Alte Familie - Neue Familie

  • Liadan stand langsam auf. Ihr zitterten vor Erschöpfung leicht die Knie und sie hatte einen Moment lang Schwierigkeiten das Gleichgewicht zu halten.
    Sie brauchte dringend etwas zu essen, ganz gleich was. "Kannst du uns dorthin bringen? Wir werden sicher das ein oder andere essbare finden."

  • Cuilean, der das ganze deutlich besser überstanden hatte, stand auf und machte ein Zeichen, dass sie ihm folgen solle.


    Sie verließen den Übungsraum, der derzeit von den Kämpfern auch als Aufenthaltsraum genutzt wurde. Nachdem sie ein Stück über den Flur und an mehreren Türen vorbei gegangen waren, zeigte Cuilean auf eine Tür.
    "Kochstelle."
    Danach setzte er sich auf eine Bank neben der Tür.

  • Liadan öffnete die Tür und schaute sich um. Sie sah mehrere unterschiedlich große Tontöpfe, Holzschalen und Krüge. In einer Ecke des Raumes standen Körbe gefüllt mit Wurzelgemüse und verschiedenen Früchten. Über der Feuerstelle hing noch ein Kessel mit Resten vom Eintopf. Doch Liadan benötigte etwas was ihr schneller Energie geben konnte. In den Tontöpfen fand sie Getreide, Hülsenfrüchte und getrocknetes Fleisch, in einem Nüsse und in einem weiteren etwas Trockenobst. In ein paar kleineren sogar Fruchtmus. Sie nahm eine Handvoll vom Trockenobst und aß es gierig auf. Dann füllte sie ihre Flasche an der Wasserstelle und leerte anschließend eine Kelle voll Wasser in beinahe einem Zug.
    In einer Holzschale entdeckte sie unter einem Tuch ein frisch gebackenes Brot, das herrlich duftete. Sie brach sich ein Stück davon ab und ging zu Cuilean zurück.
    "Hier sind einige Köstlichkeiten zu finden."
    Liadan zeigte auf den Raum hinter sich und schaute dabei Cuilean lächelnd an. "Ich wusste das Kämpfer gutes Essen bekommen doch das habe ich nicht erwartet. Soll ich dir etwas bringen?" Ergänzte sie, während sie genüsslich auf dem Brot kaute.

  • Liadan überlegte eine Weile.
    Sie war auf dem Weg die Umgebung von Engelswacht zu erkunden ihrer Nase gefolgt und hier gelandet.
    „Hast du dir denn schon Teile der Festung angeschaut? Ich habe erst begonnen Engelswacht zu erkunden. Auf den Weg dorthin könnte ich schauen, ob ich noch einige Kräuter oder Beeren finde die ich brauchen kann. Du könntest mich begleiten, dann würde ich mich sicherer fühlen.“
    Sie befanden sich zwar nicht auf Feindesland doch sie waren neu hier und es könnte durchaus sein, dass es einige Personen befremdlich fanden, wenn sie hier so durch die Gegend streifte. Ein 'Heilerschutz' könnte daher nicht schaden.
    „Du weißt, dass ich nicht besonders gut mit meinem Dolch umgehen kann.“
    Außerdem hoffte sie, dass sich dann noch die Gelegenheit bot sich etwas mit ihm zu unterhalten um, ihn wieder besser kenne zu lernen.

  • Cuilean schüttelte den Kopf. Seit er hier war hatte er die meiste Zeit im Ring oder im Bett verbracht. Dazwischen gab es keine freie Zeit.
    Jedoch konnte er gerade auch nicht seine Hände von der Wange lassen. Immer wieder tastete er nach der Narbe. Es war schon fast frustrierend... So hörte er ihr nicht wirklich zu und gab nur ein zustimmendes "Mhh" von sich.
    Er bewegte sich jedoch kein Stück von der Bank.

  • Liadan merkte schon an Cuileans 'Mhh' das er ihr nicht zugehört hatte. Das er ständig mit seinen Fingern über seine Wange fuhr machte sie ebenfalls stutzig.
    "Was ist los mit dir? Hast du doch noch Schmerzen?" fragte sie in einem besorgten und gleichzeitig bestimmten Tonfall. Sie ging vor ihm in die Hocke, schaute ihm direkt in die Augen, um so mehr Aufmerksamkeit zu erhaschen. So hoffte sie zumindest. Bei ihm konnte man schwer vorhersagen wie er reagierte.

  • Es musste irritierend für ihn sein. Die Narbe, die ihn über Jahre hin begleitet hatte, war auf einmal verschwunden. Möglicherweise war sie tatsächlich so etwas wie ein Symbol für 'Nicht Schwach' für ihn geworden. Dies war eine andere Form von 'Schmerz'. Ob es so etwas wie Identifikationsverlust für ihn war? Donann hatte ihn lange genug spüren lassen, dass er ihn für Schwach und unfähig hielt.
    Vorsichtig nahm Liadan seinen Kopf zwischen ihre Hände und blickte ihn unmittelbar an. Mit ruhiger Stimme sagte sie
    "Du brauchst die Narbe nun nicht mehr. Jeder der dich kämpfen gesehen hat sieht sofort, dass du nicht schwach bist." Sie hoffte inständig, dass er verstand.
    "Lass uns raus gehen, weg von diesen Gemäuern. Vielleicht bringt dich das auf andere Gedanken. Was meinst du?"
    Jetzt lag es an ihm. Sie konnte nichts weiter tun als ihm ihre Hilfe anbieten. Er musste sie nur annehmen.

  • Wenn Cuilean die Welt besser verstehen würde, dann hätte er in dieser Situation gewiss, erklärt, dass er gar nicht kämpft um sich zu beweisen, sondern, weil es einen in einen besonderen Zustand versetzt.
    Doch so zuckte er mal wieder nur mit den Schultern.
    "Geh vorran."
    Cuilean war nicht überzeugt, aber man konnte es ja mal versuchen.

  • Liadan löste ihre Hände von seinem Gesicht und stand langsam auf. Sie war froh darüber endlich die Kaserne verlassen zu können. Zunächst wartete sie bis auch Cuilean aufstand, dane ging sie den Flur zurück den sie gekommen waren, am Übungsraum vorbei hinaus ins Freie. Die Sonne stand schon recht tief.
    Während sie weiterhin schweigend auch den Kasernenhof überquerten gingen Liadan viele Fragen durch den Kopf. 'Wie fühlte Cuilean sich tatsächlich? Warum war er so versessen darauf zu kämpfen? Wie wäre es ihm ergangen wenn sie damals nicht fort gegangen wäre?' Doch darauf würde sie wohl nie eine Antwort erhalten.


    Als sie die Kaserne endlich verlassen hatten schaute sie sich kurz um, um sich zu orientieren.
    "Sollen wir direkt zurück zur Engelswacht gehen oder möchtest du noch etwas im Freien bleiben? "
    Bei dieser Frage drehte sie sich zu ihm herum.
    Sie hoffte nicht schon wieder nur ein Schulterzucken als Antwort zu bekommen.

  • Also ging sie voraus.
    Da auch ihr die frische Luft gut tat beschloss sie, solange das Licht mitspielte, sich noch etwas außerhalb des Berges aufzuhalten. Sie wandte sich nach rechts, einem Pfad folgend der an einer der Mauern entlang führte.
    Cuilean folgte.
    Liadan erkundete zunächst den Weg betrachtete hin und wieder eine Pflanze. Vor allem am Grund der Mauer sah sie genauer hin. Sie wusste, dass dort geschützt von Wind und Wetter oft einige interessante Kräuter wuchsen. Bisher konnte sie jedoch nichts entdecken.
    Immer wenn sie stehen blieb oder sich bückte um etwas genauer zu untersuchen blieb auch Cuilean stehen.Wenn sie weiter ging lief er immer ein Stück hinter ihr.
    Er sprach die ganze Zeit über kein Wort.


    Nach einer Weile, sie hatten noch nicht einmal ein viertel der Mauer umrundet, ließ sie sich soweit zurückfallen, dass sie neben ihm ging. Sie ertrug es nicht die ganze Zeit zu schweigen.
    "Du hast mir heute Mittag, nachdem du aus der Trance aufgewacht bist gesagt, dass du ein Gefühl von Freiheit gespürt hast.
    Wie ein Vogel.
    Du bist also mit dem Raben in dir geflogen. Kannst du mir sagen was du gesehen hast.?"

  • "Splitterpunkt..."
    Cuilean guckte Liadan fragend an, weil er sich nicht sicher war, ob seine Aussage richtig war.
    "Dieser Punkt wo Naldar haben gefeiert. Doch vorher Blut und Schlacht. War gleich wie nach Berührung von Faun." - Es lag keinerlei Verachtung in dem Worte Faun.
    Cuilean schaute Liadan erwartungsvoll an. Sie fragte meistens nur, wenn sie irgendeine Vermutung hatte.

  • Liadan nickte.
    "Das dachte ich mir schon. Je mehr Aeris die Naldar freigesetzt haben desto intensiver wurde deine Verbindung mit dem Raben. Damals hatte es schon eine ganze Weile gedauert bis du zurück kamst.
    Was ich jedoch noch nicht ganz verstehe ist wieso du vorhin in Trance gefallen bist. Lag es an etwas was ich zu dir gesagt habe? Oder ist das in den letzten Tagen schon einmal passiert?"

  • "Nicht passiert vorher."
    Cuilean wusste selbst nicht, was passiert war. Während sie gesprochen hatte, war er ohne es zu wollen abgeschweift.
    Doch wenn er jetzt versuchte drüber nachzudenken - was für Umstehende ziemlich komisch aussehen musste, weil er es mit allerhand Bewegungen zu unterstützen versuchte-, kam er zu einzelenen Worten dessen Verbindung er jedoch nicht verstand. Er sagte sie immer wieder um eventuell auf eine Lösung zu kommen.
    "Magie. Mächtig. Verletzung. Gleich."
    Cuilean kam nicht drauf, oder zumindest konnte er es nicht ausdrücken. Also schaute er einfach nur verzweifelt. Liadan würde schon helfen.

  • Liadan war überrascht von seinen intensiven Ausführungen. Sie schaute ihm aufmerksam zu und ließ ihn in Ruhe ausreden. Er zeigte unter anderem auf den Kopf, so als ob jemand einen Hut oder ein großes Gebilde darauf trägt.
    Sie sah seine verzweifelten Gesichtsausdruck. Doch in den vier Worten die er immer und immer wiederholte lag eine Verbindung, die Cuilean jedoch nicht verstehen konnte.
    Sie hatte eine Ahnung, eine ganz wage.
    Ihre Gedanken rasten.
    Stück für Stück ergaben die Worte und sein gestikulieren einen Sinn...


    Magie
    Cupa hatte Hörner auf dem Kopf und er hatte Magie zum Heilen verwendet. Aber hatte Cuilean nicht, bevor er von ihr untersucht wurde schon einen Verband?
    Jemand hatte ihn schon zu heilen versucht. Dann erinnerte sie sich an die Aeris Priesterin.
    "Bevor der Faun dich berührt hatte, da war die Aeris Priesterin bei dir. Die Frau mit dem weißen Gewand, mit dem Baum auf dem Kopf. War es nicht so?"
    Sagte sie eher zu sich selbst als die Frage an Cuilean zu stellen.
    Sie hatte völlig vergessen, dass er das beiläufig erwähnt hatte.


    Mächtig
    Es wurde also zweimal innerhalb einer kurzen Zeitspanne Aeris-Energie in ihn hinein gepumpt. Somit blieb wohl ein Überschuss in seinem Körper, speziell im Rücken, zurück.

    Verletzung
    Im Ring wurde er heute wieder an der Wirbelsäule verletzt.


    Gleich
    Die gleiche Art der Verletzung? Die gleiche Art der Energie die er gespürt hatte?
    Sollte das der Auslöser gewesen sein?
    "Als du heute im Ring gestürzt bist, hast du da ähnliche Schmerzen empfunden wie im Sommer bevor die Priesterin und der Faun dich berührt haben? Hast du die gleiche Energie gespürt bevor du in Trance gefallen bist?"
    Wenn dem so war, dann wurde vermutlich die überschüssige Energie frei gesetzt die mit dazu geführt hatte, das die Narbe verheilt war.


    Liadan sah seinen nach wie vor verzweifelten Gesichtsausdruck.
    Er verstand vermutlich nur einen Bruchteil von dem was sie sagte und fragte, geschweige denn dachte.

  • Wie sie schon vermutet hatte, er war völlig überfordert mit ihren Fragen.
    Sie musste lächeln bei seinem Versuch aus dieser Situation auszubrechen.
    "Ja wir gehen gleich wieder Kräuter suchen." Sagte sie halb lachend.
    Sie machte eine kurze Pause, doch zunächst wollte sie versuchen die Fragen etwas einfacher zu stellen und eine nach der anderen.
    "Als ich von Familie und Heilen erzählt habe hast du da auch Schmerzen gespürt?"