Gespräche und Möglichkeiten

  • Lessa strich nervös ihren Rock glatt und atmete tief ein, als sie kurz vor dem Portal innehielt. Die Reise nach Paolos Trutz war ereignislos verlaufen, doch sie fühlte sich noch immer von den Ereignissen in Nargemien aus dem Takt gebracht. Nun stand sie kurz vor dem Treffen mit Melekh und sie war noch immer kein Stück schlauer, was sie im Hochamt für Magie erwarten mochte. Sie schüttelte den Kopf und verbannte die beunruhigenden Gedanken entschlossen, bevor sie mit hocherhobenem Kopf das Portal durchschritt.


    Sie sprach einen der geschäftig durch die Gegend eilenden Diener in den grauen Roben an, die überall zu sehen waren und fragte ihn nach dem Weg zum Sitz des Erzhexers. Das Gebäude erschien ihr von innen noch größer und unübersichtlicher als von außen.

    Ob Drow, Hobbit oder Hochelb - Knochen und Blut haben sie alle, irgendwann schreien sie alle, und irgendwann sind sie alle still. Und dann kann ich endlich anfangen, richtig zu arbeiten.

  • Der Geschmack des Erzhexers schien sich auch hier zu zeigen, auch wenn das Amt keineswegs die irrwitzigen Proportionen und verwirrenden architektonischen Baustile aufwies, wie die Akademie in Kláh Verden Avendre. Dennoch konnte man sich wohl auch hier verlaufen.


    Der Diener zeigte sich jedoch überaus freundlich und führte die Besucherin über einige Treppenfluchten und durch mehrere Gänge zu einer hohen Tür. Er klopfte kurz und betrat den Raum.
    Kurz danach winkte er Lessa zu ihm zu folgen.


    Der Raum war kleiner als vielleicht erwartet und enthielt neben einigen Regalen einen großen Schreibtisch und mehrere Sessel.
    Der Erzhexer lächelte Lessa entgegen als er sie hereintreten sah, stand auf und schritt um den Tisch herum auf sie zu.

    "Ahh, wie schön, dass ihr einen Besuch so schnell möglich machen konntet. Setzt euch doch."
    Er wies auf einen der hochlehnigen Sessel.

  • Lessa gab schon nach kurzer Zeit jeden Versuch auf, sich den Weg zu merken und hoffte einfach, auf dem Rückweg wieder hier herauszufinden. Nichts in Selfiran oder auf den Feldzügen hatte sie ausreichend auf Paolos Trutz vorbereiten können. Dies waren die Momemente, in denen ihr wieder einmal klipp und klar gezeigt wurde, wie wenig von der wirklichen Welt sie eigentlich kannte.


    Sie dankte dem Diener, als er sie in den Raum führte und erstarrte, als sie den Erzhexer gewahrte. Blitzschnell schoß es ihr durch den Kopf, dass sie nicht die geringste Ahnung hatte, wie Etikette und Protokoll hier wohl aussehen mochten. Die Panik verflog jedoch rasch wieder. Mit etwas Glück war Melekh in dieser Hinsicht ähnlich unkompliziert wie Archon und Nyame.


    Sie senkte respektvoll den Kopf vor dem Erzhexer und nahm seine Einladung dankend an. Seine vom Chaos gezeichnete Gestalt erschreckte sie nicht, hatte sie auf den Feldzügen doch ähnliches und chaotischeres gesehen und unter dem Skalpell gehabt. Trotzdem bildete sie sich ein, fast so etwas wie eine Aura des Chaos spüren zu können. Die Narbe auf ihrem Rücken spannte unangenehm und etwas wie ein Gefühl von Vorahnung überlief sie wie ein Schauder.


    "Eure Einladung ehrt mich, Herr. Selbstverständlich kam ich so schnell nach Paolos Trutz, wie es mir möglich war." Sie saß stocksteif in dem durchaus bequemen Sessel und harrte mit einer Nervosität, die sie nur beinahe verstecken konnte, der Dinge die da kommen mochten.

    Ob Drow, Hobbit oder Hochelb - Knochen und Blut haben sie alle, irgendwann schreien sie alle, und irgendwann sind sie alle still. Und dann kann ich endlich anfangen, richtig zu arbeiten.

  • Melekh nahm ihr gegenüber Platz und lies sie nicht aus den Augen. Der Diener stand stumm wartend an der Tür.


    "Ich freue mich euch hier zu sehen. Kann ich euch zunächst etwas anbieten? Wasser, Wein, oder vielleicht etwas anderes? Wenn ihr so schnell gekommen seid, möchtet ihr euch vielleicht erst ein wenig stärken?"


    Er lachte leise, seine Augen blieben jedoch kühl.
    "Jetzt klinge ich ja schon so besorgt, wie viele Heiler im Lazarett."

  • Lessa lächelte ein wenig gezwungen, auch wenn sie sich bemühte, es natürlich wirken zu lassen.


    "Danke, Herr, das ist sehr freundlich von Euch, doch ich benötige nichts." Ihr Hals war trocken und in Wahrheit hätte sie ein Glas Wasser gebrauchen können, doch sie hatte nicht vor, sich eine Blöße vor dem Erzhexer zu geben. Sein steter Blick verriet ihr auch so, dass ihre Nervosität ihm nicht entgangen war. Mit Mühe zwang sie sich, sich zu entspannen. Schließlich war dies eine offizielle Einladung und sie hatte nichts von Melekh zu befürchten. Zumindest nahm Lessa das an.


    Doch tief im Inneren ließ sich ein Rest von leiser Furcht nicht niederringen, denn sie wusste noch immer nicht, was der Hexer von einer derart unbedeutenden Heilerin wollen mochte. Dass Melekh gefährlich war, sagten ihr nicht erst die Zeichen des Chaos an ihm, sondern vielmehr seine Austrahlung, ganz anders als die ihres alten Meisters, und doch ähnlich in gewisser Weise. Irgendwie glaubte sie nicht, dass der Hexer Zeit und Geduld für belanglose Gespräche verschwendete ...


    Der Scherz ließ kaum ihre Mundwinkel zucken, so angespannt war sie.


    "Heiler sind gelegentlich ein etwas überfürsorgliches Volk, das stimmt." sagte sie mit belegter Stimme. Was sie eigentlich sagen wollte war 'Warum zum Geier habt Ihr mich herbestellt, doch sicher nicht, um mit mir über Heilerangewohnheiten zu scherzen.', doch sie verbiss sich die Ungeduld mit Mühe. Sie hatte sich auf sein Territorium begeben, und hier herrschten seine Regeln. Sie hatte das von Anfang an gewusst und akzeptiert.


    Doch sie musste sich nicht verbiegen lassen. Sie hob den Kopf und begegnete seinem zwiefarbigen, kühlen Blick so ruhig und gelassen, wie sie konnte, eine Augenbraue fragend hochgezogen. Mochte er daraus lesen, was er wollte.

    Ob Drow, Hobbit oder Hochelb - Knochen und Blut haben sie alle, irgendwann schreien sie alle, und irgendwann sind sie alle still. Und dann kann ich endlich anfangen, richtig zu arbeiten.

  • Sein Lächeln wurde eine Spur breiter.


    "Wie ihr wünscht."
    Mit einer Handbewegung entlies er den Diener, der die Tür hinter sich zuzog. Nun waren sie allein im Raum.


    Der Hexer lehnte sich zurück.

    "Sicher fragt ihr euch, warum ich euch eingeladen habe. Nun, ich habe im Sommer einige Erfahrungen mit der Notwendigkeit der Heiler machen dürfen. Um ehrlich zu sein hätte ich darauf gut verzichten können, aber es war nur einmal so, dass einige mir nahestehnende Personen und auch ich eure Dienste benötigten, und ich habe erkannt wie überaus unentbehrlich euer Berufsstand in solchen Situationen ist. Ich möchte damit nicht andeuten, dass ich nicht vertraut damit wäre. Auch bei den Anhängern meines Glaubens gibt es Heiler oder ... ähnliches.
    Wahre Meister ihres Fachs, möchte ich meinen. Ich habe sie Dinge tun und Wunden heilen sehen, an denen viele gestorben wären. Es ist unglaublich was man leisten kann, wenn man aufgeschlossen durch die Welt geht."


    Er winkte ab.


    "Aber was erzähle ich euch das. So etwas wird euch sicherlich nicht interessieren."

  • Die Augenbraue zuckte kurz als ein Ausdruck leichter Überraschung über Lessas Gesicht huschte, doch gleich darauf hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Den Anhängern seines Glaubens? Als Melekh in seiner Einladung spezifisch Gorathiel und Uurquart genannt hatte, hatte sie automatisch angenommen, er wüsste ... oder war das nur wieder ein Spiel? Sie war diesbezüglich gewarnt worden, nicht speziell vor ihm, aber sie wusste, dass sowohl beim Chaos wie auch bei der Politik vieles sich um Spielzüge und Intrigen drehte.


    "Ich hatte bereits öfters das Vergnügen, mich mit dem Sammler und anderen Heilkundigen des Chaos austauschen zu dürfen." sagte sie unverbindlich. "Zu Eurer Einschätzung bezüglich der Bedeutung des Heilerberufes allgemein, als auch der exzellenten Leistungen der Chaosheiler kann ich Euch nur zustimmen. Doch sicher habt Ihr nichts anderes erwartet."


    Lessas Stimme war nun weit sicherer und hatte fast einen Hauch von Schärfe. Sie war sich sicher, dass jedes seiner Worte genau berechnet war. Die Frage war lediglich, wieviel er wusste und was genau er bezweckte.


    Es lag ihr auf der Zunge, Melekh herauszufordern, doch endlich gerade mit dem herauszurücken, was er eigentlich wollte, denn bis jetzt redetete der Hexer immer noch um den heißen Brei herum. Doch Lessa war sich auch bewusst, dass dies unhöflich gewesen wäre. Weder Geduld noch Diplomatie zählten zu ihren Stärken, doch das bedeutete nicht, dass sie dumm genug war, den Hexer bewusst zu verärgern. Lessa bemühte sich daher um eine zumindest ansatzweise diplomatische Antwort.


    "Eine offene Weltansicht finde ich mitnichten uninteressant, sondern vielmehr notwendig. Doch ist es wirklich Euer Bestreben, philosophische Ansichten mit mir zu diskutieren, oder wollt Ihr vielleicht auf etwas anderes hinaus?"


    Nicht gerade subtil, aber niemand hatte sie je subtil genannt.

    Ob Drow, Hobbit oder Hochelb - Knochen und Blut haben sie alle, irgendwann schreien sie alle, und irgendwann sind sie alle still. Und dann kann ich endlich anfangen, richtig zu arbeiten.

  • Er lies sich nicht herausfordern. "Hinaus? Ich will auf gar nicht hinaus." Er lächelte.


    "Ich plausche nur gern ein wenig." Er blickte ihr in die Augen.


    "Mich würde jedoch interessieren, was euch der Sammler über seine Heilkunst erzählt hat und was ihr darüber denkt. Und was ihr über die Ansichten anderer Heilkundiger Urquarts gehört habt."

    Er lehnte sich etwas vor.


    "Ich würde gerne verstehen, warum ihr diesen Beruf ausübt, was es ist, dass euch an diesem Beruf so fasziniert."

  • Lessa musste fast schmunzeln. Melekh ließ sich nicht von ihr von seinem angestrebten Gesprächstempo abbringen, soviel war klar. Nun gut. Irgendwann würde sie es schon noch erfahren.


    "Lasst mich überlegen. Es ist schon ein wenig her, dass ich mit dem Sammler selbst gesprochen habe. Dieses Jahr hatte ich hauptsächlich mit einem Heiler zu tun, der nicht direkt dem Chaos angehörig war, auch wenn er bei ihnen lagerte. Er nannte sich selbst einen ... Teufel, wenn ich mich recht erinnere."
    Sie dachte kurz nach.
    "Im großen und Ganzen scheinen Chaosheiler neuen Techniken und riskanten Methoden gegenüber aufgeschlossener zu sein als andere Heiler. Sie scheren sich weniger um Schmerzen oder um mögliche Nebenwirkungen, solange der Patient am Ende... funktionsfähig ist. " Bei diesen Worten schloß sie kurz die Augen und unterdrückte ein Schaudern, als die Narbe auf ihrem Rücken erneut zog und prickelte.


    "Warum ich spezifisch diesem Beruf nachgehe ist schnell erklärt. Ich hatte selbst das große Glück, in Selfiran von fähigen Heilern zusammengeflickt zu werden. Ich blieb als Heilerin dort, um meine Schuld zurückzuzahlen." Und weil sie nicht gewusst hatte, wo sie sonst hinsollte, aber das würde sie Melekh nicht auf die Nase binden. In Selfiran hatte sie nicht nur eine neue Heimat sondern auch eine Aufgabe gefunden.


    Merh als alles andere war es das, was sie nicht an das Chaos verlieren wollte.

    Ob Drow, Hobbit oder Hochelb - Knochen und Blut haben sie alle, irgendwann schreien sie alle, und irgendwann sind sie alle still. Und dann kann ich endlich anfangen, richtig zu arbeiten.

  • "Um ehrlich zu sein mag ich den Begriff Chaosheiler nicht. Er lässt mich fast so sehr schaudern, wie der Ausdruck Chaosmagier."


    Er lehnte sich wieder zurück.

    "Das Chaos ist mehr ein Sammelbegriff für diejenigen, die die einzelnen Strömungen nicht verstehen können oder verstehen wollen. Versteht ihr was ich sagen will? Es sind die Beweggründe die den Unterschied machen. Sich weniger um Schmerzen scheren... Ich weiß nicht ob es das richtig trifft. Womöglich ist es für die Anhänger Slaanesh tatsächlich so, dass sie aus den Leiden des Patienten Befriedigung ziehen, oder dem Patienten diese Verschaffen wollen. Womöglich ist es auc hbei einigen Barbarenstämmen des Nordens so, dass sie die "Funktionstüchtigkeit" wieder herstellen wollen. Aber es ist falsch zu glauben, dass das die Heilkünste des Chaos seinen. Es mag sein, dass Normalsterbliche diese Art als einzige wahrnehmen und mit dem Chaos verbinden, aber in Wirklichkeit ist es nicht so."


    Er machte eine kurze Pause.


    "Was glaubt ihr, treibt die Heiler an den großen Universitäten an, immer weiter zu forschen und neue Entdeckungen zu machen? Es ist nicht die Lust an Schmerzen, am Blutvergießen und solchen martialischen Dingen. Aber es ist auch zu naiv zu glauben, dass es einzig das Wohl der Patienten wäre. In früheren Zeiten mutmaßte man über Krankheiten, mussten Heiler im Verborgenen Leichen ausgraben um Wissen zu erlangen. Doch dieser Zwänge, diese moralischen Bedenken wurden durchbrochen. Das Zeitalter der Vernunft ist angebrochen. Heutzutage wissen die Gelehrten mehr über die Anatomie des Menschen als je zuvor, wusstet ihr das? Es ist das Erlangen von Wissen, der Drang zu Erkenntnis zu gelangen, der eigene Ehrgeiz der Menschen, verpackt in schöne Worte und Mitgefühl. Aber dazu muss man nun einmal Beschränkungen abschütteln und Hemmnissen durchbrechen."


    Er lachte leise. "Wenn doch die Menschheit das nur verstehen würde."

  • Interessiert hörte Lessa Meleks Ausführungen zu. Einiges konnte sie nachvollziehen, anderes erschien ihr weniger richtig,
    "Ihr habt recht, dass Chaosheiler, Chaosmagier und Chaos an sich bequeme Sammelbegriffe sind, die dem wahren Charakter oft nicht gerecht werden."
    Sie pausierte kurz und fügte dann bedeutsam hinzu:
    "Schließlich betrachte ich mich selbst auch nicht als Chaosheilerin, Slaneesh hin oder her."
    Was sollte das Drumherumgerede schließlich.
    "Vielleicht habe ich mich auch nicht deutlich genug ausgedrückt. Keineswegs glaube ich, dass sich Heiler die sich dem Chaos angehörig fühlen alleine durch eine größere Akzeptanz von Schmerzen und eine pragmatischere Einstellung auszeichnen. Vielmehr ist es neben vielem anderen genau dieser Drang zu forschen, den Ihr erwähnt, der mir bei ihnen besonders aufgefallen ist. Aber das lässt sich alles nicht mal eben kurz in zwei Sätzen zusammenfassen."
    Lessa dachte kurz nach, versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, und zu ergründen, was genau sie an Melekhs Worten störte.
    "Ein Zeitalter der Vernunft? Ich wünschte, ich könnte das genau so sehen. Doch wenn ich mir anschaue, was auf dem letzten und vorletzten Feldzug geschehen ist, wenn ich mir viele Siedler ansehe, Tivar'Karassil und andere, wenn ich daran denke, was bei der Weltenschmiede und bei der Hinrichtung von Argus geschah, dann glaube ich nicht an ein Zeitalter der Vernunft. Dann kommt es mir eher vor, als ob wir zurückfallen würden in ein Zeitalter von Dunkelheit, Angst und Verbohrtheit. Blindem Hass und blindem Gehorsam."
    Sie blickte Melekh fest an.
    "Ihr sprecht davon, dass Mitgefühl nur der schöne Schein ist und wir Beschränkungen abschütteln müssen? Ich stimme Euch zu. Allzuoft sind die noblen Worte leer und die Intentionen dahinter wenig edel. Und nur wer etwas riskiert, kann auch etwas gewinnen. Aber es steckt auch Gefahr in dieser Einstellung. Denn wer bestimmt, welche Grenzen durchbrochen werden müssen, und welche nicht? Wer steckt die neuen Grenzen ab? Moral und Ethik sind gesellschaftliche Konstrukte, wandelbar und nicht in Stein gemeißelt. Sie zu durchbrechen birgt jedoch genausoviel Potential wie Gefahr."

    Ob Drow, Hobbit oder Hochelb - Knochen und Blut haben sie alle, irgendwann schreien sie alle, und irgendwann sind sie alle still. Und dann kann ich endlich anfangen, richtig zu arbeiten.

    Edited once, last by Saffran ().

  • Der Magier lächelte zufrieden und nickte als sie Slaanesh erwähnte, zog jedoch die Augenbrauen zusammen, als sie über die Ereignisse des Sommers berichtete.
    "Mit Zeitalter der Vernunft meinte ich den Willen zu lernen, die Bereitschaft moralische Bedenken zu überwinden."


    Er machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand.


    "Zeitalter von Dunkelheit und Angst sagt ihr? Warum sollte das etwas Schlechtes sein? Es ist ein Wandel der durch das Land geht, der das Etablierte umstürzt und hinwegfegt. Und auch dieses Zeitalter wird vorbeigehen. ich sehe vielmehr Gelegenheiten und Möglichkeiten die sich auftun und die zu ergreifen die wir alle aufgefordert sind."


    Er lauscht ihren letzten Sätzen und schüttelte dann den Kopf.
    "Ich sehe keine Gefahren, höchstens für die zögerlichen und Zauderer. Wir sind es selbst, die für uns bestimmen, welche Grenzen wir uns auferlegen lassen, oder ob wir unser Potential ausschöpfen wollen ohne Einschränkungen zu unterliegen. Es gilt nicht neue Grenzen abzustecken, sondern die ultimative Freiheit zu erzielen. Streift eure moralischen Fessen ab, schöpft aus den Vollen eures Potentials. Werdet zu dem, was in euch steckt."


    Seine Augen zogen sich zusammen, und in seiner eignene sprunghaften Art wechselte er mit einem mal das Thema.
    "Sagt mir, was glaubt ihr, hat der dunkle Prinz in euch berührt? Kann er euch das geben nach dem ihr verlangt? Die Erfüllung in dem was ihr tut?"

  • Lessas Augenbrauen zogen sich zusammen, als sie über Melekhs Worte nachdachte. Sie verstand, was er sagen wollte, doch vollends zustimmen konnte sie ihm nicht. Im Gegenteil. Dies ging viel zu sehr in Richtungen, die ihre innersten Zweifel betrafen. Wenn man seinen Argumentation folgen wollte, dann war alles erlaubt, um die eigenen Ziele zu erreichen. Und genau das war es, was sie am Chaos - und an sich selbst - fürchtete. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte und dann überraschte der Hexer sie mit seiner Frage.
    "Was ...? Berührt?" Sie schüttelte den Kopf, unwillig. Hatte sie einen Fehler damit begangen, hierher zu kommen ...
    "Ich war verloren, und er war der erste, der mich fand." Sie entschied sich schließlich weiterhin für Ehrlichkeit.
    "Er gibt mir Dinge, von denen ich nie wusste, dass ich sie wollen würde. Er verändert mich. Und ich weiß nicht, ob mir das gefällt. "
    Sie holte tief Luft.
    "Erzhexer, ich versuche zu verstehen, was Ihr sagt, auch wenn es mir schwer fällt. Und vieles was Ihr sagt erscheint mir .. nicht falsch. Aber es klingt auch... gefährlich. Es gibt andere, die demselben Weg gefolgt sind, den Ihr hier vertretet. Andere, deren Weg sie zu furchtbaren Dingen geführt hat. Macht, Tod, Zerstörung. Wollt Ihr diese Dinge? Ultimative Freiheit bedeutet auch ultimative Verantwortungslosigkeit. Gibt es dann überhaupt noch etwas, das zählt? Wenn wir ultimativ frei sind, alles zu tun, dann ist nichts und niemand mehr sicher. Wer oder was wird Euch noch etwas bedeuten, wenn Ihr diesem Ziel folgt? Argus war nicht der abgrundtief böse Vernichter alles Lebens, als den ihn manche hinstellen. Seinen eigenen Worten zufolge kämpfte er für Freiheit von einer Abhängigkeit, der Abhängigkeit den Elementen gegenüber, die er als Versklavung empfand. Er wollte Freiheit und wohin ihn das geführt hat, das wissen wir beide, Ihr sicher noch besser als ich. Wollt Ihr wirklich der nächste Sharun'ar werden?"
    Die Frage war zwar provokant, doch ihr Tonfall war nicht herausfordernd oder anklagend sondern ruhig, fast sanft, dabei aber ehrlich fragend.

    Ob Drow, Hobbit oder Hochelb - Knochen und Blut haben sie alle, irgendwann schreien sie alle, und irgendwann sind sie alle still. Und dann kann ich endlich anfangen, richtig zu arbeiten.

  • Er nickte, als sie ihm über das Verlorensein erzählte.
    "Wenn man sich verläuft, ist es, als rufe man um Hilfe. Und manchmal wird dieser Ruf gehört, auch von denen, die uns nicht hätten hören sollen. Und wenn man Aufmerksamkeit auf sich zieht ist es fast unmöglich sie wieder zu verlieren."
    Er wirkte mit einme mal recht still und in sich gekehrt.


    "Ihr müsst wissen, dass ihr euch auf einem gefährlichen weg befindet. An eurer Rede höre ich, dass ihr voller Zweifel seid, nicht bereit euch vollends für das zu öffnen was vor euch liegt. Ihr sagt, ihr isst nicht, ob euch die Veränderungen in euch gefallen. Vielleicht befürchtet ihr, dass ihr euch verliert. Das Chaos hat nichts zu tun mit gut und böse, auch wenn euch das viele glauben machen wollen. Es bietet euch einfach Möglichkeiten, die anderen verschlossen bleiben. Viele nehmen diese Chancen frei an, suchen gerade zu nach diesen Wegen. Andere bemerken vielleicht gar nicht, auf welche Pfade sie sich begeben haben. Aber, ob bewusst oder unbewusst auf dem Weg des Chaos wandelnd, riskiert, sich als nicht stark genug für die Freiheit zu zeigen und daran zu zerbrechen. Schwächere werden sich in den niederen Emotionen verlieren, verwandeln sich in blutdürstige Bestien. Andere scheitern daran, sich ihrer inneren Zwänge zu entledigen, scheitern an den Grenzen in ihrem Kopf und verlieren sich im Wahnsinn."


    Er blickte sie fest an.

    "Es bietet sich euch hier eine Gelegenheit. Diese kann euch stärker machen und weiter bringen, als ihr je geglaubt hättet. Sie würde euch dazu bringen, euer Potential voll zu entfalten. Aber wenn ihr zögert, wenn ihr euch nicht sicher seid, moralische Bedenken habt und diese nicht überwinden könnt, dann seid sicher, dass ihr auf eure ultimative Vernichtung zustrebt. Und damit meine ich nicht nur eine rein körperliche."


    Für einen kurzen Augenblick blickte er sie mit zwei dunkelbraunen Augen an. "Es ist noch nicht zu spät."


    Dann verging der Moment. Die weiße Iris leuchtete hell als der Hexer lachte und sich erhob.

    "Der nächste Sharun'ar? Glaubt ihr denn, dass er wirklich frei war? Er war genauso in seinen Wünschen und Hoffnungen gefangen wie der geringste Bauer. Als abgrundtief bösen Vernichter sehe auch ich ihn nicht, wobei ich mit dem Konzept von Gut und Böse generell eher wenig anfangen kann. Und wenn es war ist, dass er nur für die Freiheit und gegen die Zwänge der Elemente kämpfte, dann ist sein Weg noch bedauerlicher und zeigt umso mehr auf, dass er moralischen Konventionen unterlag. Aber warum sollte ich danach streben einen Kontinent zu beherrschen?"
    Er schüttelte den Kopf.
    "Ämter und Würden sind nur wieder neue Bande die wir uns auferlegen. Und wer liegt in stärkeren Fesseln als der Herrscher eines Landes? Jeder Landstreicher ist freier."


    Er wies mit einer Handbewegung auf den Raum. "Glaubt ihr, mir läge etwas an Titeln? An den Zwängen die sich mit sich bringen? Aber machmal sind es Stationen, die auf unserem Weg liegen."


    Er trat ans Fenster, blickte hianus und drehte ihr den Rücken zu.
    "Ich strebe nicht nach dem was Argus im Sinn hatte. Aber ihr solltet euch fragen, was euer Weg ist, sonst werdet ihr zum Spielball anderer. Es war ein Vergnügen eure Bekanntschaft gemacht zu haben."