Und am Anfang war ...

  • Wann: mehrere Tage nach "Eine neue Aufgabe"
    Wo: In der Nähe der Falkenzucht
    Wer: Liadan, Iodoc (andere nach Absprache)
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    Iodoc hatte sich das Gespräch zwischen Emain, Iria und ihm nun mehrere Tage durch den Kopf gehen lassen. Er war zu dem Schluss gekommen, dass es wirklich das Beste wäre, wenn er zunächst die Grundlagen lernen würde. Dazu musste er aber mit Liadan reden, welche, obwohl sie, wie er selbst, Terra in sich trug, vermehrt Zeit bei der Falkenzucht verbrachte. Sie beobachtete dort wohl die Greifvögel.
    Von weitem hatte Iodoc Liadan schon auf einem Stein sitzen sehen, wie sie die Vögel betrachtete, welche über den Himmel kreisten und vermutlich schon nach ihrer nächsten Beute Ausschau hielten.
    "Es wird dich doch wohl jetzt nicht zu Aeris ziehen.",
    begrüßte Iodoc sie, als er sie endlich erreicht hatte.

  • “Keine Angst, das wird schon nicht geschehen. Dafür ist Terra viel zu stark in mir.“
    Erwiderte sie lachend.
    “Aber schau sie dir an, sind das nicht wundervolle Geschöpfe?“
    Liadan hatte vor einigen Tagen den Turm mit der Aussichtsplattform entdeckt. Sie wollte sich ein genaueres Bild von der Umgebung verschaffen. Daher war sie hinauf gestiegen. Umso überraschter war sie, als sie die Falkenzucht entdeckte. Diese wundervollen Tiere hatten sie sofort fasziniert. Ihre Anmut und Geschwindigkeit, die Art wie sie in der Luft fast still stehend ihrer Beute auflauerten. Diese Greifvögel hatten eine unbekannte, unfassbare Sehnsucht in ihr geweckt.

  • Diesmal wandte Liadan ihren Blick vom Himmel ab und schaute Iodoc direkt an.
    “Es ist wohl eher die Art wie sie jagen, die Geschwindigkeit. Vielleicht haben sie auch so etwas wie Neid in mir geweckt. Möglicherweise auch so etwas wie Jagdinstinkt. Ich bin mir da noch nicht so sicher. “ Erwiderte sie lächelnd.
    “Aber du bist sicherlich nicht hier um dich mit mir über Greifvögel und deren Jagdverhalten zu unterhalten, oder etwa doch?“
    Sie hatte Iodoc schon ein paar mal bei Streifzügen durch Wälder begleitet, meist jedoch um Fallen zu kontrollieren. Bei dieser Gelegenheit hatten sie sich ab und zu auch über die Jagd unterhalten. Doch das Sammeln von Wildgemüse, Beeren und Kräutern lag ihr mehr als das Jagen von Wild.

  • "Worauf denn Neid?"
    Iodoc lächelte. Wohl eher, weil er recht behalten hatte, denn ihren womöglichen Neid.
    "Warum denn nicht? Du scheinst sie ja bewundernswert zu finden."
    Jetzt konnte er sich ein Lachen nicht mehr verkneifen. Aeris ist stark in diesem Stamm.
    "Aber du hast recht. Ich bin hier um mit dir über deine Fähigkeiten Tränke und Salben herzustellen zu reden."


    Iodoc schaute währenddessen noch in den Himmel. Als er fertig gesprochen hatte, zeigte er in die Ferne. "Schau!"
    Liadan konnte gerade noch sehen , wie einer der Falken sich hinabstürzte.
    "Hoffentlich hat es sich gelohnt."

  • Sie folgte Iodocs Hand in den Himmel. Ihre Gesichtszüge veränderten sich sofort und ihre Augen strahlten.
    “Darauf bin ich neidisch! Diese Geschwindigkeit mit der sie zielsicher auf ihre Beute hinab stürzen und der scharfe Blick den diese Vögel haben müssen um ihre Beute aus dieser Höhe aufzuspüren“ sagte sie fast schwärmerisch. Sie seufzte und wandte sich dann wieder Iodoc zu.
    “Was genau möchtest du denn über die Herstellung von Tränken und Salben wissen?“ fragte sie mit einem leichten Stirnrunzeln.
    Es überraschte sie schon, dass er sie so direkt auf ihre Fähigkeiten ansprach. Das hatte er so noch nie getan.

  • "Du weißt doch gar nicht ob dieser so zielsicher war. Geschwindigkeit kann jemandem auch zur Niederlage gereichen."
    Iodoc wusste, dass die Natur wie ein Glücksspiel war. Wer heute gewan, gewan nicht unbedingt den Morgen.
    "In meiner früheren Heimat wusste ich welche Flechte eine Wunde zuwachsen ließ, oder welches Tier Vergiftungen aus dem Körper saugte. Hier jedoch ist die Natur anders. Ich möchte lernen mit den hiesigen Pflanzen und Tieren ebensolche Kunststücke wieder zu vollbringen. Kannst du mir das zeigen?"
    Auch wenn Iodoc wusste das Liadans Wissen hauptsächlich über Pflanzen und deren Wirkung war, so schloss er die Tiere trotzdem in seine Frage mit ein. Eventuell konnten sie beide voneinander lernen und ihr Wissen dadurch erweitern.

  • “Ich beobachte diese Vögel schon seit einigen Tagen. Sie sind fast immer erfolgreich gewesen. Das Geschwindigkeit nicht immer von Vorteil ist weiß ich sehr wohl. Doch diese hier kombinieren fast bewegungsloses Verharren, wärend sie ihrer Beute auflauern, mit extremer Geschwindigkeit, um sie anschließend zu erlegen. Eine Katze macht das auf ähnliche Weise. Vielleicht ist es gerade das was mich fasziniert.“
    Liadan schaute leicht in sich gekehrt, in Gedanken versunken erneut zum Himmel den Falken hinterher.
    Nach einer kleinen Pause stand sie auf, schüttelte ihren Kopf, so als ob sie ihre letzten Gedanken abschütteln wollte und drehte sich zu Iodoc um.
    “Einige Pflanzen hier im Norden unterscheiden sich von denen aus dem Süden und sogar denen aus meiner alten Heimat. Viele sind jedoch vergleichbar oder in ihrer Wirkung ähnlich.
    Ich helfe dir sehr gerne dabei. Mit den Tieren kennst du dich jedoch viel besser aus. Da kann ich sicherlich noch etwas von dir lernen.
    Womit möchtest du anfangen?“

    Liadan freute sich sehr darüber, dass Iodoc mit diesem Anliegen zu ihr kam. Sie genoss seine Gesellschaft und die hatte sie leider sehr selten, da er oft lange und alleine unterwegs war.

  • "Doch nutzen Sie ganz andere Energien dafür."
    Iodoc beließ es dabei. Er wusste was sie meinte. Auch wenn er ihre Faszination nicht teilte. Er merkte jedoch sehr wohl, dass ihre Gedanken abschweiften. Seine Theorie hielt er immer noch für am wahrscheinlichsten: die Berglöwin in ihr hatte Hunger.
    Ihre Kompliment ließ ihn äußerlich kalt, hatte er es sich provoziert. Doch innerlich freute es in sehr wohl.
    "Du lehrst. Doch denke ich, dass es sinnvoll wäre mein Wissen über die generelle Herstellung von Salben und Tränke aufzufrischen."
    Es war nun ein Jahr her, dass er einen Fuß in seine alte Heimat gesetzt hatte. Und auch da war es lange her, dass er dieses Wissen benötigt hatte.

  • Sie nickte und lächelte.
    "Dann fangen wir am besten ganz von vorne an.
    Als Basis für jeden Heiltrank benötigst du immer abgekochtes Wasser. Je nachdem welchen Trank du herstellen willst fügst du Kräuter, getrocknete Beeren oder Mineralerde hinzu. Manche Zutaten musst du aufkochen, andere lässt du über einen bestimmten Zeitraum darin ziehen."
    Liadan merkte, dass sie viele Informationen auf einmal preis gab. Es war eine Weile her, dass sie jemanden unterrichtet hatte. Daher machte sie eine kurze Pause um Iodoc die Möglichkeit zu geben Fragen zustellen.

  • "Hört sich an wie Tee kochen."
    Gut, soweit hatte Iodoc es auch noch im Kopf.
    "Woher weiß ich, was ich wie verwenden kann und sollte?"
    Im Tal hatte er einiges am eigenen Leib ausprobiert. Was auch mal dazu geführt hatte, dass er mit einer Vergiftung nach Hause zurückkehrte. Daher wollte er hier von Händen lernen, die wissen was sie tun.

  • Liadan schmunzelte und nickte. "Genau, die Zubereitung einfacher Tränke ist vergleichbar mit Tee kochen. Es gibt jedoch auch Tränke deren Herstellung aufwendiger ist. Aber bleiben wir zunächst bei den Grundlagen."
    Sie kramte in ihrer Tasche und holte einen Beutel hervor.
    "Das Wissen über die Verwendung von Heipflanzen und die Herstellung von Tränken ist in erster Linie Erfahrungssache. Das Wissen wird von Heiler zu Heiler über Generationen weiter gegeben. Leider gibt es keine festen Regeln worauf man achten sollte. Es gibt allerdings ein paar Anhaltspunkte." Mit diesen Worten schüttete sie ein paar kleinen schwarz-blaue getrocknete Beeren aus dem Beutel auf ihre Hand. "Kennst du diese Beeren und ihre Anwendung?"
    Es waren getrocknete Holunderbeeren, die fast in jedem Wald zu finden waren. Sie wollte die Lehrstunde gerne mit etwas beginnen das Iodoc kannte.

  • Die Grundlagen. Die wollte Iodoc ja auch erstmal lernen.
    Liadan hielt ihm die Hand entgegen, sodass Iodoc sich drei der Beeren nahm und näher betrachtete. Sie waren getrocknet und wiesen eine schwarze Färbung auf. Er roch dran - geruchlos. Da war er sich bereits sicher. Aber... Er steckte sich eine in den Mund und biss drauf - süß-sauer. Lächelnd gab er ihr die zwei übrigen Beeren zurück.
    "Die Beeren des schwarzen Holunders. Man sagt ihn eine gewisse heilende Wirkung nach."
    Iodoc musste schmunzeln. Zumindest muss man vermehrt austreten.
    "Der Verzehr sollte nur nach Erhitzem erfolgen."
    Sehr zufrieden mit seiner Beschreibung, die für ihn typisch kurz aber pregnat war.

  • Liadan nickte zufrieden. "Eine gewisse heilende Wirkung ist untertrieben. Sie hilft auf vielerlei Art. Z.B. gegen Husten, bei Fieber und sonstigen Erkältungserrankungen. Aber auch zur Blutreiniging und bei Magen-Darm-Erkrankungen. Je nachdem wie man sie zubereitet.
    Kennst du auch den Grund warum man nur die reifen Beeren und diese nur nach dem Erhitzen verabreichen darf?"

    Sie war gespannt wie tief sein Wissen reichte. Allein diese Pflanze hatte so viel Potential als Heilpflanze.

  • "Sie führen vor allem bei Kindern und Alten sonst zu erbrechen."
    Iodoc war das Potential dieser Pflanze für einen Heiler durchaus bekannt, vorallem die entzündungshemmende Eigenschaft. Jedoch war ihm nicht bekannt, dass es eine weitergehende wundheilungsfördernde Eigenschaft besaß.
    "Aber mit einem Trank daraus bekomme ich doch keine Wunde zum schnelleren Verheilen? Ich verhindere damit doch nur, dass die Wunde zu eitern beginnt?"

  • "Das ist in allen Punkten richtig. Du wolltest doch die Grundlagen auffrischen und vor der Wundheilung steht nun mal die Reinigung. Man sollte sicherstellen, dass keine Entzündung vor liegt bevor man mit dem verschließen einer Wunde beginnt."
    Liadan steckte die Beeren zurück in den Beutel und diesen zurück in ihre Tasche.
    Sie hatte eine Ahnung was er von ihr wissen wollte.
    "Dir geht es wohl in erster Linie um die schnelle Wundversorgung auf dem Schlachtfeld, habe ich recht?"

  • "Das stimmt. Doch kann dafür auch jeder Fusel verwendet werden."
    Iodoc wusste wie man mit Wunden umzugehen hatte. Besonders bei Jägern waren Schnitte an der Hand keine Seltenheit.
    "Es geht mir um die schnelle Heilung von Wunden auf dem Schlachtfeld, um etwas was die Kämpfer auch eigenständig nutzen können."
    Er überlegte einen kurzen Moment bevor er weitersprach.
    "Nach dem was ich hörte, wurden Armeen immer aufgerieben, wenn die Zahl der Verwundeten hoch war. Die Wunden brauchen bei einer normalen Behandlung zu lange um behandelt zu werden und zu lange um soweit zu heilen, dass ein Rückzug möglich ist."
    Obwohl er noch nie auf einem Schlachtfeld gestanden hatte, wusste er genau, dass bei einem Rückzug das schwächste Glied entschied wie schnell man vorrankam und wie lange die noch stehenden Kämpfer standhalten mussten.

  • "Das erreichst du jedoch nicht mit einem herkömmlichen Heiltrank. Was du erreichen willst dafür benötigt man Magie oder zumindest Alchemie."
    Sie überlegte eine Weile. Er war auf der Suche nach etwas, das ohne Heiler leicht anzuwenden war und schnell wirkte.
    Es gab eine Pflanze, die nur im Sommer wuchs, ein Wundkraut das sie schon häufiger verwendet hatte.
    "Kennst du das Sonnwendkraut? Meine Großmutter nannte es auch Hexenkraut. Es ist das beste Wundkraut, dass ich kenne. Das aus den Blüten hergestellte Destillat hat eine schmerzstillende und zusammenziehende Wirkung und kann sowohl für frische Wunden, Verbrennungen, Muskelrisse, Quetschungen usw. verwendet werden.
    Die Pflanze ist Knie- bis Hüfthoch mit kräftig gelben Blüten, die leicht getupft sind. Zerreibt man die Blütenblätter zwischen den Fingern so tritt eine rote Flüssigkeit aus.
    Man trägt es normalerweise als Öl auf."

    Doch das wäre auf dem Schlachtfeld recht unpraktisch.
    Liadan runzelte nachdenklich die Stirn. 'Wenn man das Öl jedoch in eine Salbe einarbeiten und mit anderen wundheilenden Pflanzen oder anderen Zutaten kombinieren würde..?' Sie überlegte fast fieberhaft welche dafür in Frage kommen könnten.

  • In diesem Moment vermisste Iodoc seine alte Heimat. Dort hatte es eine Flechtenart gegeben, die durch ein symbiontiales Verhalten in der Lage war Wunden zu verschließen.
    "Gibt es diese Pflanze auch hier?"
    Auch bei ihm liefen bereits Überlegungen im Kopf ab, jedoch eher in die Richtung der Verfügbarkeit und Kultivierbarkeit. Wobei ihm dann einfiel, dass zunächst eine praktikable Verarbeitung erreicht werden sollte. Sonst hat man am Ende einen Garten voller nutzlosem Kraut.
    "Du müsstest mir dann bei Gelegenheit zeigen, wie ich daraus ein Destillat bereiten kann. Wobei ich befürchte, dass die Dosierung eines solchen Destillates auf dem Schlachtfeld sehr schwierig ist."

  • "Im Süden habe ich sie im vergangenen Sommer schon gesehen, daher gehe ich davon aus, dass es sie auch hier gibt. Denn sie wächst bei trockener, warmer Witterung, auf trockenen Böden besonders gut.
    Die Blüten sollten in der Nacht der Sommer--Sonnenwende gepflückt werden. Daher kann ich dir die Herstellung des Destillates wohl erst im nächsten Jahr zeigen. Es ist allerdings ein einfaches Öldestillat. Man braucht dazu nur Geduld, die Sonne und Zeit."

    Liadan wusste, dass genau das ein Problem war.
    Doch sie fanden bestimmt noch eine Alternative.
    Iodoc dachte wohl in die gleiche Richtung.
    "Was die Dosierung angeht darüber habe ich auch schon nachgedacht. Öldestillate, alkoholische Destillate als auch Tinkturen lassen sich gut in Salben verarbeiten. Die kann man auch besser unterwegs oder auf dem Schlachtfeld anwenden."
    Jetzt mußten sie bloß noch eine geeignete Salbengrundlage finden.