Posts by Vianne Repasser

    Vianne wollte Sylvana widersprechen. Man sah ihr deutlich an, dass sie mit Sylvana nicht einer Meinung war. Sie sollten so schnell wie möglich so viele Truppen mobilisieren wie möglich. Zum Teufel mit dem falschen Stolz, dass der Norden das alleine schaffen müsste. Alle Siegel gehörten zusammen und mussten sich trotz einiger Differenzen gemeinsam den Verfemten stellen. Wenn das Schwarze Eis beschloss anzugreifen würde Êrengard eines der ersten Ziele sein und Vianne hatte keine Lust zu sterben, nur weil sich nicht rechtzeitig um Hilfe gebeten hatten.


    Vianne atmete einmal tief durch und behielt ihre Gedanken für sich. Im Moment würde ein Widerspruch nicht weiterhelfen. Sylvana hatte ihren Standpunkt deutlich gemacht und es war wichtiger sich auf irgendetwas zu einigen als sich zu streiten.


    Zu Adam gewandt entgegnete Vianne:
    "Wir befinden uns seit Beginn der Monsterangriffe im Ausnahmezustand. Nahrungsmittel wären uns sehr willkommen und würden helfen diese Stadt als Basis weiter nutzen zu können.
    Im Moment haben wir hier zusätzlich zu den 42 Protektoratswachen 100 Mann Nordarmee die mit Sylvana gekommen sind und hier untergebracht sind. Dazu haben wir ca 450 Bewohner in dieser Stadt von denen einige während der Krise schon ein großes Engagement gezeigt haben mitzuhelfen, als Wachposten oder zum Errichten von Barrikaden."

    Vianne war sich noch nicht sicher, ob die Söldner eine gute Option darstellten.
    "Söldner kämpfen wie gesagt für denjenigen der gut zahlt. Ich weiß nicht ob wir es uns leisten können unsere begrenzten Mittel für eine Söldnerarmee auszugeben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht rechtzeitig eintreffen wird. Andererseits sollten wir nichts unversucht lassen, um das Schwarze Eis zu besiegen und wenn uns die Söldner dabei helfen können wäre das gut investiertes Geld."
    Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann fort.
    "Ein Vorschlag von mir wäre, nicht nur ein Schreiben an ihre Exzellenz in Paolos Trutz und an das Westliche Siegel zu senden, sondern zusätzlich an die Oberhäupter von allen Protektoraten des Nördlichen Siegels. So wissen die einzelnen Protektorate sehr viel schneller von unserer Notlage, als wenn die Nachricht von Paolos Trutz aus weiter verbreitet wird. Dann schicken einige von ihnen hoffentlich frühzeitig weitere Unterstützungen auf eigene Faust."

    Vianne sah von ihren Unterlagen auf, wo sie gerade eine Aufstellung der möglichen Verbündeten notiert hatte.


    "Wir müssen unsere Verbündeten nicht nur um Hilfe in Form von Soldaten und Truppen bitten. Wir haben für diesen Winter Vorräte für die 500 Bewohner Êrengards eingelagert. Momentan befinden sich mit den Truppen des Nordheers und den Soldaten aus Winterfeld mehr als 1,5 mal so viele Personen in der Stadt. Selbst mit strenger Rationierung können wir all die Personen nur mit Mühe ernähren. Vor allem, wenn wir wegen der Monsterangriffe nicht gefahrlos aus der Stadt gehen können um das Umland zu bewirtschaften. Und auch wenn wir Unterstützung durch Nahrungsmitteltransporte bekommen, müssen wir dafür sorgen, dass diese auch unbeschadet bei uns ankommen können. Da könnte die Pforte uns auch von große Nutzen sein."

    Vianne hatte dem Bericht bisher aufmerksam zugehört und dabei hin und wieder etwas in ihren Unterlagen notiert. Als die ganze Situation erläutert und auf der Karte verdeutlicht wurde, war ihr sehr mulmig zu mute. Eine Bedrohung dieses Ausmaßes könnte eine kleine und noch junge Stadt wie Êrengard leicht komplett vernichten. Doch sie würden alles tun um das Schwarze Eis aufzuhalten. Vianne beugte sich wieder über ihre Papiere und hörte weiter zu.

    "Ich bin zwar nicht sehr hungrig, aber ich leiste euch gerne Gesellschaft." entgegnete Vianne auf die Frage von Reana. Sie war froh, dass ihre Freunde wieder da waren und dachte sich, dass diese etwas gutes zu Essen und eine ungezwungene, ruhige Gesellschaft vertragen könnten, um auch im Kopf wieder aus der Spiegelwelt zurück zu kommen.

    Vianne grinste die Zurückgekehrten an. Sie freute sich, dass alle so gute Laune hatten.
    Äußerlich sahen ihre Freunde gesund aus, aber ihre Ausrüstung war zerbeult und zerissen.
    "Mir geht es sehr gut und hier in Êrengard geht alles gut voran." entgegnete Vianne.
    "Aber ihr seht aus als hättet ihr einiges erlebt und viel zu erzählen."

    Vianne las gerade ein Schriftstück, auf dem sie sich Notizen gemacht hatte welche Ausgaben auf Êrengard im kommenden Winter zukommen würden und brütete über der Frage, ob sie genug Brennholz und Nahrung für den Winter würden einlagern können, als sie draußen auf den Straßen einen kleinen Tumult bemerkte.
    Sie streckte den Kopf auf dem Fenster und ein vorbeilaufender Bürger rief ihr zu, dass "die Helden der Spiegelwelt" zurückgekehrt seien.
    Sofort warf sie die Papiere auf den Tisch und sprang auf um ihren Freundne entgegenzulaufen und sie zu begrüßen.
    Sie konnte sich nicht vorstellen was sie alles in Kelriothar durchgemacht hatten, aber die Hauptsache war, dass alle wohlbehalten wieder da waren.

    Vianne nahm das Formular vom Tisch und überflog es kurz. Als Zeichen ihres guten Willens gegenüber dem Kerkermeister trug sie schonmal das Datum in das dafür vorgesehene Feld ein. Dann reichte sie das Formular an Aaliyah und Reana weiter in der Hoffnung die beiden würden das Kleingedruckte lesen und könnten sie vor möglichen Fallstricken warnen. "Würdet ihr... ?"
    Die skeptischen Worte von Aaliyah und die ablehnende Haltung von Reana hatten sie wieder etwas vernünftiger werden lassen.
    Sie wandte sich wieder dem Kerkermeister zu und machte eine Handbewegung in Richtung der Zellen.
    "Geht voran, damit wir uns den Gefangenen anschauen können." befahl Viann unwirsch, aber bestimmt.
    Sie hatte nun langsam genu von dem Kerkermeister. Vielleicht würden sie ja von Jacques, so er es denn war, erfahren warum man ihn eingesperrt hatte.

    Da der Kerkermeister sich so wenig kooperativ zeigte versuchte Vianne eine andere Strategie.


    „Miss Vianne. Und Jacques ist mein Bruder.“ erklärte sie dem Kerkermeister mit einem Lächeln. „Es tut uns sehr Leid, dass wir zu so später Stunde hier noch auftauchen, wo Sie doch schon längst ihren Feierabend genießen sollten. Wir möchten Sie auch ungern länger als nötig stören, deswegen wäre es sehr entgegenkommend von Ihnen, Jacques unserer Obhut zu übergeben.
    Dann brauchen Sie sich nicht mehr um diese Probleme zu sorgen.“
    Vianne brachte diese Bitte in einem sehr liebenswürdigen Tonfall vor, aber ihre Freunde erkannten, dass sie hinter der Fassade immer ärgerlicher wurde.
    Der soll Jacques endlich rausrücken, damit wir hier verschwinden können dachte Vianne immernoch freundlich lächelnd.
    Selbst wenn es sich nicht um meinen Bruder handelt und wir einen einfachen Landstreicher hier rausholen kommen wir damit immernoch besser klar als mit diesem schrecklichen, sturen Kerkermeister.

    Vianne nickte bei Alexijs Worten bekräftigend und schaffte es, nicht angewidert die Nase zu rümpfen, als der Geruch des Kerkermeisters sie erreichte.
    "Wir würden gerne wissen, was meinem Bruder zur Last gelegt wird und dann würden wir gerne mit ihm sprechen und ihn gegebenenfalls mitnehmen." erläuterte Vianne.
    Sie blickte den Kerkermeister an und wartete ungeduldig auf eine Antwort. Sie wollte endlich Gewissheit haben, ob es wirklich ihr Bruder war, der ihr den Brief geschrieben hatte und der hier im Kerker saß.

    "Verzeiht. Ich ähm.. wünsche euch einen guten Abend." Die junge Frau war sichtlich nervös.
    "Ich bin Vianne Repasser. Ich denke, dass... Also ich glaube... " Sie holte noch einmal tief Luft und holte das Schreiben von Jacques hervor auf dessen Umschlag gut zu sehen das N.O.R.D. Siegel prankte.
    "Ich bin Jacques Schwester. Er hat mir diesen Brief zukommen lassen." brachte sie schließlich heraus.

    "Ähm..." Vianne wusste nicht so recht, wie sie anfangen sollte. Sie holte einmal tief Luft und sagte förmlich: "Uns wurde zugetragen, dass ein gewisser Jacques Repasser hier untergebracht sein soll. Wir müssen mit ihm reden."


    Unbehaglich trat sie von einem Fuß auf den anderen. Während sie auf die Antwort des Soldaten wartete gingen ihr viele Fragen durch den Kopf. Was, wenn es gar nicht ihr Bruder gewesen war, der ihr den Brief geschickt hatte? Würde sie ihn nach all den Jahren überhaupt wiedererkennen? Und wenn er es war, was hatte er angestellt um hier zu landen?

    Vianne blickte nacheinander in die Gesichter ihrer Freunde. "Vielen Dank für eure Unterstützung. Am besten ich bringe das heute noch hinter mich." sagte sie mit einem mulmigen Gefühl.


    Sie fuhren fort ihr Reisegepäck ins Haus zu tragen und zu verstauen. Als es abend wurde verabschiedeten sich Vianne und diejenigen, die sie begleiten wollten von Ffalmir und dem Rest der Hausbewohner und machten sich auf den Weg zum Gefängnis von Paolos Trutz.

    Vianne schaute den Ritter dankbar an. "Das wäre wirklich nett." entgegnete sie.
    "Ich würde nur ungern alleine dorthin gehen. Vielleicht ist es ja doch nicht mein Bruder...
    Oder er hat irgendetwas furchtbares angestellt...
    Wie hat er mich nur nach all den Jahren gefunden?"

    Auf Nachfrage von Alexij fasste Vianne sich wieder, hob den Brief auf und reichte ihn Alexij (siehe unten).
    "Mein Bruder ist aus meinem Elternhaus fort gegangen, lange bevor ich von dort weg musste. Das ist jetzt viele Jahre her. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört."





    Sey mir gegrüßt Vianne, liebste aller Schwester, Blut von meinem Blute.


    Ich hab deine Spur aufnehmen und diese bis hier her verfolgen können.
    Mögen die Götter gut über dich gewacht und dir ein angenehmes Leben beschert haben.
    Dein liebster Bruder bedarf deiner Hilfe.
    Die Schicksalsweberinnen meinten es ebenso wenig gut mit mir, wie das Glück und die Götter.
    Im Moment befinde ich mich in einer eher unglücklichen Lage und bedarf deines Zuspruches, um hier weg zu kommen. Man hält mich wie einen Straßengauner gefangen.


    Immerhin durfte ich nun Schreiben an dich verfassen und mir wurde zugesichert, dass es dich erreichen würde. Angeblich lebst du recht gut in dem Anwesen eines N.O.R.D.-Beamten.


    Ich freue mich aus tiefstem Herzen dich wieder zu sehen und vertraue auf deine Hilfe.


    Dein dich liebender und vermissender Bruder
    Jacques

    Vianne begrüßte den Neuankömmling freundlich, aber sie war in Gedanken bereits an bei den Reisevorbereitungen. „Wie viel Zeit bleibt uns bis wir aufbrechen?“ fragte sie an Alexij gewandt. Es interessierte sie zwar auch brennend was passiert war und was vor sich ging, aber sie hatte auch noch ein paar dringende Dinge zu erledigen und zu besorgen. Um über die ganzen Hintergründe zu diskutieren würden sie hoffentlich auf der Reise noch genug Zeit haben.

    Vianne hörte der Rede des Ritters aufmerksam zu. Als Alexij den Bürgerkrieg innerhalb der Gesellschaft der Naldar erwähnte und von einer Bedrohung für den ganzen Kontinent berichtete, bildete sich auf ihrer Stirn eine Sorgenfalte, aber als von dem Hilferuf an Walays und dem raschen Aufbruch der Truppen erzählte wurde ihr Blick entschlossen.
    "Ich werde an eurer Seite -an der Seite meiner Gefährten- in den Krieg ziehen." sagte sie mit fester Stimme, obwohl sie sich längst nicht so zuversichtlich fühlte wie sie klang. Der Gedanke daran gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen und nicht gegen die Soldaten des Schwarzen Eises machte ihr Angst. Aber für die Gefährten an ihrer Seite und in Gedenken an ihre gefallenen Freunde würde sie kämpfen...

    Vianne saß bereits in der Wohnstube mit der Katze auf dem Schoß und blätterte durch ein Buch mit Geschichten. Als Alexijs Schrei ertönte, fuhr sie zusammen, wobei die Katze mit einem Fauchen aufsprang und unter dem Sofa verschwand. Sofort waren Schritte im Flur zu hören und der Raum füllte sich mit den Hausbewohnern. Schnell richtete Vianne zusammen mit Amelie die Wohnstube her, stellte Stühle zusammen und füllte Wasser in die Becher. Gespannt schaute sie Alexij an. Eine so dringende Besprechung konnte nichts gutes verheißen....