K´hris-me

  • Wann? Ca. 2 Wochen nach dem Konvent
    Wer? Alle, die sich in Sah´tubaah aufhalten bzw. in Kjona sind
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    Das Spitzohr hatte eine Woche der Heilung angekündigt - "um sich wieder an das Licht zu erinnern", wie sie gesagt hatte.
    Diejenigen, die sie noch aus ihrer Zeit der Initation kannten, wussten, dass damit Verschiedenes gemeint war. Emotionales wie auch eine ganz bestimmte Person.


    Naira hatte auf dem Konvent schon zu Beginn sehr viel Kraft aufgebracht, sich von den offiziellen Geschehnissen zurückzuhalten. Sie wollte sich selbst beweisen, dass sie sich auf eine einzelne Aufgabe konzentrieren konnte.
    Dass sie zur Gemeinschaft der Nordleute gehörte, auch zu den Uruks, und den Drow, aber dass sie sich dennoch nicht wie ein "Blatt im Wind" von den Ereignissen umhertreiben ließ!
    Sie hatte eine Aufgabe erhalten, und die würde sie - wie immer - zuverlässig zu Ende bringen!


    Und dann starb Creo. Sie war einfach weg.
    Naira hatte vor dem Gerichtshaus gewartet, aber der Schlamm war rutschig und die Menschen standen so nah um sie...
    Sie wollte nur etwas zu essen auftreiben und dann wiederkehren...
    Und dann war Creo schon tot.
    Verurteilt, weggegangen, tot.
    Sie war weg, ohne dass Naira gesehen hatte, was geschehen war.


    Von Anfang bis Ende war Naira nicht vorgelassen worden - durfte sie nicht erfahren, was geschah.
    Alles nur Berichte, und Tränen, und bleiernes Schweigen überall!
    Das war alles nicht wirklich. Das war falsch.
    Das war die falsche Welt, die falsche Geschichte!
    Jemand hatte sie ohne Naira erzählt, jemand, den sie nicht mehr fragen konnte.


    Die Aufgabe - die Aufgabe war alles, was zählte!
    Und Naira vollendete sie.



    Der Mond bewegte sich erneut über den Himmel. Es war Zeit, aus dem Dunkel aufzutauchen und das Licht der Sommernacht zu erbitten.
    Zeit für die Heilung, Zeit für Geschichten.

  • Naira trat aus der Haupthütte und ging die Stufen zu der Feuerstelle hinab. In der einen Hand trug sie eine hohe schlanke Flasche, die mit vielen kleinen Ranken und Steinen in Gold verziert war, in der anderen ein kugeliges Salbgefäß aus fast schwarz gebrannter Erde.


    Auf dem Tisch stand wie immer der Tee bereit, ein Laib Brot, Schinken, ein Teller mit großen Pilzen, der Becher mit den Würmern.

  • Kaa-Ash kehrte kurz nach Naira zur Feuerstelle zurück.


    Auf ihrem Arm krallte ein stolzer Adler sich in das Leder ihres Handschuhes.
    Das Tier war Naira bekannt.
    Es trug ein Dokumentenbehälter auf dem Rücken, doch der Inhalt von diesem ruhte nun in der Klaue der schwarz- violetten Uruk.


    Diese wartete geduldig ab, was Naira tun würde und wann das Spitzohr Zeit hätte ihr einen Augenblick zu schenken.

  • Naira setzte die Flasche ab und setzte sich. Sie hatten sich seit dem Konvent nicht gesehen, da Naira sofort an neue Arbeit gegangen war.
    Kaa-Ash hatte offenkundig Wichtiges mitgebracht.


    Sie musterte die Holunderbeerfarbige, während sie sich das Salbgefäß mit einer Lederschnur an das linke Handgelenk band.
    "Utgosh", fing sie an. "Was bringt Kaa-Ash?"

  • Kaa-Ash beobachtete , wie Naira sich auf etwas vorbereitete.
    Da es offenbar nicht wichtig war, dass sie davon wußte, fragte sie auch nicht nach.


    Nachdem Naira ihre Bindearbeiten beendet hatte, legte Kaa-Ash ihr das weißliche Leder vor, dass der Adler mit sich gebracht hatte.


    " Urootugosh Naira!
    Mahrukkaa ... "
    setzte sie an, dann merkte man jedoch, dass sie nicht wußte wie sie ihre Gedanken in Worte fassen sollte.


    "Etwas ist passiert und eok, es sorgt dafür das Dinge aus dem Gleichgewicht sind..das ist nicht gut!" dabei deutete sie auf das Leder.


    Und die Frage in den violetten Augen, was in Holzbrück passiert war. So weit hatten die Gerüchte und Nachrichten dann wohl doch noch nicht getragen.


    Würde Naira auf das Leder blicken, würde sie folgendes sehen ... (PN)

  • Das Spitzohr las, zunächst scheinbar äußerst interessiert. Dann begann sie die Stirn zu runzeln.
    Atmete durch, presste die Lippen aufeinander, während sie zu verstehen versuchte.


    Sie wechselte das Standbein, lehnte sich vor, in das Geschriebene hinein - war ganz dort, in dem Unbeschreiblichen, dem Unfassbaren - das nicht sein durfte!


    Schließlich ließ sie das Leder fallen, ballte die Fäuste - und dann brüllte das Spitzohr los, dass die Vögel in den Bäumen erschrocken aufflogen und einige Arbeiter in der Ferne der Felder fragend zu dem Gehöft blickten.

    "Nie und nimmer! Das kann doch nicht wahr sein! Sind denn plötzlich alle verrückt geworden?! Wie kann sie das nur zulassen! Niemals! Niemals! Und wenn ich sie mit meinen eigenen Händen umbringen muss! "

    Und einer der Sitzböcke flog polternd anderthalb Meter weit...


    "Noch einmal werde ich nicht zögern!", zischte Naira, wutentbrannt.
    "Sag mir, wo sie ist - wo sie sie 'betreuen', diese elenden Narren! !"
    Hätte die Sprache der Lethi nicht schon vor langer Zeit auf den Luxus von Kraftwörtern verzichtet, hätte Kaa-Ash heute eine vollständige Einführung darin erhalten. ..

  • Das war nicht neu....Naira ließ sich immer voll und ganz auf die Dinge ein - sie erfühlte sie mit mehr als nur den Augen und Händen, als würden ihre Sinne mehr sein.


    Die Nackenhaare stellten sich bei der Uruk auf, eine unsichtbare Wut lag in der Luft, veränderte den Geruch , breitete sich unkontrolliert stetig aus.


    Eine winzige Bewegung, das angetäuschte anducken, die Klauen bereit zuzuschlagen, steig das Grollen in der Kehle hoch.


    Aus Instinkt brüllte Kaa-Ash zeitverzögert ebenfalls los.


    Als wieder Stille eingekehrt war, wartete sie noch einen Moment.


    "Paolo´s Trutz" kam es dann knurrend.

  • "Najroim" bestätigte die Uruk und musterte Naira.


    "Was könnten eok dort tun? Versteht Naira die Worte dort?"fragte sie zögernd und deutete auf das Leder.


    "Erzählt Mahrukkaa eine Geschichte?"


    Sie hatte den Kopf leicht schief gelegt und schaute Naira scheinbar von unten herauf an durch diese Haltung.

  • "Dabru", lachte Naira höhnisch auf, setzte sich aber."Ich will dir sagen, was das für eine Geschichte ist!"

    Sie begann sich eine Schale mit Tee einzugießen, mehr um sich zu beruhigen als aus Durst.
    "Was hat Naira von den Uruks gelernt? Nun. Wenn Welpen weinen, weil ihr ganzer Stamm ausgelöscht wurde und sie allein zurückbleiben - dann schlägt man sie ins Gesicht, damit sie lernen, sich nicht zum Snagga zu machen! Keine Schwäche."


    Das Spitzohr nahm einen Schluck. Die Konzentration kam langsam zurück.
    "Männchen versprechen sich einem Weibchen, sind dann aber zu feige, sich im Kampf gegen den Kontrahenten zu beweisen.", sagte Naira in fast belehrendem Ton. "Stattdessen ergreifen sie die erstbeste Gelegenheit, sich einem höheren Männchen anzudienen, und gehen ohne Abschied davon...
    Männchen zeugen Welpen, auch wenn Weibchen das nicht wollen.
    Männchen stehen nicht als Erzeuger von Welpen ein, weder wenn das Weibchen sie nicht haben wollte, noch wenn das Weibchen sie haben wollte.
    Männchen wollen Dinge, auch verbotene, solange sie sie nicht haben.
    Wenn sie die Dinge haben, werden sie ihnen beschwerlich oder gefährlich und die Männchen geben die Dinge fort. Zum Beispiel einem Weibchen, das sich dann damit herumschlagen muss.
    Ein Männchen als Anführer ist solange Anführer, bis die Schlacht beginnt, danach kämpft es allein."

    Naira nickte schwer.
    "Deswegen führen Weibchen den Clan, denn bei den Männchen weiß man nie, wo sie sind - oder wann sie wiederkommen. Also...."

    Sie wartete einen Augenblick, doch Kaa-Ash konnte ihren Ausführungen sicher nur bedingt folgen.
    "...also ist es ganz und gar unsinnig, sich an ein Männchen zu hängen! Denn wenn man sich daran hängt, wird man weinen wie ein Welpe. Dann wird man schwach! Und jemand wird dir ins Gesicht schlagen!"

    Naira trank noch einen Schluck, obwohl ihr das Stillsitzen schwerfiel. Sie spürte den Zorn wieder aufwallen. So dumm, so dumm!!
    "Ein Weibchen, das schwach ist, kann sich selbst verlieren.", knirschte sie. "Sich selbst, seine Position, seinen Clan. Schlussendlich den Kopf! Deshalb lässt man NIE, NIE, NIE Schwäche von Anderen in einen hinein!"
    Sie stellte die Schale so heftig auf dem Tischchen ab, dass der Rest des Tees herausschwappte.


    "Da ist SCHWÄCHE in Mahrukkaa, etwas, das ihr den Zorn nimmt - die Kraft! Der Feind greift nach ihr, und sie ist in der Obhut von Menschen, die vermutlich ALLES tun, um ihr `beizustehen´. Pt!"
    Das Spitzohr sprang nun doch auf und fing an, unruhig hin und her zu laufen.
    "In Wahrheit aber nehmen sie ihr die Kraft! Denn sie haben ja solche ANGST vor ihrer Wut! Wut ist bööööööse.... Womöglich fangen sie sogar wieder mit ihren blöden Wasserzaubern an, um sie stillzumachen! Weil sie´s nicht aushalten, was in ihr vorgeht! Weil es nicht durchbrechen soll - zur anderen Seite!"
    Sie atmete schwer; die Erinnerungen ließen die dunkle Woge in ihr hochschwappen wie den Tee...
    "Womöglich legen sie sie auch einem dieser Priestermännchen an die Brust! Lassen ihn in sie hinein, damit er sie bezwingt!!"
    Noch ein Schemel flog durch die Gegend.
    "Und alles so kalt! So menschlich! Feige! Schwach! Sie machen sie zum Snagga!!", schrie die Lethi erneut aufgebracht.

  • Kaa-Ash hatte sich einfach auf dem Boden, wo sie gestanden hatte nieder gelassen und hörte Naira weiterhin mit schief gelegtem Kopf zu.
    Um ihre Hauer schürtze sie die Lippen,hier und da konnte man sehen, dass sie eine Augenbraue hob, weil sie etwas seltsam fand.


    Doch sie ließ Naira in Ruhe aussprechen, dannach schwieg sie einen Moment.


    " Und das ist die Geschichte, die Naira in diesem Leder sieht?" hakte die Uruk nach.
    Sie kratzte sich am Kinn.


    "Als na vor kurzem wieder hier her kam, da roch es nach vielen Dingen die passiert sind. Es wundert Vai, dass Mahrukka derlei auf Leder malt. Soetwas geschieht in den Reihen der Djschhabuk Maah dann, wenn wertvolle Ma´urat oder Obroks sterben oder die Maah´toch im Krieg gefallen ist und ihren Preis bezahlt hat....... Ist jemand gestorben auf diesem Konvent?"
    Das Wort Konvent war leicht gedehnt, denn auch wenn Kaa-Ash Allgemeinsprache sprach, so waren manche Worte ihr nicht geläufig.

  • Das Spitzohr schien einen Moment zu erschauern, nachdem Kaa-Ash geendet hatte.
    Unwillen überflog sie, vermengte sich mit der Woge, und fast hätte sie es zugelassen, dass sich ihre Gedanken fest hielten an jenem Augenblick - jenem Anblick, der ihr seit der Nacht von Creos Tod nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte...

    "Dabru!"
    , warf sie schließlich hin, "eine Obrok ist gegangen, die Maahtoch sein wollte aber es nicht werden durfte. Sie hat sich verteilt in den Seelen von einigen. Zuviel auf einmal. Sie war am Ende grõßer als die Maah, die sie eigentlich war. Zuviel Licht, es schmerzte."


    Naira spürte, wie sie über die eigenen Worte ruhiger wurde. Es war auszuhalten, solange sie nicht an. .. an den Löffel denken musste. ..

  • "Verteilt in den Seelen anderer? Ist das ..gut?" fragte Kaa-Ash vorsichtig nach.
    Man merkte, dass sie nicht ganz sicher war, was sie von dem erzählten halten sollte.


    "Na spricht von einer Maah...war es eine Uruk die ging?.... VAi kennt außer Mahrukkaa nur keine anderen Uruks, auf die na´s Beschreibung passen würde...und na war dabei als das alles passierte?"
    Jetzt war unterschwellige Neugierde da und Kaa-Ash setzte sich ein Stückchen näher an Naira heran, abwartend was diese weiter berichten würde.

  • Das Spitzohr zuckte die Schultern. "Kann gut sein, kann schlecht sein. Kommt drauf an, ob sie damit ihren Frieden mache- ob die Gegangene selbst damit einverstanden ist. Weißt du"
    Sie sah die Uruk mit hoch gezogenen Brauen an.
    "Naira konnte nicht dabei sein, als Creo - eine Najor - starb. Aber sie war vorher sehr mit ihr verbunden. Hat den Brustkorb gefühlt und ihr auk vergossen! Naira hat der Najor den Brustkorb verändert - in der Weise, wie Naira denkt und fühlt. Es kann sein, dass die Creo... zornig war, als sie ins Dunkel ging und die Sterne aus ihrem Brustkorb auf die anderen verteilte... und das ist nicht... Es kann die anderen schwach machen, verstehst du? Zuviel Zorn, zuviel Schmerz. Es ist unnatürlich und schwach, den Kreislauf zu bedauern, und ihn so zu behindern! Sie kann nicht zurück kehren, wenn man sie nicht gehen lässt!"

  • Kaa-Ash sah deutlich überfordert aus.


    "Eok , ein Wesen das Tod ist, dass kann doch keinen Frieden mehr machen....Atani, wie soll das gehen? Und welche Sterne genau soll sie verteilt haben? Durch Blut? Sie müssen ihren Kopf dann aber wirklich ungeschickt abgeschlagen haben!! Es sei denn sie haben alle ihr auk getrunken...weil sie so stark war?"


    Dann erst dämmerte ihr , welchen Namen da aira genannt hatte.
    "Na meint Creo? Creo Canis....die Maah´toch der Shynal???...Meinte Mahrukkaa das vielleicht damit....?"
    Jetzt schaute Kaa-Ash wie ein Najroim-Kind, dem man einen Apfel geklaut hatte.....deutet aber trotzdem auf das Leder. DAs Naira da das in den Händen hielt, was bei Creo´s Hinrichtung passiert sein könnte.


    "Diese Najor behindern also die Wege der Götter...wie dumm. Aber wieso das? Ich dachte immer, die Najorim respektieren Creo"

  • "Dabru, sie haben Creo verurteilt - sie sollte lebendig weggehen aus Mythodea - oder tot hierbleiben. Sie hat sich entschlossen, hierzubleiben.", sagte Naira fest.


    Sie betrachtete das kleine dunkle Gefäß, das sie eben mitgebracht hatte und das soviel von dem enthielt, worum es hier ging...
    "Najorim können von einem Element erfüllt werden, über ihre Seele. Kleine Seele - große Seele. Mensch - Land. Leben und Tod - Immer-Sein. Stern - Woge. Creo war schon fast mehr große Seele als kleine Seele, als sie starb. Mehr die Elemente, das Land. Das kann nicht zurück in den Kreislauf wie die kleine Seele. Das löst sich auf in die Welt. Überall ist die große Seele--"
    Das Spitzohr beschrieb einen vagen Halbkreis vor der mittagsstillen Landschaft.
    "--und wer darin ist, kann davon berührt werden. Gefühle sind in der großen Seele, Stimmen... können in die kleinen Seelen eingreifen - wenn sie nicht ohnehin miteinander verbunden sind. Alle, die sich berühren ließen, können einen Teil davon haben. Nicht den Teil von Creos kleiner Seele. Sondern von der großen. Das, was Naira in Creo gegeben hat - den Gedanken vom Immer-Sein. Das den Tod des Lebens überdauert."

  • "Dabru!", nickte die Lethi fest. Sie würde schon einen Weg finden, ihrer Maah aus dieser elenden Schwäche zu helfen!


    Sie ahnte noch nicht, dass es länger dauern würde als geplant, Mahrukkaa wiederzusehen... und dass sie selbst, Naira, auf ganz andere Weise nicht mehr dieselbe sein würde...