Goldener Besuch

  • Wann: Einige Tage nach dem Konzil in Windhaven
    Wo: Kjona
    Wer: Talamil und Einwohner Kjonas


    Es war einige Zeit vergangen, in der sich Pater Richie und das Fräulein Salbei nach Windhaven verabschiedet hatten, um dem dortigen Konzil beizuwohnen. Die diplomatische Zusammenkunft in der westlichsten Stadt des Nördlichen Siegels war sehr informativ gewesen. Man hatte an Vorträgen und Diskussionen zu allerlei Themen teilgenommen.


    Die beiden Pilger hatten eben ihr Reisegepäck in ihrer Hütte verstaut und waren auf dem Weg ins Haupthaus, als sie Naira über den Weg liefen.

    Seid gegrüßt, meine liebe, es freut uns, Euch wiederzusehen. Ich hoffe, alle sind wohlauf?“, sagte der Pater zu Begrüßung. „Wir hatten eine interessante Reise, und ich werde Euch noch von den Ergebnissen berichten, aber zunächst will ich einen Besucher ankündigen: einen Edalphi namens Talamil. Ein sehr freundlicher und gebildeter Mann. Er ist auf der Durchreise in den Osten, weshalb ich mir erlaubte, ihn hierher einzuladen und ein wenig von seinem Volk zu erzählen. Ich hoffe, Euch ist das recht?


    In der Tat wusste der Pater nicht, wie sich Hochelfen mit den Edalphi verstanden, aber er hatte gehofft, dass ein Vertreter eines Elementarvolkes Magicas hier willkommen sein würde.

  • "Hat er sich verlaufen, dass er auf der Durchreise in den Osten HIER vorbeikommt?!"

    lachte die Lethi. Sie schien ein wenig durcheinander.

    "Natürlich kann er herkommen. Ich nehme an, dass es ein netter Edalphi ist!" fügte sie hinzu.


    "Ich wollte gerade Wasser aufsetzen für einen Tee. Wir haben gestern Kreaf ins Haus geschafft; er scheint sich mit irgendwas entweder vergiftet oder den Magen verdorben zu haben... er wirft jedes Essen von sich und alle Säfte, die er in seinem Inneren hatte! Ich hatte zuerst gedacht, er hat einen schlechten Pilz erwischt... aber das geht jetzt schon zu lange. Außerdem fiebert und halluziniert er. Er liegt in der Kammer neben dem Trockenraum für die Kräuter - der Geruch tut ihm gut, sagt er."

  • "Oh, durchaus nicht. Er sagte mir, er müsse zum Ostreich und würde über Land reisen. Da liegt Kjona direkt auf dem Weg. Also bot ich ihm an, uns zu besuchen.", erklärte der Pater, "und ich empfand ihn als sehr freundlich."

    "Wenn sich Kreaf vergiftet hat, dann sollten wir uns vielleicht zunächst darum kümmern", unterbrach das Fräulein Salbei das Geplaudere. "Habt Ihr frische Malvenblätter? Daraus sollten wir einen Tee brühen und etwas abkühlen lassen, um den Magen nicht noch mehr zu reizen. Zur Entgiftung schlage ich Silber vor. Könntet Ihr eine Silbermünze auftreiben? Sie darf gerne dunkel angelaufen sein. Außerdem brauchen wir den Saft zweier Zitronen und siedend heißes Wasser. Ich hole meine Gerätschaften aus der Hütte. Ach, und Pater, gegen die Krämpfe die üblichen Zutaten: trockenes Brot, Salz, geriebene Äpfel. Außerdem Kerne von Sesam und Mandeln, wenn vorhanden." Die Kräuterfrau drehte sich auf dem Absatz um und machte sich zur Hütte auf. Der Pater und Naira begaben sich zu dem Kranken und bereiteten den Tee. Wenig später kam die junge Frau mit ihrem Alchemistenköfferchen und begann, eine kleine Apparatur aufzubauen. In eine Feuerschale legte sie heiße Kohlen und stellte eine Schale mit dem Zitronensaft darauf. Dort gab sie die vorher sorgsam gereinigt Silbermünze, die in der Tat dunkel angelaufen war. Nach einer Weile, als der Zitronensaft fast vollständig verkocht war, entnahm sie die Münze. Sie war inzwischen strahlend hell. Den restlichen Sud goss sie in den Malventee. "So", sagte sie, "das können wir ihm jetzt verabreichen."

    Der Pater hatte inzwischen das trockene Brot mit etwas Flüssigkeit eingeweicht, gesalzen und geriebene Äpfel und Mandeln dazu gegeben. Das ganze gab er in eine Schale und gab es Naira. "Wenn er den Tee getrunken hat, sollte er dies hier essen." "Und danach sollte er viel trinken.", ergänzte die Kräuterfrau.

  • Der Goblin sah wirklich elend aus. So ausgestreckt auf dem Bett sah man erst, dass er recht hochgewachsen war, auch wenn er durch seine gebückte Haltung sehr viel kleiner erschienen war. Seine Haut war blassgrün wie ein junger Grashüpfer, und nach Nairas Auskunft war das für Kreaf sehr, sehr blass!

    "Er soll knallgrün wie ein Apfel sein, mindestens!" hatte sie gesagt.


    Die Elfe sah aufmerksam zu, wie Salbei werkelte, und schaffte bereitwillig alles heran, was sie verlangte. In einem kurzen Gespräch teilte sie ihr mit, dass Zitronen, Mandeln und Sesam nicht in Kjona angebaut wurden, folglich nur in äußerst geringer und zufälliger Menge vorhanden waren... die Lethi schien wirklich nur das zu verwenden, was sie selbst pflanzte. Auch Malve gehörte nicht dazu.

    Es war daher großes Glück, dass Salbei nach einiger Zeit alles hatte, was sie brauchte.


    Der blassgrüne Patient mit dem grotesken einen Ohr war nur halb bei Bewusstsein. Als sie mit dem Essen kamen, murmelte er im Schlaf in ablehnendem Ton, und Naira erklärte, dass Kreaf nichts zu sich nahm, dass von einem Tier stammte, weder Fleisch noch Haut, Augapfel oder Spucke, und er wollte auch keinen Honig und kein Wachs, wenn es sich vermeiden ließe.

    In ziemlich lautem und grobem Ton teilte sie dem Goblin mit, dass er sich nicht anstellen solle und dass von dem liebevoll zubereiteten Mus aus Äpfeln nichts zu befürchten sei. Kreaf schien ihr nicht zu glauben - ja, als er Nairas Stimme hörte, begann er sich erst recht zu sträuben, selbst als er verstanden hatte, dass man seine Nahrungswünsche berücksichtigte.


    Auch Kreaf schien mit der Elfe eine gewisse Vorgeschichte zu haben, und Naira betrachtete den Grünen mit einer konstanten Skepsis und sichtbarer Zornesfalte... trotzdem war dem Pater ebenso wie dem Fräulein deutlich, dass sie sich um Kreaf sorgte - auch wenn sie so tat, als sei seine Erkrankung nur Überempfindlichkeit... Kreaf seinerseits tastete nach Nairas Gewand, als Salbei ihm den Becher mit dem Tee reichte. Womöglich war es auch ihre Hand.

    Aber er ließ seine dünne Klaue sofort wieder fallen, als er den Stoff ihres Mantels spürte.


    "Was ist das, was du da gemacht hast?" fragte Naira, die davon nichts mitbekommen zu haben schien. Sie sah zu, wie der Goblin trank. "Warum hast du die Münze hineingetan?"

  • Wir haben in unseren Hospitälern Versuche gemacht, wie wir Fäulnisprozesse aufhalten könnten“, erklärte der Pater, während das Fräulein Salbei sich um den Patienten kümmerte, „sowohl innerhalb als auch außerhalb des Körpers. Also beispielsweise die Reinigung fauligen Wassers oder die Linderung von Fäulnis in Schlund und Magen von Leprapatienten. Wasser lässt sich sieden oder destillieren und ist dann von Fäulnis befreit. Dabei hilft die Verwendung metallischer Behältnisse, vorzugsweise Silber. Wir suchten dann nach einem Weg, das Prinzip auf einen Heiltrank zu übertragen. Unsere Alchemisten waren da sehr erfolgreich. Und unsere Kräuterfrau war daran alles andere als unbeteiligt.

  • Die Lethi wirkte sehr interessiert.

    "Es wäre ja auch schon ein Fortschritt, wenn man keine verdorbenen Sachen frisst!" sagte sie mit leichtem Vorwurf in Richtung Kreaf. Der versuchte sich an dem Mus, schien aber keinen Appetit zu haben.


    "Uhlakk soll auf ihn aufpassen. Wann kommt der Edalphi?" fragte sie und würde nun mit dem Pater und Fräulein Salbei hinuntergehen zur Feuerstelle vor dem Haupthaus.

  • Sorge dafür, dass er den Tee austrinkt und das Mus isst. Auch, wenn es scheußlich schmeckt. Ohne den Tee wird ihm nicht besser werden. Und ohne das Mus wird er Krämpfe bekommen. Mach ihm klar, dass er das noch viel weniger möchte.“ Die Kräuterfrau sprach Uhlakk mit einer unerwarteten Bestimmtheit an. Dann legte sie dem Blassgrünen eine Hand auf die Stirn, und sowohl der Goblin als auch der Uruk waren zu verdutzt, um zu protestieren. „Wollen wir hoffen, dass der Tee wirkt, bevor das Fieber einsetzt, sonst wird es schwierig.


    Die drei gingen hinaus und ließen die beiden grünen Gestalten zurück. „Ihr macht das großartig!“, stellte der Pater anerkennend fest. Die Kräuterfrau machte einen knappen Knicks. „Meint Ihr, Euren Erziehungsbemühungen waren doch nicht ganz vergebens?“, fragte sie spitzbübig zurück. „Zumindest nicht vollends.“, erwiderte der Pater, der ein Lächeln nicht unterdrücken konnte. Dann wandte er sich an Naira. „Möglicherweise wäre es gut, eine Bestandsliste anzufertigen mit Zutaten, die hier vor Ort zur Verfügung stehen. Das macht es einfacher, sich auf Fälle wie diesen vorzubereiten. Und wir wissen dann, was wir unbedingt noch beschaffen müssen.“ Er ließ seinen Blick nach Westen und Norden streifen. „Ich kann nicht sagen, wann der Edalphi eintrifft. Er kommt entweder direkt von Westen, dann muss er über den See. Oder er sucht sich weiter im Norden einen Übergang über den Fluss, wie ich ihm empfohlen hatte. In beiden Fällen werden wir ihn früh genug sehen. Ich würde sagen: wenn er da ist, ist er da.

  • "Tja, und was da ist, ist da!" erwiderte das Spitzohr schnippisch. Es schien ihr gar nicht zu gefallen, dass irgendwer ihre Bestände kartographieren, dokumentieren und analysieren wollte!

    Zwar hatte sie Respekt und Neugier für die Fähigkeiten der beiden Menschen - aber sie war offenkundig ein harter Brocken, was notwendige Veränderungen anging...


    "Ihr könnt ja aufschreiben, was ihr habt und was ihr braucht, und dann können wir einkaufen und verkaufen, meinethalben! Wir könnten auch Rezepte aufschreiben, damit wir sie nicht vergessen..." fügte sie etwas bereitwilliger hinzu.

    "Aber ich kann doch nicht jeden Stein umdrehen, was darunter ist!"


    Dieser bildhafte Ausdruck gab zu denken. War es überhaupt ein bildhafter? Nach allem, was die beiden hier schon gesehen hatten bei ihren Erkundungen, pflegten die bisherigen Bewohner Kjonas tatsächlich ihre Besitztümer überall hinzustreuen und oft auch nachgerade zu verstecken! Es würde einen nicht verwundern, wenn die Lethi Haselnüsse und Eicheln vergrub - oder sonstiges Zeug - um es für den Winter zu lagern.

    Überhaupt war die Frage, wie man in Kjona den Winter überstand. Die Uruks schlugen in Mengen Holz und die Hütten waren trotz einiger Verwitterungen stabil. Aber es war eher ein Sommer-Ort... und selbst wenn man die weißen Sonnensegel durch Lederstücke ersetzte, wie Naira sagte, so schien das Ganze doch ein weniger gutes Winterdomizil als ein Igelbau...

  • Meine liebe Naira“, lachte der Pater überaus freundlich, „wir haben ja verstanden, dass Ihr der Idee, Zeichen auf Papier zu kritzeln, nichts abgewinnen könnt. Wir übernehmen das gerne. Tatsächlich werden wir aber um ein Minimum an Buchführung nicht herum kommen. Je mehr wir hier in Kjona werden, desto wichtiger ist es zu wissen, wie weit unsere Bestände reichen. Und das gilt nicht nur für Lebensmittel, sondern auch für Baumaterialien und Werkzeuge. Und bauen werden wir müssen, bevor der Winter einbricht.

    Mit dem letzten Satz hatte sich der Pater nach Süden gedreht und schaute jetzt in Richtung der Höhlen und Berge. Etwas wehmütig erinnerte sich der ehemalige Prior an die festen Mauern seines Klosters, die im Winter warm und im Sommer kühl blieben, die Angriffen auch durch mittelschweres Gerät standhielten, die man etliche Stockwerke hoch bauen konnte und die schon von weitem eine beeindruckende Erhabenheit ausstrahlten. Nein, er würde hier keine Burg oder Klosteranlage bauen. Dazu war Kjona auch nicht der rechte Ort. Aber wenn er an den bevorstehenden Winter dachte, dann wäre seinen alternden Knochen ein gemauertes Steinhaus mit einem Kamin deutlich lieber als eine Blockhütte, durch deren Balken der Wind zog. „Sagt einmal, gibt es hier in den Bergen eigentlich Vorkommen von Sandstein?

  • Die Augenbraue der Elfe zuckte nach oben, und der Pater verstand, dass er einen Punkt getroffen hatte.

    "Jaaa" sagte Naira gedehnt und argwöhnisch.

    In der Tat schlief das Spitzohr augenscheinlich NICHT in den Hütten. Sie pflegte am Morgen aufzutauchen und wanderte beim Einbruch der Dunkelheit die Kräuter-Terrassen hinauf. Dorthin, wo die Höhle war.


    "Kann man abbauen. Aber nicht HIER!" fügte sie explizit hinzu.

  • Keine Angst“, beschwichtigte der Pater, der Nairas alarmierten Tonfall wiederzuerkennen glaubte, „ich habe nicht vor, Paläste zu bauen. Obwohl Euch mein Palast gefallen würde. Und ich will auch nicht Eure Höhlen verunstalten, die wir, nebenbei bemerkt, noch gar nicht besichtigt haben. Wie weit weg läge denn so ein Steinbruch? Und in welcher Richtung?

  • Ich bewege mich grundsätzlich nur für eine Sache gleichzeitig“, gab ihr der Pater zu verstehen, „obwohl... wenn ich mich auch noch für eine zweite Sache bewegen soll, könnte ich einer frechen Elfe den Hintern versohlen“, frötzelte er vergnügt zurück. „Dann lasst uns aufbrechen. Wenn wir tatsächlich verwertbares Material finden, dann können wir aufhören, Bäume zu fällen.

  • Andererseits“, überlegte der Pater, „würde das Brechen von Stein mehr Zeit benötigen als wir haben. Vom Transport ganz zu schweigen. Aber wenn wir hier Lehmboden hätten, könnten wir die Hütten von innen mit Lehm und Stroh verputzen.“ Er sah Naira fragend an, so als würde sie nur noch auf die richtige Stelle zeigen müssen.

  • Uhlakk hallten noch die Worte im Kopf „Sorge dafür, dass er den Tee austrinkt und das Mus isst. Auch, wenn es scheußlich schmeckt. Ohne den Tee wird ihm nicht besser werden. Und ohne das Mus wird er Krämpfe bekommen. Mach ihm klar, dass er das noch viel weniger möchte.“ Was in Kuruls und Vargas Namen tat er hier? Sollte dieser miese Abschaum doch verrecken. Am liebsten würde er Kreaf das Mus in den Schlund stopfen und ihn daran ersticken lassen.

    Die Narben der Vergangenheit waren tief und unvergesslich, unverzeihlich... aber hier in Kjona wurde niemand abgewiesen der Hilfe brauchte. Das hatte ihm die Atani eingebläut.

    Oooh, und dabei wäre es so leicht diesen kleinen Mistkerl zu beseitigen. Naja, wenn es Uhlakk recht überdachte, gab es auch ein paar gute Erinnerungen an den Schamanen.


    Uhlakk würde abwarten was passierte. Vielleicht wurde er ja positiv überrascht.... und wenn nicht, wäre er bereit.