Aus Angst wird Zorn

  • Chazsmyr verzog leicht das Gesicht, lächelte dann aber wieder, auch wenn er noch nicht so recht wusste, wie er seine doch recht eigenartige Geschichte beginnen sollte. Während er wieder zu Naira aufschloss, allerdings einen halben Meter hinter ihr blieb, begann der kleine Drow zu sprechen.


    "Ich habe keine Angst, zu erzählen, was geschah, aber es ist so viel, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll... aber ich denke, ich fange an, wie Silas und ich hier ankamen. Silas brachte mich an die Oberfläche. Wir kamen von den Bergen her, nehme ich an. Mir ging es zu der Zeit nicht... so besonders, daher erinnere ich mich nicht genau. Es war gerade Winter und alles voll von Schnee - bitterkalt, aber wunderschön. Wir wären sicher nicht weit gekommen, wenn wir in diesen Wäldern nicht diese kleine heruntergekommene Hütte entdeckt hätten... sie schien schon Jahre unbewohnt und hatte auch ziemlich viele Löcher in den Wänden. Trotzdem kam sie mir damals vor, wie ein Palast, ein gutes Heim... bitte fragt nach, wenn es Fragen gibt, sonst erzähle ich so, wie ich denke."

  • Der Uruk-Tross hatte sich mit in Bewegung gesetzt.
    Die Reiter schienen Naira und die sich am Boden bewegenden zu umschließen und da es keinen Pfad gab in dem Sinne, walzten die Pferdehufe Gebüsch und Ranken nieder , um sich ihren Weg zu bahnen.


    Die Eistrollin hatte automatisch die Führung übernommen, äugte aber ab und an nach hinten.


    Kaa-Ash bewegte sich wie selbstverständlich mit, ihr Pferd folgte ihr einfach.


    "Erzähl..na ist hier nicht bei Weichhäuten...vai hasst es , alles aus den Nüstern zerren zu müssen, weil eok das maul nicht aufkriegt..."grollte sie deutlich und teste wie sehr die Schwarznase sich davon irritieren lassen würde.
    Naira kannte das Spiel...einschüchterung, Testen des eigenen Wertes, des Stolzes und einiger anderer Dinge.

  • Früher wäre die Reaktion Chazsmyrs klar gewesen, eben in dem selben Moment, da jemand versuchte ihn einzuschüchtern. Er wäre regelrecht eingeknickt und hätte sich gefügt. Jetzt aber war etwas anders. Chazsmyr hatte sich seinen Ängsten stellen müssen und dabei eine entscheidende Erkenntnis gemacht: Überleben konnten nur die Starken... und vor allem konnten nur die Starken ruhig schlafen.
    Anstatt seinem alten Muster zu folgen, wogegen sich ein nicht ganz geringer Teil in dem Drow sträubte, räusperte er sich und sprach, leise wie gewohnt, aber ruhiger als sonst.
    "Ich will meine Geschichte gerne mit euch teilen, weil mir euer Vertrauen wichtig ist, aber... meine Geschichte ist wie mein Schlafplatz, ich entscheide, wie viel ich davon zu welcher Zeit mit wem teile."
    Nachdem diese Worte den Mund des Drows verlassen hatten, merkte er, wie ein Zittern durch seine Knie ging. Er war überrascht und überwältigt von seinem Mut... oder seiner Dummheit. In der Vergangenheit hatte ihn Kühnheit eher in Schwierigkeiten gebracht. Unsicherer als seine Worte, musterte der Schwarzhäutige so viele Reaktionen der ihn Umgebenden, wie er aufnehmen konnte, aber vor allem konzentrierte er sich auf Naira, Uhlakk, den er irgendwie mochte und die furchteinflößende Kaa-Ash.

  • Die Nüstern der Uruk verrieten ihr genug darüber, was der kleine Schwarze da grade durchmachte und sie mußte innerlich grinsen.
    "Wie ein Welpe der laufen lernt und seinen ersten Dolch zu halten lernt"


    Doch äußerlich war von dem Amüsement nichts zu sehen, lediglich das kurze zucken einer der Augenbrauen war für Chaszmyr ersichtlich, jedoch nicht in wie weit er jetzt imponiert hatte oder seinen Standpunkt klar gemacht hatte.


    Er stand noch auf beiden Beinen und blutete nicht, also hieß das wohl "Rede weiter".

  • Naira schritt leichtfüßig aber aufrecht, mit einer neuen Bedachtheit. Sie lauschte auf Chaszmyr, mehr aber noch auf das Schweigen Kaa-Ashs.
    Unwillkürlich musste sie daran denken, wie das Ritual für den Drow ausgegangen wäre, wenn Kaa-Ash dabeigewesen wäre.
    Die Lethi hatte die Beobachtung gemacht, dass sich Uruks und Drow weitaus besser für ihre Form der... Veränderung von Wesen eigneten als die Menschen.
    Die Menschen fragten vorher furchtbar viel und stellten sich unnötig kompliziert an, hielten sich aber dann, wenn es darauf ankam, zurück und schienen hinterher mehr das Weite zu suchen als das Ergebnis des Rituals zu feiern...
    Ja, es wäre in der Tat eine gute Idee, für bestimmte Dinge keine Menschen mehr zu verwenden...


    "Sah´tubaah gehört den Uruks. Jeder, der hier leben möchte, muss das mit ihnen klären, verstehst du das?", sagte sie ernst zu Chaszmyr.

  • Chazsmyr schien es ebenfalls als ein gutes Zeichen zu deuten, dass er noch stand und niemand sich auf ihn gestürzt hatte, um ihm seine gewagten Worte auszuprügeln. Im Falle der Orks und Uruks wäre dies sicher alles andere als angenehm.


    "Xas" gab der Drow an Naira wieder. Er verstand, was sie damit sagen wollte und mit einem Nicken fuhr er fort zu berichten.


    "Silas und ich suchten also Schutz in dieser Hütte, er besserte notdürftig die Löcher aus und ritt auf dem Pferd davon, um neben unserem nahezu aufgebrauchtem Proviant noch mehr zu beschaffen, während ich mich um das Feuer gekümmert habe..." Kurz hielt Chazsmyr inne, als rufe er sich die Erinnerung zurück. "Silas kam bald zurück mit vielen Dingen, auch Werkzeugen und Hühnern in Käfigen, die gegen die Kälte in Tücher gewickelt waren und einer Kuh, damit wir Eier und Milch haben würden. So wurde die Hütte bis zum Frühjahr fast vollständig repariert und wir hatten einen kleinen Hof, der uns zumindest mit dem Nötigsten versorgte. Zu der Zeit trug mein Körper eine Menge Wunden der Vergangenheit..." Nur ein leiser Seufzer unterbrach die Erzählung. "Damals hatte ich nicht erwartet, dass sich das je wieder bessern würde. Ich habe aber das Schicksal sehr unterschätzt. Ein Mann kam zu uns, der vorgab, mich zu kennen. Er hieß... Charon (Scharon gesprochen) und er sagte, er kennt mich von früher. Ich konnte mich nicht an ihn erinnern, aber er meinte, er sei seit einer Sache von früher mit mir verbunden und hätte im Winter gespürt, dass ich der Oberfläche wieder nahe war. Für mich klang das... na ja, verrückt... Silas sah das anscheinend anders. Charon bat an, uns zu helfen, indem er meine... Verwundungen heilte. Er tat das auf wunderliche Weise, ich habe mich aber nicht gewehrt und es hat auch hingehauen... meine Blessuren und alten Narben gingen, alleine dadurch dass er.... also Charon... mit seinem Wanderstab über mir herum gewedelt hat... ein Stab aus dem Licht hervor kommt."


    Chazsmyr schüttlete den Kopf, anscheinend immer noch ungläubig ob dieser Erscheinung.


    "Er half, meinen Körper zu heilen und als Silas sah, was Charon konnte, fragte er, ob er auch diesen Ort sicherer machen könnte. Für Charon war das kein Problem, wie er sagte und dann hat er irgendwas angestellt, dass Wanderer den Ort nur als die ursprüngliche zerfallene Hütte sehen sollten. Er hat mir die Hand auf die Schulter gelegt und gesagt, dass er wieder nach mir schauen würde, wenn die Zeit reif sei. Aber bisher war sie es wohl nicht, denn ich sah Charon seit dem Tag nicht mehr und Silas wollte auch nicht damit heraus rücken, was er früher mit mir gemacht hatte. Sie haben draußen geredet, ohne mich und das sehr lange... Wer weiß, ob Charon noch lebt... Ich kann es nicht sagen, aber so wie es den Anschein hat, hat das, was er gemacht hat, gewirkt. Niemand hat unser kleines Heim gefunden und ich habe es nie verlassen, außer die nahe Umgebung, Silas mochte das nicht, glaube ich. Viele Jahresläufe lebten wir so und Silas ritt nur immer wieder ein paar Tage weg und nahm Eier und Milch zum Tauschen in andere Gebiete. Bis er irgendwann nicht mehr weg ritt, weil er es nicht mehr konnte. Da haben wir von dem gelebt, was unser Hof abwarf, das war nicht viel, aber reichte. Und dann eines Tages starb Silas ruhig auf seinem Lager liegend. Er schlief ein, aber zuvor schärfte er mir ein, zu gehen, nicht hier zu bleiben. Ich sollte in Bewegung sein..."


    Nun war der junge Drow in einem regelrechten Erzählfluss.


    "... ich brach also auf. Ein wenig Geld bekam ich, indem ich bei einem Fremden die Kuh verkaufte, aber das war nicht viel. Ich wanderte viele Tage, ehe ich nach Selfiran kam, wo Räuber mir auch dieses Geld abnahmen und mich verletzten... und nun bin ich wieder hier... und ich habe den Eindruck, dass Silas und ich hätten fragen müssen, bevor wir einfach so auf eurem Land lebten. Ich... wusste es nicht und er auch nicht, sonst hätte er gefragt, da bin ich mir sicher. Er hat Orks und Uruks immer sehr geschätzt, er war selbst zur Hälfte orkischen Bluts. Wir wollten euch damit nicht zu nahe treten."


    Die letzten Worte kamen einer Entschuldigung gleich und bildeten gleichzeitig auch das Ende der Geschichte, die deutlich machte, dass Chazsmyr lange Zeit sehr isoliert mit einem sehr misstrauischen Mentor gelebt hatte. Da erschien es fast wie ein Wunder, dass er in großen Menschenmengen nicht in Panik verfiel. Falls Naira sich an den ersten Abend in Selfiran zurück erinnerte, konnte sie sich vielleicht daran erinnern, dass Chazsmyr sehr unruhig gewesen war.

  • Uhlakk hörte aufmerksam zu und konnte kaum glauben was er da vernahm. Hatten die Shamanen denn diesen gewaltigen Zauber nicht gespührt? Hmm... wie auch immer... was steckte wohl hinter der Geschichte? Warum war sein Mentor so vorsichtig.... welches Geheimnis umgab das schwarzhäutige Spitzohr? Der kleine Ork wägte ab und würde den Drow erst mal gut im Auge behalten. Vielleicht ging von ihm ja eine Gefahr aus, die er selbst noch nicht kannte.


    Argwöhnisch schaute er drein und schielte mal zu dem Drow, dann wieder zu Kaa-Ash und den anderen Uruks.

  • Naira verschränkte die Arme vor der Brust und zog eine Augenbraue sehr weit hoch...


    "Irgendetwas stimmt nicht an deiner Geschichte!", sprach sie das aus, was vermutlich auch die beiden Uruks dachten. Ihre Stimme war hart.


    "Ihr hättet nicht nur fragen müssen - nein! Ihr hättet hier gar nicht erst reinspazieren können! Glaubst du, man betritt einfach so das Gebiet der Uruks, ohne dass sie das bemerken? Eine ganze Hütte mit Landwirtschaft verstecken - auf dem Gebiet der Uruks?!"


    Sie begann um Chazsmyr herumzuwandern, während sie weitersprach:
    "Und dann habt ihr getauscht, so so... mit wem denn?! Mit den Uruks offensichtlich nicht, da sie euch ja durch den Zauber angeblich nicht bemerkt haben! Warum überhaupt dieser Zauber!? Ihr hattet wohl etwas zu verbergen, sonst hättet ihr euch wohl im Laufe der Zeit doch mal vorgestellt, wie es sich schließlich gehört, wenn man Nahrung aus dem Boden zieht... sich vor den Uruks verbergen, wo dein Silas ein Halb-Uruk gewesen sein soll? Denn wer, kleiner Drow, lebt hier außer den Uruks? Ihr wollt nicht gewusst haben, dass das das Land der Uruks ist? Du willst sie nie getroffen haben in der Nähe eurer Hütte, Aber Silas soll immer und immer wieder die Grenzen überschritten haben, um mit anderen Völkern zu handeln? An den Uruks soll dein Silas immer wieder vorbeiGERITTEN sein, ohne dass sie ihn bemerkt haben?!"


    Sie stupste ihn in den Rücken.
    "Ich sage euch, da STIMMT was nicht! Dein Silas hatte irgendwas zu verbergen...."


    Nun stand sie wieder vor ihm und ihre Augen waren schmale Schlitze. Sie stupste ihn mit dem Finger gegen die linke Schulter.
    "...genau wie du! Nach Selfiran willst du zu Fuß gewandert sein, ja?! Viele Tage... und zuerst mit einer Kuh im Schlepptau. Unbemerkt von den Uruks mit einer Kuh... denn hier hast du sie ja keinem verkauft... >einem Fremden<, offenbar ein Mensch... keinem Uruk.... Ich möchte mal wissen, wie du das geschafft haben willst, an den Wachposten der Uruks vorbei, und dann weiter durch das Gebiet von Illithiri, Chaos-Anhängern und Menschen... und zwar nicht TAGE - WOCHEN! Vom äußersten Westen des Nordreichs bis fast in den äußersten Osten! Eine beachtliche Strecke! Zu Fuß! Mit einer Kuh! Ohne Kontakt zu Anderen! Und voller ANGST!"


    Das Spitzohr trat wieder einen Schritt von ihm zurück, stemmte die Hände in die Hüften und verzog spöttisch einen Mundwinkel.
    "Da können wir ja von Glück sagen, dass du auf deiner einsamen Wanderung nicht versehentlich auf das Gebiet der Verfemten geraten bist! Ach ja - du hattest ja gesagt, dass du nicht weißt, wer oder was die Verfemten sind..."
    Sie blickte vielsagend zu Uhlakk und Kaa-Ash.
    "...das muss eine besondere Gabe sein, immer von denjenigen nicht gesehen zu werden, von denen man angeblich gar nicht weiß, dass sie da sind... trotz aller Wachen, Banner und Grenzen... DU MUSST ENTWEDER SEHR SEHR DUMM SEIN ODER UNS FÜR SEHR SEHR DUMM HALTEN, DASS DU SOLCHE UNWAHRHEITEN ERZÄHLST!!!"

    Den letzten Satz brüllte sie. Es brach aus ihr heraus, ganz plötzlich und erschreckend aggressiv.

  • Chazsmyr hatte ein ganz ungutes Gefühl, als Naira seine Geschichte anzweifelte und begann, ihn wie eine Beute zu umkreisen und mit harten Worten auf ihn einzureden.
    Instinktiv zog der junge Drow die Schultern ein und zuckte zusammen, wenn die Lethi ihn berührte, denn dieses geschah absolut nicht aus Freundlichkeit, soviel stand fest. Und die Worte wurden lauter und unangenehmer. Bestürzt von dieser Heftigkeit entglitt Chazsmyr nun doch die Schale mit den Würmern, die zu Boden fiel und zersprang. Die freien Würmer strebten sofort die Flucht an und alles in dem Schwarzhäutigen schrie danach, das gleiche zu tun. Er stand da, den Mund leicht geöffnet, heftig atmend und unfähig, sich verbal zu verteidigen, denn er bekam einfach keinen Ton raus, sondern starrte mit nun ziemlich weit aufgerissenen Augen Naira an, wobei er einen direkten Augenkontakt mied. Mit Schrecken stellte Chazsmyr fest, dass seine Glieder sich weich anfühlten und ihn vermutlich nicht mehr lange tragen würden, wenn das, was hier gerade ablief und die Anschuldigungen weiter Druck auf ihn ausüben würden. Der Drow war sich bewusst, dass ein Zusammenbruch zu dieser Zeit das denkbar schlechteste darstellte, was geschehen konnte. So schloss er den Mund und biss die Zähne aufeinander. Er machte allgemein einen eher mickrigen Eindruck, wie ein gehetztes und zu Tode verschrecktes Tier.

  • Uhlakk's Augen wurden weit als Naira brüllte. Bei Kurul, was war mit ihr los? Er hatte sich selbst schon etwas erschreckt, aber sie sprach wahre Worte. Wie konnte das sein?


    "Dabu, die Atani spricht wahre Worte!" sagte er ruhig. Seine Augen verengten sich und seine Muskeln spannten sich unter der Lederrüstung. Er war sichtlich nicht überzeugt.
    "Zweiter Versuch, Junge!" wandte er sich bestimmt an den schwarz häutigen Jungen.

  • "Wass hassst du von mir gelerntt?", fragte das Spitzohr mit einem Akzent, den Chazsmyr vorher noch nicht an ihr gehört hatte. Es klang wie eine Mischung aus Zischen und Knurren, und ihre Stimme war tiefer und erwachsener als vorher.
    Er hatte plötzlich den Eindruck, dass sie sich in diesem Moment zeigte, wie sie wirklich war.


    Ihre laute Wut schien von einem Augenblick auf den anderen fort zu sein, aber er spürte deutlich das Lauernde, die Gefahr, die von ihr ausging.
    Sie hätte ihre Hände an seiner Kehle haben können und doch nicht so bedrohlich wirken wie ihre ruhigen tiefen Augen, die sie auf ihn richtete, und diese lauernde Grollen, mit dem sie ihn - langsam - an ihre erste Lektion erinnerte.


    Es ging hier nicht darum, recht zu haben... es ging nicht darum, Glauben zu finden. Vielleicht hatte Chazsmyr das alles ja falsch verstanden - vielleicht war es gar nicht Sah´tubaah gewesen, in dem er gelebt hatte. Vielleicht würde alles, was er erlebt hatte, in den Worten der Uruks vollständig anders formuliert werden müssen. Und dass Chazsmyr noch sehr, sehr viel lernen musste, um sich nicht versehentlich selbst umzubringen.
    Aber auch darum ging es nicht.


    Bei den Uruks schlief niemand, der sich anbrüllen ließ.


    Die Atani machte einen Schritt weiter auf Chazsmyr zu und zertrat demonstrativ einen der Grubenwürmer. Sie tat es langsam und mit Nachdruck und rieb die klebrige Masse mit ihrer Fußspitze in den Erdboden. Genau SO würde sie es mit dem kleinen Drow machen. Zumindest mit seiner Seele...

  • Chazsmyr entging nicht der Wechsel in Nairas Stimmung und auch der Akzent fiel ihm wohl auf, nur wusste er das alles noch nicht recht einzuordnen. Im Moment erschien ihm die Bedrohung um ihn herum auch als zu real, als dass er sich erlaubt hätte, einen Gedanken daran zu verschwenden, wieso die Dinge so liefen, wie sie es taten. Seine Konzentration galt einzig und allein der Situation. Kurz blickte er zu Uhlakk, der nun ebenfalls einen weniger freundlichen Eindruck machte, als noch zuvor.


    Der Drow schluckte und wand sich unter der Last der Frage des Grünen und erschien fast erleichtert, als Naira ihm eine Frage stellte, die er beantworten konnte und die von diesem leidlichen Thema der Wahrheitsfindung ablenkte.


    "Was Ihr... mich lehrtet..." brachte der Drow zunächst zaghaft heraus und mit einer Stimme, die ihm erst mit zwei weiteren Atemzügen wieder gehorchen wollte. "Ihr lehrtet mich, dass ich vor Uruks oder anderen keine Angst zeigen darf."Endlich klang die Stimme wieder fester. "Und dass ich meinen Platz zum Schlafen verteidigen muss, denn nur die Starken können sich erlauben, mit geschlossenen Augen zu schlafen."


    Und was tatsächlich zutraf war, dass Chazsmyr noch vieles würde lernen müssen, um mit anderen gemeinsam zu überleben. So wie es schien, hatte er die letzten Jahre wohl ziemlich isoliert verbracht und kam höchstens mit sich selbst gut zurecht. Im Moment jedenfalls hatte der Drow noch seine Mühen die Absichten der anderen zu durchschauen.

  • "Wenn ich dir also sage, dass deine Geschichte eine einzige Lüge ist....", sie legte den Kopf schief.
    "Dann kannst du dich entweder wehren, indem du uns angreifst. Du könntest behaupten, dass WIR lügen und wir kein Recht haben, dich in Frage zu stellen. So würde das ein großer, starker Ork machen, der keine Angst hat, seine Kräfte mit UNSEREN...." sie blickte zu Uhlakk, dann zu Kaa-Ash, "...zu messen."


    Das Spitzohr trat einen Schritt zurück und lächelte sonderbar Chazsmyr an.
    "Oder du könntest dich wehren, indem du dir etwas einfallen lässt, das deine Geschichte als Wahrheit verteidigt - aber uns ebenfalls nicht anzweifelt. Zum Beispiel, dass es ja gar nicht Sah´tubaah gewesen sein muss. Dass du dir jeden Zweifel an deinen Erlebnissen verbittest - aber dass deine geografische Einordnung womöglich nicht ganz korrekt war... dann gibst du einen Fehler zu, aber du kommst vielleicht um das Kämpfen herum?"

  • Chazsmyr lauschte Naira nun mit sichtbarem Interesse. Wenn es darum ging, seinen Kopf aus einer Schlinge zu ziehen, war er stets ein guter Schüler gewesen und hatte schnell begriffen. Bei dem ersten Vorschlag der Lethi ging ihm das Herz kurz auf Grundeis, denn alles, was er vermeiden wollte, war ein Kampf mit den Orks, wo vermutlich einer reichen würde, um ihn auszuschalten.
    Die zweite Möglichkeit, sich aus der Affäre zu ziehen, erschien ihm da schon verlockender, auch wenn dem Drow das Wort "geografisch" nichts sagte. Ein Lächeln entstand auf dem Gesicht der Schwarzhaut, was zunächst nicht so recht passen wollte und von einer weit zurückliegenden Emotion ausgelöst wurde. Er räusperte sich.

    "Das... kann natürlich sein und so, wie die Dinge stehen, wird es das wohl auch. Wenn es unmöglich ist, im Schatten der Orks und Uruks zu leben, ohne dass sie es wissen, werden Silas und ich nicht hier gelebt haben. Es muss also woanders gewesen sein... und Silas hat Sah'tubaah möglicherweise mal erwähnt, so dass es bei mir hängen blieb. Wenn ich zurück denke, kann ich mich nicht daran erinnern, ihn je genauer über den Ort gesprochen zu haben, wo wir lebten. Es muss also ein anderer gewesen sein... aber meine Geschichte stimmt! Bis auf diese Sache, also dass es nicht hier gewesen ist...
    "


    Chazsmyr schien nachdenklich und sprach mehr zu sich selbst. "Also werde ich nie erfahren, wo ich nun eigentlich gelebt habe..." Aber im Grunde war das egal, denn er lebte noch und er hatte eine gute Zeit verbracht, nur hatte Silas ihn alles andere als gut auf ein Leben in der Außenwelt vorbereitet. Das spürte Chazsmyr nun immer wieder. Es musste sich demnach dringend etwas ändern, er musste sich ändern.


    Er reckte das Kinn hoch und betrachtete die Umstehenden und ob sie ihn immer noch angreifen wollten oder ob sie die Erklärung akzeptierten.

  • Uhlakk rieb sich das Kinn und legte die Stirn in Falten. Er blickte zu den anderen Grünhäuten und zu Naira, dann sagte er ruhig und mit einem Seufzen "Junge, vai denkt na ist ganz schön auf den Kopf gefallen, wenn na's Erinnerung so trüb ist. Vai behält dich im Auge." Er zeigte auf den Drow und dann auf eines seiner Augen. Danach wandte er sich in Orkisch an die Warkahri "Was meint ihr dazu? Kann man dem da glauben?"

  • Bei Chazsmyr dürfte es mittlerweile nicht mehr wundern, dass er Uhlakks Annahme recht schnell akzeptierte und dieser sogar zustimmte.


    "Xas, das wird es wohl..." Dabei kam ihm ein Gedanke und in seiner teilweise neu gewonnenen Kühnheit sprach er diesen auch aus, eher als sein Verstand ihn davon abhalten konnte. "Wenn Ihr... du... mich im Auge behälst, wäre es möglich, gleichzeitig etwas mit Waffen zu trainieren?" Der junge Drow grinste schief und schluckte jede aufkeimende Unsicherheit hinunter, die sich sogleich einstellen wollte, nachdem diese ungewöhnliche Frage seinen Mund verlassen hatte.


    Allerdings verunsicherte ihn nun doch, dass Uhlakk zu den anderen in einer ihm unbekannten Sprache sprach. Chazsmyr hoffte inständig, dass sie ihn sich nicht doch noch vorknöpfen würden.

  • Uhlakk fuhr herum und stürmte auf den jungen Drow zu "Waaaaaas soll vai?" schnaubte er lauthals Chazsmyr mitten ins Gesicht. Die lange Narbe über Uhlakks linkem Auge grinste ihn an und der junge Drow konnte den üblen Gestank aus des Orks Maul riechen. Auge in Auge standen sie sich gegenüber. "Na will kämpfen wie ein Warkahri der Orks? Dann muss na auch bereit sein dem Tod in die Augen zu sehen." Uhlakk war so nah am Gesicht Chazsmyr's, dass sie sich fast berührten. Er beobachtete die Reaktion des Jungen. "Ist Chazsmyr bereit dafür?" Seine wilden Augen verengten sich.

  • Und dann hatte Chazsmyr das Gefühl, dass sein bisherigre Leben vor seinem inneren Auge abzulaufen begann, als der grünhäutige Ort plötzlich auf ihn zustürmte. Der Drow zuckte leicht, aber schwor sich, in seinem Tod kein Feigling zu sein. Wenn sie ihn hier töten wollten, dann konnte... dann musste er das mit Würde tun und ein Zurückweichen oder eine Flucht erschienen ihm eh sinnlos. Also tat er etwas, was er einige Tage zuvor nicht getan hätte, er blieb stehen. Man konnte keine Wunder erwarten, aber bis auf ein Zittern und ein kurzes Schließen und wieder Öffnen der Augen, in denen sich nach wie vor Unsicherheit spiegelte, hielt Chazsmyr Stand.


    Jeden Augenblick rechnete er damit, von Uhlakk über den Haufen gerannt zu werden, sein Atem war fast schon ausreichend und Chazsmyr zog die Nase kraus, in der Hoffnung, sich beherrschen zu können. Er schluckte und würgte, bis er das Gefühl hatte, sein Magen habe sich dreimal um sich selbst gedreht. Und ja, es kam der Schwarzhaut so vor, als blicke er bereits dem eigenen Tod ins Auge, er rechnete sogar fest damit.


    Und wenn er schon das Kämpfen lernen wollte, dann doch bei den Besten, bei denen, die keine Angst zeigten und auch vor dem Tod nicht das Haupt beugten. Da Chazsmyr der eigenen Stimme nicht traute, fiel seine Äußerung knapp, aber eindeutig aus:
    "Xas!"