Zwischen Gräsern und Kräutern

  • Wann: Einige Wochen nach der zweiten Expedition Tannesang
    Wo: Kjona
    Wer: Naira und Einwohner Kjonas, Gäste


    Der Pater spazierte über das Gelände und ließ die Landschaft Kjonas auf sich wirken. Normalerweise wäre er mit Papier und Stift bewaffnet gewesen, hätte Entfernungen abgeschritten, Höhen bestimmt, Skizzen gemacht... doch diesmal, so hatte er sich fest vorgenommen, würde er einfach nur die Landschaft auf sich wirken lassen. Er wollte hören, ob sie ihm etwas mitzuteilen hatte. Er versuchte sich vorzustellen, wie eine künftige Siedlung aussehen mochte. Seltsamerweise fiel ihm das gar nicht leicht, war er doch von den hohen Gräsern, den üppig wuchernden Kräuterbüschen, von Blumen und Insekten, von all den Gerüchen, die sie verströmten derart eingenommen, dass er dieses Ensemble des puren Friedens am liebsten überhaupt nicht stören wollte.


    So wanderte er also umher, schnupperte in den Wind, lauschte den Geräuschen und hörte bald komplett auf, an irgend etwas Konkretes zu denken. Irgendwann stand er auf halbem Weg zwischen See und Waldrand in der einen und zwischen den ersten Hügeln und den Kräuterbeeten in der anderen Richtung. Er blieb stehen und schaute sich um. Diese Stelle hatte etwas Besonderes. Als wären hier alle vier Elemente gleich stark, so wirkte dieser Platz seltsam energiegeladen. Er musste seinen Fokusstein aus der Hütte holen und diesen Ort untersuchen. Es mochten sich hier mindestens zwei Leylinien kreuzen, dem würde er auf den Grund gehen. Er würde die Energie auspendeln und den Schnittpunkt triangulieren, doch zunächst... Der Pater setzte sich in das hohe Gras und lauschte. Nichts war zu hören, außer den Insekten, die zum Ende des Jahres den letzten Pollen der Herbstblumen sammelten, und den Gräsern, die friedlich im Wind rauschten, als würde einen große Hand über die Halme streichen. Er ließ sich ins Gras sinke, blickte zum blauen Himmel und genoss die Wärme, die durch seinen Körper strömte. Was für ein phantastischer Flecken Erde in dieser so feindlichen Welt dies doch war, dachte er, während er die Augen schloss.

  • Die Wärme der Sonne kam von oben, aber von unten strömte Kühle von der Erde her, als zöge sie unter ihm weiter... es mussten definitiv Kraftlinien hier entlanglaufen, vielleicht von den Höhlen zum Wald, oder vom trockenen Grasland, das oft unter flirrender Hitze im Sommer stand, zum See, der immer in kühleren Farben stand.


    Wenn man ganz still lag und auf den Wechsel von kalten und warmen Gefühlen achtete, hörte man, dass der Ort um einen herum belebt war.


    Im Wald knackte es leise. Naira war mit einem Korb am Arm auf der Suche nach den letzten verwertbaren Herbstpilzen, und Uhlakk streifte sicher in ihrer Nähe herum, Holz sammelnd oder irgendwelche anderen wichtigen Urukdinge treibend, die nur er verstand.

    Er war ein gesprächiger und angenehmer Zeitgenosse im Vergleich zu Kaa-Ash. Die dunklere, fast violettfarbige Uruk ließ sich selten blicken und schien grundsätzlich misstrauisch zu sein. Scheuer als jedes Tier hier.

    Denn die Rehe und Kaninchen waren an diesen Ort gewöhnt und kamen nahe bis ans Gehöft.

    Ähnlich bewegte sich Khenai auf eigenen, einsamen Pfaden, bevorzugt oben bei den Kräutern und auf den Hügeln, und der Pater hatte mehrfach seine Silhouette gesehen, wie der junge Elf in die Ferne geblickt hatte von der Höhe aus, eine Hand über die Augen gelegt.

    Ob er dem Fräulein Salbei begegnete, die ihre Beobachtungen an den Kräutern begonnen hatte? Richie konnte ihre helle Gestalt hinter seinen geschlossenen Lidern fühlen, zwischen den grauvioletten Stängeln des Lavendels.

    Sie roch und tastete und begann wohl zu begreifen, dass an diesem Ort niemand diese Kräuter `besaß´. Niemand störte sich, wenn sie davon nahm. Die Elfe schien neues Leben in die Welt zu setzen, quasi zu werfen - ohne sich Gedanken darüber zu machen, was daraus werden würde.

    Und Salbei war nicht die einzige. Eine junge blonde Frau war dem Pater auf dem Weg hierher aufgefallen, die ebenfalls Neuankömmling zu sein schien und sich mit den Pflanzen beschäftigte.


    Hinter dem Haus ertönte das Geräusch einer Säge. Der bärtige Mann mit den auffallend schwarzen, glänzenden Augen kümmerte sich wohl wieder um Ersatzbalken. Vieles an den Hütten war über die Jahre ausgeblichen und morsch geworden.

    "Klonk-klonk" ging es nun auch ganz leise, wie von einer Glocke, als ein Eimer getragen wurde, an dessen Rand der Henkel schaukelnd anstieß. Vielleicht der schweigsame blonde Mensch, den Naira als eine Art Hausmeister bezeichnet hatte. Auch er war mit Instandsetzungsarbeiten beschäftigt, lasierte das Holz der Hütten neu und band die Sonnensegel fest.


    Der Pater hatte mittlerweile rund neben sich und Salbei, den beiden Lethi, den beiden Uruk und dem scheuen Drow, von dem er noch gar nichts gesehen hatte, mindestens vier weitere Bewohner Kjonas gesichtet. Allesamt Menschen.

  • Na, mein kleiner, Du bist aber aufgeregt“, flüsterte das Fräulein Salbei dem kleinen Kaninchen zu, das vor ihm auf und ab hüpfte. Sie wollte dem kleinen Pelztier nicht zusätzlich Angst machen, und deshalb hockte sie sich nieder und hielt dem kleinen Hoppler mit dem grauen Fell und dem weißen Puschel eine Hand hin, um sich von ihm ausgiebig beschnuppern zu lassen.


    Die Kräuterfrau hatte sich nach dem Frühstück mit Korb und Sichel bewaffnet und war, dem Waldrand in Richtung Norden folgend, durch das Gras gestreift, um die hiesigen Pflanzen zu sichten. Vieles von dem, was sie aus ihrer Heimat kannte, und das zumindest winterhart oder mehrjährig war, erkannte sie wieder. Zumeist waren es Küchenkräuter, aber auch eineiges, das man in der Kräutermedizin benutzte, wuchs hier. Auch war sie froh, zumindest einige Birken zu sehen, aus deren Rinde sie Wundmedizin und Süßmittel herstellen konnte. Sie hielt es für barbarisch, den fleißigen Bienen ihren Honig zu rauben. Schließlich schufteten die kleinen Tierchen ein halbes Jahr lang, damit die Larven gedeihen und die Königin den Winter überstehen konnten. Es war nicht Recht in ihren Augen, ein ganzes Volk von Bienen zu gefährden, nur damit einem Menschen der Tee besser schmeckte.


    Bei ihrem Rundgang hatte die junge Frau allerdings auch noch andere Gewächse gefunden, die sie nicht kannte. Von denen nahm sie jeweils ein Exemplar mit, um später Naira nach ihnen zu befragen. Hier und da zupfte sie ein Blatt ab, zerrieb es zwischen den Fingern und roch daran. Die Pflanzen waren ähnlich denen, die von zu Hause kannte, aber oft auch in Farbe und Aroma unterschiedlich. Bemerkenswert fand sie eine Sorte Minze mit violetten Stängeln, kleinen, sehr dunklen Blättern und einem sehr intensiven Duft. Sie legte sich ein Blatt auf die Zunge und war überrascht über den frischen, beihnahe scharfen Geschmack des Öls, das sich aus dem Blattgrün löste. In Brittania hatte sie zusammen mit dem Klosteralchemisten an einem Rezept für eine Paste gearbeitet, mit der man den Mund und die Zähne reinigen können sollte. Leprakranke litten an Beschwerden der inneren Organe und atmeten widerlich stinkende Atemwolken aus. Und bald litten auch die Zähne unter der Krankheit, vor allem unter dem ständigen Erbrechen. Die Paste, die vor allem aus Kreide, feiner Asche und Minzöl bestand, sollte helfen, die Symptome zu lindern und die Zähne reinlich zu halten. Das Fräulein Salbei schnitt eine paar Stängel ab und nahm sich vor, das Projekt wieder aufleben zu lassen.

  • Das kleine Kaninchen hatte die Hand der Kräuterfrau unterdessen ausführlich beschnuppert und offenbar für ungefährlich befunden. Jedenfalls stubste es jetzt mit seinem kleinen Köpfchen gegen ihre Hand, so als wolle es freundlich Guten Tag sagen. Danach hoppelte es einmal um das Fräulein Salbei herum, um dann wieder aufgeregt vor ihm hin und her zu hüpfen. Es entfernte sich dann ein paar Schritte in Richtung Wald und wiederholte sein Hüpfen. „Du bist mir ja einer“, lachte das Fräulein Salbei, „man möchte meinen, ich solle dir folgen. Soll ich mit dir mitkommen, ja?“ Vorsichtig folgte sie dem Hoppler zwischen den Bäumen hindurch. Dieser hüpfte weiter vor ihr her und blieb immer wieder stehen, wenn der Abstand zu seiner Verfolgering zu groß zu werden drohte. Nach einer Weile bogen sie um einen größeren Baum, und hier verstand die Kräuterfrau die Aufregung des kleinen Tierchens. Ein weiteres Kaninchen hing in einer Schlinge fest. Halb saß es am Waldboden, halb hing es mit einem Hinterlauf in der Schlinge. Offenbar hatte es vor Angst oder aus Erschöpfung aufgehört, sich gegen die Schlinge zu wehren, was ihm schlimmere Verletzungen erspart hatte. Der kleine Hoppler, der sie hergeführt hatte, saß nun piepsend neben seinem Artgenossen und schaute sie mit großen Augen an. „Du bist aber ein mutiger Hoppler, dass Du zu mir kommst, um deinen Kumpanan zu befreien. Ich könnte euch auch beide mitnehmen und heute Abend in einen großen Topf werfen. Aber du weißt, dass ich keine Tiere esse, nicht wahr? Schließlich will ich auch nicht von euch gegessen werden.“ sie strich dem Kaninchen über seinen kleinen Kopf. „Und du? Mein unvorsichtiger Freund, da bist du ja in etwas Schönes hinein geraten. Wenn Du still hältst, dann hole ich dich hier heraus.“ Vorsichtig hob sie das erschöpfte Kaninchen hoch und befreite es aus der Schlinge. Das Fell war nicht blutig, und auch sonst schien der Hinterlauf kaum Schaden genommen zu haben. „Dann sei in Zukunft vorsichtiger, nicht wahr?“, flüsterte sie in eines der Fellohren und setzte das Tier auf dem Waldboden ab. Die beiden Kaninchen begrüßten sich freudig und hoppelten dann eilig in das schütemde Unterholz. Eines von ihnen drehte sich noch einmal zur Kräuterfrau um, hüpfte piepsend, und verschwand dann zwischen den Ästen.


    Das Fräulein Salbei lächelte, während sie den beiden nachsah. Dann nahm sie ihre Sichel und schnitt die Fangschlinge vom Ast.

  • ... fließen lassen... du musst es fließen lassen... öffne dich, biete keinen Widerstand, sonst verglühst du.... Lassen es ließen!

    Der Pater schrak jäh hoch. Er hatte geträumt und dabei eine Stimme gehört, die er zwar kannte, aber nicht zuordnen konnte. Sein Herz schlug laut, und er versuchte sich zu beruhigen. Er legte die Hände auf den Boden und spürte in die Energie des Bodens hinein. Über dieses Gefühl war er eingeschlafen, so erinnerte er sich. Dieser Ort war ihm so intensiv vorgekommen. So voll Energie. Hier waren die Elemente .... im Fluss!


    Der Pater sprang auf die Füße, wie man es ihm angesichts seines Körperbaus nicht zugetraut hätte. Das war die Antwort, nach der er bei seinen Versuchen, höhere magische Effekte zu wirken, gesucht hatte. Eine Antwort auf die Frage, wie man die Energie dafür zusammen bekam. Und wenn man sie zusammen bekam, dann musste man sie kanalisieren, was angesichts der notwendigen Menge an Energie ein gefährliches Unterfangen war. Der Pater versuchte sich zu entspannen und dachte nach. Welche Art von Magie floss hier? fragte er sich. Berge, Wiesen, Wälder, ein See. Oben warm, unten kühl. Ignis brachte die Wärme, Aeris, verteilte sie, Terra leitete sie, und Aqua fingen sie ein. Hier kam alles zusammen.


    Der Pater stellte sich breitbeinig hin, den Blick nach Norden, und versuchte sich zu erden. Dann schloss er die Augen, streckte die Arme zur Seite, so dass die Handflächen in Hüfthöhe nach außen zeigten. Und gegen den warmen Wind, der gerade aufkam, rief er „Terra! Creamos una murella!“ Wie die Male zuvor spührte er ein Kribbeln auf den Handflächen, als sich die Energie sammelte, um eine Barriere zu bilden. Aber anders als sonst, versuchte er nicht, die notwendige Energie aus sich selbst zu schaffen. Diesmal nahm er sie aus dem Boden. Er ließ sie eintreten, leitete sie zu seinen Hände und ließ sie dort wieder austreten. Und sie folgte seinem Ruf. Sie durchströmte ihn und bildete zwischen seinen Händen eine Blase, die umso größer wurde, je mehr Energie er in sie hineinfließen ließ. Im Moment reichte sie sie kaum um ihn herum, und der Pater spürte, dass er selbst sie daran hinderte. Er hatte Angst, zu viel Energie auf einmal zu leiten, er hatte Angst davor, was sie mit ihm anstellen würde. Aber sie stellte nichts mit ihm an. Nichts, außer dem, was sein Geist an Gedanken formte. Er musste loslassen. Er musste es einfach nur fließen lassen. Er atmete tief ein und wieder aus. Er machte seine Gedanken frei von allem außer der Kuppel, die er erschaffen wollte. Dann reckte er die Arme gen Himmel und rief „PROTEGERE!


    Es war still, als er die Augen öffnete. Regungslos stand Pater Richie im Gras, die Arme zum Himmel streckend, und versuchte zu erfassen, was vor sich ging. Ohne Anstrengung floss die Energie weiterhin durch ihn hindurch und bildete eine kuppelförmige Barriere. In einem Radius von vielleicht zwanzig Fuß bewegte sich kein Halm und kein Blatt, während draußen der Wind sanfte Muster in das Grasmeer zeichnete. Es war vollbracht. Mit Terras Hilfe hatte er Aeris ausgesperrt.


    Terminada!“ rief er schließlich und ließ den Energiestrom versiegen. Die Barriere brach zusammen, und der Wind übernahm wieder die Herrschaft über die Halme. Der Pater war zutiefst beeindruckt von der Energiefülle, die in diesem Ort lag. Drei oder vier erfahrene Magier konnten von hier aus eine Barriere aufbauen, die das gesamte Gelände schützen würde. Er blickte sich um. Was immer sie hier in Kjona noch bauen würden, dieser Platz musste das Zentrum bilden.

  • Es war früher Nachmittag, als sich das Fräulein Salbei und Pater Richie wieder vor ihrer Hütte trafen. „Und? Habt Ihr große Baupläne angefertigt?“, fragte das Fräulein vergnügt. „Nein, ganz entgegen meiner Art und auf Nairas Anraten habe ich das unterlassen und stattdessen versucht, das Gelände zu erspüren. Mit interessanten Ergebnissen.“ Die Kräuterfrau sah den Pater fragend an. „Das Zentrum des Geländes, ungefähr auf halben Wege zwischen See und Wald und zwischen den Hügeln und den Kräuterbeeten, ist von besonderer magischer Intensität. Sehr machtvoll.

    Habt Ihr ein paar neue Sprüche ausprobiert?

    Man probiert nicht den Spruch, sondern den Effekt, aber ja, das habe ich getan, und es ist mir gelungen, eine Terra-Barriere zu errichten.

    Das Fräulein hob die Augenbrauen.

    Abgesehen davon, dass das für eine Verteidigung gegebenenfalls wichtig wäre, ist dies ein irgendwie besonderer Ort. Ich finde, Wir sollten alle Bauten um diesen Ort herum anordnen.

    Oh ja, dann hätten wir einen geschützten Garten und könnten im Sommer des abends draußen sitzen. Vielleicht könnten wir einen Ring von Kräutern anlegen, der die Luft aromatisiert. Melisse und Zitronella, und...

    Eine sehr gute Idee.

    Ja, wir können dort auch einen Baum pflanzen.

    Der Pater schmunzelte. Das Fräulein Salbei kannte ihn inzwischen sehr gut.

    Und was habt Ihr getrieben?

    Och... ich habe die Kräuter inspeziert. Wir könnten sie in Beeten anlegen, anstatt sie wild in der Gegend zu verteilen. Wenn wir sie als Handelsgut kultivieren wollen, erspart uns das viele lange Wege. Auch eine Bewässerung wird dann einfacher.

    Wir sollten ein paar Flächen unter den Bäumen ausholzen und dort ebenfalls Beete anlegen. An den trockenen Stellen könnten wir Blaubeeren ansiedeln. Wenn ein paar starke Männer einen Zaun errichteten, könnten wir Himbeeren und Brombeeren pflanzen. Wir hätten Obst und einen wirksamen Zaun gegen unangekündigten Besuch. Außerdem brauchen wir eine Wasserversorgung.

    Das fiel mir auch auf. Wenn es einen Fluss in den Bergen gäbe, könnten wir ein Becken bauen und das Wasser bei Bedarf entnehmen. Ein System aus Wasserleitungen könnte die zentralen, aber auch die Wohnhäuser versorgen. Außerdem wäre ein Waschplatz weiter unten am Fluss von Vorteil. Und wir müssen die vorherrschende Windrichtung herausfinden.

    Wofür das?

    Damit wir die Latrinen nicht am falschen Ort bauen.

  • Nairas Gestalt war plötzlich neben ihnen. Die Lethi hatte eine Art und Weise, sich unauffällig zu nähern, die dem Pater schon mehrfach erschreckt hatte.


    "Tarabas badet gerne!" behauptete sie, aus dem Zusammenhang ihrer Gedanken gerissen. Auch das war typisch für sie - sie schien zu glauben, andere Leute wären in ihrem Kopf. Tatsächlich WAR sie in ihren Gedanken nicht allein, aber diese Dinge waren Salbei und Richie noch unbekannt...

    "Er ist von Aqua! Es würde ihm sicher gefallen, wenn man hier in einem Bassin baden kann! Gut auch für die Heilung. Salbei - "

    sie wandte sich an die Alchimistin

    "- wirst du dich auf Tränke spezialisieren oder wirst du eine Ärztin?" wollte sie wissen.


  • "Bei den Fünfen, Naira!", keuchte der Pater, "zwischen welchen zwei Grashalmen hattet Ihr Euch versteckt? Jetzt bin ich wieder um zwei Jahre gealtert!"

    Das Fräulein Salbei war zwar auch überrascht von Nairas unverhofftem Auftauchen, aber nur, um den Pater zu necken, sagte sie betont gelassen: "Was schreckt Euch derart daran, dass ein Mensch baden möchte, Pater? Soweit ich mich erinnere, seid Ihr selbst dem Zubern nicht abgeneigt. Im Kloster hatten wir einen großen Badezuber, der zumal in der Zeit des Winterschnupfens gerne genutzt wurde. Wir gaben dann gerne Essenzen von Eukalyptus, Tannennadeln und Minze dazu. Wenn Ihr mich so fragt, dann denke ich, ich werde weiterhin Tränke brauen, aber mich vielleicht auf Heiltränke spezialisieren. Ich weiß nicht, ob ich zur Ärztin tauge, aber ich werde es einmal versuchen. Immerhin neigt unser Pater dazu, sich gelegentlich selbst in Schwierigkeiten zu bringen. Aber sagt", fragte sie noch, "wer ist denn Tarabas?"

  • "Hmmm... die einfache Antwort wäre, dass er ein Aqua-Priester ist und gleichzeitig ein Waffenmeister - ja, er führt die Waffenmeister sogar an, glaube ich! Aber frag mich jetzt bitte nicht, wer die Waffenmeister sind... das ist unwichtig, um Tarabas zu kennen! Tarabas ist ein Dunkelelf und er hat bis vor einigen Monaten hier im Norden gelebt. Er war sogar Protektor. Aber wenn ich es richtig verstehe, gilt er inzwischen als Hochverräter. Zumindest habe ich das gehört. Naja, die Menschen reden viel Zeug, damit etwas los ist..."


    Wie schon so oft fiel es Naira schwer, ihre Sicht auf eine Person zu erklären, ohne die Sicht der menschlichen Siedler wegzulassen. Wenn sie nur schilderte, wie sie über jemanden dachte, wurde sie meist nicht verstanden! Aber wenn sie hinzufügte, wie die Menschen jemanden sahen, wurde es widersprüchlich und unpassend...

    Sie seufzte.


    "Tarabas ist mein Bruder, mein Bruder im... Geiste. Er ist sehr, sehr groß und trägt eine Maske. Er war dabei, als Khenai geboren wurde."


    Ihre Gedanken sprangen zurück zum anderen Thema, das durchaus mit Tarabas zusammenhing, in gewisser Weise.


    "Als ich bei der Akademie von Selfiran war, habe ich eine Versuchsstunde gegeben zur Anwendung der Elemente bei der Alchemie!" sagte sie begeistert, und ihre Wortzusammenstellung wurde wieder unbeholfen, weil sie vor ihrem inneren Augen viele Erinnerungen gleichzeitig heranzog, betrachtete und wieder davongleiten ließ...


    "Ich habe begonnen, Substanzen für die Massage - Öle und Rubbelgranulate - den Elementen zuzuordnen. Soweit ich weiß, hat noch niemand auf Mythodea ein solches System! Zumindest wäre mir keins bekannt! Man benötigt eine Vorstellung davon, was die Elemente im Körper tun, und daraufhin kann man auch Nahrung zusammenstellen. Und wie gesagt Öle und Granulate. Ich hatte die Stoffe alle in Gläser, in den Farben der Elemente. Aber ein Mordfall bei der Akademie hat es mir verleidet, daran weiter zu experimentieren mit den Menschen... Aber wenn DU jetzt hier bist... könnte ich mir vorstellen, mit dir zusammen dieses System weiter zu entwickeln... was meinst du?" fragte sie freudig.


    Tatsächlich hatte die Elfe nächtelang in alten Schriften gesucht und in ihren eigenen Erfahrungen gewühlt, um eine erste Zuordnung vorzunehmen. Vieles war noch unklar, aber es war sehr aufregend gewesen, die Probanden mit Kakao oder geriebenem Reis zu bestreichen... es hatte geduftet und bis in den frühen Morgen hatten die Leute gedrängt, sich für die Versuche zur Verfügung zu stellen.

  • Das ist eine interessante Idee, Naira“, stellte die Kräuterfrau fest. „Ich habe mir wirklich noch keine Gedanken darüber gemacht, welche Heilbehandlungen und Heilmittel zu welchen Elementen gehören. Aber es wäre tatsächlich sehr interessant, ein solches System zu entwickeln.“ Das Fräulein Salbei hatte die Stirn gerunzelt und blickte irgendwie abwesend gen Himmel, so als würde vor ihrem inneren Auge gerade ein solches System entstehen. „Allerdings“, fuhr sie fort, „nutzt das alles nichts, wenn man keinen Katalog von Krankheitsbildern hat, denen man die passenden Heilbehandlungen und Zutaten gegenüberstellen kann. Und wenn ich ehrlich bin, wüsste ich auch gar nicht, welche elementspezifischen Krankheiten es hier zu behandeln gäbe. Ich meine... haben die Naldar Höhenangst? oder die Narech Platzangst? Vielleicht kann man Pestilenzbefall mit aquaspezifischen Mitteln heilen? Kann man einen vom schwarzen Eis assimilierten mittels Ignis Medikamenten zurück holen?“ Sie sah Naira etwas skeptisch an. „Ich meine, bevor wir uns die enorme Arbeit einer solchen Katalogisierung machen, — und ich finde die Idee wirklich großartig, — sollten wir nicht erst einmal Krankheitsbilder kategorisieren? Oder dachtet Ihr eher daran, elementgefällige Badebehandlungen anzubieten?

  • Der Pater schmunzelte. Er sah sich bereits auf dem nächsten Feldzug im Gewand eines Baders allerlei elementgefällige Anwendungen anpreisen. Massagen mit heißen Terraelementen, Ignisschröpfungen, Badezubern mit Aeris-Lavendel-Schaumwölkchen oder reinigende Gesichtsbehandlungen mit Aqua-Meersalz. Oder sie würden die Zutaten für derartige Behandlungen herstellen und an interessierte Käufer veräußern. Im Prinzip müssten solche Zutaten ein begehrtes Handelsgut darstellen. Von den Erlösen würden sie Baumaterialien und Lebensmittel einkaufen können.

    Der Pater kam nicht umhin festzustellen, dass ihm die Idee auf einmal viel besser gefiel...

  • "Naja" antwortete Naira und sah das Fräulein Salbei forschend an, da sie ihre Stimmung nicht lesen konnte. "Ich tue dem Brustkorb der Leute gut, indem ich ihre Glieder und ihren Rücken bewege und knete, ja! Und dafür habe ich angefangen gehabt, mir zu überlegen, zu wem welche Ingredienz passen könnte!

    Im Übrigen hast du aber auch mit dem Anderen recht - ja! Wenn du einen Parasiten oder eine Infektion hast, die sich einem Verfemten Element zuordnen lässt, dann hilft oft eine Rezeptur mit dem zugehörigen heiligen Element! Zarim und ich haben entsprechende... ähm... `Standard-Mischungen´ ausprobiert, die wir jeweils mit der Kraft eines Elements verstärkt haben. Die Tränke wären auch ohne das sehr... ähm... stark gewesen."


    Das Spitzohr meinte offenkundig, dass in den Tränken etwas verrührt worden war, das entweder verboten oder sonstwie übel beleumundet war. Und das war nicht nur Blaues Kaninchen, denn das nahm und verabreichte die Lethi ja ohne Wimpernzucken!


    "Es lohnt sich, Wirkkräfte der Elemente immer dabeizuhaben! Also diese Elementkügelchen oder Artefakte, wie zum Beispiel die Asche Terras, oder andere geweihte Dinge! Man kann Rituale machen und die Kraft eines Elements in einer Substanz einfangen. Dann muss man im Bedarfsfall nur herausfinden, ob das heilige Elemente genügt, das gegen das verfehmte Element direkt steht - oder das heilige Gegenelement. Also ob man Pestilenz-Würmer ausspült oder ausbrennt! Und zum dritten: ja, man kann Assimilierte zurückholen. Was da gut funktioniert, müssten wir Teroc fragen. Der war mal assimiliert!"

  • Ihr meint also die gesamte Bandbreite? Von wohltuender Körperpflege bis Heilbehandlung?“, stellte die Kräuterfrau fest. „Nun, an mir soll es nicht liegen. Ich frage nur deshalb nach den Krankheitsbildern, weil ich bisher immer so gearbeitet habe. Im Kloster kamen die Brüder und Schwestern und zu mir, weil sie konkrete Leiden hatten und sie behandelt haben wollten. Ich habe mir dazu dann passende Heilmittel ausgedacht, wenn es keinen Standard gab. Und natürlich hatten wir Bücher dazu, aber wir sind nicht so weit gegangen, dass wir ein System entwickelt hätten. Ich weiß auch gar nicht, ob ich schon so viel von den Elementen verstehe, dass ich das könnte. Und von den Verfehmten Elementen reden wir besser gar nicht.

    Die junge Frau sah in der Tat etwas mitleidig drein, so als müsse Naira doch nun verstehen, dass ihr Ansinnen völlig unmöglich war. Mit ihren weiten Augen, den hochgezogenen Schmolllippen und dem gekräuselten Kinn sah sie aus wie ein Dackel, den man kaum dafür schelten konnte, dass er eine Wurst gestohlen hatte.


    Nach ein paar Augenblicken löste sie den Blick und lachte Naira schelmisch an. „Ja klar machen wir das. Und Ihr werdet mir so einiges beibringen müssen, das habt Ihr jetzt davon. Kommt!“, rief sie, tänzelte um die Lethi herum, hakte sie unter und zog sie mit in den Garten. „Erklärt mir Euren Garten! Bald jedes vierte Kraut, das hier wächst, kenne ich überhaupt nicht.

  • Die Elfe wirkte überrascht von dem plötzlichen Ausbruch, ließ sich aber mitziehen. Dieses Fräulein schien so ähnlich zu denken wie Dudi - gut, man würde etwas zusammen tun können, solange es praktisch blieb !


    "Das meiste sind Kräuter, die Infektionen abtöten. Das Blaue Kaninchen ist nur auf Mythodea zu finden. Aber ich versuche auch noch Flechten und vor allem Wurzeln zu ziehen. Flechten lassen die Säfte im Körper fließen, Wurzelextrakte ziehen zusammen. Je bitterer, desto fester halten sie Krämpfe im Griff!"


    Sie deutete auf ein unscheinbares Kraut, dessen Wurzeln natürlich nicht sichtbar waren.

  • Uhlakk blieb wie immer im Verborgenen. Er beobachtete die Lethi und die Umgebung in der sie wandelte immer. Das hatte er seiner Kampfgefährtin versprochen. Der grüne Ork respektierte aber auch den Wunsch der Atani, nicht immer an ihren Fersen zu kleben. Immer suchte er so das Mittelmaß. Allerdings musste er auch hin und wieder feststellen, das es nicht leicht war den Spitzohren auf den Fersen zu bleiben.


    Ebenso behielt er Khenai im Auge, oder besser, er ließ ihn im Auge behalten. Sollte Ihm auch nur eine Seele zu nahe kommen, die es nicht sollte, wäre er sofort informiert. Die Goblins die er beauftragt hatte, waren früher Meuchelmörder und verstanden es im Versteckten zu agieren.


    Jeder Ork oder Goblin hier, hielt Augen und Ohren offen.


    Uhlakk dachte wieder an vergangene Zeiten, alte und verstorbene Freunde und observierte die Gegend.