Beiträge von Galwine

    "Diese Frage kann ich natürlich nur mit einem Ja beantworten, schließlich führten mich ähnliche Gründe vor nicht allzu langer Zeit hierher und bisher bin ich nich vom Gegenteil überzeugt worden. Exilia wächst -von dem heutigen tragischen Ereignis abgesehen- und doch haben wir noch viel Platz innerhalb der Mauern. Gerade jetzt dürften wieder einige Häuser leer stehen. Doch ob das Leben in Exilia nach Eurem..." und hier bezog er auch Svala mit einem Blick wieder in das Gespräch ein, "Geschmack sein könnte, kann ich nicht sagen. Die Gemeinschaft der Exilanten ist sehr eng. Jeder setzt sich mit allem dessen er fähig ist für die Siedlung ein. Dafür wir jeder versorgt. Ihr werdet auf Exilias Straßen keine Bettler finden und Diebstahl gehört zu den schlimmsten Verbrechen, weil alle zu gewissen Teilen gleichzeitig bestohlen werden. Doch gewiss hat euch Bruder Valentin bereits all dies erläutert?"

    Galwine lächelte. "Eure Sorge ehrt Euch und ihr habt Recht: normalerweise werden Fremden am Tor ihre Waffen abgenommen, doch da Ihr ein Freund Bruder Valentins seid, ist das Vertrauen der Exilanten in Euch ausreichend groß, um Euch auch bewaffnet durch unsere Straßen wandeln zu lassen. Seht:", er wies auf den Dolch, den er am Gürtel trug- mehr aus Gewohnheit und dem unbestimmten Gefühl von Sicherheit, dass er ihm verlieh, als wirklich in der Erwartung, ihn einsetzen zu müssen, um sich damit seiner Haut zu erwehren. "Sehr viele Exilanten tragen auch innerhalb der Stadtmauern Waffen. Doch glaubt nicht, dass dies eine gefährliche Gegend sei. Viele von uns haben allerdings in der Zeit vor ihrem Leben in Exilia Gewalt und Verrat am eigenen Körper erlebt und keiner möchte gerne überrascht werden. Jedoch solltet ihr euch überlegen, ob Ihr Euer Schwert nicht lieber in der Kammer lassen wollt, zu der ich Euch nun führen werde. Man könnte eine zu schwere Bewaffnung auf der Straße als Misstrauensbeweis deuten und Euch meiden.
    Wenn ihr mögt, so folgt mir nun."
    Er verständigte sich mit einem kurzen Blick mit Zarim (Valentin schaute gerade dorthin, wo vor wenigen Augenblicken der Tross der Abtrünnigen hinter einer Kuppe verschwunden war) und setzte sich in Bewegung. Während sie gingen, fragte er an Svala und Vitus gewandt: "Was führt euch nach Exilia?"

    Galwine war absolut nicht danach, seinen Verstand nun durch Alkohol zu trüben. Die Situation verlangte die Wahrung eines absolut klaren Kopfes, doch er wollte seine Gäste nicht beunruhigen, daher legte er Vitus freundschaftlich die Hand auf die Schulter und erklärte, an die beiden Gäste gewandt:
    "Es tut mir außerordentlich leid, dass ihr heute ausgerechnet einem solch betrüblichen Schauspiel beiwohnen musstet. Ihr könnt mir glauben, dass dies auch uns Exilanten kein Vertrauter Anblick ist. Ich will nicht verhehlen, dass euch nun eventuell nicht die Aufmerksamkeit zuteil werden kann, die Euch gebührt, doch werde ich mich bemühen, dem so weit wie möglich entgegenzuwirken." Als er sah, dass die Aussicht auf turbulente und politisch unsichere Zeiten den Gästen nicht behagte, was er durchaus nachvollziehen konnte, setzte er beruhigend hinzu: "Macht euch keine Sorgen, ich bin sicher, dass die Lage sich innerhalb kürzester Zeit beruhigt haben wird. In der Zwischenzeit könnt ihr euch jederzeit an mich wenden, solltet ihr einen Ansprechpartner benötigen.
    Doch nun, und verzeiht, wenn ich das sage, könnten wir alle ein bisschen Ruhe gebrauchen. Wenn ihr nichts dagegen einzuwenden habt, werde ich euch nun an einen Ort bringen, wo ihr für die Dauer eures Besuches übernachten könnt."
    Er verzichtete darauf, die Annehmlichkeiten der Gästeresidenz im Voraus zu beschreiben. Das hätte ihnen nur die Überraschung genommen, die er selbst vor nicht allzu langer Zeit hier erlebt hatte. Doch er erinnerte sich auch daran, dass Neira und ihm damals gemeinsam eben jene Kammer zugewiesen worden war, ohne auch nur eine einzige Nachfrage, ob es einem von ihnen etwas ausmache, sie sich zu teilen. Aber er wusste nun auch, dass es nur eine einzige Kammer in der großen Halle gab, die so ausgestattet war, dass sie Gästen als vorzügliches Quartier angeboten werden konnte. Jede andere, hätte den anderen Gast, zumindest wenn ihm ein Vergleich möglich gemacht worden wäre, vor den Kopf gestoßen. Er gedachte, bald vor den Senator zu treten, um ihm eine Umstrukturierung der nun ungenutzt leerstehenden Räume zu Gunsten einer zweiten Gästekammer vorzuschlagen.

    [Dies ist die Fortsetzung der Entwicklungen aus "Wiederkehr nach Exilia". Einer dortigen Fortführung stand der inhaltliche Abschluss des ersten Teils des behandelten Komplexes entgegen. Daher wird hier nun erneut geposted, was dort leider schon erschienen ist]
    [Galwine schrieb:]


    Unten am Fuß der Treppe stand Galwine noch immer in Begleitung von Svala und Vitus. Schon wieder ergab sich eine neue Aufgabe für ihn. Mittlerweile hatte er das Gefühl, den Exilanten vielleicht nicht von Nutzen sein zu können, recht sicher abgelegt. Am Nachmittag würde er Av'Sha aufsuchen, um in Erfahrung zu bringen, welche Posten und Aufgabenbereiche jetzt,nach dem Fortgang so vieler Siedler, unbesetzt waren, zweifelte aber insgeheim daran, dass sie ihm verlsäslich Auskunft darüber geben konnte.
    Er wollte die nun sicherlich nachfolgende Besprechung des Vorfalls in der großen Halle oder zumindest in kleinerem Kreis, so er zu einem solchen zugelassen würde, nicht verpassen, fürchtete aber, dass die beiden Neuankömmlinge, die nun hinter ihm standen, in all dem Trubel möglicherweise in Vergessenheit geraten könnten und um Valentin, der nun sicherlich anderweitig beschäftigt war, zu entlasten und von dieser Aufgabe zu befreien, sagte er zu den beiden Männern, als sie die Treppe herabstiegen: "Ich kann nicht verleugnen, dass mir nicht danach zu Mute ist, zu diesem Vorfall zu schweigen und es stehen nun größte Herausforderungen vor uns, denen wir mit Umsicht und Überlegung entgegentreten müssen, aber da wir trotz allem unseren Gastgeberpflichten nachzukommen haben, übernehme ich es gerne, unseren Gästen ihr Quartier zu zeigen. Darf ich hoffen, euch danach in der großen Halle zu treffen?"


    [Vitus schrieb:]


    Verunsichert, Verwirrt und Fassungslos stand Vitus neben Svala und Galwine.
    Sein fragensuchender Blick huschte umher - von Galwine, zu Svala, ins Leere.
    "Das Quartier.. ja .. das wäre jetzt glaube ich...ja."
    Wie von Geisterhand wollte Vitus loslaufen als er realisierte, dass er nichtmal wusste wo er hin müsste.
    Er holte eine Metallflasche heraus, nahm einen relativ großen Schluck und schüttelte sich mit verzerrtem Gesicht wobei er fast den Stand verlor.
    "Noch jemand?"
    Vitus strecke die geöffnete Flasche Svala und Galwine hin, aus der ein stechender, alkoholisch ähnlicher Duft hervorging.

    Galwine hatte sich im Hintergrund gehalten und tat es auch weiterhin, während er in der Menge Ausschau nach dem Gesicht Neiras hielt. Er wusste nicht genau, wie erfolgreich ihre bisherigen Versuche, Fuß bei der Wache zu fassen, waren, konnte sich aber vorstellen, dass sie nicht begeistert wäre, würde man ihr auftragen, in die alte Welt zurückzukehren.
    Er stand neben Zarim und konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser den bisher einzig vernünftigen Vorschlag vorgebracht hatte. Das bestätigte ihm besonders die Kälte, die sich allmählich seine Beine hinauf schlich. Den Schauer auf seinem Rücken führte er eher auf das Gebaren dieser seltsamen Frau vor ihnen zurück. Er nahm an, dass sie ein Amt bekleidete, von dem er bisher nichts erfahren hatte - ein Missstand den er möglichst bald zu beheben gedachte- andernfalls hätte sie wohl kaum die Dreistigkeit besessen, die Menge derart aufhetzen zu wollen. Zum Glück schien sie nur teilweise erfolgreich. Ihm war wohl überlegtes Handeln stets lieber als spontaner Aktionismus. Er würde, wenn man es ihm nicht verbot, was er aber mittlerweile nicht mehr annahm, der Besprechung in der großen Halle beiwohnen.
    Er streckte sich ein wenig, um zu erkennen, was sie nach Helias geworfen hatte, konnte es aber über die Köpfe der vor wenigen vor ihm Stehenden nicht erkennen.

    "Ich bin einverstanden. So weiß ich das Problem bei euch in guten Händen. Allerdings ist mir nicht ganz klar, wie ich im Augenblick dazu beitragen kann, eine Lösung zu finden. Wenn sich etwas ergibt, zögert nicht, zu mir zu kommen oder eine Nachricht zu schicken. Ihr seid mir immer willkommen, wenngleich ich recht viel innerhalb der Siedlung unterwegs bin und nur schwer sagen kann, wo man mich mit Sicherheit antreffen kann", erwiderte Galwine und erhob sich ebenfalls. "Habt dank für das Getränk",fügte er hinzu und schloss mit einem Lächeln: "Ich bin gespannt auf Eure weiteren Arbeiten."

    Galwine freute sich sehr über diese Antwort. Er hatte nicht damit gerechnet, dass dem Alchemisten sofort eine Lösung einfiele und war sich nicht einmal sicher gewesen, überhaupt sein Interesse an der Problemstellung wecken zu können. Doch wenn Zarim annahm, dass sie eine Lösung finden konnten, so war er sich sicher, würde es auch eine Gute geben. "Ich bin froh, dass Ihr bereit seid, mir zu helfen.
    Ihr seid doch gewiss nicht der einzige Alchemist in Exilia, oder?",
    fragte er dann ein wenig ungläubig. Man hatte ihm Zarim Duroniusals "obersten Alchemisten Exilias" vorgestellt. Sollte man ihm verschwiegen haben, dass er der Einzige war? "Ich vermute, dass es mir zwar möglich wäre, ein paar Tage dem intensiven Studium als Euer Schüler zu widmen und dankte Euch, wenn Ihr bereit wäret ebenso Eure Zeit dafür zur Verfügung zu stellen, doch denke ich, dass es sinnvoller wäre, diese Aufgaben weniger beschäftigten Exilanten (vielleicht einem eurer Lehrlinge) und besonders dem endgültigen Bibliothekar zuzuweisen, während wir unsere Zeit dazu nutzen, eine weniger aufwendige Lösung zu finden, die die Ausbildung eines Lampenentzünders überflüssig macht." Er verstaute die Papiere wieder und ergriff seinen Becher. "Soll ich mich auf die Suche nach einem guten Schlosser machen oder bei den Männern, die an der Ölquelle arbeiten, nachfragen, ob es jemanden gibt, der sich mit Lampenöl auskennt, oder warten wir ab, zu welchen Ergebnissen wir kommen, ehe wir andere hinzuziehen?" Einen Schlosser wollte er ohnehin suchen. Ebenso wie einen Architekten. Wenn er das Feuer aus der Bibliothek vollständig verbannte, würde es darin zu kalt werden, als dass man in Ruhe dort arbeiten konnte. Die Privatgemächer des Grafen in seiner alten Heimat waren mit Hohlräumen in den Wänden ausgestattet gewesen, durch die heiße Luft geleitet wurde, was diesem Bereich des Anwesens stets eine wohlige Wärme verliehen hatte, ohne dass der Graf durch Bedienstete gestört werden musste, die das Feuer schürten. Vielleicht ließ sich etwas ähnliches auch in der Bibliothek einrichten.
    Das Gesprächsthema schien sich aus seiner Sicht dem Ende zuzuneigen. Er trank noch einen Schluck des erfrischenden Getränks und wartete darauf, dass Zarim ihn nach seiner Antwort auffordern würde, ihm in sein Labor zu folgen.

    Galwine war etwas überrascht, denn er hatte nicht erwartet, dass Zarim ihm so bereitwillig einen Einblick in seine Arbeit gewähren würde, doch er freute sich, besonders, da er aus dem, was von den Listen der Archivbestände zu rekonstruieren war und was ihm Av'Sha gesagt hatte, ableiten konnte, dass sich die Exilanten ihr Alchemielabor bereitwillig Einiges kosten ließen. Er wollte gerne herausfinden, was man dort herauszufinden suchte. Daher sagte er, nachdem er von dem Getränk gekostet und einen anerkennenden Laut von sich gegeben hatte: "Das klingt nach einem guten Plan. Ich schätze sowieso, dass dies hier," und dabei deutete er auf die Schriftstücke, die noch immer zwischen ihnen auf dem Tisch lagen,"heute nicht sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Was ich ursprünglich ausdrücken wollte, war, dass es sich hierbei um die unvollständigen Rudimente dessen handelt, was, bis der letzte, der sich dafür zuständig fühlte, vor ein paar Jahren die Erfüllung seiner Pflichten nicht mehr für notwendig erachtete, man "Warenliste" nannte. Ihr wisst vielleicht auch, dass mich Helias Abalim gebeten hat, mich der Pflege der Bibliothek anzunehmen, bis ich einen geeigneten Bibliothekar und Archivar gefunden oder ausgebildet habe. In der Zwischenzeit übernehme ich diese Aufgabe selbst.
    Leider musste ich, als ich die Bibliothek zum ersten Mal betrat, feststellen, dass die meisten losen Schriften und sogar einige der Bücher in einem wirklich erbärmlichen Zustand sind. Oft sind weite Teile unleserlich oder völlig zerstört. Und neben Wachstropfen, Rissen und teilweise auch Blutstropfen ist der häufigste Schaden dieser."
    Er hob einen der Bögen auf Augenhöhe zwischen Zarim und sich. Dennoch konnten sie einander weiterhin sehen: Ein großes Brandloch hatte sich in die Mitte des Bogens gefressen und auch am Rand waren auch einige schwarz ausgefranste Schadstellen zu erkennen. "Feuer. Natürlich gibt es kein besseres Mittel, Pergament oder Papier zu zerstören. Aber ich möchte nicht eine ganze Bibliothek nahezu von Grund auf neu einrichten, um Feuer zu schüren! Das Problem ist, und ich bin sicher, dass auch euch bereits einmal etwas ähnliches widerfahren ist, dass Feuer die Lichtquelle ist, auf die wir zum Lesen angewiesen sind. Und je näher man den Flammen mit dem Papier kommt, umso heller und besser lesbar wird das Dokument, bis es selbst plötzlich und für einen Moment zu leuchten beginnt.
    Ich habe versucht, mittels einer Art Käfig und auch einer gläsernen Abschirmung die Schrift vor der Flamme zu schützen, doch es hat sich gezeigt, dass das Licht, welche diese Vorrichtungen verließ nicht hell genug war, wenn sie funktionierten oder reichte es doch, so entzündeten sich die Papiere dennoch an den Lampen.
    Wie bereits erwähnt, verstehe ich bisher nicht viel von Alchemie, doch fragte ich mich, ob es nicht möglich wäre, mit ihrer Hilfe die Temperatur der Flamen zu senken, oder die Papiere unabhängig gegen Hitze zu machen. Vielleicht kann man aber auchdie Kerzen durch andere Lichtquellen ersetzen. Wenn ich es mir recht überlege, ist es das, was ich am liebsten täte: die Kerzen aus den Räumen der Bibliothek zu verbannen."

    "Seht Euch das an", erwiederte Galwine und zog einige arg in Mitleidenschaft gezogene Bögen Pergament und Papier hervor. "Tatsächlich stehe ich nicht nur vor einem einzigen Problem, sondern muss derer eine wahre Vielzahl bewältigen, doch wem ergeht das nicht so?
    Ihr braucht Euch nicht die Mühe machen sie zu lesen, es sei denn Ihr hättet Freude an der Herausforderung"
    , setzte er hinzu, bevor Zarim sich den Schriftstücken zuwenden konnte und fuhr fort: "Es handelt sich hier um einige bemerkenswert unvoll..." Doch er unterbrach sich, als er, aufmerksam durch das Zischen der Flüssigkeiten, sah, was Zarim derweil tat und als dieser ihm zuprostete und selbst davon trank, war Galwine noch immer ein bisschen sprachlos. Vorsichtig hob er seinen Becher und roch daran. Er fürchtete nicht wirklich, Zarim könne ihn vergiften oder zumindest ein Experiment an ihm durchführen wollen, denn er hatte keinen Grund zur Annahme sich den Groll des Alchemisten zugezogen zu haben, war bei ihrer ersten Begegnung bereits einer alchemischen Untersuchung unterzogen worden und hatte, seit er in Exilia lebte noch nie davon gehört, dass Zarims Tränke irgendjemandem geschadet hatten. Aber die Verwandlung des Blattes war beeindruckend gewesen und da er ahnte, dass es Zarim eine Freude war, seine Fähigkeiten zu präsentieren, fragte er über den Rand des Bechers hinweg: "Ist es tatsächlich das, was ich glaube? Beeindruckend...!" Nach einer kurzen Pause, in der sich Zarim nicht zu einer verbalen Reaktion hinreißen ließ, sondern vielmehr gespannt darauf zu warten schien, dass Galwine trank, erklärte dieser: "Was Eure Bemerkung gerade betrifft: es stimmt leider, dass ich von Alchemie nur sehr geringe Kenntnisse besitze, doch bin ich interessiert an Eurer Arbeit, wenn Ihr die Zeit und Geduld habt, sie mir zu erläutern." Er wartete noch immer darauf, dass Zarim ihm erklärte, was er dort trinken würde.

    "Versteht mich nicht falsch: Eure Gesellschaft wäre mir Grund genug, Euch aufzusuchen, allein, ich hatte stets den Eindruck, dass Ihr so beschäftigt seid, dass es unhöflich wäre, Euch auf diese Weise von Euren Aufgaben fernzuhalten. Daher habe ich mir als Vorwand ein Anliegen oder vielmehr eine Problemstellung gesucht, die ich gerne mit Euch erörtern würde, wenn ihr etwas Zeit entbehren könnt", sagte Galwine nicht ohne ein Lächeln, während er sich Zarim anschloss, froh, die Sache nicht in der Kälte des Tages besprechen zu müssen. Er nahm an, dass Zarim sich mit ihm an einen der Tische in der warmen Halle setzen würde.

    Der Junge war sein Geld wirklich wert gewesen und Galwine beschloss, sich den Namen Tangs zu merken. Er hatte sich schon halb abgewandt und wollte gerade die Hand heben, um an die Tür der Alchemiestube zu klopfen, als er seinen Ruf hörte. Schnell drehte er sich um und sah, in welche Richtung der Junge blickte. Obwohl Galwine Zarim in Mitten der Schar, die die große Halle gerade verließ, nicht erkennen konnte, ging er auf die Gruppe zu, machte, als er deren ernste Gesichter sah ein ebensolches, trat ihnen aber nicht in den Weg, sondern schloss sich ihnen an, bemüht, sich vorsichtig dorthin vorzuarbeiten, wo er Zarim vermutete. Ihn würde er fragen, was es mit der Prozession auf sich hatte.

    Galwine hatte, während sie unterwegs waren den Jungen beobachtet und sich gefreut, wie gewissenhaft er die Aufgabe übernommen hatte. Bevor sie losgezogen waren, hatte er kurz überlegt, sich ebenfalls auf ein imaginäres Reittier zu setzen, war aber zu dem Schluss gekommen, dass das nicht notwendig war, um dem Jungen sein Spiel zu erhalten und außerdem wollte er zumindest ein bisschen darauf achten, von anderen Erwachsenen respektiert werden zu können. Er hielt es auch jetzt für wichtig, dem Kind zu zeigen, dass es sich tatsächlich um ein Spielgehandelt hatte, welches für seinen, Galwines, Teil einstweilen vorbei war. "Vielen Dank, mein Junge", sagte er lächelnd und legte die Münze in die Hand des Jungen, hielt Hand und Münze allerdings noch einen Moment fest, damit dieser nicht sofort wegstürmen konnte. "Eins noch: verrate mir deinen Namen, wessen Sohn du bist und wo du wohnst! Vielleicht brauche ich ja bald mal wieder eine tapfere Begleitung und dann wüsste ich gerne, wo ich dich finden kann."


    Sobald der Junge wieder in seinem Spiel versunken von dannen gezogen sein würde, wollte er sich umdrehen und gegen die große Eingangstür klopfen.

    Galwine schmunzelte. Man sah nicht häufig Kinder in Exilia. "Ich fürchte, werter Herr, die Jacke steht nicht zum Verkauf", sagte er mit Bedauern in der Stimme. "Zwar ist der Preis, den Ihr mir dafür zahlen wollt, sehr großzügig, doch fürchte ich, ich würde bei dieser Kälte nicht lange genug überleben, um den Reichtum, der mir so zuteil würde, zu genießen." Er ging in die Knie, um sich auf Augenhöhe mit dem Jungen zu unterhalten. "Aber vielleicht möchtet Ihr, tapferer Recke, etwas an mir verdienen", sagte er, zog eine echte Kupfermünze hervor und hielt sie hoch - kein schlechter Lohn für einen kleinen Jungen, der dabei, wie er vermutete, sogar Spaß haben würde. "Die hier soll euch gehören, wenn ihr mir euer sicheres Geleit, Schutz und Weisung gewährt, bis ich sicher an meinem Ziel angekommen bin. Denn wie Ihr richtig erkannt habt, habe ich nur wenig von einem Krieger des Schwertes an mir und kenne mich zudem hier noch nicht sehr gut aus." Als er sah, dass der Junge nicht misstrauisch oder desinteressiert aussah, fuhr er fort: "Ich bin auf der Suche nach der Wirkungsstätte des Meisteralchemisten Exilias, Zarim Duronius. Könnt ihr mir den Weg dorthin zeigen?"

    [Neuer Handlungsstrang, wenige Wochen später]


    Es war noch kälter geworden. Galwine vermutete und hoffte zugleich, dass der Winter nun seine kälteste Zeit erreicht haben und auch bald hinter sich lassen würde. Halb wünschte er, er wäre in der Wärme der großen Halle geblieben. Doch dort wäre er weitestgehend untätig herumgesessen, was mit seinem Naturell nur schwer zu vereinbaren war. Allerdings brachte ihn der Gedanke an die wohlig warme Luft im Inneren des Gebäudes auf ein neues Problem, das es zu bewältigen galt. Doch damit würde er sich später beschäftigen.


    Seit seiner Ankunft in Exilia hatte er viel Zeit damit verbracht, die Stadt, ihre Bewohner und ihre Geschichte kennen zu lernen, doch noch immer begegnete ihm immer wieder Neues und er war fühlte sich weit davon entfernt, alle Zusammenhänge zu verstehen. Allerdings konnte er sich des Eindrucks auch nicht erwehren, der Kreis der einflussreichsten Exilanten teile nicht alle seine An- und Absichten, Pläne und Entschlüsse mit ihm -wovon er auch nicht ausgegangen war- oder einer breiteren Mehrheit derer, die sich in den Mauern Exilias zusammengefunden hatten.Offenbar war Geheimniskrämerei auch hier nicht so unbeliebt, wie er gehofft hatte. Doch er beschloss, sich einstweilen mit der Annahme zu begnügen, dass sie schon alles zum Besten regeln würden.
    Man war ihm mit großer Offenheit, Freundlichkeit und nach kurzer Zeit sogar Vertrauen begegnet: bereits am Tag nach ihrer Ankunft hatte man ihm eine Weste aus Roth-Wolle gegeben, die ihn auch jetzt erstaunlich wärmte, man überließ es ihm, sich eigenständig um die Bibliothek zu kümmern, was zuvor mindestens zwei Jahre lang vernachlässigt worden war, beachtete man die unvollständigen Chroniken und Archiveinträge und den Staub, der überall wie eine dünne Schneedecke lag, und Av'Sha hatte sich schließlich entschlossen, seine angebotene Hilfe anzunehmen und ihn u.a. vor ein paar Tagen trotz aller Schroff- und Verschlossenheit ins Lager geschickt, um die Bestände zu sichten, zu zählen und zu katalogisieren. Dass es sich dabei um einen besonderen Vertrauensbeweis gehandelt haben könnte, hatte er erst später erfahren, als man ihm sagte, dass sie für gewöhnlich darauf bestehe, bei jeder Öffnung der Speichertore anwesend zu sein und zu kontrollieren, dass auch niemand mehr heraustrug, als sie ihm erlaubte. Doch Galwine hegte den Verdacht, dass sie ihn in Wahrheit damit getestet hatte und später alle Listen noch einmal selbst durchging und vielleicht sogar alles erneut auswog. Doch er machte sich deswegen keine Sorgen. Er war sehr Gewissenhaft vorgegangen und ziemlich sicher, dass sie keine Unregelmäßigkeiten finden würde.


    Als er ein paar Schritte gegangen war, fiel ihm auf, dass er sich keineswegs sicher war, in welche Richtung er sich zu wenden hatte und so beschloss er, den nächsten Siedler, der ihm nun über den Weg liefe, nach dem Weg zum Labor des Alchemisten zu fragen.

    Neira und Galwine machten sich, nach einem nicht weniger freundlichen Gruß, auf den Weg zu den Gemächern, in denen sie untergebracht waren.


    [Ihre Geschichte setzt sich in "[In der großen Halle] Gästeresidenz" fort]

    Als Neira und Galwine eintraten, sahen sie, dass bereits eine fleißige Hand neues Holz auf das Feuer gelegt und neben dem Kamin aufgeschichtet hatte. Die wohlige Wärme empfing sie gemeinsam mit dem köstlichen Geruch frisch gebratenen Fleisches und angeschmorter Pilze, der einem Kessel über dem Feuer entstieg. Galwine ging hinüber und hob den Deckel ab, um eine dampfende Suppe zu entdecken. Er war hierher gekommen, in der Absicht, sich nur kurz aufzuwärmen, mit Neira zu sprechen und dann bald wieder aufzubrechen, um nach etwas zu Essen und wärmerer Kleidung Ausschau zu halten. Außerdem wollte er gerne mehr von Exilia sehen, solange die Sonne noch hoch stand und mit dem ein oder anderen bessergestellten Siedler - er korrigierte sich: vermutlich waren die Unterschiede zwischen dem gemeinem Landvolk und dem hiesigen Adel, der soweit er es verstanden hatte, nominell abgeschafft war, so gering, dass er ersteinmal darauf achten musste, sich nicht zu sehr der Überheblichkeit hinzugeben- ins Gespräch kommen. Doch das schien nun keine Eile zu haben.
    Er wandte sich Neira zu und zog die Augenbrauen leicht hoch, um sie aufzufordern, ihre Meinung kund zu tun.

    Galwine hatte bisher nicht ein einziges Wort gesagt und Av'Shas unerwarteten Redeschwall konzentriert über sich ergehen lassen. Er wusste nicht genau, was man von ihnen erwartete. Es hatte nicht danach geklungen, als wollte die Frau noch etwas hinzufügen und offenbar waren auch keine weiteren Reaktionen seinerseits von Nöten, denn sie wandte sich bereits wieder den Papieren zu. Ihm schoss der Gedanke durch den Kopf, dass es hier sehr starken Personalmangel geben musste, wenn an einer Person so viele Aufgaben hängen blieben, dass ihr Schreibtisch aussah wie jener Av'Shas. Vielleicht entsprach dieser Anblick aber auch einfach ihrer Arbeitsweise. Seine Verwaltungsräume waren fast immer in sehr ordentlichem Zustand gewesen und auf seinem Schreibtisch wäre er nie auf den Gedankengekommen auf ein loses Papier zu schreiben, unter dem bereits andere Dokumente lagen. Aber man hatte ihm bereits mehrfach versichert, dass es sich hierbei um einen Übergangszustand handelte.
    Obwohl sie ihnen keine Aufmerksamkeit mehr schenkte, verlangte es Galwine, dennoch die höfliche Form zu wahren und so verbeugte er sich leicht und sagte: "Ich danke euch. Wir werden beherzigen, was ihr sagtet." Er sah Neira an, in deren Blick er so etwas wie Erleichterung zu sehen glaubte und lächelte. Dann lächelte er auch Valentin und Zarim zu und dankte ihnen stumm für ihre Fürsprache und die Mühe, die sie sich mIt ihnen gegeben hatten.
    Aber er fühlte eine unerwartete Leere in seinem Inneren. Sie waren am Ziel angekommen. Sie hatten es bis Exilia geschafft und hatten Aufnahme in die Gemeinschaft erreicht. Doch was nun? Vermutlich wusste er noch nicht genug über dieses "neue Leben", kannte sich noch nicht genug aus, um die nächsten Missstände, die es zweifellos geben musste und gegen die er etwas unternehmen konnte, zu erkennen. Sobald das soweit war, hätte er neue Ziele. In der Zwischenzeit gedachte er, sich ein wenig von den Strapazen der Reise zu erholen.
    Wenn er alles richtig verstanden hatte, so bestand derzeit kein Druck, sich sofort an die Arbeit zu machen und so beschloss er, tatsächlich zu versuchen, mit dem Senator zu sprechen und in den nächsten Tagen mit möglichst vielen Exilanten ins Gespräch zu kommen. Vielleicht ergab sich auf diese Weise ja eine passende Aufgabe für ihn. Vor dessen Abreise wollte er zudem Valentin noch einmal auf die Sache mit der Bibliothek ansprechen, doch er spürte, dass dazu gerade nicht der richtige Zeitpunkt war. Vermutlich wollten er und Zarim möglichst bald ihr Gespräch führen und er hegte nicht die Absicht, die beiden durch Aufdringlichkeit gegen sie aufzubringen. Außerdem wollte er gerne noch einmal mit Neira sprechen.
    Als sie den Raum wieder verlassen hatten, bat er darum, man möge ihnen den Weg zu ihrer Residenz weisen und ihm außerdem mitteilen, wie er, so sie damit einverstanden seien, sie finden könne, da er ihre Gesellschaft genossen habe und dies beizeiten gerne wieder täte.

    Es drangen immer mehr Eindrücke auf Galwine ein: als der Larkchor - denn er konnte sich nicht vorstellen, dass andere Wesen ähnliche laute von sich gaben- ertönte, erschauderte er ein wenig, Valentins Wunsch allein mit Zarim zu sprechen, kränkte ihn keineswegs und er hatte vollstes Verständnis dafür, dass man ihnen noch nicht ausreichend vertraute, aber es versetzte ihm einen kleinen Stich, das so plötzlich erneut vor Augen geführt zu bekommen. Gleichzeitig versuchte er, möglichst viele der an ihnen vorbeilaufenden Menschen beziehungsweise Wesen bewusst wahrzunehmen und so seine Vorstellung davon, was für Charaktere sich hier zu dieser ungewöhnlichen Gemeinschaft zusammengefunden hatten, zu verbessern. Valentins direkte Frage überrumpelte ihn daher ein wenig. Er konnte ich nicht vorstellen, sein Leben nur noch zwischen verstaubten Büchern zu verbringen ohne jemals selbst die Chance zu bekommen ein würdiger Inhalt eines solchen zu werden, denn er liebte alte Geschichten und Sagen und glaubte fest daran, dass sie, obwohl abgewandelt und weit von den ursprünglichen Geschehen entfernt, doch alle einen wahren Kern besaßen. Aber auf der anderen Seite mochte er Bücher aus diesem Grund sehr und im Großen und ganzen währe er mit den Aufgaben eines Bibliothekars wohl sehr zufrieden. Allerdings...
    "Ich habe leider keinerlei konkrete Erfahrung in dieser Kunst.", antwortete er."Doch der Graf besaß ein Archiv für Erbgegenstände und Bücher und ich durfte ihn mit meinen Lehrern und meinem Vater häufiger besuchen. Ich habe eine ungefähre Vorstellung davon, wie man eine Bibliothek ordnen kann oder glaube zumindest, es mir beibringen zu können, doch um es kurz zu fassen: Das würde wohl dennoch zu den Fähigkeiten gehören, welche ich erlernen müsste, um Exilia dienen zu können."
    Der Lärm war mittlerweile lauter geworden. Es konnte nicht mehr weit bis zu den Stallungen sein.
    Er konnte sich nicht verkneifen, noch etwas hinzuzufügen, obwohl er die Stimme ein wenig erheben musste: "Darf ich so unhöflich sein, euch zu fragen, wohin ihr reist? Exilia scheint mir, soweit ich meinen zugegebenermaßen sehr bescheidenen Kenntnissen der hiesigen Geographie trauen darf, eines der nördlichsten Ziele zu sein, das man von Selfiran aus ansteuern kann, oder?" Noch während er es aussprach wurde ihm klar, dass es sich dabei um Informationen handelte, für die man ihm vielleicht noch nicht ausreichend vertraute und er beschloss, nicht weiter darauf einzugehen, sollte sich Valentin zu einem solchen Vorgehen entscheiden.

    In der eintretenden Stille fragte sich Galwine, ob er im Überschwang vielleicht einmal mehr zuviel gesagt hatte. Er musste sich erst daran gewöhnen, dass die Menschen, oder besser: die Bewohner Mythodeas, soweit er sie bisher kennen lernen durfte, kurze, prägnante Reden bevorzugten. Vielleicht hatten sich Bruder Valentin und Zarim aber auch erhofft, einen gut ausgebildeten Alchemisten, Heiler, Krieger oder sogar Zauberer in ihm entdecken zu können. Es tat ihm leid, dass er diese potentiellen Erwartungen enttäuschen musste.


    Während sie gingen schaute er sich aufmerksam um. Die Gebäude hier schienen recht neu zu sein, was angesichts der Kürze der Zeit, die seit der Entdeckung und Erschließung dieses Kontinents vergangen war, nicht weiter verwunderte, doch war erstaunlich, wie viel die Siedler in dieser Zeit erreicht hatten. Der Stolz, den Zarim vor wenigen Stunden gezeigt hatte, als er sie durch die große Halle führte, war berechtigt gewesen. Er fragte sich, wie sehr all diese Errungenschaften durch den alten Protektor forciert worden waren und hoffte, dass das Potential das Exilia und seine Bewohner unter seiner Führung bewiesen hatten, nun nicht verloren gehen würde.


    Um das Gespräch wieder in Gang zu bringen, fragte er: "Darf ich fragen, welcher Beschäftigung ihr in Selfiran nachgeht? Und mich würde durchaus interessieren, in welchen Ressorts Exilia eurer", er sprach nun ihre beiden Begleiter an, "Meinung nach besonders Zuwachs und Unterstützung benötigt. Wie steht es um die Versorgung, die Sicherheit und die Unterhaltung derSiedler?"