Vorbemerkung:
Dies ist ein Ausschnitt aus dem Kampagnenspiel. Die Episode ist abgeschlossen und soll der allgemeinen Unterhaltung dienen. Die Beiträge unterschiedlicher Autoren (Kampagnen-SL und ich) habe ich durch Trennstriche gekennzeichnet.
Die Existenz Myrhenkas ist kein Geheimnis, wird aber auch nicht an die ganz große Glocke gehängt. Wie viel eure Charaktere davon wissen, bleibt natürlich eurer Einschätzung überlassen.
Myrhenkas Tat [Beginn Holzmond 14 | Anfang Oktober '16]
Zu Beginn des Holzmondes verspürte die Stadt Exilia ein durchdringendes Zittern. Erste Befürchtungen, dass sich Myrhenka rühren und die Stadt zum Einsturz bringen würde, bewahrheiteten sich glücklicherweise nicht. Mehrmals zitterte der Boden jedoch innerhalb der nächsten Stunde als wenn sich in weiter Ferne etwas tun würde.
Dann geschah jedoch etwas in dem Graben. Das Abbild Myrhenkas bewegte sich, stützte sich aus der Grabenwand hinaus und die ganze Stadt erschütterte unter seinen Bewegungen. Das Elementar setzte sich in Bewegung und begann sich schnellen Schrittes den Graben nach Westen entlang zu schieben und hangeln. Am Ende angekommen, ließ sich dieser riesige Brocken beweglichen Steines an der Steilküste hinab gleiten und in das Wasser sinken bis er bis zur Häfte eingesunken war und begann seinen Marsch. Direkt steuerte er auf die Einfahrt der Höhle zu. Die Wellen, die er dabei erzeugte drohten die Kais und den Höhlenhafen zu überschwemmen. In der Höhlenöffnung stehen begann er an den Wänden der Öffnung zu zerren!
Wollte er die Höhle nun zum Einsturz bringen und die Exilanten für den Grabenbau bestrafen? Tausende würden in das Meer stürzen, wenn die Höhle kollabieren würde. Merkwürdigerweise Riss er große Brocken aus den Wänden und platzierte sie um, ohne dass die Höhle stürzen würde. Zwischendurch tauchte er kurz vor der Höhleneinfahrt ab und tauchte mit riesigen Felsen wieder auf, womit er die Einfahrt immer weiter zubaute und versperrte bis nur noch eine schmale einfahrt von vielleicht 20 Metern Breite und Höhe übrig blieb. Schließlich wurde es in der Höhle dunkel als sich das Erdelementar in diesen Eingang einfügte und somit die Höhle verschloss. Es wurde still. Nur noch leichtes Rieseln von Sand und Steinen sowie seichte Wellen waren in der Höhle zu hören.
Von Außen betrachtet, konnten die Beobachter auf Führungsbooten und Schiffen es kaum glauben. Die Felsen, welche das Elementar an die Steilklippe gedrückt hatte, um den Einfahrt zu verkleinern und zu versperren, hatten sich nahtlos und wie natürlich in den Stein eingefügt, als wäre die Küste hier schon seit Generationen so unverändert gewesen. Dann ein lautes Signal von den Klippen Exilias und der warnende Schrei eines Ausgucks im Mast.
Kaventsmann! Kaventsmann!
Kurz darauf bellten die Kapitäne Befehle zum Beidrehen. Eine große Welle kam von Westen her parallel zur Küste laufend. Sie war wirklich groß. 20-30 Meter wurde später geschätzt. Erst die erste, dann die zweite und dritte Wellen in dieser Größe stürtzen an der Steilküste entlang. Es folgten noch weitere große Wellen, welche jedoch eher mit Sturmwellen vergleichbar waren und längst nicht so gefährlich.
Am Abend war das gröbste vorbei und Myrhenka erhob sich, gab die Höhleneinfahrt wieder frei und verbreiterte die Einfahrt wieder jedoch nur auf maximal 50 Meter. Danach erklomm er die Klippe und betrat Exilia über die Klippe auf die große Wiese im Osten der Stadt, sichtlich erschöpft jedoch achtsam nichts zu beschädigen. Letztlich hockte er sich auf die Wiese mit weitem Blick auf die Stadt selber (nach süd-westen gerichtet) und bewegte sich nicht mehr und war wie versteinert.
Im Nachhinein fragen sich die Arbeiter im Graben auch immernoch was passiert war und wie genau es passieren konnte, als Myrhenka sich aus dem Graben erhoben hatte. Es war kein Loch geblieben, nur eine glatt abschließende Grabenwand, wo er sich vormals hineingedrückt hatte.
Furcht und Erstaunen hielten sich bei den Exilanten lange Zeit die Waage. Mit Fassungslosigkeit und Staunen hatten sie die Bewegungen Myrhenkas beobachtet, angesichts solcher Naturgewalt zumeist gebannt und bewegungslos ihrem Schicksal ergeben, in wenigen Fällen aber auch eine rasche Flucht vorbereitend. Dass der Gigant so mühelos die Klippen herab- und wieder hinaufklettern konnte, ließ manchen zweifelnde Blicke auf die stolzen Mauern der Stadt werfen. Welchen Schutz konnten sie angesichts solcher Mächte bieten? Auch der Graben schien mit einem mal keineswegs mehr sobeeindruckend und schutzversprechend, wie zuvor. Zwar hatte man sich allgemein in den letzten Monaten immer mehr an die Gegenwart Myrhenkas gewöhnt und es sogar weitgehend geschafft, ihn im alltäglichen Leben nicht mehr als permanente Bedrohung wahrzunehmen, doch war das leicht gefallen, solange er sich nicht bewegte. Dass entgegen aller Befürchtungen nicht der Großteil der Lichten Mitte dem Erdboden gleichgemacht wurde, als er es nun doch tat, bemerkten viele Exilanten erst Stunden nachdem sich das Wetter und Meer wieder beruhigt hatten. Sie strömten auf die Brücke am Westtor und blickten staunend auf die völlig intakte Grabenwand, die nicht den leisesten Hinweis darauf zeigte, vor kurzem noch größtenteils aus dem lebendigen Relief eines Steinriesen bestanden zu haben. Doch kaum einer konnte sich lange auf diesen Anblick konzentrieren, denn selbst von hier aus waren der Kopf und große Teile des Oberkörpers des Golems zu sehen, der nun, wie es schien wieder völlig friedlich und bewegungslos, auf der großen Wiese saß.
In all dem Schrecken, der Myrhenkas ersten Bewegungen folgte, schafften es doch ein paar Exilanten, dem Protektor über die Lage Bericht zu erstatten. Angesichts der zu erwartenden Aussichtslosigkeit eines solchen Unterfangens und der Möglichkeit, dadurch alles bloß zu verschlimmern, gab er den strikten Befehl aus, Myrhenka auf keinen Fall anzugreifen. Stattdessen sollten die Stadtbezirke in seiner unmittelbaren Umgebung, allen voran der südliche Abschnitt der Lichten Mitte evakuiert und die Bewohner in die höheren Abschnitte der Stadt gebracht werden.
Zwar wurde seinem Befehl Folge geleistet, doch blieb fraglich, wen er überhaupt erreicht hatte. Myrhenka erreichte den Hafen gewiss schneller als jede Nachricht aus der Großen Halle (die Wurfpost durch das Gangsystem war zwar schnell, die Zeit, die es dauerte, die Nachricht aufzuschreiben, angemessen zu authentifizieren, zu verpacken, abzuschicken, dem Empfänger zuzustellen, zu lesen und schließlich den Befehlsempfängern zu übermitteln, sorgte aber dafür, dass Myrhenka schon mit seinem Werk begonnen hatte, ehe sie ankam), doch unterließen die Wachen im Hafen auch ohne diese ausdrückliche Ermahnung unüberlegte und eigenmächtige Handlungen. Die Evakuierung der Lichten Mitte kam erst richtig in Fahrt, als Myrhenka schon in der Hafeneinfahrt stand.
Als ihn die Nachricht von Myrhenkas Bewegungen erreichte, war Galwine zunächst auf das Dach der Großen Halle gerannt, als er Myrhenka von dort kurz darauf nicht mehr sehen konnte, weil er bereits die Klippe hinabkletterte, war er zur Promenade der Unsterblichen geeilt und hatte das weitere Geschehen von dort verfolgt.
Insbesondere in der Zeit, die verstrich, nachdem Myrhenka die letzte Lücke der Hafeneinfahrt geschlossen hatte und bevor der Ruf des Ausgucks dünn an seine Ohren getragen wurde, war er von umstehenden mit angstvollen Fragen bestürmt worden, während die gleichen Ungewissheiten auch in seinem Inneren tobten. Er konnte keine dieser Fragen beantworten.
Als die gewaltigen Wellen gegen die Küste schlugen, hatten sich Furcht und Sorge nocheinmal verstärkt. Doch als die letzte Welle an der Stadt vorübergezogen war, hatte sich ganz langsam und allmählich so etwas wie eine, zunächst sehr vorsichtige, Erleichterung und Erkenntnis eingestellt. Plötzlich wusste er wieder was zu tun war.
Umgehend schickte er einige Exilanten hinab in die Unterstadt und zum Hafen, um in Erfahrung zu bringen, wie es dort stand.
Dann wandte er sich an Lucanica, die Hauptfrau der Larkkavallerie, die nahebei stand: „Ich brauche einige sehr schnelle Boten“, sagte er. „Ich möchte, dass sich drei Larkreiter nach Westen auf den Weg machen. Die großen Wellen liefen recht parallel zur Küste. Das ehemalige Aratanashi hat bestimmt auch etwas abbekommen. Ich möchte wissen, wie es dort steht, insbesondere am Hafen von Utamakura und ob man dort unsere Hilfe benötigt. Und falls das herauszufinden ist, möchte ich erfahren, was diese Wellen ausgelöst hat. Drei Reiter sollen zunächst nach Avis Liberis reiten und sehen wie es um Stadt und Land steht. Ich mache mir um die Stadt selbst keine so großen Sorgen und auch der Marmorsteinbruch liegt vermutlich zu hoch, um Schaden davongetragen zu haben, aber ich möchte, dass die Avis Liberier verstehen, dass wir uns um sie kümmern. Mahr soll eine der Reiterinnen sein. Sie hat zwar noch nicht besonders viel Erfahrung mit ihrem Lark, aber die Avis Liberier kennen sie und vertrauen ihr hoffentlich. Wir werden nicht schnell genug sein, um die anderen Protektorate zu warnen, aber auch den Küstenprotektoraten östlich von uns, sollten wir unsere Hilfe anbieten - so wir denn welche gewähren können.“ Das letzte sagte er bloß leise zu sich selbst. Eigentlich hatte er bereits alle Hilfe, die Exilia leisten konnte, nach Süden und in die vom Wintereinbruch besonders betroffenen Gebiete geschickt. Dies waren schwere Zeiten. Sie würden sehen müssen, was sich machen ließ. „Deshalb sollen wenigstens zwei Reiter von Avis Liberis weiter nach Ulfednarsheim reiten“, fuhr er fort. „Zuletzt: ich möchte, dass zwei Reiter nach Paolos Trutz reiten. Sie sollen dem Palast von der Flutwelle berichten, vor allem aber möchte ich, dass sie nach Dorna Ausschau halten und sie so schnell wie möglich hierher bringen! Jedes Wissen über Wesen wie Myrhenka und wie man mit ihnen kommunizieren kann, können wir nun dringend gebrauchen.“