Beiträge von Niklas

    Frederick war nicht der einzige dem die Ausdauer ausging. Die Option, ihn langsam zu ermüden und ihn dann mit einem kraftvollen oder schnellen Angriff niederzuringen, stand Nicklas nicht zur Verfügung.


    Als er über eine neue Strategie nachdachte, bekam er dann doch einen Schnitt auf den Handrücken seiner Waffenhand. Der Schmerz lockerte seinen Griff und beim Abwehren des nächsten Angriffs fiel ihm der Dolch aus der Hand.


    Mist!


    Damit verblieb ihm nur noch eine einzige Option.
    Nicklas machte einen Schritt nach vorn und streckte beide Hände aus um Fredericks Waffenhand zu greifen. Er bewegte sie mit dem Handrücken voran und würde sie nur im letzten Moment drehen um zuzugreifen.


    Eine letzte Verzweiflungstat im Angesicht der drohenden Niederlage.

    Die Gebote verbaten nicht das Schweigen, doch es schien als käme der junge Mann nicht weiter, ohne seine Schande offen zu legen. Er wurde bereits mit seinem ersten Ausrutscher konfrontiert.


    Er antwortete bestimmt, mit einem festen Ton.


    "Einer der nur nach den heiligen Gesetzen lebt und ein vorbildhaftes Leben führt anstatt sich ungezogen zu geben und seinen Eltern Schande zu machen."


    Er zweifelte immer an sich selbst, jedoch nie an seiner Jämmerlichkeit, weswegen ihm die Worte leicht über die Lippen kamen. Und genau deswegen fehlte es ihm an echtem Stolz oder Selbstvertrauen.
    Obwohl Nicklas wusste, dass er nicht jedem seine Lebensgeschichte verraten musste, endete es letztlich immer so, dass er es doch tat wenn er nur lange genug redete.


    Wollte er unterbewusst Mitleid erregen? Andere von sich distanzieren? Oder wollte er vielleicht nur verstanden werden? Er wusste es selbst nicht, hoffte aber dass nichts davon zutraf.

    Es war schonmal ein guter Anfang dass die Mutter ihn erkannt hatte.


    ...was allerdings bestimmt nicht mein Verdienst ist.
    "Lilienbach, werte Mutter."


    Als er nach kurzem Überlegen ahnte, warum sie die Frage gestellt haben könnte, fügte er hinzu.


    "Solltet ihr daraus auf... meine Einstellung zu den Traditionen und Geboten schließen wollen, wird es euch leider keine Hilfe sein.
    Ich bin, zu meiner Schande... kein Vorzeige-Lilienbacher."


    Er hätte beinahe mit 'stärke des Glaubens' angefangen, aber das konnte zu einfach missverstanden werden. Er musste wirklich aufpassen...

    Nicklas zuckte mit den Schultern


    "Na dann umso besser. Und gegen eine Begrüßung spricht wirklich nichts."


    und folgte seinem Ordensbruder.


    Es scheint ich hatte ihn falsch eingeschätzt. Aber das ist wohl auch gut so. Je weniger Leute ein Aufhebens um sie machen, umso unwahrscheinlicher ist es, dass es zu Unannehmlichkeiten kommt.


    Eigentlich wollte er Silas die Begrüßung überlassen, da dieser so motiviert war. Aber das würde keinen guten Eindruck machen wenn man ihre Positionen im Orden bedachte.
    Mit einem Seufzer verschnellerte er seine Schritte und übernahm die Führung.


    "Den Engeln zum Gruße, Mutter Sylvana. Ist Yunalesc noch so wie ihr es in Erinnerung hattet?"


    Nun war es an der Zeit für das was Nicklas nur selten gern tat und gar nicht mal so gut beherrschte. Ein Gespräch führen.

    Der junge Seraphim richtete sich wieder auf und verlagerte vorsichtig sein Gewicht auf das angeschlagene Bein. Es war noch alles in ordnung, vermutlich nur ein blauer Fleck. Dennoch hätte Frederick ihn zu Boden bringen können, hätte sich Nicklas nicht abgekniet.


    Was nun?


    Nicklas war nun wieder am Anfang und hatte wieder keine Strategie. Anstatt eine große Aktion zu starten hatte Frederick ihn mit einer einfachen Bewegung völlig in die Defensive gedrängt. Er würde sich wohl bis zum Ende keine Blöße geben.


    In der Hoffnung, auf dem Laufenden einen Plan zu entwickeln oder eine gute Gelegenheit zu finden, näherte sich der junge Seraphim wieder seinem Gegner und startete eine Reihe horizontaler Schnittangriffe.

    Nicklas größte höflich als Mutter Assiah und ihr Begleiter an ihnen vorbeigingen.
    Dann richtete er sein Augenmerk auf das was Silas ihm zeigen wollte. Er zeigte keinerlei Reaktion.


    "Ich sehe keinen Anlass zur Aufregung und das solltest du auch nicht, Bruder. Wenn du dich jetzt schon auf Ärger gefasst machst, lädst du den Konflikt nur ein wo keiner sein muss."


    Er wandte seinen Blick von Mutter Sylvana und ihrem Begleiter ab und richtete ihn auf Silas.


    "Oder hast du deine Pläne für heute nun geändert?"

    Auch das noch. Ich muss ein gewisses Maß an freundlichkeit zeigen, sonst leidet unsere Beziehung zum Tross unter meiner Unfähigkeit.


    Je früher er damit anfing, umso besser. Nicklas vertrieb jedes Zeichen des Missmutes aus seinem Gesicht.


    "Also bitte. Du dachtest doch nicht etwa, dass ich dir nun entgegne 'Oh, wenn es anstrengend ist, dann habe ich doch keine Lust darauf!', oder?"


    Er ging ruhigen Schrittes daher, mit einer entspannten Haltung. Es bereitete ihm allerdings Sorge, was seine Gestik über ihn verraten könnte sobald er aufhört, auf diese zu achten.

    Nicklas schaute nun auf. Er hatte zwar die passende Antwort parat, biss stattdessen aber die Zähne zusammen.


    Nein. Wenn ich es ausspreche, ist es vorbei.


    Stattdessen nickte er und sagte etwas anderes.


    "Wunderbar. Dann lasst uns gehen."
    Es ist alles gut solange ich es richtig machen kann. Wie ironisch, dass das Licht der Hoffnung heute ausgerechnet von jemandem wie ihn ausgeht...


    Er korrigierte seine Haltung und blickte bereits richtung Küche.

    Nicklas erkannte sein Gegenüber an der Stimme, blickte aber weiterhin auf den Boden.


    Das ist nicht gut. Ich halte es nicht mehr lange aus.

    "So grässlich wie schon lange nicht mehr.
    Sagt, Bruder, ihr habt nicht zufällig etwas bei dem ich euch behilflich sein kann?"


    Sein Ton war fast flehend. Es waren Augenblicke wie dieser in denen er sich selbst hasste.

    Und Nicklas' Laune verschlimmerte sich noch weiter. Er blieb stehen, da er sowieso kein klares Ziel im Kopf hatte.


    Jetzt remple ich auch noch Leute an...


    Er antwortete mit gesenktem Kopf.


    "Verzeiht. Ich werde besser aufpassen."


    Er biss die Zähne zusammen und wusste zunächst gar nicht, was er tun sollte.

    Die Aufgeheizte Stimmung um ihn herum wirkte sich auch auf Nicklas aus. Noch mehr als zuvor war der junge Seraphim von Unruhe getrieben.
    Ziellos irrte er zwischen Gestüt, Kapelle, Kaserne und Schmiede umher und versuchte, irgendwem irgendwie bei den Vorbereitungen zu helfen. Doch letztlich stand er eher im Weg als dass er wirklich behilflich sein konnte und zog nicht wenig Ärger auf sich.


    Es war beschämend, aber Nicklas war trotz seines Alters nicht in der Lage, ohne Anweisungen zu handeln. Er kam sich verloren vor und die Tatsache dass er dann bei allem scheiterte was er versuchte und mehr schadete als half machten die Sache nicht besser.


    Aber stehen bleiben und sich die Haare zu raufen konnte er auch nicht. Das machte ihn nur noch unruhiger. Ein Teufelskreis.


    "Das ist doch lächerlich! Irgendwo muss ich mich doch nützlich machen können. Ich muss einfach weitersuchen..."


    Er setzte sich wieder in Bewegung.

    Vater Murdo lachen zu sehen brachte ein lächeln auf Nicklas' sonst ausdrucksloses Gesicht.

    "Mit anderen Worten ist eine gewisse Gefahr nicht völlig auszuschließen.
    Allerdings wissen wir wie der schlimmste Fall eintreten kann und sind somit gut gewappnet."


    Ein wenig stolz fühlte er sich schon, da seine Befürchtung nicht vollkommen unbegründet waren, auch wenn es ihm nicht die erwartete Ruhe verschaffte.
    Doch nun, da die Sache vom Tisch war, hatte Nicklas keinen Grund mehr, noch mehr von der Zeit des Protektors in Anspruch zu nehmen.
    Er erhob sich.

    "Danke für dieses Gespräch, Vater Murdo.
    Ich wünsche euch noch eine erholsame Nacht."


    Nachdem er die Faust erneut über das Herz legte, verließ Nicklas das Büro und schloss die Tür hinter sich.

    Er war fast da. Es musste nur noch ein letzter Zweifel ausgeräumt werden ehe Nicklas das Thema wirklich hinter sich lassen konnte.


    "Gerade das zweite Kind bereitet mir Sorgen, eben weil es übertriebenen Annahmen anstellt und übertrieben handelt.
    Stellt euch vor, es verfällt in Panik und dessen Kräfte verletzen andere Kinder. Im schlimmsten Fall entbrennt dann ein emotional geladener Streit zwischen den Eltern, der weitaus mehr Schaden anrichtet als es das Kind jemals konnte."


    Er blickte Vater Murdo an, der Hoffnung dieser könnte seine Sorge zerstreuen.

    Nicklas verzerrte sein Gesicht in einer Grimasse. Doch viel größer als sein Schmerz war seine Überraschung. Mit einem mal zerbrachen alle seine Überlegungen zu seiner Vorgehensweise: Was er tun könnte und was er NICHT tun sollte.


    Dank seiner Stellung war es für Nicklas einfach, sein Gewicht rechtzeitig auf das unverletzte linke Bein zu verlagern und so einen Sturz zu verhindern. Allerdings verlor er durch diesen einen Tritt kurzzeitig seine sämtliche Manövrierfähigkeit. Er sah nur noch eine einzige Option.


    Das angeschlagene rechte Bein zog Nicklas nach hinten und kniete sich darauf ab. Es änderte nicht viel an seiner Lage, verschaffte ihm aber zumindest einen festen Stand und somit eine bessere Voraussetzung um sich zu verteidigen.


    Er wird vermutlich versuchen, die Sache mit Tritten statt mit dem Dolch zu beenden.


    Der junge Seraphim legte beide Hände an den Kopf, bereit jeden Tritt des Gegners mit dem Ellbogen abzuwehren und starrte Frederick herausfordernd an, mit einem Lächeln.


    Wenn ich mich nicht rechtzeitig erhole, ist dies eine Sackgasse.

    Der junge Seraphim ermahnte sich, nicht weiter auf den Kommentar des Protektors einzugehen. Er hatte in seinem Leben nur selten Lob erhalten und konnte daher nicht damit umgehen. Es stieg ihm viel zu schnell zu Kopf und er machte sich daraufhin nur lächerlich.


    Er hüstelte.


    "Ich habe diese nicht selbst als solche dargestellt, aber im Bericht wurden zwei Risikofaktoren beschrieben.
    Falls mir die Frage erlaubt ist... wie hoch schätzt ihr die Gefahr die von ihnen jeweils ausgeht?
    Beim ersten unterschied sich meine Einschätzung sehr von meinem Umfeld weswegen ich nicht umhin konnte, sie zu hinterfragen.
    Und beim zweiten... nun, ich bin leider kein guter Menschenkenner."


    Im Grunde fragte Nicklas nach der Meinung eines weiseren Mannes, weil er sich in seiner eigenen unsicher war.

    Nicklas erwiderte den Gruß mit der Faust über dem Herzen und folgte prompt den Anweisungen des Protektors.
    Schweigend reichte er diesem den Bericht. (pm verschickt)
    Dann trat er einen Schritt zurück und wartete.


    Wenn ich meinen Bericht weniger ausführlich gestaltet hätte, hätte ich ihn früher abgeben können.
    Vielleicht zu einem Zeitpunkt zu dem Vater Murdo noch nicht so müde war.

    Nicklas stand mit einer Pergamentrolle in der Hand vor dem Gebäude in dem sich das Büro des Protektors befand.


    Für Berichterstattung ist es wohl etwas zu spät. Gewiss schläft Vater Murdo bereits.


    Gerade als der junge Seraphim beschlossen hatte, seine Aufgabe am Morgen des nächsten Tages fortzuführen, kam ihm ein Ordensbruder entgegen.
    Dieser schien es eilig zu haben und ließ sich nicht durch Fragen aufhalten. Er erwiderte lediglich dass Nicklas ja den Protektor selbst fragen könnte wenn es ihm so wichtig war.


    Er ist also noch wach?


    Nach kurzem zögern begab sich Nicklas zum Büro des Protektors. Zu seiner Überraschung stand die Tür offen. Er klopfte dennoch an.


    "Vater Murdo? Ich überbringe euch den Bericht nach dem ihr verlangt habt."

    Was Nicklas am meisten überraschte, war, dass Frederick nicht versucht hatte, einen Gegenangriff zu führen oder überhaupt einen Treffer zu landen.


    Wenn ich mit Kraft vorgehe, nutzt er sie gegen mich. Wenn ich ihn zu einer Aktion verleite, tut er etwas völlig anderes.


    Dem jungen Seraphim gingen langsam die Ideen aus. Aufwendige Manöver wie das gerade eben standen nun auch außer Frage. Seit seiner Ankunft hatte sich Nicklas nicht einmal hingesetzt. Wenn er noch eine Stunde bleiben wollte, würde er sich seine Kraftreserven besser einteilen müssen.


    Und er hat sich immer noch keine einzige Blöße gegeben. Offene Provokation würde nicht helfen, aber vielleicht ergreift er ja freiwillig die Initiative wenn ich weniger aufdringlich bin.


    Damit hielt Nicklas seine Hände still und verharrte in der Kampfstellung ohne sich zu bewegen. Er stand in der rechten Auslage, Beine auf Schulterbreite, die Linke Hand zwischen Torso und Messer und blickte seinem Gegner direkt in die Augen.

    Je länger der Kampf dauerte, umso sicherer wurde Nicklas in einer bestimmten Hinsicht.


    Er ist zu gut...


    Frederick hat sich bisher von keiner von Nicklas' Finten täuschen lassen. Die stetige Bewegung seiner Arme ließ den alten mann kalt und alle Angriffe die aus dieser Bewegung heraus erfolgt waren schienen ihn nicht zu überraschen. Fredericks Haltung war lückenlos und er hatte sich bisher keine Blöße gegeben die Nicklas hätte ausnutzen können. Zudem schien er keine überflüssigen Bewegungen zu machen. Im Vergleich zu ihm verschwendete der junge Seraphim seine Ausdauer.


    Und obwohl ich glaube, meine Bewegungen seien schneller, reagiert er dennoch rechtzeitig, als hätte er alle Zeit der Welt dafür gehabt. Liegt es an der Erfahrung?


    Da beide Kontrahenten sich defensiv verhielten, würde der Kampf nicht über vorsichtiges Herantasten hinausgehen wenn keiner sein Verhalten änderte.


    Wenn ich gewinnen will, sollte ich warten bis er einen größeren Angriff beginnt und sich somit zuerst eine Blöße gibt. Aber Sieg ist nicht das größte meiner Ziele.
    Je länger es dauert, umso besser versteht er meine Kampfweise, aber an Kampferfahrung gewinnt dabei keiner von uns.


    Da er in Sachen Beinarbeit einen Vorteil hatte, beschloss Nicklas, dies auszunutzen. Er rannte nach rechts los und begann damit, Frederick schnell zu umrunden.
    Als er einen Halbkreis beschrieben hatte, änderte er wieder die Richtung, schritt auf seinen Gegner zu und attackierte dessen linken Oberarm mit einem Stich - keinem geraden, sondern in einer Bogenbewegung, von Rechts.
    Die linke warf er zeitversetzt nach vorne aus um Fredericks Waffenhand zu packen.

    Die Rennerei ist nicht umsonst. Ich zwinge ihn, seinen Winkel zu ändern und seine Haltung neu anpassen. Wenn ihm das nicht schnell genug gelingt, habe ich einen Vorteil.

    Also keine Finte sondern ein Gebrechen...


    Nicklas vollführte einen Wechselschritt und stieß sich vom - nun hinten stehenden - rechten Bein ab. Damit bewegte er sich diagonal nach vorne-links an Frederick's Messer vorbei. Seine Hand ging runter und schnellte wieder hoch um dem Gegner einen Schnitt auf die Unterseite der Waffenhand zu verpassen.


    Die linke Hand hielt er bereit für den Fall dass Frederick zur Seite angreift.


    Die freie Hand immer mit dem Handrücken zum Gegner. Dort sind die Schnitte weniger schlimm.