Vor der Siedlung

  • Der Bote nickte zu den Wachen. Er war in einfache Kleidung gehült, die eng
    anlag und ihn so nicht beim Reiten behinderte. Ein Kurzschwert zierte seinen
    Gürtel.
    Mein Name ist Magnus, ich bringe eine Nachricht für Kire Schattenhaar.
    Ich hoffe er ist noch nicht in den Süden aufgebrochen.

  • Der Torwächter blickte zu seinen Kollegen und antwortete:


    "Die Pläne des Protektors muss schon dieser selbst euch mitteilen" antwortete eine der Wachen. Auf ein Handzeichen wurde das schwere Tor etwas geöffnet, so dass es Magnus möglich war, einzutreten.


    Die Wache blickte immer noch zu dem Neuankömmling herunter:"Also tretet ein, dieser Exilant wird euch zu Kire führen, auf dass ihr eure Nachricht persönlich überbringen könnt" Wie auf dessen geheiß wurde eine schlanke Gestalt hinter dem Tor sichtbar. Sie war einfach gekleidet und nicht sonderlich groß, man könnte die Statur durchaus mit einem Elb vergleichen. Bloß die Hörner auf ihrer Stirn und die sonderbaren, leicht glühenden Augen verrieten, dass es sich nicht um eine menschliche Frau handeln mochte.

  • Der Bote Magnus, selbst ein Mensch, nickte offen und freundlich zu den
    Torwächtern. Dann schaute er zu der Frau, die wohl offenbahr ebenso ein
    Tiefling war, wie der Herr der ihn schickte. Magnus lächelte zufrieden.

    Nach Euch, Mylady.

    Dann folgte er der Frau.

  • Die Sonne stand schon tief, als die beiden Reisenden ihr Schritte verlangsamten. Nicht weit vor ihnen sahen sie das Ziel ihrer inzwischen mehrere Monate andauernden Odyssee. Zumindest hoffte Galwine, dass es sich so verhielt.
    "Exilia- was für ein passender Name!", dachte er nicht zum ersten Mal. Er hatte nichts gegen lange Reisen einzuwenden, aber er bevorzugte jene, bei denen man zum einen ein festes Ziel und zum anderen, was er für noch wichtiger hielt, ein festes Heim besaß, in dass man mit Sicherheit irgendwann zurückkehren konnte.


    Er hatte nicht viel über Mythodea gewusst, bevor er das Schiff betreten hatte, das ihn hierher brachte und auch Neira konnte ihm während der langen Überfahrt nicht viel darüber erzählen. Ein Paradies für Tieflinge und seltsamste Kreaturen hatten die Seeleute den Kontinent genannt und ein wenig verschmitzt gelächelt, zumindest so weit es ihre sonnengegerbte Haut zugelassen hatte. Paradiesisch war ihnen das Land bei ihrer Ankunft allerdings nicht erschienen: noch in der Stadt ihrer Ankunft, Porto Armatio, hatten sie gesehen, das Blut- und Geld- und Machtgier auch hier vorherrschende Triebkräfte waren, und da sie selbst innerhalb der schützenden Stadtmauern offenbar nie unbewaffnet auf die Straße treten konnten, hatten sie sich einem Zug von Händlern, Kaufleuten und Soldaten, die von einem Krieg im Süden zurückgekehrt nun nach Norden zogen, angeschlossen - ganz einfach weil deren Ziel wohl ebenfalls sichere Gefilde sein mochten und eine Reisegruppe dieser Art sicheren Schutz vor den Unwägbarkeiten der Straße bot. Unterwegs hatten verschiedene Mitglieder des Trosses ihnen immer wieder gesagt, dass man im Protektorat von Exilia besonders freundlich und aufgeschlossen allen Fremden und absonderlichen Wesen gegenüber war und auch in Polos Trutz, wo sich die Reste des Zuges in alle Himmelsrichtungen verstreuten, hörten sie ähnliches.
    Sie begegneten einem fahrenden Händler, der sich für eine Reise nach Aratanash eine Eskorte zusammenstellte und der ihnen "sehr großzügig", wie er mehrmals betonte und nach Zahlung eines beträchtlichen Entgeltes erlaubte, sich ihm ein Stück des Weges anzuschließen. Doch die letzten gut hundert Meilen mussten sie alleine bestreiten und die großen Fußabdrücke in der staubigen Straße nach Exilier, die von einem, oder schlimmer: mehreren sehr großen Tieren mit Klauen stammen mussten, machte ihnen die Reise nicht angenehmer. So waren sie sich im Unterholz verbergend neben der Straße gegangen, begegneten oder sahen jedoch niemanden. Als es nicht mehr sehr weit sein konnte, waren sie auf die Straße zurückgekehrt. Doch da die Klauenspuren noch immer der Straße folgend auf die Siedlung zu und von ihr weg führten, beschlossen sie sehr vorsichtig zu sein. Man konnte nicht wissen, wie fremd jene fremden Geschöpfe waren, denen die Exilanten Unterschlupf gewährten.


    Sie näherten sich vorsichtig der Palisade und dem Tor, auf das die Straße zuführte. Eigentlich müsste sie bald eine der Wachen, die es zweifellos dort geben musste, entdecken.

  • Der Sommer war vergangen und der Herbst kündigte sich mit immer neuen Schauern an, die, vom Wind umhergepeitscht, eisig vom Meer her übers Land gefegt kamen. Die Siedlung lag an der steilen Felsküste im Norden des Reiches und war daher stark von den Umwelteinflüssen gezeichnet. Doch dank jahrelanger harter Arbeit war es den Siedlern gelungen sich eine neue, sichere Heimat zu errichten.


    Die Mauern, denen sich Galwine und seine Begleitung näherten, waren aus Stein. Die Siedlung wirkte solide und stark befestigt, so als würde sich eine felsige Erhebung steinern und trotzig gegen den stürmisch bedeckten Horizont richten. Der graue Himmel kündigte einen erneuten Regenschauer an, der Wind schlug ihnen scharf ins Gesicht.
    Auf den Palisadengängen prangte das Banner Exilias: Ein roter Drache auf schwarzem Grund. Die Flaggen standen auf Halbmast.


    Auf den Wehrgängen selbst war niemand zu erblicken, doch zweifellos waren die Tore bewacht.

  • Eigentlich entsprach der Anblick, der sich ihnen bot, keineswegs ihren Vorstellungen. Aber obwohl dieser Ort eher verlassen und trostlos denn offen, lebensfroh und vielen Frieden- und Freiheitsliebenden Geschöpfen eine Heimat zu sein schien, konnte Galwine am guten Zustand der Mauern ablesen, dass es sich hinter ihnen wohl vergleichsweise sicher leben ließ. Das hatte im Moment wirklich Priorität, so man ihnen denn Gelegenheit dazu lies und nicht glaubte, die Bewohner Exilias vor ihnen schützen zu müssen.
    Die Flaggen lösten gemischte Gefühle in ihm aus. Er war sich nicht sicher, wie er sie interpretieren sollte. In seiner Heimat waren sie immer nur bis zur Hälfte des Mastes emporgezogen worden, wenn jemand Bedeutendes gestorben oder etwas anderes schreckliches geschehen war. Vielleicht war das hier ja genauso. Zumindest erinnerte es ihn assoziativ an seine Heimat und er stellte ein wenig beschämt fest, dass er sich über den Anblick auch freute.
    Doch ihm blieb nur wenig Zeit, diesen Gedanken nachzuhängen, denn auf der weiten Freifläche vor dem Tor, dass sie nun überquerten bließ der Wind ihnen mit einer Kraft entgegen, die sie in eine vornübergebeugte Haltung zwang. Noch waren sie weder von jemandem angerufen, noch ohne Vorwarnung unter Beschuss geraten, daher beschleunigten sie ihre Schritte wieder und suchten unter dem Torbogen Schutz vor den Lüften, die sich durch jede Ritze ihrer Kleidung bissen.
    Gallien hob die Hand und klopfte mehrere Male kräftig gegen das Tor. Es hätte auch keinen Sinn gehabt zu versuchen, dem Wind verbal entgegenzutreten

  • Während die Fremden sich zum Tor vorkämpften regte sich Leben hinter den Toren. Befehle wurden gebrüllt und Wachen besetzten zum beiden Seiten die Wehrgänge auf der steinernden Mauer.
    Die Männer waren gut gerüstet: Helme saßen auf bärtigen Gesichtern, unter der Brustpanzerung saß dicker Stoff um sich vor Wind und Kälte zu schützen.


    Eine der Wachen beugte sich vor und sprach mit barscher Stimme:
    "Hoh, Fremde! Wer seid ihr und wie lautet euer Begehr?"

  • "Mein Name ist Galwine Camdagnir und dies ist Neirànya", rief er zu der Wache empor und deutete auf seine Begleiterin. "Wir sind noch nicht lange in diesem Land, dafür aber schon recht lange auf Reisen. Wir sind auf der Suche nach einem Platz, den wir Heimat nennen können, und möchten gerne mit dem Vorsteher dieses Ortes sprechen. Für den Moment würde uns aber auch ein Quartier für die Nacht und ein wärmendes Feuer genügen", fuhr er fort und setzte hinzu: "Wir kommen weder als Wegelagerer oder Bettler, sondern als ehrliche und aufrechte Siedler." Er war sich nicht sicher, ob er versuchen sollte die Wache zu bestechen, damit sie sich ein wenig beeilte, doch er beschloss, sich lieber später erkenntlich zu zeigen, sollte er dazu Gelegenheit haben. Er war nie ausgesprochen wohlhabend gewesen und das bescheidene Vermögen mit dem er aufgebrochen war, begann schon merklich zu schrumpfen.
    "Wenn ihr die Güte hättet euch ein wenig zu beeilen!- Ihr seht, im Gegensatz zu der euren, ist unsere Kleidung nur unzureichend einem solch starken Wind angepasst. Also öffnet endlich dieses Tor!"

    „Wenn Ihr es genau nehmen wollt: Man spricht es [ˈgal.vɪn]. Das e am Ende ist stumm.“ :exilia:

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  • Der Mann zögerte. Zwar schätzte er die Beiden als "ungefährlich" ein, aber in diesen Landen konnte man nie wissen, was einem begegnete, außerdem gefiel ihm der Ton der letzten Worte nicht.
    Die Männer grinsten, als sie sahen, dass der Wind an der Kleidung der Fremden zog, die offensichtlich nicht auf ein solches Wetter vorbereitet waren.


    Die Wache zog geräuschvoll die Nase hoch und antwortete ihnen.
    "Tragt ihr Waffen bei Euch?"


    Doch schon wies er einen anderen Wachposten mit einem Kopfnicken an das Tor zu öffnen.

  • "Natürlich sind wir bewaffnet! Es wäre verrückt, es in diesen Zeiten und diesen Landen nicht zu sein!", rief Galwine zurück. "Doch lasst uns ein und durchsucht uns, wenn ihr wollt. Wir sind zudem bereit, unsere Waffen zeitweilig abzulegen, sollte euch das als notwendiges Kriterium unseres Einlasses erscheinen."
    Er machte Anstalten, den Gürtel mit dem Dolch abzuschnallen, überlegte es sich dann jedoch anders, da er noch keine ausdrückliche Antwort erhalten hatte, und gab auch Neirà ein entsprechendes Zeichen, die gerade damit beschäftigt war, die Riemen, die ihren Köcher auf dem Rücken hielten, zu öffnen. Man musste nicht vor jeder dahergelaufenen Wache buckeln. Selbst in dieser Situation verbot ihm das sein Stolz.