Ein verdächtiger Traum

  • OT: Diese Spielszene ist für Xyrane und Charaktere aus Kjona. Wenn jemand als Gast dazukommen möchte, bitte vorher eine PM schicken - danke


    Wann: Nach Xyranes Besuch in Paolos Trutz

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    Es hatte geregnet, doch an diesem Abend hatte der Himmel aufgeklart und ein schier endloses Blau erstreckte sich über den Pfahlbauten von Kjona.


    Xyrane wurde von zwei Uruks begleitet, die sie auf einem kleinen Wagen über die Ebene transportiert hatten. Als sie sich Naira näherten, die an einem Holzfeuer vor dem Hütten saß, verließen sie sie.


    Die Elbe hob zum Gruß die Hand.

  • Xyrane warf den Uruks noch einen langen Blick hinterher und konnte ein leichtes Schaudern nicht unterdrücken. Dennoch straffte sie sich, als sie sich dem Feuer und Naira näherte, und warf den nassen Umhang über die Schultern nach hinten, um die Hände an den Flammen zu wärmen.


    „Ich grüße dich“, sagte Xyrane und machte eine leichte Verbeugung. „Deine Einladung war... knapp, um das mindeste zu sagen.“ Sie ließ den Blick über die Häuser auf Stelzen wandern. „Ich nehme nicht an, dass du mir nur die ungewöhnliche Architektur Kjonas zeigen wolltest?“

  • Ungewöhnliche Architektur? Naira war kurz irritiert. Aus ihrer Sicht waren die Pfahlbauten durch und durch menschliche Behausungen. Aber die Najorim bevorzugten Steinhäuser, wie ihr die Zugezogenen erklärt hatten. Seltsame Idee - Räume aus Stein an der Oberfläche zu bauen, wenn es doch Räume aus Stein im Untergrund gab - aber deswegen war Xyrane wirklich nicht hier...


    "Ich wollte dich um etwas bitten. Du verstehst ja etwas von Träumen. Und ich muss einen Traum verstehen." sagte sie.


    "Der Traum, den ich bekommen habe, ist die Bezahlung für etwas, das ich getan habe. Aber ich kann damit nichts anfangen. Ich möchte wissen, ob der Traum etwas wert ist oder ob ich um meinen Lohn gebracht wurde. Kannst du mir helfen?"

  • Xyrane runzelte die Stirn. Ihre Gastgeberin hatte einen Traum als Bezahlung erhalten? Sollte sie sich wieder eine Fae als Bekanntschaft zugelegt haben? Aber nein, Naira machte einen durch und durch weltlichen Eindruck, wenn auch weitaus graziler als die meisten Menschen.


    „Ich kann es versuchen“, sagte sie schließlich zögernd. „Ich bin keine Traumdeuterin, aber aus meinen eigenen Träumen habe ich einiges gelernt.“ Sie rieb die Hände noch einmal dicht über den Flammen und sah sich nach einer Sitzgelegenheit um.


    „Darf ich fragen, wie dir der Traum... gegeben... wurde?“

  • Die Elbe selbst saß in dem üblichen Kreis aus verstreuten Sachen, die sich sowohl auf dem Boden als auch mehreren, mit Fellen bedeckten Sesseln befanden. Man hatte bei Naira immer diesen Eindruck, dass materielle Dinge ihr zwar Freude bereiteten, aber in ihrer Nähe schneller alterten, als es nötig gewesen wäre...


    "Er wurde mir erzählt." antwortete Naira schlicht und sah die Menschenfrau erwartungsvoll an. Sie hatte keine klaren Vorstellungen, was Traumkundige taten. Nur dass Xyrane vermutlich nicht in Blut kosten wollte, schien wahrscheinlich...

  • „Hm.“

    Die Besucherin zog sich den Umhang von den Schultern, ehe sie sich auf einem Sessel mit Hirschfell nahe dem Feuer niederließ. Umhang und ihre Tasche legte sie neben sich auf den Boden.


    „Ich weiß, dass die Feen sich gerne mit Träumen entlohnen lassen; für sie ist der Sinn offensichtlich.“ Xyrane lehnte sich, mit auf den Knien aufgestützen Ellenbogen, nach vorne zu Naira und faltete die Hände unter dem Kinn. „Erzähle mir diesen Traum. Ich werde versuchen, ihn zu deuten - ob er dann für dich von Wert ist, musst du entscheiden.“

  • Naira nickte. Sie ahnte, dass Xyrane etwas Anderes von ihr erwartete, als sie ihr jetzt sagen würde...


    "Der Traum handelte irgendwie von mir. Und er war verbunden mit diesem Ding hier."


    Ihr nackter Fuß schob ein kleines Objekt halb unter ihrem Sessel hervor und in Richtung der Menschenfrau.

    Es handelte sich um die Figur einer Eule oder eines Käuzchens, geschnitzt aus Kirschholz. Sie war wenig detailliert, sondern eher wie ein kleiner Ball mit der Andeutung von Ohren, Schnabel und Füßen.


    "Mehr habe ich auch nicht erfahren. Nur dass die Eule mich zu einem wichtigen Wendepunkt in meinem Leben hier führen wird. Eine Entscheidung über meinen Wandel. seitdem ich befreit bin von meiner Bindung an Terra."


    Das Spitzohr seufzte. Dem Material und der Ausführung nach fürchtete sie, dass die Figur doch wieder etwas mit Terra zu tun haben könnte...

  • „Du hast mich schon einmal nach dieser Figur gefragt.“ Die Rothaarige erinnerte sich, dass Naira sie auf dem Feldzug angesprochen und ihr die kleine Eule gezeigt hatte. „Da wolltest du wissen, wem sie gehören könnte...“ Ihre Stimme verlor sich kurz, während Xyranes Blick auf der Figur ruhte und erneut jedes Detail zu ergründen versuchte. Offensichtlich war mehr daran, als die Elbe ihr damals hatte sagen wollen. Oder können. Jetzt tat es ihr ein wenig leid, dass sie Naira damals so abgewimmelt hatte.


    „Eulen stehen in vielen Kulturen für Wissen und Weisheit“, sagte sie schließlich, ohne von der Figur aufzusehen. Eigentlich sprach sie nur ihre Gedanken laut aus. „In manchen Regionen gelten sie als Todesboten. Einige Religionen betrachten Eulen als Hüter der Dämmerung, welche die Dämonen des Zwielichts in Schach halten. Oder sie rufen. Hüter von Geheimnissen. Wo ich herkomme, gilt ein Heiler mit Eule als besonders hellsichtig, weil der Vogel ihm Visionen über den tieferen Grund einer Erkrankung geben kann.“ Jetzt schmunzelte sie leicht und blickte Naira wieder an. „Ich glaube ja eher, dass jemand, der eine Eule an sich binden kann, einfach nur verständiger ist und deswegen Krankheiten besser versteht, aber ich bin auch schon lange aus meiner Heimat fort.“ Xyrane lächelte kurz entschuldigend für diesen Exkurs in Aberglauben. Dann blickte sie wieder kurz zu der Figur, ehe sie ihrer Gastgeberin in die Augen sah.

    „Wie ich dir schon auf der Insel sagte, auf Mythodea lassen mich Eulen als erstes an die Ouai denken; aber die sind nun fort.“Bedauern huschte über ihre Züge.

  • Naira schwieg eine Weile, während sie gedankenverloren mit ihren Fingern Gras ausriss.

    "Auf Mythodea sind die Dinge oft einfacher gestrickt als anderswo..." setzte sie dann wieder an, fast etwas entnervt.

    "Man denkt über die schlauesten Verbindungen nach, aber meistens entpuppt sich das später als völlig überflüssig! Das Erstbeste ist es oft... Ja, es könnte um irgendeine echte Eule gehen oder um das Symbol. Aber ---"


    Sie wischte das Gras auf dem Fell zusammen und warf es auf einen kleinen Haufen.


    "Irgendwas hat es genau mit dieser Figur auf sich! Die Figur kam im Traum vor. Wie ist sie da hinein und wieder hinaus gekommen?"

    Sie suchte nach einem Vergleich.

    "Wenn ich dir eine Aru-Feder schenken würde - in deinem Kopf kann die Feder dann für mich stehen. Nicht für den Aru. Und wenn du die Feder jemand anderem gibst, würde derjenige es sehr schwer haben, wenn er das Symbol einer Feder auf Mythodea sucht... oder alle Tiere mit Federn... Vielleicht, hab ich mir gedacht, ist es leichter, jemanden zu finden, der SO ETWAS oder genau DAS verschenken würde?"


    Eher unwillig sah sie wieder diese Figur an. Dieses Ding entsprach so überhaupt nicht ihrem Stil! Es erinnerte sie an... eine Person, die ihr immer wieder vollkommen hässliche Dinge geschenkt hatte. Terra-Anhänger schleppten sowas mit sich rum. Gutmütige Menschen, Leute aus dem Süden. Wesen, die nur im Kreislauf denken konnten... die sich ständig vermehrten.

  • Die Rothaarige sagte lange nichts, beobachtete nur die frustrierten Geste der Elbe vor ihr und ließ sich deren Worte durch den Kopf gehen. Was sie, Xyrane, gesagt hatte war wohl nicht ansatzweise das gewesen, was Naira zu hören gehofft hatte. Sie durchforstete ihren Geist nach jemandem, der Eulen verschenken würde, aber ihr fiel niemand ein. Grillen zirpten , und irgendwo gab ein Vogel einen quäkenden Schrei von sich.


    „Ich könnte mir ansehen“, sagte sie schließlich vorsichtig, „wie diese Figur sich auf den Sphären abbildet. Also, ob sie einem Element näher ist, oder ob sie mit den Verfemten zu tun hat. Oder mit dem Traum.“ Xyrane legte den Kopf schief und zuckte leicht mit den Schultern, wobei sie ihre Gastgeberin entschuldigend ansah. „Es tut mir leid, wenn ich dir nicht die Hilfe sein kann, die du dir wünschst.“ Gegen Ende kratzte ihre Stimme etwas. Sie räusperte sich und fischte nach ihrer Tasche, um ihre Wasserflasche herauszuholen.

  • Naira blickte überrascht auf.

    "Mit den Verfemten ganz sicher nicht! GANZ sicher nicht!" betonte sie. "Ich soll mit dieser Eule jemanden suchen, der sie entweder gemacht oder verschenkt hat oder für den diese Eule steht. Und es ist auf jeden Fall jemand von uns! Es kann ein Siedler sein oder jemand von den Elementarvölkern. Aber niemand, der paktiert."


    Sie umschlang ihre Knie mit den Armen.


    "Ich bin mir nur nicht sicher, ob dieses Material und das Tier auf etwas von Terra deutet. Das ist was, das mich skeptisch macht. Vielleicht ist es ein Zufall. Vielleicht war nur kein anderes Objekt zur Hand. Ich hoffe nur, es sind nicht die Narech Tuloch! Ach, ich weiß auch nicht... es verwirrt mich immer mehr... wenn mir gesagt worden wäre `Folge dem Schatten dort´, dann hätte ich etwas damit anfangen können! Aber ich finde das Ding an sich schon so... terramäßig. Und ich will doch nie wieder angebunden werden! Nie wieder!"


    Die letzten beiden Sätze hatte sie mit sehr viel Nachdruck ausgesprochen und dabei ihre Arme erhoben. Xyrane spürte einen Luftzug von dieser heftigen Armbewegung und einen leichten Duft zu ihr wehen. Aber mehr noch spürte sie Nairas urplötzliche Aufregung, fast etwas wie Zorn.


    Viele Leute hatten schon erlebt, wie Naira ohne ersichtlichen Grund plötzlich wütend geworden war, unangemessen patzige Antworten gegeben oder sogar mit dem Fuß aufgestampft hatte. Sie schien dann drauf und dran, im nächsten Augenblick eine Waffe zu ziehen. Tatsächlich machte sie meistens empört auf dem Absatz kehrt und dampfte davon, während man kopfschüttelnd hinter ihr hersah.

    Aber jetzt saß Xyrane direkt vor Naira, und diese Welle von Gefühl kam wie aus dem Nichts auf sie zu. Sie kannte Ignis. Und sie hatte Wesen in fehlender Balance erlebt - das hier war sicher nicht mit fehlender Etikette zu erklären.

    Naira hatte bisher mitnichten auf Xyranes direkte Fragen reagiert. Sie schien die Vorschläge gar nicht zu hören... so als ob sie eigentlich um ein anderes Thema kreiste. Oder eher ein Gefühl.

  • Als Nairas rohe Emotion Xyrane so unvermittelt traf, zuckte sie zuerst leicht zurück, doch ihre Augenbrauen zogen sich bereits zornig zusammen. Womit hatte sie diese Anfuhr verdient? Sie war der Einladung gefolgt, weil die Elbe um Hilfe gebeten hatte, und nicht um sich so anpampen zu lassen! Xyrane spürte, wie verkrampft ihre Kiefermuskulatur war, als sie aus ihrer fast leeren Flasche trank, und sie rang mit sich, ihren Jähzorn nicht die Oberhand gewinnen zu lassen. Jetzt aufzustehen und zu gehen würde niemandem etwas bringen. Trotzdem kochte sie innerlich.


    Wieder schwieg sie lange, während sie ihren Zorn von Nairas Aufgebrachtheit zu trennen versuchte. Die Art, wie sie die Flasche hielt, wirkte ein wenig, als wolle sie das Gefäß erwürgen. Schließlich gewann die Helferin in Xyrane, der Charakterzug, ob dessen sie überhaupt Diplomatin geworden war. Etwas, das die Elbe gesagt hatte, gab Möglichkeit zur Richtungsänderung. Sie atmete durch und glättete -mühsam- ihre Miene.


    „Du hast das schon einmal gesagt, daß du dich von Terra gelöst hast.“ Zu Beginn waren Xyranes Worte noch gepresst und beherrscht. „Ich weiß wenig über dich, Naira, Muse des Nordens. Du hast mit mir noch nie über dich gesprochen - du kannst also nicht erwarten, daß ich deine Geschichte kenne.“ Sie trank noch einen Schluck und schüttelte leicht den Kopf; eine Angewohnheit, um ihre Gedanken zu klären. Der Zorn war noch da, wurde in ihrer Stimme aber durch echtes Interesse ersetzt. „Was meinst du, wenn du sagst, du willst nie wieder angebunden werden? Woher deine Wut auf die Smaragdsänger?“

  • Naira sah die Hand an der Flasche und spürte ihrerseits, wie sich Xyrane aufregte. Für sie war das ein sehr gutes Zeichen. Der Beginn einer Freundschaft.


    Sie beugte sich vor und sagte leise:

    "Weißt du, mein Volk ist nicht gut in Worten. Wo ich gelebt habe, in der Finsternis, war jedes Geräusch zuviel. Wir teilen stattdessen Gefühle."


    Sie wartete, dass sie sich ein wenig mehr beruhigte, und fuhr dann fort:

    "Es fällt uns schwer, Gedanken zu... sortieren. Cupa sagt, ich sei zuviel in meinem Kopf. Das liegt aber nur daran, dass ich versuche, wie ihr zu sprechen. Bevor ich etwas sage, muss ich alles erst auseinander halten, obwohl es für MICH alles zusammenhängt! Man hat mir oft genug gesagt, dass man nicht versteht, was ich versuche mit Worten auszudrücken... es ist bis jetzt schwer für mich mitzuteilen, was in mir vorgeht. Sobald ein Gefühl in mir aufsteigt, wird es noch schwieriger, mich darauf zu konzentrieren.

    Und ich übertrage Gefühle. Davon habe ich mich leiten lassen, um hier auf Mythodea Anschluss zu finden. Ich hätte sonst nicht überlebt."


    Ihr Stimme war immer nachdenklicher geworden, und nun murmelte sie fast:

    "Ich habe meine Gefühle geteilt mit Wesen, die sehr stark von einem Element berührt waren. Weil sie mir zugehört haben. Und sie haben mich mit IHREN Gefühlen und Überzeugungen erfüllt, immer wenn ich Zuneigung gespürt habe. Es war meistens nicht ihre Absicht, und bestimmt nicht ihre Schuld, dass es mich so sehr erfüllt und geprägt hat. Aber es hat mir viel meiner Freiheit genommen. Ich stehe Aeris genauso nahe wie Terra, manchmal näher. Es war nicht richtig, mich zu zähmen."

  • Während Xyrane eine Weile nachdachte, zog die Elfe einen Beutel hervor und kramte darin herum, bis sie ein kleines Fläschchen gefunden hatte. Es war hübsch verziert mit schwarzen Linien und Steinen, so dass man zuerst an einen Schönheitsbalsam hätte denken können.


    Das Spitzohr brach das silberne Wachssiegel, entkorkte das Fläschchen und schüttete sich die bläuliche Flüssigkeit in den Mund. Dabei schloss sie kurz die Augen, als genieße sie jeden Tropfen.

    Achtlos das Fläschchen fallenlassend, das einfach ins Gras rollte, ließ sie sich dann auf ihren Platz zurücksinken und betrachtete Xyrane lächelnd. Die Wut war schlagartig verschwunden.