Nachwirkungen eines Feldzugs

  • Avalos stützte sich am breiten Fenstersims ab, während er das Treiben auf dem Exerzierplatz beobachtete. Gardisten in Ausbildung. Die Sonne brannte, der Boden ausgedörrt. Kleine Staubwolken bei jedem Schritt, die dumpfen Schlaggeräusche grober Holzwaffen. Mit einem Ruck richtete er sich auf und drehte sich zur Seite in Hauptmann Aidens Richtung, der hinter seinem Schreibtisch saß, die Arme verschränkt und sein Kinn aufgestützt.


    "Es zieht mich nichts in meine alte Heimat. Und selbst wenn, was würde ich vorfinden? Immer noch denselben Krieg der über´s Land zieht, nichts weiter hinterlässt als gebrandschatzte Dörfer, Hunger und Aasgeier? Oder die alten Königreiche unter Nilfgards Stiefel? Die Aussicht mein altes Leben wieder aufzunehmen, mir Kontrakte rauszusuchen die ich noch bewältigen kann, ohne zu wissen ob die Auftraggeber überhaupt zahlen? Das Risiko zwangsgepresst zu werden um für diesen fanatischen, engstirnigen und rasistischen Bastard Radovid auf blutgetränkter Erde zu krepieren?

    Nein. Das ist auf Dauer eine Reise ohne Wiederkehr. Ich bin der Ansicht dass ich im ersten nordischen Krieg meine Schuldigkeit gegenüber Temerien getan habe - ohne dafür auch nur irgendetwas im Gegenzug erhalten zu haben. Noch nicht mal Sold, geschweige denn den Landbesitz oder eine sonstige Existenz. Davor, danach, kein Unterschied. Außer eine Siegesparade für einen inzwischen toten König. Und von meiner Arbeit lebte es sich danach auch nicht besser. Oft genug in Heuschobern die Nacht mit leerem Magen verbracht."

    Er hielt kurz inne, und sein Blick richtete sich kurzzeitig ins Irgendwo. Erinnerungen. Mit einem minimalen Kopfschütteln straffte Avalos sich und strich sich gedankenverloren über das letzte materielle Erinnerungsstück. Wie und eh spürte er die Kanten und die Form seines Anhängers überdeutlich. Die kleinen scharfen Reißzähne, die geschwungenen Linien und die feingliedrige, aber schwere Kette die den Wolfskopf fesselten. Ein Stück dunkles Eisen, dass ihm eigentlich garnicht zustand. Außer dem letzten Wunsch seines rechtmäßigen Besitzers. Das war schon so lange her...

    "Ich habe in den letzten Tagen viel über den Feldzug nach Metathron`Tul nachgedacht. Die Wolfsmark hat mich als gestrandeter Reisender nur auf Empfehlung und Fürsprache Browins als Gast des Nordens mitgenommen. Ohne zu wissen mit wem Ihr es zu tun habt. Das war mutig, aber in der Nachbetrachtung nur logisch. Jeder der mit einer Klinge umgehen kann ist stets willkommen bei einem solchen Unterfangen. Für die Größe der Wolfsmark ist die Garde eine beeindruckende Truppe. Und eure ...Wechsler... umso mehr. Das hat mich erstaunt. In Novigrad haben sie Wandler oder eher jeden den die Fanatiker und der Mob dafür gehalten haben auf den Scheiterhaufen gebracht. Ich habe das immer für falsch gehalten, und die Wolfsrudel, vorallem eure Mondschwingen strafen einen jeden der Lüge, der behauptet dass Wandler geistlose Missgeburten, oder blutgierige Monster seien.


    Ihr habt mich nach den ersten Gefechten gefragt ob ich nicht Interesse hätte hier zu bleiben. Durchaus. Und die Garde sucht, sagtet ihr. Und zusätzlich bin ich euch geneigt zu glauben, dass man mit Verstand und Wille hier zu etwas bringen kann. Ich denke, es wird Zeit ernsthaft nochmals darüber zu reden, Herr Hauptmann."

    Aiden musterte ihn eindringlich. Avalos wurde sich gewahr, dass er wohl kaum eine beeindruckende Verhandlungsposition abgab - Er konnte lediglich auf den Sommerfeldzug verweisen. Aber diese Karte würde er bestmöglich ausspielen...

    Wölfe schlafen tief im Wald

    durch den nun der Ruf der Eulen schallt

    Doch nur eine Seele liegt noch wach
    hat noch an Hexen und Geister gedacht

  • Der Hauptmann hört Aufmerksam zu, bei der ein oder anderen Bemerkung nickt er zustimmend.

    Aiden Greift nach dem Wasserkrug der auf seinem Schreibtisch steht. Er schenkt zwei Tonbecher ein und stellt einen vor Avalos.


    „Nun…. mit Mut hat das nichts zu tun, Browin hat für euch gebürgt. Außerdem hatten wir euch während des Feldzuges im Auge. Hättet ihr euch eines Vergehens schuldig gemacht, wäret ihr wie alle anderen auch, mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft worden. Auch in meiner Heimat wurden Wandler verfolg und getötet, bei uns sind diese etwas böses. Ich musste mich erst daran gewöhnen mit ihnen zusammen zu leben.“


    Sein Blick wandert kurz zu dem Körbchen unter seinem Schreibtisch, dabei lächelt er kurz.


    „Ich habe euch in den Schlachten und auch danach beobachtet. Ihr wisst wie man mit der Waffe umgeht, und auch mit den Männern und Frauen der Mark habt ihr euch verstanden. Mein Angebot bleib bestehen, wen ihr bleiben wollt seid ihr willkommen. Und ja, die Garde sucht immer fähige Männer und Frauen.“

    "Ich bin ihr Götter seid mein Zeug, blutend aber Ungebeugt"


    "Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen."

  • Der Blick nach unten war Avalos nicht entgangen. Der Hundekorb war verwaist. Wobei er in den letzten Tagen hier keinen Hund gesehen hatte. Die Vermutung lag nahe, dass der Korb jemandem gehörte, der nicht nur als Vierbeiner unterwegs war...

    -

    "Dann sollten wir uns über die Konditionen eures Angebots unterhalten. Details seid ihr nämlich durch die Umstände schuldig geblieben," entgegnete Aidens Gast mit einem

    verschmitzten Grinsen, während er nach wie vor neben dem Fenster lehnte, einen Stiefel gegen die Wand gestützt und mit verschränkten Armen.

    "Es ergab sich nie die Gelegenheit das zu besprechen. Skargen, eure untote Bettgeschichte, das schwarze Eis, eigene Gegenstöße, unter stetem Druck ist selten Platz und Raum

    für so etwas."

    Avalos Griff in die Innentasche seines zweckmäßigen, aber viel zu oft geflickten und fleckigen Halbumhangs. Mit einem leisen, schmatzenden Geräusch drückte er den angelaufenen

    Metallbügel weg, der Verschluss sprang auf und eine scharfe zitrusartige Note zog ihm in die Nase. Das letzte Fläschchen. Er grinste süffisant und genehmigte sich den letzten Zug.

    Aiden zog missbilligend die Augenbrauen zusammen und setzte an.

    Avalos lachte, und hob beschwichtigend die Hand.

    "Nur das Fläschchen ist original Ulu. Nicht mehr der Inhalt. Ich hab auf der Rückreise Ingwer und Zitronensaft besorgt. Ist leicht antiseptisch und hält die Ruhr fern.


    Der Vorfall mit den Ulumulu´s und der Bananenkiste kursierte in der Stadt inzwischen in allen Kreisen. Mit der Zeit und den Gerüchten waren inzwischen jedoch aus zwei Ulu´s ein Dutzend, und aus

    einer Bananenkiste ein ganzes Bananenschiff geworden.


    Aber genug davon. Ihr habt ein Angebot, und ich hege die Absicht zu bleiben. Also, Details bezüglich einer möglichen Dienstverpflichtung."

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    Einmal editiert, zuletzt von Avalos ()

  • Milan war zusammen mit Kira auf dem Weg in die Garnison, zuvor war sie eine Runde durch die Stadt gegangen.


    Die Bürger, Gardisten und Rekruten, welche sie bemerkten grüßten höflich. Vor Aidens Tür bleibt sie steht und klopft. Auf sein „Herein“ betritt sie den Raum.


    Der Boxer beginnt zu knurren als sie den Fremden im Raum bemerkt. Auf ein Kommando von Aiden hört Kira auf und trabt wedelnd auf Ihn zu und lässt sich kurz streichen, bevor sie mit gerümpfter Nase am Körbchen vorbei in eine Ecke geht.


    „Hallo Aiden, wie ich sehe hast du Besuch, störe ich?“ neugierig mustert sie den Mann am Fenster.

    Die Magie und die Medizin haben so manches gemeinsam, wenn man Sie nicht richtig beherrscht geht es schief.

  • "Nein du störst nicht liebes. Wir sprachen gerade darüber das Avalos in der Mark bleiben möchte. Aber er sollte sich dir selber vorstellen."


    Er gibt Alvalos einen auffordernden wink.


    "Vor allem sollte er den Fuß von der Wand nehmen und Haltung annehmen wen die Senatorin den Raum betritt."

    "Ich bin ihr Götter seid mein Zeug, blutend aber Ungebeugt"


    "Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen."





  • Er erwartete von Aiden eine Antwort. Grade als der Hauptmann Luft holte und ansetzte, klopfte es an den schweren Eichenbohlen der Tür.



    ".....Herein!"



    Die Tür schwang leise auf, und eine Avalos unbekannte Frau stand ihm Türrahmen, halb verdeckt von einem ungewöhnlich großen Hund, der leise knurrte.



    Er musterte die Unbekannte unauffällig. Adel? Hochgestellte Persönlichkeit. Teuer aussehende Kleidung in feuerrot und mit Goldfäden verziert. Die Assoziation mit

    mit den Elementen war hierzulande eher die Regel als die Ausnahme, das hatte er schon in Metathron'Tul bemerkt, und diese... Elementmagie... war durchaus

    beeindruckend. Und in diesem Falle schien das Band zum Feuer und zur Hitze mehr als offensichtlich. Es galt unauffällig herauszufinden ob diese Annahme in diesem Fall

    korrekt war - Grundsätzlich gab es bisher keinen Grund für Zweifel, und noch weniger Gründe für Verrat oder Intrigen - Aber die Erfahrung mahnte immer zur Vorsicht.



    Avalos spürte aber instinktiv, dass er es hier mit jemandem sehr gefährlichen zu tun haben konnte, wenn er sich nicht in Acht nahm. Aiden hingegen sprach mit ihr sehr vertraut

    und betitelte sie als "Senatorin", wie mächtig dieser Titel in diesen Landen auch sein mochte.



    Mit einem Ruck stieß er sich von der Wand ab, verbeugte sich elegant und stellte sich vor.



    "..... Das war die Kurzfassung. Vom Pontar bis in die Wolfsmark. Bevor ihr uns mit eurer Anwesenheit beehrt habt, waren wir dabei Konditionen beziehungsweise Details einer möglichen

    Dienstverpflichtung in der Garde zu besprechen. Hauptmann Aiden hatte mir das Angebot unterbreitet beziehungsweise war dabei, als wir auf dem Feldzug attackiert worden sind. Wir haben

    danach aber nicht wirklich noch die Zeit gefunden das in der gebotenen Güte zu besprechen."


    Wölfe schlafen tief im Wald

    durch den nun der Ruf der Eulen schallt

    Doch nur eine Seele liegt noch wach
    hat noch an Hexen und Geister gedacht

  • Milan schmunzelte etwas auf Grund der Reaktion Avalos.


    "Seit gegrüßt Avalos. Ich bin Milan d´Argot von Anderath, wie schon gesagt, die Senatorin der Wolfsmark. Außerdem bin ich hier die Chefärtzin und betreue das Hospital der Stadt. Es freut mich zu hören das Ihr euch der Garde anschließen wollt. Fähige Leute können wir immer gebrauchen."

    Ihre stimme war freundlich.


    "Ich werde euch auch nicht länger bei eurem Gespräch stören. Ich bin eigentlich nur hier um nach dem Verletzen Corporal zu sehen. Es hat ihn ja schwer erwischt..." in er gerade noch freundlichen Stimme klang nun die leichte Besorgnis um den Verletzten mit.



    Die Magie und die Medizin haben so manches gemeinsam, wenn man Sie nicht richtig beherrscht geht es schief.

  • Der Hauptmann nickt seiner Frau zu.


    "Tu das und erstatte mir bitte Bericht, wie es mit ihm weiter geht."


    Er steht auf und tritt ans Fenster, dort beobachtet er einen Moment das Training der Rekruten. Er wendet sich zu Avalos und lehnt sich ans Fensterbrett.


    "Nun, ihr wollt bleiben und strebt ein Dienstverhältnis in der Garde an. Da ihr Kanpferfahren seit und eine Militärische Ausbildung habt, wede ich euch nicht als Rekrut einstellen sondern als Gardist. Wen ihr Unterschreibt stehen euch wie allen Gardisten freie Unterkunft und Verpflegung zu."


    Kurz mustert er den zerschlissenen Mantel.


    "Ebenso bezieht ihr Kleidung und Ausrüsstung aus dem Zeughaus. Milan sprach gerade von einem Corporal der verletzt auf der Krankenstation liegt. Dieser Mann war für die Ausbildung der Rekruten zuständig. Da er längerfristig ausfällt unterbreite ich euch volgendes Angebot. Ich möchte sehen wie ihr euch als Ausbilder macht. Sollte dies zu meiner zufriedenheit ausfallen, befördere ich euch zum Corporal. Mit allen bezügen die dieser Rang mit sich bringt. Zusätzlich zu den aufgaben als Ausbilder werden erfahrene Gardisten euch in unserer arbeitsweise und Taktiken unterweisen."

    "Ich bin ihr Götter seid mein Zeug, blutend aber Ungebeugt"


    "Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen."

  • Avalos neigte nochmals den Kopf als Bezeugung seines Respekts als er vernahm, dass die Senatorin gleichzeitig Chefärztin des Lazaretts war. Ihm war bewusst, dass die Verwunderung ihm ins Gesicht geschrieben stehen musste.


    Bei der Schlacht von Brenna hatten die Adeligen und die Generäle Ärzte - der Rest musste sich mit Feldschern und den tröstenden Worten der Medica den Sterbenden gegenüber begnügen. Er erinnerte sich mit Grausen an den blutgetränkten Matsch in den Lazarettzelten, Berge von abgesägten Armen und Beinen, armen Kerlen die nach ihrer Mutter schrien weil ihnen die Gedärme aus dem Bauch quollen...


    Aber schon auf dem Feldzug war ihm die wohl organisierte medizinische Versorgung aufgefallen, und auch die Macht mit Magie zu heilen. Faszinierendes Land...


    Aiden war aufgestanden, und gesellte sich zu ihm ans Fenster. Das hölzerne Ächzen von unförmigen Übungswaffen drang zu ihnen herauf. Manche Dinge waren doch überall gleich.


    .......Zusätzlich zu den Aufgaben als Ausbilder werden erfahrene Gardisten euch in unserer Arbeitsweise und Taktiken unterweisen."


    Avalos lauschte unbewegt. Überlegte kurz, wog ab, und setzte zu einer Antwort an.


    "Euer Vertrauen ehrt mich. Für Unterkunft und Verpflegung bin ich dankbar und nehme das dankend an.

    Und ich gebe euch definitv Recht, was mein Erscheinungsbild anbelangt. Abgerissener Landstreicher trifft es aktuell sehr gut."

    Er lachte kurz, weil er eben jener Landstreicher gewesen war, zwar selbstständig, aber doch immer ohne sicheres Obdach. Sein Zuhause waren die Dörfer und Weiler Temeriens, Aedirn und Kaedwen´s gewesen, Holzbänke in den Schenken mehr als einmal seine Schlafstatt für einen einsame Novigrader Krone oder einen halben Toussant´schen Floren. Wenn die Bauern ihn denn in Münzen bezahlen konnten. Mehr als einmal gab es statt den ausgehandelten Preis plötzlich zwei oder drei lebendige Hühner ohne Fleisch auf den Rippen und miesester Laune. Man konnte kaum glauben wie schlecht gelaunte, zeternde Hühner einen terrorisieren können, angebunden an einen eigentlich altersschwachen Esel, den er auch als "Bezahlung" erhalten hatte.


    "Bezüglich hätte ich da einen Vorschlag. Es braucht lediglich ein paar Tage, drei oder vier Fischer die sich an den Steilküsten hier auskennen... Im Falle des Erfolgs habt ihr eine Menge Münzen für eine ganze Garnitur Rüstzeug gespart.

    Ich war eigentlich auf dem Weg von Novigrad nach Skellige. Ist ein abgelegenes Eiland, dem Norden hier sehr ähnlich. Aber das Meer ist launisch, der Kapitän besoffen, und das Wetter auch nicht das Beste. Stattdessen sind wir nach fünf Wochen hier gestrandet. Ein paar Meilen außerhalb den Klippen hat er den Kahn auf Grund gesetzt, und die Gezeiten haben den Rest erledigt. Vielleicht liegt irgendwo zwischen den zerriebenen Spanten noch meine Seekiste. Vielleicht ist meine Rüstung noch zu retten. Eigentlich war sie die Bezahlung für die Überfahrt, aber ich glaube kaum dass der Eigner jemals Anspruch erheben kann. Das Salzwasser wird sie angegriffen haben, keine Frage. Aber mit ein wenig Arbeit lässt sie sich wiederherstellen."


    Avalos setzte kurz ab und fixierte den Hauptmann aus den Augenwinkeln, der immer noch dem ungelenken Treiben im Hof folgte.


    "Ich kann lesen. Schreiben langsamer als lesen." Er grinste schelmisch und fuhr fort.

    "Unterschreiben kann ich also mit Name statt mit tintigem Daumenabdruck."


    "Wie hoch ist der Sold eigentlich bei der Garde?"

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    hat noch an Hexen und Geister gedacht

  • Als die Sprache auf den Sold fällt grinst der Hauptmann kurz. Irgendwie mochte er Avalos Forsche Art. Sie erinnerte ihn an sich selber in jungen Jahren.


    „Versucht euer Glück, ich stelle euch erfahrene Seeleute zur Verfügung die sich in den Gewässern auskennen. Es hängen bestimmt einige Erinnerungen daran.

    Wen ihr sie wieder in Ordnung bringen könnt dürft ihr sie gerne tragen. Was den Sold anbelangt werdet ihr erste einmal wie ein Gardist entlohnt.

    Das dürften 3 Silber und 10 Kupfer die Woche sein wen ich mich recht entsinne. Wen ihr euch beweist, und Corporal werden solltet, wird der Sold angepasst.“


    Er geht durch den Raum und zieht ein schweres in Rotes Leder gebundenes Buch aus dem Regal. Auf dem Einband prangt das Wappen der Garde.


    „Da ihr Lesen könnt gebe ich euch dies. Darin befindet sich der Ehrenkodex der Garde. Lest diesen damit ihr wisst wer wir sind und für was wir stehen.“


    Er legt das Buch auf seinen Schreibtisch und weißt mit der rechten Hand auf den Freien Stuhl davor.

    "Ich bin ihr Götter seid mein Zeug, blutend aber Ungebeugt"


    "Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen."

  • Avalos setzte sich.


    Er griff zu dem Tonbecher, den der Hauptmann ihm vor wenigen Minuten eingeschenkt hatte und nahm einen tiefen Zug.


    "Erinnerungen. Teile davon sind gefleddert. Nach Brenna. Aber der Großteil ist tatsächlich wertvoll. Mahakamer Stahl. Zwergisch, und auf Maß gefertigt. Ich habe eine Zeit lang für einen zwergischen Schmied gearbeitet, Kontrakte, Materialbeschaffung. Gezahlt hat er immer nur das Nötigste. Aber als seine Schmiede abgebrannt ist, hab ich ihn de facto an seinem Bart da raus gezerrt. Ansonsten wär er dadrin umgekommen. Bewusstlos war er schon. Der Esel ist zurück ins brennende Gebäude gerannt um sein Werkzeug zu retten. Als Dank dafür hat er mir eine Rüstung angefertigt. Zumindest Teile. Schmucklos, ohne Zierrat, aber funktional und von bester Qualität. Habe ich dann jahrelang mit mir herumgeschleppt weil ich für meine Arbeit keine schwere Rüstung gebrauchen konnte."


    Gebt mir die Kontaktdaten, dann gehe ich noch heute zum Hafen und bespreche mich mit den Fischern. Vielleicht haben wir ja Glück. Und der Sold erscheint mir mehr als angemessen. Habt Dank hierfür."


    Avalos zog das schwere, Buch zu sich heran und schlug die vergilbten Seiten auf.


    Lettern aus Blattgold. Er zog die Brauen hoch. Allein die erste Seite wäre in Wyzima ein Vermögen wert...


    Ehrenkodex der Garde der Wolfsmark


    1.) Gardist, du bist ein Freiwilliger, der mit Ehre und Treue dient.


    2.) Jeder Gardist ist dein Waffenbruder, gleich welcher Nationalität, Rasse oder Religion. Du bezeugst ihm jederzeit engste Verbundenheit, so als wäre er dein leiblicher Bruder.


    3.) Du respektierst deine Traditionen und bist deinen Vorgesetzten treu ergeben. Disziplin und Kameradschaft sind deine Stärke, Mut und Treue deine Tugenden.


    4.) Deinen Status als Gardist zeigst du durch tadelloses, immer elegantes Äußeres, dein Benehmen ist würdevoll und zurückhaltend. Deine Kaserne und deine Unterkunft sind immer sauber.


    5.) Als Elitesoldat trainierst du unerbittlich, du behandelst deine Waffe, als wäre sie dein höchstes persönliches Gut, du bist ständig bestrebt, deine körperliche Verfassung zu verbessern.


    6.) Der erteilte Befehl ist heilig, du führst ihn bis zu seiner Erfüllung aus; sollte es nötig sein unter Einsatz deines Lebens.


    7.) Im Kampf agierst du umsichtig und mit kühlem Kopf sowie ohne Hass, du achtest deine besiegten Feinde. Deine gefallenen und verwundeten Kameraden sowie deine Waffen lässt du niemals zurück.



    Es war ihm ein wenig unangenehm so lange zu brauchen.


    Aber wann hatte er denn die Möglichkeit gehabt, sich zu beüben? Lesen und schreiben hatte er nur rudimentär gelernt, auf den Straßen und auf Waldlichtungen, Monate später nachdem er dem alten Hexer das Leben gerettet hatte. Gorm hatte ihn daraufhin mitgenommen und ihn unterrichtet. Schreiben und Lesen im Staub der Wege, oder abends mit Holzkohle auf Baumrinde. Schwertkampf. Technik. Und er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Avalos niemals zu einem "richtigen" Hexer machen würde oder konnte. Das war unmöglich gewesen. Aber immerhin hatte er einem verlausten Bauernjungen eine Perspektive, eine bessere als sein durch Geburt vorgezeichnetes Leben als Bauer, gegeben. Das war schon so lange her. An die Zeit davor erinnerte er sich kaum, an die alte verrauchte Bauernkate. Selbst seine Eltern waren ihm entfallen. Nur noch Schatten, an die er auch keine guten Erinnerungen mehr hatte. Aber manchmal fragte er sich, was wohl aus seiner Schwester geworden war....

    Die Zeit mit Gorm waren gute Jahre gewesen. Professionelle Hexer konnten ganz andere Probleme lösen als er. Tschorts, Bies, Waldschrate. Vampire. Aber Hexer waren auch keine Menschen. Mutanten. Aber auch Menschen. Manche mehr, andere weniger. Richtige Gasthäuser.


    Aber als der Hexer sich übernahm und in seinen Armen starb, wurde Avalos schlagartig bewußt, dass die Lehrjahre endgültig vorbei waren. Und nur wenige Monate später legten sich die Krähen über das Land. Aaskrähen. Denn der Boden bebte unter tausenden Stiefeln, Pferdehufen, unter Signalhörnern und der Horizont war stets orange, erhellt vom feurigen Ende brennender Städte. Nilfgaard marschierte, und die Königreiche vergolten es auf dieselbe Art und Weise. Verheertes Land, Armeen die die Felder leer fraßen und sich an den Menschen schadlos hielten. Und dann kam Brenna. Dieses Gemetzel, dass den Königreichen den Sieg schenkte. Ein schaler Sieg, nur ein Atemholen, bis Nilfgaard erneut das Schwert ziehen würde... Und auch gezogen hatte. Der Grund, warum Avalos eigentlich nach Skellige wollte, um dem Unhold namens Krieg aus dem Weg zu gehen. Und nun hier war.


    "Auf welche Weise wird der Schwur besiegelt? Vor dem Protektor?"

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  • Aiden stellt das Buch wieder ins Regal

    „Der Eid wird vor der Senatorin dem Protektor und mir abgenommen, das ist Tradition. Sind beide nicht anwesend nehme ich ihn alleine ab.


    Er setzt sich und greift nach Papier und Feder. Er schreibt eine Weile etwas, und überreicht Avalos das Schriftstück.


    „Gebt dies dem Hafenmeister, er ist in der Hafenmeisterei zu finden, er wird euch alles zur Verfügung stellen was ihr braucht. Wenn ihr zurück seit werden wir euch einkleiden und euren Aufgaben zuführen.“


    An Milan Gewand sagt er


    „Hast du noch etwas hinzu zu fügen Liebes?“

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    "Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen."

  • Milan hatte in einem der beiden Stühle am kleinen Tischchen platz genommen.

    „Nun ich würde als erstes, wenn er von der Rüstungssuche zurück ist, wie bei jedem Anwärter eine Eingangsuntersuchung vornehmen um die Tauglichkeit festzustellen.“


    Sie nimmt einen Schluck aus dem Becher welchen sie kurz zuvor eingeschenkt hatte.


    „Auch wird er die Grundausbildung in der Ersten Hilft bekommen.“ Ihr Blick wandert von Ihrem Mann zu Avalos


    „Wenn ihr euch in der Garde eingelebt habt und die Aufgaben übernehmt, die im Raum stehen, könnt ihr euch auch nach einem Haus in der Stadt umsehen. Wir haben noch einige leer stehen.“


    Milan beginnt zu schmunzeln, ein Schmunzeln welches Aiden und die anderen nur zu gut kannten. „Wenn ihr besser lesen und schreiben lernen wollt, so könnt ihr gerne zu mir kommen. Ihr findet mich in meinem Büro im Hospital.“

    Die Magie und die Medizin haben so manches gemeinsam, wenn man Sie nicht richtig beherrscht geht es schief.

  • "Hmmmhmmm. Zwei von dreien sind anwesend. Es wäre aber nur redlich, den Baron dann auch mit einzubeziehen, sofern dienstlich nicht verhindert. Der Eid eilt nicht. Die Gezeiten aber schon."


    Avalos beugte sich leicht vor, und nahm Aiden das Schriftstück aus der Hand, verstaute es in der Innenseite seines verschlissenen Umhangs und erhob sich.


    "Ich empfehle mich der Senatorin. Gemäß eurem Wunsch werde ich mich zu gegebener Zeit euch nochmals vorstellen. Auf euer Angebot bezüglich des Schrifthandwerks komme ich gerne zurück."


    Mit einer Verbeugung gegenüber der Senatorin, und im Anschluss grüßend mit zwei Fingern der gestreckten Hand an der Schläfe wandte sich Avalos zur Tür.


    Er würde sich jetzt im Zeughaus der Garde erstmal neue Zivilkleidung besorgen. Diese Lumpen hatten nun endgültig ausgedient.

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    Zwei Stunden später


    Der Weg in den Hafen war leicht abschüssig, Kopfsteinpflaster. Er quetschte sich im Strom der durcheinander eilenden Menschen bis zum Kai durch, stets umgeben von fluchenden Seeleuten, um Aufmerksamkeit heischenden Händlern, Fischweibern, und dem, was man in jedem Hafen vorfand. Huren. Die Menschen, so unterschiedlich sie doch überall waren, sind doch in einigen Punkten immer gleich....


    Avalos bahnte sich den Weg zum Hafenkontor, mit der Brise der See um die Nase, und dem Rauschen des Meeres in den Ohren. Er fand das weder romantisch, noch sonst wie... emotional. Der Hafenkontor war ein funktonales, aber schmuckes Verwaltungsgebäude. Das Fundament bis zum ersten Stock aus Bruchstein, dickste Mauern mit geringster Fugenbreite. Massiv. Genauso gebaut wie die breiten, viereckigen Türme die die Hafenbucht umschlossen, mit Schießscharten gespickt von oben bis unten. Schwer befestigt, in dessen Schatten die Kriegsgaleeren wie kleine Holzspielzeuge aussahen. Er fand es verwunderlich, dass sich ein Protektorat mit einer Hauptstadt, die vielleicht 2, 3 Tausend Menschen fasste, sich so ein gewaltiges Militär leisten konnte. Avalos zuckte mit den Schultern, und trat durch das doppelflügelige Portal in die Eingangshalle. Der Boden war gefliest, an der Stirnseite emisges Treiben an diversen Schaltern. Zollpapiere, Einreise, Ausreise, zeternde Händler, Seeleute, die auf Heuer warteten. Soweit, so normal. An einem der Tresen stellte er sich an, wartete ein paar Augenblicke und schob dann einfach wortlos das gesiegelte Schriftstück durch die Durchreiche. Der Beamte machte großen Augen, eilte in die Tiefe des Gebäudes und kam mit einem weiteren Fremden zurück.

    "Das ist einer unserer Laufburschen. Er wird euch zu den Liegeplätzen der Fischer begleiten. Die werden euch unumschränkt zur Hand gehen. Kosten gehen auf unser Konto." Mit einem harschen Wink entließ er Avalos, der sich beeilen musste mit seinem Hafenführer Schritt zu halten.

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  • Der Bursche des Hafenmeisters lieft Flink und Elegant, durch die Menschen, wich Unrat Haufen oder Schwer beladenden Wagen aus..Sie Liefen am Hafenbecken Vorbei Schiffe Wurden entladen, und der Blick auf Kriegsschiffe an deren Masten Das Wappen der Wolfsmark sowie 2 unbekannte Wappen Wehten, und Kleinere Schiffe und Ruderboote.


    Am Ende des Hafenbeckens , ging der Bursche einen Rutschige Steintreppe herunter, und zeigte an den Ende des Steges: Dort Findet ihr die Fischer,. er Zeigte auf eine Kleine Ansammlung von Booten. dann Nickte er und machte sich auf den Rückweg...

    Don Balboa aus dem Hause Balboa, Sohn des Camerlengo zu Kuslik,Condottiere der Kusliker Schlangen


    Reichskämmer Im Nördlichem Siegel


    sic transit gloria mundi

  • Avalos bedankte sich bei dem Laufburschen, aber der hatte sich schon wieder auf den Weg gemacht.


    Am Ende des Steges lagen ein paar kleine Fischerboote, vielleicht ein halbes Dutzend. Die Boote waren vielleicht 4 oder 5 Meter lang, mit einem kleinen Mast und Segel ausgestattet. Eher winzige Version eines Langbootes. Aber für seine Zwecke würde es genügen. Gemessenen Schrittes ging er auf einen der Fischer zu, der mit schnellen und geschickten Fingern ein Netz durch die Hände gleiten ließ.


    "Guter Mann, ich..."


    Der Fischer zog die Augenbrauen zusammen, mit weiterhin geschlossenen Augen. Nur das Rascheln des Netzes war zu hören. Avalos fiel auf dass seine Lippen sich lautlos bewegten. Er schien die Maschen zu zählen. Der Neugardist nahm das Netz genauer in Augenschein. In jeder dritten Masche war ein Querfaden eingezogen, der deutlich anders aussah als das restliche Gewebe.

    Langsam öffnete der alte Mann die Augen.


    "Was wollt ihr? Was haltet ihr mich von der Arbeit ab? Sucht ihr Arbeit?"


    Avalos grinste schief.


    "Nein, aber ich habe Arbeit für euch."


    Mit zwei ausgestreckten Fingern reichte er die Notiz des Hafenmeisters dem Fischer. Der zog die weißen Augenbrauen noch enger zusammen und grummelte nur unwirsch, bis er sich das Schriftstück nahm und mit lautlosen Lippenbewegungen das Communique entzifferte. Offensichtlich konnte er lesen, aber warscheinlich nicht besser als Avalos.

    Er blickte auf.

    "Die Bezahlung ist fürstlich, das ist mehr als das, was wir für vier oder fünf Fässer Hering bekommen. Aber es steht nicht drin, was für Arbeit wir genau verrichten sollen?"


    Avalos grinste, denn diese Reaktion hatte er nicht erwartet. Der ausgelobte Lohn betrug 30 Kupferstücke für jedes Besatzungsmitglied. Das war eine wichtige, aber subtile Information. Er hatte keinerlei Vergleich was eine Novigrader Krone oder ein Floren hier für einen Wert haben mochte, von Umrechnungskursen ganz zu schweigen. Er konnte lediglich die Entgelte für Waren oder Dienstleistungen aus seinen Erinnerungen mit der aktuellen Situation vergleichen. Der Bevölkerung schien es nicht am Notwendigsten zu mangeln, aber Wohlstand? Eine Flasche Rum kostete schon 30 Kupfermünzen...


    Er hob leicht die Schultern und setzte zu einer Erklärung an.


    "Ihr werdet mit mir ein oder zwei Tagesreisen nach Süden segeln. Vielleicht auch drei. Irgendwo an der Küste gibt es eine Flachwasserbank, mit einem Kiesstrand dahinter. Hohe Klippen. Vor einigen Monaten ist dort ein Frachtschiff gestrandet. Vielleicht hat die Brandung noch etwas über gelassen oder das Wrack weiter auf die Bank geschoben. Bei Niedrigwasser sollten wir noch drankommen können. In dem Wrack liegt etwas, das mir gehört."


    Der alte Fischer machte große Augen. Nach Süden fahren wir nicht mehr. Da gibt es diese... Drachenboote."


    Avalos zuckte gleichmütig mit den Schultern. "Ich bin mir sicher dass wir keinerlei Probleme bekommen werden. Es sind schon seit annähernd zwei Wochen keine Skargen mehr gesichtet worden."


    ____________________________________________________

    Zwei Tage später.


    Das Wetter war unstet gewesen; Nebel, Sonne, Wolkenbrüche, wieder Sonne. Zwei Tage, und der Nachmittag neigte sich bereits dem Ende zu. Die Küste zog vorbei; Klippen, Riffe, Brandung, das Salz der Luft. Plötzlich verengten sich Avalos Augen zu Schlitzen und er sprang auf.


    "Da! hinter diesem vorstehenden Kliff vor uns ist die Sandbank!"


    Das Boot durchschnitt die Wellen, legte sich scharf in die Kurve während die Seeleute an der Takelage zogen, der alte Fischer mit vollem Gewicht gegen das Ruder gestemmt. Direkt hinter dem Kliff beruhigten sich die Wellen - schon fast eine Totzone, im dunklen Wasser, das scheinbar keinen Grund zu kennen schien.


    Und tatsächlich. Genau hinter dieser trügerisch ruhigen Brandungszone ohne Brandung verrieten kleinste Wellen dass die messerscharfen Kliffböden hier nur ein oder zwei Handbreit unter der Oberfläche lagen. Dahinter ein steiniger, verlassener Strand aus Kies, der sich in unendlichen Falten der Klippen dahinter verlor. Irgendwo da lag dieser steinige Ziegenpfad, den er damals genommen hatte, mitten im Irgendwo des Nirgendwo.


    Einer der Fischer streckte nur den Arm aus und zeigte auf etwas. Das Wrack war durch die Gezeiten fast zur Hälfte auf die Untiefe geschoben wurden, unnatürlich gebogen und überall mit herausstehenden Planken, gesplitterten Bohlen und sich leise in der Brise bewegenden Hanfseilen. Das Heck lag halb versunken im Wasser, während das unterste Drittel des Bugs garnicht mehr vorhanden war. Abrasiert durch die Gewalten der Gezeiten und der Brandung.

    Ihm fröstelte leicht bei dem Anblick. Das Sonnenlicht war inzwischen hinter Wolkenbänken verschwunden. was überblieb, war Zwielicht, was dem Wrack eine unheilvolle Aura verlieh. Ein Geisterschiff, wie aus alten Erzählungen.


    Die Seeleute steuerten mit großer Umsicht die kleine Nussschale durch die trügerische Untiefe. Der Rumpf kratzte leicht an unterseeischen Felsgraten, die mit ein wenig mehr Wucht eine Handelskogge mit Leichtigkeit aufspießen konnten. Einer sprang heraus, mit einem mehreren dicken Ankertauen. Er vertäute die kleine Nussschale mit geübten Handgriffen an vorstehenden Vorsprüngen, bis das Fischerboot sich nicht mehr bewegte. Der alte Fischer strich sich über den Bart.

    "Es sind vielleicht noch zwei oder Stunden bis zur Dämmerung. Die Flut kommt nur wenig später. Die Taue sind lang genug, dass wir nicht kentern wenn die Flut einsetzt. Aber alles andere wird fortgetragen oder versetzt, denn nur durch die Flut ist dieses Wrack soweit auf die Bank gehoben worden."

    Avalos nickte bedächtig. Ich denke, dass ich nicht lange brauchen werde. Und selbst wenn ich heute nicht fündig werden sollte, morgen ist auch noch ein Tag."


    Er drehte sich um und sprang auf das Kliff.

    Das Wrack war vielleicht 20, 30 Meter entfernt. Er griff sich einer der herunter hängenden Taue, deren Ende irgendwo in den Resten der Takelage vertäut gewesen sein sollten. Oder sonst wo in diesem Knäuel aus gestürztem Mast, zerfetztem Segeltuch und hervorstechenden, armdicken und gesplitterten Deck- und Bordplanken. Avalos wickelte sich das Tau um den Unterarm und fing an die Bordwand hinauf zu klettern. Der Rumpf war rutschig, wies aber überall Risse, Löcher und Sprünge auf. Mit einem Ächzen und einer letzten Kraftanstrengung packte er sich einen Rest Reling und zog sich auf das Deck.
    Überall lagen Trümmer, Seile, Zubehör. Keine Leichen. Irgendwo knarzte und stöhnte das Holz unter der anrollenden Brandung. Mit vorsichtigen Schritten bahnte er sich einen einen Weg durch das Chaos zu den hinteren Aufbauten, immer leicht abwärts. Der Kiel musste zwar gebrochen sein, aber noch hielt er das Heck halbwegs am Rest des Schiffs. Der Heckspiegel war schon halb im Wasser versunken. Lange würde das Wrack nicht mehr den Elementen widerstehen, brechen, und dann in der Tiefe verschwinden. Aber hoffentlich weder heute, noch morgen. Die Tür zum innen liegenden Deck war verzogen, und ließ sich nicht mehr öffnen. Mit ein oder zwei kräftigen Stiefeltritten trat Avalos die siffigen Holzplanken auseinander, griff durch das Loch und suchte nach den Verriegelungen an den Scharnieren. Irgendwann gab die Tür dann doch noch nach und trat ins dämmrige Halbdunkel.

    Halb rutschend, halb tastend, arbeitete er sich durch den dunklen Gang mittschiffs in den Heckspiegel vor. Links und rechts kleinere Durchgänge, nur abgetrennt durch grünstichige Segelplane. Kajüten der Mannschaft und der "Gäste" auf den Überfahrten. Schließlich trat er aus dem Halbdunkel in ein geräumiges Zwischendeck. Die Neigung war bedenklich stark geworden, und der Raum halb geflutet. Durch die ehemals verglasten Heckfenster drang durch das Wasser ein trüber Schein des letzten Tageslichts herein. Es war ein unwirklicher Anblick. Das Mobiliar stand noch an Ort und Stelle; Zum Schutz vor dem Seegang waren die wenigen Möbelstücke auf Schiffen angenagelt. Es war die ehemalige Kapitänsmesse gewesen. Die Gemälde an den Wänden waren stockfleckig; Vom Schimmel und der Nässe fast unkenntlich grau. Nur ein einziges Porträit war noch halbwegs erkennbar. König Radovid der Gestrenge, Herrscher von Redanien. Aber auch er hatte seinen wahnsinnigen, faschistoiden Glanz hier längst verloren. Nichts weiter als eine weit, weit entfernte Erinnerung. Er schob die Gedanken beiseite und ließ den Blick schweifen. Und er wurde fündig. Halb im Wasser, aber immer noch an Ort und Stelle, stand eine schwere beschlagene Truhe in Übergröße an der Wand. Eine Vitrine war halb darüber gekippt, das restliche Glas in den Flügeltüren war blind und stumpf geworden. Keine Spiegelungen, und kein Glanz mehr. Wie sehr hatte er sich von diesem räudigen, alkoholkranken Kapitän doch blenden lassen, als er hier seine Überfahrt in dieser Kajüte unterzeichnete! Damals war der Raum hell erleuchtet, Öllampen in gusseisernen Haltern an den Wänden, warm und behaglich, während der Regen leise an die großen Heckfenster klopfte, damals, im Hafen von Novigrad....

    Wölfe schlafen tief im Wald

    durch den nun der Ruf der Eulen schallt

    Doch nur eine Seele liegt noch wach
    hat noch an Hexen und Geister gedacht

  • Vorsichtig arbeitete er sich zu der Truhe vor, bedacht auf einen festen Stand, um nicht aus dem Wrack gespült zu werden. Mit klammen Fingern wuchtete er die zerschlagene Vitrine vorsichtig zur Seite und versuchte den Deckel zu öffnen. Die Schlösser waren noch intakt. Und daher auch nicht zu öffnen. Avalos fluchte mit zusammengebissenen Zähnen. Hätte der Kapitän nicht darauf bestanden bereits im Vorfeld sämtliches von Wert in seiner Truhe zu verstauen....

    Die Schlüssel würde er nicht finden, da war er sich sicher. Wahrscheinlich hatte der Kapitän eben jene Schlüssel stets bei sich getragen, auch als er bei der Havarie ins Meer gespült wurde. Nicht, dass er das noch mitbekommen hätte, so betrunken wie diese Missgestalt stets gewesen war. Vielleicht kam er anders an den Inhalt der Truhe. Die Schlösser waren nicht zu öffnen. Aber was mit den Scharnieren? Schlösser ölte man; Aber ob man auch an die Scharniere gedacht hatte? An die Scharniere zu kommen sollte nicht das Problem sein; Jedes Deck war durchgehend gebaut, Zwischenwände modular; So konnte man mit wenig Aufwand große Kajüten in kleinere unterteilen, kleine zu großen zusammenlegen; Je nach Bedarf und Luxus. Vorsichtig tastete sich Avalos die Wand entlang, bis zum Durchgang in den Nebenraum. Die ehemalige Verpflegungsmesse der Offiziere und der gesitteten Gäste. Nicht, dass er zu einem solch illustren Kreis gehört hätte. Auch hier herrschte graues, nasses Zwielicht. Auf dem abschüssigen Boden ließen sich sogar noch Kreuz und quer Besteck, Teller, Zinnkrüge, zerbrochene irdene Gefäße ausmachen. Leise zählte er seine Schritte, bis er auf Höhe der Truhe war, die hinter der Zwischenwand stehen musste. Tatsächlich waren die Rillen im Holz noch zu sehen, die die mögliche Raumaufteilung vorgab. Mit ein paar kräftigen Tritten gegen die untere Bodenkante der Holzplatte schaffte er es tatsächlich, die hölzerne Wand ein wenig in die Neige zu versetzen; Mit beiden Händen hakte er sich danach oben in den Spalt und zog. Zuerst passierte garnichts. Und plötzlich mit einem dumpfen, berstenden Geräusch, brach die ganze Wandplatte in der Mitte durch. Damit hatte er zwar gerechnet, aber er verlor trotzdem den Halt. Mit den Armen rudernd versuchte er sein Gleichgewicht wiederzufinden, aber bis zu den Knien im Wasser war das ein unmögliches Unterfangen, und er fiel der Länge nach in die halb geflutete Kabine. Eisig kaltes Wasser schlug über ihm zusammen und raubte ihm für einen kurzen Augenblick die Sinne, bevor er mit dem Hinterkopf auf den Planken aufschlug. Ein stechender Schmerz schoss ihm durch den Schädel, und die Welt explodierte vor seinen Augen. Irgendwie, um Besinnung ringend rappelte er sich wieder hoch und hielt sich an einem hervorspringenden Deckbalken fest. Tief durchatmen...

    Aber sein Ziel hatte er erreicht. Der verbliebene Teil der Steckwand ließe sich jetzt einfach aus seiner Führungsfuge heraushebeln. Mit bleischweren Gliedern schob er den Holzrest beiseite und musterte die beiden, zur Unkenntlichkeit verrosteten Scharniere. Das Gusseisen hatte sich weitestgehend in Rost aufgelöst und tief ins ständig feuchte Holz gefressen. Avalos zog ein Messer und schob die Klinge vorsichtig zwischen Scharnier und Holzbohle. Mit leisem Schaben und viel Gefluche bewegte er die Klinge hin und her. Zuerst weniger als ein oder zwei Millimeter, aber mit der Zeit wurde das Spiel immer größer bis das Scharnier mit einem letzten Ächzen nachgab und sich aus dem Holz löste. Das Andere hingegen wehrte sich unerbittlich. Schließlich hebelte er in mühevoller Kleinstarbeit die Nägel aus Holz und Beschlag und zwang es damit in die Knie. Ein wölfisches Grinsen schob sich auf Avalos´Gesicht. Seine Klinge rammte er jetzt in den Spalt zwischen Truhenkorpus und Deckel und fing an zu hebeln. Die Klinge bog sich bedenklich, und er war sich fast sicher, dass sie brechen würde. Aber der Spalt wurde tatsächlich größer. Warscheinlich verbog er gerade mit jeder Messerbewegung die internen Stifte der beiden Schlösser, und irgendwann würde die filligrane Mechanik durch die ungewohnte Belastung nachgeben. Aber soviel Glück war ihm nicht vergönnt. Mit einem Knarzen bog die Messerklinge sich, und barst einfach. Avalos fing an lautstark zu fluchen, besann sich aber und sah sich um nach irgendeinem Hebelwerkzeug oder etwas, was er entsprechend zweckentfremden konnte. Der Schürhaken aus der Kombüse kam ihm da grade recht. Und diesmal hatte er mehr Glück, denn damit ließ sich bei weitem die Hebelwirkung potenzieren. Und tatsächlich gab jetzt auch das zweite Schloss nach.


    Erschöpft, aber glücklich, watete er durch das Halbdunkel zurück in die Kapitänskajüte, griff sich den abstehenden Truhendeckel und zog nochmal kräftig. Der schwere Truhendeckel ließ sich tatsächlich einfacher als gedacht nach vorne weg wuchten; die restlichen Schlossarmierungen hatten gegen den unnatürlichen Winkel und die Schwerkraft den Kürzeren gezogen. Neugierig warf er einen Blick in die Truhe. Und tatsächlich zeichneten sich die dunklen Umrisse seiner Körperpanzerung ab. Die restliche Truhe hier rauszuschleifen wäre utopisch. Also zusammenraffen. Avalos griff sich eine zerschlissene, grau angelaufene leinerne Tischdecke aus einem offenstehenden Schrank, knotete die Enden zusammen und begann vorsichtig, die stählernen Teile seiner nach wie vor in Ölpapier eingeschlagenen Rüstungsbestandteile auf die Tischdecke zu legen. Das ölige Wachsgeflecht hatte tatsächlich größeren Rost verhindert. Selbst sein Helm war trocken geblieben, obwohl die Kiste halb im Wasser stand. Ihm wurde plötzlich gewahr, dass er nicht der Einzige gewesen war, der seine Wertsachen für die Überfahrt verpfändet bzw. abgegeben hatte. Was sollte es den Rest der verschwundenen Mannschaft also kümmern wenn er die restlichen Sachen auch noch mitnahm. Kleinere Schatullen, Briefe, Schachteln, in (jetzt nassem) Leder eingeschlagene Lederumschläge; Ein paar Münzbeutel. Er verstaute die kleineren Sachen in seinen Gürteltaschen, warf einen Blick über die Schulter und zog seine Beute in der Tischdecke nun den Gang hinauf. Inzwischen hatte das Licht noch weiter nachgelassen; Er musste sich beeilen. Draußen an Deck überlegte er fieberhaft, wie er seine Errungenschaften vom Schiff bekommen sollte.

    Kurzentschlossen band er noch die restlichen Ecken des arg zerschundenen Leinentuchs zusammen, suchte sich ein Tau und schlang es um das Tischtuch. Er hoffte bloß, dass nichts herausfallen würde. Vorsichtig ließ er es in die Brandung hinab. Dagegen half das Wachspapier auch nicht mehr, dachte er sich trübsinnig. Aber eine andere Möglichkeit sah er einfach nicht. Die Fischer hatten ihn aber gesehen, und zwei von Ihnen nahmen sein Bündel in Empfang, und ihn letztendlich gleich mit, als er sich an der zerborstenen Bordwand abseilte.

    Die restliche Ladung des Schiffs wäre auch hier eine hübsche Summe wert gewesen, aber eine Bergung stand zum jetzigen Zeitpunkt außer Frage. Vielleicht in zweiten Trip, wenn das Wrack noch so lange Poseidons Launen ertragen würde. Aber er rechnete damit nicht wirklich.


    Die Fischer drängten zum Aufbruch, um noch vor der einsetzenden Flut aus der Buch zu kommen. Sie verstauten seine Beute, ohne sich im Übermaß dafür zu interessieren, lösten die Taue und legten die beiden Ruderpaare aus. Avalos ließ sich erschöpft im Bug des Boots nieder. Seine Glieder waren bleischwer, und sein Kopf pochte immer noch. Er schloss die Augen, und ließ sich vom leichten Schaukeln davon tragen.

    Wölfe schlafen tief im Wald

    durch den nun der Ruf der Eulen schallt

    Doch nur eine Seele liegt noch wach
    hat noch an Hexen und Geister gedacht