Beiträge von Dormen

    Sie nickte, während sie zwei Becher umdrehte und ihnen beiden etwas aus dem Krug eingoss.

    "Hier schon, das sind meine Räume. Aber es gibt in diesem Haus noch andere Wohnungen, in denen ebenfalls Priester leben. Wir arbeiten häufig zusammen."


    Sie blickte zu ihm hin, dann auf seine Hand, dann auf die Kiste, bis er zum Fenster hinausschaute.
    Sie trat näher und tippte mit der Fußspitze gegen die Kiste.


    "Briefe, ein Erbstück, Andenken..."


    Sie meinte die Sachen, die sich in der Kiste befanden. Ein kleines Sammelsorium an kleinen und größeren Dingen, die sie behielt und hortete.


    "So wie das."


    Sie spielte mit den Fingern an dem Anhänger, den er bereits kannte.

    „Zuhaus hatte ich nie Probleme sie einzusetzen, die Probleme sind erst hier gekommen. Wenn ich heile, sehe ich alles, was ich sehen muss. Es wirkt nur manchmal...“


    Sie überlegte und bewegte die Hände in der Luft, als würde sie nach etwas fassen.


    „...weniger greifbar. Hier ist alles etwas anders, deswegen brauche ich meist ein klein wenig länger.“


    Auf seine Frage hin überlegte sie eine Weile. Sie kannte Aspekte von Gegenständen und Objekten, mit denen sie regelmäßig arbeitete, aber ein Objekt, von dem sie alles ganz genau kannte, inklusive Geschichte und Stimmung? Sie schüttelte kurz den Kopf. Zu behaupten, eine Sache komplett und ganz und gar zu kennen, kam ihr anmaßend vor.


    „Etwas strukturell Einfacheres vielleicht, einfacher als ein Mensch oder eine Pflanze... Ein Stein?“

    [Nach dem Besuch in der Kapelle]


    Gegenüber der Eingangstür zu ihren Räumen war ein kleines Fenster, schräg daneben stand ein Tisch, auf dem mehrere umgedrehte Becher sowie ein Krug mit frischem Wasser standen.
    Eine verschlossene, einfache, große Truhe mit einem bordeauxfarbenen Polster diente als Bank. Neben dem Tisch standen außerdem zwei Stühle.


    „Bitte setz dich. Reicht dir Wasser oder möchtest du lieber etwas anderes?“,


    fragte sie Murdo und war unschlüssig, wohin sie zuerst gehen und was sie als Erstes holen sollte. Gäste in ihren privaten Räumen hatte sie nur sehr selten.

    "Mit der Feenwelt? Ich bin noch keiner Fee begegnet..."


    Dann dachte sie an ihre Begegnungen mit den Redcaps und kratzte sich kurz am Hinterkopf.


    "Nicht so wirklich jedenfalls."


    Sie blickte wieder auf den Baum und strengte ihren Blick an.


    "Ich weiß, dass ein Baum Wurzeln, einen Stamm und eine Krone mit Ästen, Zweigen und Laub hat. Ich sehe den Stamm, der noch recht dünn ist und kleine Äste. Der Baum entwickelt sich von Jahr zu Jahr weiter und wächst. Er reagiert auf Veränderungen. Er lebt."


    Sie merkte, dass sie sich in Aufzählungen verlor und hielt inne.

    Sie schüttelte den Kopf.


    "Ich wollte mit der Frage nicht ausdrücken, dass ich diesen Baum als geringer erachte als andere Lebewesen. Die Frage war nicht rhetorisch gemeint."


    Sie sah noch einmal zu dem kleinen Baum und ließ sich auf den Grasflecken daneben fallen. Sie betrachtete die Äste und entdeckte eine kleine Raupe, die sich durch ein junges Blatt fraß. Wieder schüttelte sie den Kopf.


    "Nein, bin ich nicht. Denke ich jedenfalls. Ich wüsste nicht, woran ich eine Dryade erkennen kann."

    "Es ist ja nicht so, dass mir die Magie fremd ist, mit der ich auf Wesen einwirken kann, um sie zu heilen. Es ist nur schwierig so theoretisch über Magie zu reden... Was könnte mir eine Pflanze mitteilen?"


    Sie stand auf und suchte nach einer Pflanze.


    "Worüber weiß dieser kleine Baum Bescheid?"


    Sie wies auf einen halben Meter hohen, dünnen Stamm, an dem kleine Äste und einige wenige Blätter zu sehen waren. Er würde noch wachsen und könnte eines Tages vermutlich das Protektoratsgebäude überragen."

    Dormen versuchte nachzuvollziehen, worin die Zweifel der Elfe gegründet haben könnten.


    "Habt Ihr denn in der Zeit Eurer Zweifel versucht einen anderen Weg zu gehen? Vielleicht hätte es geholfen, die Wege eines anderen Elementes zu studieren und zu leben, um auf den richtigen Weg zu kommen."


    Für Dormen klang dieser Gedanke sehr verständlich. Kein Teil der Schöpfung war mehr wert als ein anderer, warum also nur den Weg des Feuers gehen, wenn die anderen ebenso gut waren? Letztlich zählte der Dienst an den Seraphim, rechtschaffen unter ihren Schwingen zu leben, um am Ende in die großen Hallen zu gelangen.


    "Was hat man Euch gesagt in diesen Gesprächen?"

    Dormen nickte und verabschiedete sich freundlich von Ernst, Miron und Thorin. Ihr Magen grummelte ein wenig.
    Den Drang selbst zur Schmiede zu gehen, hatte sie nicht. Vermutlich gab es dort genug Arbeit und Korlic konnte, wenn man ihn reizte, schnell ungemütlich werden. Noch mehr Schaulustige würden seine Laune sicher nicht bessern...
    Sie drehte sich zur Seite und blickte heiter auf.


    "Möchtest du in meinen Räumen etwas essen oder lieber woanders?"

    Sie hatte sich noch nie mit einer Pflanze unterhalten. Sie mochte ihre Umgebung und hielt sich gern in Gärten oder in der Nähe von Wäldern auf, wenn sie Ruhe wünschte und den Himmel sehen wollte, ohne von Kapellenmauern umgeben zu sein. Es war ihr nie in den Sinn gekommen, eine Pflanze um Erlaubnis zu fragen, bevor sie sich neben sie setzte.


    "Ich spüre die Magie, wenn sie zu mir kommt, wenn sie durch mich hindurch fährt und wenn sie mich verlässt... Ich sehe keine Magie, aber ich spüre, wenn sie da ist."


    Sie überlegte.


    "Will die Pflanze eine Gegenleistung, wenn ich mit ihr reden möchte? Ich habe nichts, was ich ihr bieten könnte... Jedenfalls nichts, was einer Pflanze augenscheinlich nutzen könnte."

    "Wenn es passiert, dann lasse ich es zu."


    Sie nickte. Dazu hatte sie sich entschlossen und stand dazu.
    Sie wusste nicht genau, was sie davon halten sollte, wenn Kahina ihr sagte, die Engel würden über sie wachen. Was weißt du von unseren Engeln? Dennoch... Sie blickte einen Moment traurig. Dann schüttelte sie leicht den Kopf und vertrieb die dunklen Gedanken.


    "Was ist in Siegelstadt passiert? Woran habt Ihr gezweifelt?"


    Sie war interessiert und neugierig.

    Sie nickte leicht und verstand. Das klang für sie nach einer logischen Konsequenz und sie fragte nicht weiter nach anderen Gründen.


    "Du hast einmal gesagt, sie reden mit den Bäumen... Wie tun sie das? Und wie antworten die Bäume?"

    Sie wies zu einem Gebäude unweit der Kapelle. Es wirkte schmal zwischen den anderen Häusern, konnte aber bei Bedarf in die Länge ausgebaut werden. Es bot Schlaf- und Wohnräume für mehrere Priester und Novizen, die dauerhaft in Yunalesc wohnten. Gästeräume für Geistliche gab es in einer angrenzenden Steinhütte.


    "Wenn du durch die Gasse zwischen den beiden Gebäuden dort gehst, kommst du an mehreren Eingängen vorbei. Wenn du durch den ersten eintrittst und die Treppe hochgehst, findest du meine beiden Räume. Sie sind kleiner als deine im Protektoratsgebäude..."


    Sie sah ihn lächelnd an.


    "Aber ich habe ein Fenster, von dem aus ich das Treiben hier auf der Straße beobachten kann, wenn ich wollte."


    Sie klang ein wenig stolz, denn die Fenster, die zum städtischen Treiben führten, waren rar gesät. Von der Straße aus konnte man sechs erkennen, drei übereinander, zwei nebeneinander.


    Sie setzte an, um noch etwas zu sagen, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung unweit ihres Standortes wahrnahm. Sie war kurz verwirrt. dann blickte sie genauer hin und erkannte Ernst, der ihnen zuwinkte. [s. In den Straßen Engelswegs]
    Ohne seine Pfeife wirkte er unvollständig.
    Sie hob die Hand zum Gruß.


    "Er winkt uns zu. Ich würde ihn und seinen Begleiter gern begrüßen."


    Sie sah Murdo an und hoffte, er würde mitkommen.

    "Gut, dann lass uns etwas essen."


    Sie warf einen Blick durch den Raum, sah auf die Engelsstatue, dann in Richtung Ausgang. Sie ging darauf zu.
    Die Sonne stand tief, obwohl die Tage bereits länger wurden. Die Luft war heute angenehm mild. Ihr war nicht kalt.

    Sie hatte die Augen geschlossen, um sich die Bilder besser vorzustellen. Sie wirkten gewaltig und sehr, sehr groß. Vermutlich konnte sie sich die Ausmaße dieser Bauten kaum richtig vorstellen.
    Sie hatte plötzlich den Wunsch, sie auch einmal sehen zu wollen - wenn sich die Möglichkeit bot. Nur besser als das Geschichten-hören war das Geschichten-erleben.


    "Aber warum halten sie ihre Städte geheim und wollen nicht gefunden werden?"

    Sie wünschte sich, dass er recht behalten würde.


    „Ja... ich weiß, dass du das tust. Und trotzdem... “,


    sagte sie nickend und küsste ihn zur Bestätigung. Heldentum ist keine Lebensart. Sie erinnerte sich an Steinbrück. Sie ist eine Todesart.


    „Gib... einfach Acht.“


    Sie linste an ihm vorbei und erblickte den Kapellengast in seiner Bank. Dass Solomon noch immer in der Kapelle war und betete, hatte sie völlig vergessen.


    „Es ist spät. Möchtest du mit mir zu Abend essen?“

    Sie schloss kurz die Augen und wurde ruhiger.


    „Ich fühle Bedrohung. Nicht für mich als Mensch, sondern für das, was mich bewegt und leitet. Ich war selten so skeptisch. Und weil ich jetzt so skeptisch bin, sehe ich hinter jeder Ecke etwas, dass uns schaden könnte.“


    Sie seufzte und griff sich mit Daumen und Mittelfinger an die Schläfen.


    „Ich werde mich fallen lassen. Sobald die Zeit da ist.“