baum, und hier verstand die Kräuterfrau die Aufregung des kleinen Tierchens. Ein weiteres Kaninchen hing in einer Schlinge fest. Halb saß es am Waldboden, halb hing es mit einem Hinterlauf in der Schlinge. Offenbar hatte es vor Angst oder aus Erschöpfung aufgehört, sich gegen die Schlinge zu wehren, was ihm schlimmere Verletzungen erspart hatte. Der kleine Hoppler, der sie hergeführt hatte, saß nun piepsend neben seinem Artgenossen und schaute sie mit großen Augen an. „Du bist aber ein mutiger Hoppler, dass Du zu mir kommst, um deinen Kumpanan zu befreien. Ich könnte euch auch beide mitnehmen und heute Abend in einen großen Topf werfen. Aber du weißt, dass ich keine Tiere esse, nicht wahr? Schließlich will ich auch nicht von euch gegessen werden.“ sie strich dem Kaninchen über seinen kleinen Kopf. „Und du? Mein unvorsichtiger Freund, da bist du ja in etwas Schönes hinein geraten. Wenn Du still hältst, dann hole ich dich hier heraus.“ Vorsichtig hob sie das erschöpfte Kaninchen hoch und befreite es aus der Schlinge. Das Fell war nicht blutig, und auch sonst schien der Hinterlauf kaum Schaden genommen zu haben. „Dann sei in Zukunft vorsichtiger, nicht wahr?“, flüsterte sie in eines der Fellohren und setzte das Tier auf dem Waldboden ab. Die beiden Kaninchen begrüßten sich freudig und hoppelten dann eilig in das schütemde Unterholz. Eines von ihnen drehte sich noch einmal zur Kräuterfrau um, hüpfte piepsend, und verschwand dann zwischen den Ästen.


    Das Fräulein Salbei lächelte, während sie den beiden nachsah. Dann nahm sie ihre Sichel und schnitt die Fangschlinge vom Ast.

    Na, mein kleiner, Du bist aber aufgeregt“, flüsterte das Fräulein Salbei dem kleinen Kaninchen zu, das vor ihm auf und ab hüpfte. Sie wollte dem kleinen Pelztier nicht zusätzlich Angst machen, und deshalb hockte sie sich nieder und hielt dem kleinen Hoppler mit dem grauen Fell und dem weißen Puschel eine Hand hin, um sich von ihm ausgiebig beschnuppern zu lassen.


    Die Kräuterfrau hatte sich nach dem Frühstück mit Korb und Sichel bewaffnet und war, dem Waldrand in Richtung Norden folgend, durch das Gras gestreift, um die hiesigen Pflanzen zu sichten. Vieles von dem, was sie aus ihrer Heimat kannte, und das zumindest winterhart oder mehrjährig war, erkannte sie wieder. Zumeist waren es Küchenkräuter, aber auch eineiges, das man in der Kräutermedizin benutzte, wuchs hier. Auch war sie froh, zumindest einige Birken zu sehen, aus deren Rinde sie Wundmedizin und Süßmittel herstellen konnte. Sie hielt es für barbarisch, den fleißigen Bienen ihren Honig zu rauben. Schließlich schufteten die kleinen Tierchen ein halbes Jahr lang, damit die Larven gedeihen und die Königin den Winter überstehen konnten. Es war nicht Recht in ihren Augen, ein ganzes Volk von Bienen zu gefährden, nur damit einem Menschen der Tee besser schmeckte.


    Bei ihrem Rundgang hatte die junge Frau allerdings auch noch andere Gewächse gefunden, die sie nicht kannte. Von denen nahm sie jeweils ein Exemplar mit, um später Naira nach ihnen zu befragen. Hier und da zupfte sie ein Blatt ab, zerrieb es zwischen den Fingern und roch daran. Die Pflanzen waren ähnlich denen, die von zu Hause kannte, aber oft auch in Farbe und Aroma unterschiedlich. Bemerkenswert fand sie eine Sorte Minze mit violetten Stängeln, kleinen, sehr dunklen Blättern und einem sehr intensiven Duft. Sie legte sich ein Blatt auf die Zunge und war überrascht über den frischen, beihnahe scharfen Geschmack des Öls, das sich aus dem Blattgrün löste. In Brittania hatte sie zusammen mit dem Klosteralchemisten an einem Rezept für eine Paste gearbeitet, mit der man den Mund und die Zähne reinigen können sollte. Leprakranke litten an Beschwerden der inneren Organe und atmeten widerlich stinkende Atemwolken aus. Und bald litten auch die Zähne unter der Krankheit, vor allem unter dem ständigen Erbrechen. Die Paste, die vor allem aus Kreide, feiner Asche und Minzöl bestand, sollte helfen, die Symptome zu lindern und die Zähne reinlich zu halten. Das Fräulein Salbei schnitt eine paar Stängel ab und nahm sich vor, das Projekt wieder aufleben zu lassen.

    Dem Fräulein Salbei blieb der Bissen im Munde stecken, als sie den Uruk an der Tür vorbei gehen sah. Sein Körper sah aus wie der eines Kämpfers, und Kämpfer waren muskulös und hatten verschiedene Narben. Aber dieser hier. Dieser war übersäht mit Mahlen, die nicht von Schwertern oder Äxten stammen konnten. Er sah aus, als sei er gefoltert worden. Was bei allen Göttern... was ist mit ihm passiert?!“ fragte sie entsetzt.

    Ich habe Schluckauf! Hier wird von mir gesprochen?“, platzte das Fräulein Salbei herein, das gerade mit Töpfen und Kessel bewaffnet die Treppe herunter stampfte. Im vorbeigehen drückte sie dem Pater ein bauchiges Stück Gusseisen in die Arme. „Hier, der Kessel! Vielleicht könnten die beiden starken Männer Wasser holen gehen?

    Der Pater sah sie belustigt an und entgegnete „Wir haben gerade festgestellt, dass wir alle sauber sind“, sagte er verschmitzt und stellte den Kessel ab. Zu Helrik gewandt erklärete er: „Ja, mein Mündel und ich pilgern gemeinsam über diesen Kontinent, der für uns recht neu und unbekannt ist. Bevor Ihr eintraft, erzählten wir Naira von unseren bisherigen Stationen. Wir trafen uns während der Expedition nach Burg Tannesang, wo sie uns anbot, sie hier zu besuchen.


    Und hier zu bleiben, wenn es uns gefiele“, ergänzte die Kräuterfrau, „und spätestens seit heute in der Frühe bin ich zu dem Schluss gekommen: Mir gefällt es hier sehr. Diese Landschaft, dieser Duft, ... wunderbar!

    Und diese himmlische Ruhe!“, beeilte sich der Pater beizusteuern.

    Ja, die Ruhe auch!“, die junge Frau lachte.

    „Und es sind wohl schon andere Neusiedler eingetroffen. Wie steht es denn mit Euch, Helrik? Werdet Ihr auch hierbleiben?

    Verzeiht, aber eigentlich weiß ich überhaupt nichts über Euch. In meiner Heimat gab es keine Elfen. Und wenn es sie doch gab, so habe ich nichts von ihnen erfahren. Wollt Ihr so freundlich sein, mir etwas von ihnen und von Euch zu erzählen?