Und am Anfang war ...

  • "Was nutzen wir bis dahin?"
    Jede Pflanze besaß in gewisser Weise eine Saison. Das lag in der Natur des Lebens. Doch für Iodoc war es mehr als nur unbefriedigend, dass er für dieses Unterfangen einen halben Jahreszyklus warten musste.
    "Warum nutzen wir nicht einfach einen Schwamm oder Moos? So kann die Tinktur aufgenommen werden. Durch Aufdrücken auf die Wunde würde sie dann aufgetragen werden."
    Doch ihn beschäftigte jetzt viel mehr, ob es nicht doch ein anderes Kraut, Gestein oder ähnliches gab, was eine ähnliche Wirkung besaß. Er traute das besonders einer Art von Substanzen zu - tierischen Giften. Aber Liadan würde gewiss noch weitere Kräuter kennen, welche zusammen ein ähnliches Potential wie das Sonnenkraut ergaben.

  • "Es gibt einige andere Pflanzen, aber keine hat nur annähernd das Potential vom Wundkraut. Eventuell können wir mehrere kombinieren. Auf der obersten Ebene der Festung gibt es einen Kräutergarten. Vielleicht sollten wir uns dort einen Überblick verschaffen was hier zur Zeit wächst."
    Sie hoffte auf ein paar kultivierte Kräuter, mit denen sie Versuche machen konnten. Damit würden sie Zeit gewinnen, die sonst bei der Suche verloren ging.
    "Die Idee ein Moos oder einen Schwamm zu verwenden klingt nicht schlecht. Doch dann hast du immer noch das Problem der Dosierung außerdem überträgst du eventuell infiziertes Gewebe auf den Schwamm, damit wird er unbrauchbar, ist somit nur einmal zu verwenden. Denn auf dem Schlachtfeld gibt es keine Möglichkeit ihn zu reinigen. Also müssten immer mehrere Schwämme zusammen mit der Tinktur mitgenommen werden. Das halte ich nicht für sinnvoll. "
    Wo sollten sie die Mengen an Schwämmen her bekommen die dafür nötig war. Moos war ihrer Meinung nach nicht sauber genug um es auf offenen Wunden zu verwenden. Und selbst wenn doch benötigten sie davon auch eine sehr große Menge. Konnte man Moos anpflanzen?
    "Was spricht deiner Meinung nach gegen eine Salbe?"

  • "Ich schätze mal, dass es beim Kombinieren dann nicht mehr so einfach wie Tee kochen ist. Aber was nutzt uns das potenteste Mittelchen, wenn wir es nur wenig haben?"
    Iodocs Kopf arbeitete in diesem Moment bereits an zwei Punkten. Zum einen immer noch an der Kultivierung von Sonnenkraut, damit in den Sommern viel davon da war. Zum anderen daran was sie im Rest des Jahres machten.
    "Wenn wir der Tinktur etwas beigeben, was dieses Gewebe abtötet, Alkohol oder ähnliches?"
    Er wusste direkt wodrauf sie mit ihrer Bemerkung, dass es nicht sinnvoll wäre hinaus wollte. An Schwämme kam man mitunter schwierig dran und meistens waren sie dann auch teuer.
    "So könnte man dann auch Moos verwenden. Obwohl man es vorher reinigen sollte. Ich würde es vermutlich auch in die Tinktur einlegen."
    Gegen eine Salbe sprach eigentlich nichts, außer vielleicht, dass sie bei schlechter Lagerung sich nicht so lange hielt. Aber der eigentliche Grund, wieso Iodoc keine Salbe daraus machen wollte, war, dass er sie nicht gerne verwendete.
    "Ich verwende Salben nicht gerne."

  • Liadan konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
    "Ein Heiler sollte seine eigenen Bedürfnisse hinten anstellen. Ich bade meine Hände auch nicht gerne in Blut. Tue es aber trotzdem, wenn es nötig ist. Außerdem geht es dir doch in erster Linie um die Kämpfer, damit sie etwas bei sich tragen können um sich selbst zu behandeln, oder habe ich dich da falsch verstanden?"
    Gereinigtes Moos und eine zusätzliche Substanz in der Tinktur, das könnte gehen.
    Liadan nickte nachdenklich.
    "Wie willst du das Moos denn verwenden, wenn es in der Tinktur liegt? Worin würdest du beides aufbewaren?"
    Die Idee fand sie grundsätzlich nicht schecht, doch die Umsetzung konnte sie sich nicht vorstellen.

  • "Dass du deine Hände in Blut baden musst ist unumgänglich, die Salbe schon."
    Iodoc musste bei diesen Worten schon sehr grinsen.
    "Ja, das hast du schon richtig verstanden. Aber ich würde ihnen nur ungern mitgeben, was ich selbst nicht verwenden mag. Kannst du das verstehen?"
    Was das Moos anging musste er zunächst überlegen - laut. Dabei schaute er den Falken am Himmel zu.
    "Wenn man das Moos danach trocknen würde..."Man hätte einen geringen Verlust an Wirkstoff.
    "... dann könnte man es gut transportieren. Man bräuchte zur Verwendung aber eine kleine Menge Alkohol.
    Er schaute Liadan an.
    "Tragen die meisten Kämpfer auf dem Schlachtfeld Alkohol bei sich?"

  • Liadan schaute zunächst Iodoc an, danach wie er hinauf zum Himmel, wo die Falken weiter um den Turm kreisten oder mit den Flügeln rüttelnd in der Luft standen. Sie hörte ihm aufmerksam zu wie er laut über die Anwendung nachdachte, während auch sie überlegte wie man das Problem lösen konnte.
    "Ja das kann ich sehrwohl verstehen. Und nein, die meisten Kämpfer tragen noch nicht einmal Wasser mit sich. Dafür ist der Tross da. Nur Heiler und Ärzte haben neben Wasser auch Alkohol dabei. In manchem Tross kann man den allerdings auch finden."
    Sie sah Iodoc direkt an als er sie wegen dem Alkohol fragte. Zunächst runzelte sie fragend die Stirn, doch nach einer kleinen Denkpause verstand sie und nickte langsam.
    "Wenn wir eine wässrige Tinktur verwenden und eine Substanz mit antiseptischer Wirkung hinzufügen, dann ist Wasser sicherlich ausreichend um das Moos zu befeuchten und die Inhaltstoffe frei zu setzen."

  • "Das klingt gut."
    Iodoc war jetzt in vollem Eifer.
    "Wenn man die Substanz und das getrocknete Moos zusammen mörsert, dann könnte man es in einem kleinen Gefäß oder in der Handfläche in Wasser lösen und auf die Wunde auftragen oder sogar als Trank verabreichen. Aber was bietet sich als Substanz an?..." Er machte eine kurze Pause.
    "Die Beeren vom schwarzen Holunder können wir nicht nehmen."
    Während er Liadan anschaute, stellte er auch noch eine weitere Frage,
    "Und woraus wollen wir jetzt die Tinktur herstellen, wenn wir kein Sonnenkraut haben?"
    Man merkte ihm sichtlich an, dass er in dieser gedanklichen Arbeit aufblühte, und es ihm sehr schwer fiel auf eine Antwort von Liadan zu warten.

  • Liadan war überrascht über seine Ungeduld, das war sonst nicht seine Art. Gleichzeitig freute sie sich über sein Interesse an ihrem Wissen über Heilpflanzen. Doch sie war noch nicht lange genug hier um die Flora und Fauna zu kennen. Es würde noch einige Zeit in Anspruch nehmen bis sie ihr Wissen über die heilenden Eigenschaften der einheimischen Pflanzen in Erfahrung gebracht hatte.
    "Langsam, langsam eines nach dem anderen." sagte sie etwas nachdenklich.
    "Das mit dem Antiseptikum wird einfach, denn es ist in jeder Küche zu finden. Da wären zum einen der Knoblauch und zum anderen Honig. Knoblauch kann man trocknen und im Mörser zu einem groben Pulver zuerkleinern. Beim Honig bin ich mir unsicher, vielleicht wenn wir ihn erst in der Tinktur auflösen, doch er wird immer etwas klebrig bleiben."
    Die letzten Worte waren eher laut gedacht, als direkt zu Iodoc gesprochen. Sie machte eine kurze Pause.
    "Eine Alternative für die Tinktur zu finden und das bei dieser Jahreszeit wird schon schwieriger. Ich kenne noch nicht alle Pflanzen, daher kann ich nur vorschlagen was möglich wäre, wenn wir diese hier im Garten finden." Mit einer Handbewegung zeigte sie hinter sich in Richtung Festung.
    "Bedenkt man das hiesige Klima und die aktuelle Witterung kämen Schafgarbe, Wundklee, Hirtentäschel und Birke in Frage. Sie alle haben eine mehr oder weniger gute wundheilende Eigenschaft. Normalerweise wird von diesen Pflanzen jedoch der frisch gepresste Saft, die frisch zerriebenen Blätter oder ein Aufguss der Blüten verwendet. Inwieweit wir eine Tinktur daraus herstellen können und ob diese dann in dieser Kombination noch wirksam ist müssen wir schlichtweg ausprobieren."
    Liadan schaute Iodoc an und wartete auf seine Reaktion.

  • Iodoc, von ihren beruhigenden Worten keineswegs in seinem Denken verlangsamt, war schon begriffen zur Festung zu laufen. Nach einigen Schritten hielt er aber an. So kommt sie ja gar nicht hinterher.
    Er drehte sich wieder um. "Kommst du?"
    Während sie in Richtung der Festung gingen, antwortete er dann auf ihre Überlegungen.
    "Ich halte die Idee mit dem Pulver für die einfachere, also sollten wir zunächst den Knoblauch probieren." Den hatte er zudem auch im Garten, während seiner Aufenthalte dort, geshen. Bei der Wahl der Kräuter war er auch unsicher, wobei er wusste, dass eine Tinktur aus dem Wirkstoff der Birke nicht funktionierte.
    "Was die Pflanzen angeht, fällt die Birke raus. Aus der kann man keine Tinktur gewinnen, das weiß ich. Schafgarbe und Wundklee halte ich für vielversprechend, doch ist die Blütezeit schon lange vorbei. Aber es könnten Vorräte davon in der Festung geben. Das Hirtentäschel hingegen kenne ich nicht."
    Es war ihm sichtlich unangenehm, dass er eine Pflanze nicht kannte.

  • Das Idoc es auf einmal so eilig hatte überraschte Liadan erneut.
    “Ich komm ja schon. Die Pflanzen laufen uns schon nicht davon“
    Sie hörte zunächst seinen weiteren Überlegungen zu ohne ihn zu unterbrechen.
    “Gut, dann versuchen wir es zunächst mit Knoblauch.
    Es mag sein, dass das Klima in deiner Heimat nur das Sammeln im Sommer erlaubt. Hier ist das Wetter anders, wenn wir Glück haben finden wir noch ein paar blühende Exemplare. Denn das Herstellen von Tinkturen ist mit frischen Blüten und frischem Kraut effektiver als mit getrocknetem, selbst wenn es zu dieser Jahreszeit nicht mehr den vollen Wirkstoff enthält.“
    Liadan hatte auch schon im Herbst Kräuter gesammelt und deren Heilwirkung war dann noch ausdreichend. Natürlich wusste sie, dass zur Hauptblüte der Wirkstoff in den Pflanzen meist am effektivsten war.
    “Wenn ich das Hirtentäschel unterwegs sehe zeige ich es dir. Vielleicht kennst du es ja auch unter einem anderen Namen? Sollten wir dennoch auf getrocknete Planzen zurück greifen müssen, dann können wir auch Spitzwegerich versuchen. Lass uns einfach mal nachschauen, was wir im Garten vorfinden.“

  • "Das ist gut möglich. Aber sagt man nicht immer, man soll Kräuter zeitig nach dem pflücken trocknen?"
    Iodoc war tatsächlich verwirrt. Wobei ihm auch schnell einfiel, dass bei der Herstellung einer Tinktur dann ja auch wieder Flüssigkeit hinzugegeben werden würde, also das Trocknen total unötig wäre.
    "Das könnte sein, aber die Bücher meines Vaters stammten noch aus einer anderen Zeit. Also sie noch woanders gelebt haben. Das ist eine gute Idee."


    Der weitere Weg in die Gärten verlief ohne Vorkommnise, wobei sie sich weiterhin über die Möglichkeiten unterhielten.


    ==========
    Fortsetzung in den Gärten